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Veröffentlicht am 26.03.2021

Der unvergessliche Sommer eines 16-Jährigen zu Beginn der 1980er - einfühlsam erzählt

Der große Sommer
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Ewald Arenz schreibt in seinem Roman „Der große Sommer“ über eine Zeit unserer Jugend, die viele von uns kennen, zu denen ich mich zähle, und die verbunden ist mit den Ferien der wärmsten Jahreszeit in ...

Ewald Arenz schreibt in seinem Roman „Der große Sommer“ über eine Zeit unserer Jugend, die viele von uns kennen, zu denen ich mich zähle, und die verbunden ist mit den Ferien der wärmsten Jahreszeit in unseren Gefilden. Es ist der Sommer, in dem unsere Gefühle wie in einem Knäuel verwirrt scheinen, das wir stückweise aufdröseln müssen und dabei einen weiten Schritt vom Kind zum Erwachsenen gehen. Die Erinnerungen des Protagonisten Frieder an diesen Sommer sind verknüpft mit manchem Freibadabenteuer und dem Wagemut von immer weiter oben vom Turm aus zu springen und tief einzutauchen, genauso wie in die neue Welt die sich dem Adoleszenten öffnet.

Frieder, der Ich-Erzähler der Geschichte, streift über den Friedhof seiner Heimat, auf der Suche nach einem Grab, was bei mir die Neugier weckte zu erfahren, wer dort wohl beerdigt liegt. Immer noch wohnt Frieder vor Ort, dort wo er mit fünf Geschwistern aufgewachsen ist. Bei seiner Suche schweifen seine Gedanken zurück an den Sommer, als er 16 Jahre alt war und aufgrund seiner schulischen Defizite nicht mit der Familie in Urlaub fahren durfte, sondern zur Vorbereitung auf die Nachprüfung bei seiner geliebten Großmutter und ihrem Mann, dem unbeliebten Stiefvater der Mutter bleiben musste.

Was zunächst auf Frieder wie ein Desaster wirkt, werden Wochen voller Emotionen, geprägt von Liebe, Freundschaft, Zusammenhalt, Angst, Unverständnis, das zunehmende Begreifen schwieriger Gemütslagen und das allmähliche Aufbringen von Verständnis für andere Meinungen. An seiner Seite sind seine jüngere Schwester Alma, sein bester Freund Johann und Beate, die er unter besonderen Umständen im Freibad kennenlernt.

Es machte mir Freude, mich von Frieder in den Sommer Anfang der 1980er Jahre mitnehmen zu lassen und mich an die damaligen Gegebenheiten in Bezug auf Technik, Kultur und den Umgang miteinander zu erinnern. Der Autor ließ mich an der Seite seines Protagonisten zeitlich noch weiter zurückgehen bis zu den Anfängen der Liebe von Frieders Großmutter. Einerseits ist in diesem Kontext zu begreifen, warum dieser seinen Großvater als Kind lange siezen musste, andererseits möchte Frieder aus diesem Verständnis heraus für sich Schlüsse ziehen im richtigen Umgang mit seinen aufkeimenden Gefühlen für Beate. Schnell merkt er, dass seine bisherige spontane, unbefangene und unbeholfene Art verletzend sein kann. In diesem für ihn großen Sommer lernt er einiges über sein Einfühlungsvermögen, entwickelt Ambiguitätstoleranz und behält sich seinen offenen und weiten Blick in die Welt. Seine Ansichten zu Fragen, wie sie ihn im Alltag begleiten, festigen sich auch durch die Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen und dem Einblick in andere Familien wie beispielsweise die seines Freunds Johann, die finanziell deutlich besser abgesichert ist wie seine eigene.

Ewald Arenz hat mit „Der große Sommer“ einen einfühlsamen Roman geschrieben, der mich Zurückerinnern ließ an meine eigene Jugend. Der Autor hat persönliche Erfahrungen in seine Geschichte einfließen lassen, die auch gerade deshalb authentisch wirkt. Ich konnte darin am Auf und Ab der Gefühle des 16-jährigen Frieder teilzuhaben, der an der Seite seiner Freunde einen unvergleichbaren und unvergesslichen Sommer zu Beginn der 1980er Jahre erlebte. Gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 26.03.2021

Abwechslungsreich gestalteter Roman mit hohem Unterhaltungswert aufgrund vieler Familiengeheimnisse

Die vier Gezeiten
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In ihrem Roman „Die vier Gezeiten“ erzählt Anne Prettin eine Familiengeschichte, bei der sie vor allem die weiblichen Mitglieder der Familien Lock und Kießling, auf Juist wohnend, über vier Generationen ...

In ihrem Roman „Die vier Gezeiten“ erzählt Anne Prettin eine Familiengeschichte, bei der sie vor allem die weiblichen Mitglieder der Familien Lock und Kießling, auf Juist wohnend, über vier Generationen hinweg in den Fokus stellt. In die Vorbereitungen zur großen Feststunde in 2008 aus Anlass der Verleihung des Verdienstordens, den Dr. Eduard Kießling erhalten soll, platzt Helen, die in Neuseeland beheimatet ist und nun behauptet, zur Familie zu gehören. Eduards Frau Adda, seine Schwiegermutter Johanne und seine anwesenden Töchter sind ratlos, erstaunt und reagieren zunächst eher ablehnend. Doch die Ähnlichkeit zwischen Helen und Adda lässt kaum Zweifel an der Verwandtschaft aufkommen. Helen verfolgt hartnäckig ihre Mission, ihre leibliche Mutter zu finden und wird von den Familienmitgliedern mit unterschiedlichem Interesse und Anteil dabei unterstützt.

Gleich im Prolog las ich von einem Unglück, dass sich für die Familie im Jahr 1978 anbahnt und die in Bezug auf die Covergestaltung steht. Der Titel des Romans ergibt sich aus den verschiedenen Charakteren der vier Töchter von Adda und erklärt sich dadurch, dass die Älteste und die Jüngste bei Flut geboren wurden und unruhig und aufgeregt in ihrem Leben nach ständiger Veränderung streben. Demgegenüber fand die Geburt der beiden mittleren Frauen bei Ebbe statt und sie sind im Vergleich zu ihren Schwestern deutlich ruhiger, zwar selbstbewusst, aber eher bereit sich anzupassen. Die vier Töchter haben es nicht leicht, ihren eigenen Vorstellungen vom Leben nachzugehen und diese gegen die Meinung ihres Vaters durchzusetzen. Demgegenüber ist es einfacher, ihre Mutter auf ihre Seite zu ziehen. Adda hat wiederum eine ganz andere Erziehung genossen. Ihr Vater ist früh verstorben und ihre Mutter Johanne hat ihre Ansichten, eine rechtschaffene Tochter großzuziehen, mit einer gewissen Härte umgesetzt.

Vor dem Hintergrund, dass Juist überschaubar ist und die Bewohner sich gegenseitig fast alle gut kennen, zeigt die Familie nach außen hin ein freundliches Miteinander. Hinter der Fassade aber schwelt der Ärger übereinander wegen etlichen Streitigkeiten aus der Vergangenheit. Jedes Familienmitglied hat etwas zu verbergen, was die Geschichte sehr komplex gestaltet bei der Aufdeckung des Verschwiegenen. Anne Prettin springt dabei über mehrere Zeitstufen und bindet einen Teil der tatsächlichen historischen Geschichte Juists mit ein. Sie thematisiert die Besonderheit der Schule am Meer, den Umgang mit der jüdischen Bevölkerung auf der Insel unter der nationalsozialistischen Regierung und die Auswirkungen des Klimawandels auf das Wattenmeer. Es ist aber auch die Geschichte des Tourismus auf dem Eiland und die politische Macht und die Bedeutung, die man erhalten kann, wenn man sich vor Ort dafür einsetzt.

Hinter jedem Familienmitglied wartet ein eigenes kleines Geheimnis, das manchmal mit einem anderen ineinanderfließt und meist für bestimmte, nicht immer gewünschte Folgen gesorgt hat. Ich fand es nicht immer einfach, die wechselnden Szenerien in Einklang zu bringen. Anne Prettin flechtet dabei die Vor- und Nachteile der Insellage mit ein, die einerseits einengt, andererseits aber auch Schutz und Zusammenhalt bietet.

„Die vier Gezeiten“ von Anne Prettin ist ein abwechslungsreich gestalteter Roman mit hohem Unterhaltungswert, der sich vor allem durch die vielen kleinen Geheimnisse über vier Generationen hinweg ergibt. Wirken die Mitglieder der Familie zunächst noch wenig nahbar, so war ihre je eigene Geschichte mit der nach und nach die Heimlichkeiten aufgedeckt wurden, bewegend und berührend. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

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Veröffentlicht am 25.03.2021

Hält die Spannung bis zum Schluss und wartet mit einer unerwarteten Wendung auf

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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In ihrem Thriller „Der Countdown-Killer“ lässt die US-Amerikanerin Amy Suiter Clarke die investigative Podcasterin Elle Castillo gemeinsam mit der Kriminalpolizei in Minneapolis ermitteln. Der Untertitel ...

In ihrem Thriller „Der Countdown-Killer“ lässt die US-Amerikanerin Amy Suiter Clarke die investigative Podcasterin Elle Castillo gemeinsam mit der Kriminalpolizei in Minneapolis ermitteln. Der Untertitel „Nur du kannst ihn finden“ bezieht sich darauf, dass Elle durch die Reichweite des Podcasts auf Hinweise ihrer im ganzen Land verstreut sitzenden Zuhörer zurückgreifen kann. Allerdings gibt es auch noch einen weiteren Grund für ihre besondere Befähigung, den Täter zu finden, der sich dem Leser erst im Laufe der Geschichte erschließt.

Ende 2019 greift Elle in ihrem Podcast, den sie seit etwa einem Jahr betreibt, einen Cold Case auf, der durch besondere Grausamkeit auffällt. Der sogenannte Countdown-Killer tötete vor zwanzig Jahren mehrfach nach einem bestimmten Schema. Dabei entführte er innerhalb von wenigen Tagen immer drei Frauen, von denen jede in der Reihe ein Jahr jünger als die vorige war. Die Vorliebe des Täters für die Zahlen 21, 7 und 3 fällt bei den Ermittlungen auf und die Frage steht im Raum, ob die 20-jährige, die zuerst ermordet aufgefunden wurde wirklich das erste Opfer war. Nachdem ihm eine 11-jährige entkommen konnte, brach die Mordserie ab, es wird angenommen, dass der Täter verstorben ist. Aktuell geschieht wieder ein Mord auf ähnliche Weise wie die alten Fälle. Um weitere Morde zu verhindern, versucht Elle der Kriminalpolizei bei den Ermittlungen zu helfen und kommt dem aktuellen Täter immer näher.

Dadurch, dass die Autorin Podcastfolgen verschriftlicht in den Thriller einfügt konnte ich als Leser mich in die Lage der Zuhörer versetzen, die den Ausführungen von Elle folgen. Sehr geschickt setzt Amy Suiter Clarke den spannenden Folgen zunächst ein ganz normales Alltagsleben ihrer Protagonisten gegenüber. Das Vorstellen des Schemas im Podcast, wie der Täter vorgeht, und die Tatsache, dass es in Elles unmittelbarer Umgebung eine ihr sehr lieb gewordene Zehnjährige gibt, ließen mich schon bald hoffen und bangen.

Elle hat Kinderpsychologie studiert und für das Jugendamt gearbeitet, daher hat sie noch frühere Kontakt zur Kripo. Sie ist eine im Leben gefestigte Persönlichkeit, die von ihrem Ehemann in ihrem Handeln unterstützt wird. Von Beginn an war eine besondere Verbundenheit von Elle zum Fall des Countdown-Killers zu spüren.

Die Autorin hat die zwiespältigen Gefühle der journalistischen Arbeit von Elle gut herausgearbeitet. Obwohl ihr Podcast auch Kritiken erhält und sie durch die sozialen Medien persönlich angegriffen wird, habe ich Elle die Einstellung abgenommen, dass sie mit dem Podcast tatsächlich zur Aufklärung von Verbrechen beitragen und nicht allein ihre eigene Bekanntheit durch die Sensationslust der Zuhörer steigern möchte.

Mit dem manchmal zu Elle ruppigen Detective Sam Hyde und Commander Ayaan Bishar, mit der Elle seit einigen Jahren auch befreundet ist und schon mehrfach zusammengearbeitet hat, stehen zwei interessante Figuren, die ihren eigenen Ermittlungsstil haben, an der Seite der Podcasterin.

Der Thriller „Der Countdown-Killer“ von Amy Suiter Clarke hält die Spannung dank der cleveren Konstruktion bis zum Ende und wartet dann nochmal mit einer überraschenden Wendung auf, die zu dem besorgten Gefühl passte, welches ich beim Lesen in Bezug auf Elles Vergangenheit gespürt habe. Gerne empfehle ich das Buch an Thriller-Fans weiter.

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Veröffentlicht am 25.03.2021

Inseln - Rückzugsorte in vielen Facetten

Inseln
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Im Buch „Inseln – Die Kartierung einer Sehnsucht“ geht der in Schottland geborene Autor Gavin Francis einer Leidenschaft nach, die ihn seit Kindertagen begleitet. Er sucht nach einsamen Inseln auf der ...

Im Buch „Inseln – Die Kartierung einer Sehnsucht“ geht der in Schottland geborene Autor Gavin Francis einer Leidenschaft nach, die ihn seit Kindertagen begleitet. Er sucht nach einsamen Inseln auf der ganzen Welt, von denen er viele schon bereist hat. Begonnen hat sein Hobby in einer Bibliothek seiner Heimat, die seine Faszination für alte Landkarten weckte.

Als junger praktischer Arzt erhoffte er sich in der Abgeschiedenheit eines wenig frequentierten Eilands, dass er dort einen Rückzugsort findet, an dem er seine Gedanken von allen negativen Erfahrungen der Vergangenheit lösen und wieder frei bekommen kann. Schnell erkennt er, dass mit der Isolation auch die Verbindungen zu Freunden, Beruf und allen Annehmlichkeiten des Lebens gekappt werden. Daher versucht er auf immer neuen Wegen, beides in seinem Leben zu vereinbaren.

Das Buch besteht aus mehreren Kapiteln in denen Gavin Francis eine Einteilung der einsamen Inseln versucht beispielsweise indem er sie gliedert in Inseln, die in Büchern Eingang gefunden haben, Inseln, die Naturschätze bergen, die als Gefängnis dienen oder auch solche, die für den Autor eine ganz besondere persönliche Bedeutung haben. Diese Unterteilung ist nicht abschließen und einige Inseln wären sicher auch an anderer Stelle aufzuführen, denn beim Lesen wurde mir bewusst, dass es unzählige solcher Eilande gibt. Dabei sucht der Autor nicht nur nach Inseln im Meer, sondern auch in Flüssen und Seen und benennt auch hier und dort solche, mit denen man in diesem Buch vielleicht nicht gerechnet hat.

Bereits das wunderschöne Cover mit Goldprägung verführt dazu, das Buch in die Hand zu nehmen. Auf den folgenden Seiten erzählt Gavin Francis nicht nur seine eigenen Reisen und Erfahrungen zu den von ihm besuchten Inseln, sondern widmet sich ebenfalls philosophischen Gedankengängen über die heutigen und ehemaligen unterschiedlichen Bedeutungen von Abgeschiedenheit und der Suche des Menschen nach Nähe zu anderen. Außerdem überdenkt er den heutigen Einfluss der Medien auf die Möglichkeiten des eigenen Rückzugs.

Seinen Schilderungen und Gedankengängen gegenüber steht jeweils eine Karte, meist historisch und immer passend. Dazu finden sich im Anhang selbstverständlich die Quellen und Bildnachweise. Die Karten haben mich häufiger dazu angeregt, nach weiteren Informationen über die gezeigte Insel im Internet zu suchen, um noch mehr über die Landschaft und etwaige Bewohner zu erfahren.

Gerne bin ich Gavin Francis rund um die Welt auf der Suche nach einsamen Inseln gefolgt und habe bewundert, welchen Einsatz er dazu oft leistet, um die Eilande zu besuchen. Für sein Wohlbefinden wägt er dabei die meist unumgängliche Isolation durch die Insellagen gegen das ebenfalls beglückende Miteinander im Leben ab. Ich empfehle das Buch daher gerne weiter an diejenigen, die gedanklich gerne reisen.

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Veröffentlicht am 25.03.2021

Die "Wunderfrauen" in den 1960er Jahren - mit ungebrochenem Willen sich selbst zu behaupten

Die Wunderfrauen
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„Die Wunderfrauen – von allem nur das Beste“ ist der zweite Band einer Romantrilogie von Stephanie Schuster bei der die vier Frauen Luise, Marie, Helga und Annabel, die im oberbayrischen Starnberg oder ...

„Die Wunderfrauen – von allem nur das Beste“ ist der zweite Band einer Romantrilogie von Stephanie Schuster bei der die vier Frauen Luise, Marie, Helga und Annabel, die im oberbayrischen Starnberg oder in der Nähe leben, im Mittelpunkt stehen. Nachdem der erste Teil in den 1950er Jahren spielt, ist die vorliegende Handlung zu Beginn der 1960er Jahre angesiedelt. Der vorliegende Band kann auch unabhängig von der Kenntnis des ersten gelesen werden, was aber schade wäre, weil man dann interessante Details aus der Vergangenheit der Frauen verpasst.

Der Prolog macht neugierig auf das, was die Vier im Folgenden erleben werden und welche Antwort es darauf geben wird, warum Helga gerade im Gefängnis festsitzt. Ganz sicher ist aber, dass die Freundschaft die Jahre überdauert hat, denn die Freundinnen und ihre Kinder setzen sich füreinander ein. Für jede von ihnen hat sich auf eine bestimmte Weise erfüllt, so zu leben wie gewünscht und auch weiterhin streben die Freundinnen nach Selbstverwirklichung auf ihre je eigene Art. Dabei entwickeln sie sich weiter, nicht immer habe ich ihr Handeln gutgeheißen, aber dennoch blieben sie mir sympathisch.

Luise, inzwischen Mitte 30, ist weiterhin erfolgreich mit ihrem Gemischtwarenladen, während Marie gelernt hat ein bäuerliches Anwesen neben der Erziehung ihrer drei Kinder zu bewirtschaften. Für Helga ist der Wunsch, Ärztin zu werden, Wirklichkeit geworden. Eine Anstellung an der Starnberger Seeklinik ermöglicht es ihr, sich weitgehend selbst um die Erziehung ihres Sohns zu kümmern. Annabel ist im fortgeschrittenen Alter nochmal schwanger und freut sich sehr auf ihr zweites Kind.

Auch im zweiten Band räumen die Frauen viele Steine zur Seite, die ihnen im übertragenen Sinn in den Weg gelegt werden. Es ist eine Zeit, in der Frauen verstärkt für Gleichberechtigung eintreten. Die Einführung der Antibabypille ist dabei ein Meilenstein zur Selbstbestimmtheit. Auch in der Klinik ist neuer Wind zu spüren und Helga ist gerne bereit, ihre Tätigkeit entsprechend danach auszurichten.

Luise hält in ihrem Ladenkunde-Buch, wie bereits im ersten Teil der Trilogie, eine bunte Mischung an Fakten und Anekdoten fest, auch Rezepte sind dabei. Dadurch wird die Widergabe des Zeitgeists, der sich schon in der Geschichte vor allem in Form der gängigen Musik unter Hervorheben des Trends zum Rock’n’Roll-Tanzen widerspiegelt, nochmals verstärkt. Das Angebot ständig neuer Produkte und die Präsentation der Artikel in modernen Supermärkten mit Selbstbedienung bringt die Ladenbesitzerin zum Grübeln. Sie erkennt die Vor- und Nachteile einer solchen Einkaufsmöglichkeit und ihr wird klar, dass sie ihren eigenen Verkaufsstil daran anpassen muss. Weitere damals aktuelle Themen, von denen die Figuren mittel- oder unmittelbar betroffen sind, finden Eingang in die Erzählung und sorgen für eine Bereicherung des Geschehens, dazu gehörten ein medizinischer Skandal, die Flurbereinigung, Frauen am Steuer und der erste Mensch im All.

Im zweiten Teil der Trilogie über ihre „Wunderfrauen“ Luise, Annabel, Helga und Marie baut Stephanie Schuster die Stärken der Freundinnen aus und zeigt ihren ungebrochenen Willen sich selbst auf ihre jeweils eigene Weise zu behaupten. Der Roman endet mit einem Cliffhanger, der mich und bestimmt viele andere ungeduldig auf die Fortsetzung warten lässt, daher vergebe ich gerne eine Leseempfehlung.

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