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Veröffentlicht am 13.10.2023

Lässt Geschichte lebendig werden

Die Waffen des Lichts
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Mit seinem Roman „Die Waffen des Lichts“ kehrt Ken Follett nach Kingsbridge zurück, dem von ihm für sein Bestsellerbuch „Die Säulen der Erde“ erdachten Ort im Süden Englands. Es ist bereits der fünfte ...

Mit seinem Roman „Die Waffen des Lichts“ kehrt Ken Follett nach Kingsbridge zurück, dem von ihm für sein Bestsellerbuch „Die Säulen der Erde“ erdachten Ort im Süden Englands. Es ist bereits der fünfte Band der Reihe, der aber unabhängig von den anderen gelesen werden kann. Bei einigen Gelegenheiten nimmt der Autor Bezug auf vergangene Ereignisse in Kingsbridge, an die man sich als Lesender mit Vorwissen gerne erinnert.

Die Handlung von „Die Waffen des Lichts“ spielt im Zeitraum 1792 bis 1824. In diesem Zeitraum schaut in England der Adel mit Besorgnis auf die Revolution in Frankreich und ihre Folgen und fragt sich, ob ein solcher Umschwung auch bei ihnen möglich wäre. Daher versucht die Aristokratie mit entsprechenden Gesetzen ein Aufbegehren der niedrigeren Stände zu verhindern. Währenddessen beginnen Maschinen die Handwerker nicht nur zu unterstützen, sondern sie auch zu ersetzen. In Kingsbridge ist davon auch der Berufsstand der Spinner und Weber betroffen.

Nachdem ihr Mann durch einen Unglücksfall zu Tode gekommen ist und sie gegen die Obrigkeit aufbegehrt hat, verschlägt es die Spinnerin Sal vom Land nach Kingsbridge. Bereits ihr sechsjähriger Sohn Kit hilft ihr dabei, eine innovative Spinnmaschine zu bedienen, damit sie von dem Verdienst leben können. Der junge Tuchhändler Amos übernimmt nach dem plötzlichen Tod seines Vaters dessen marodes Geschäft und bemüht sich darum seine Arbeiter(innen) fair zu behandeln und dennoch das Unternehmen zu sanieren. Elsie, die Tochter des anglikanischen Bischofs von Kingsbridge, buhlt um die Liebe von Amos, der sich der erstarkenden methodistischen Religion zugewendet hat. Außerdem liegt ihr die Gründung einer Sonntagsschule am Herzen, um auch den ärmsten Kindern ein Mindestmaß an Bildung zukommen zu lassen.

Wie man es von Ken Follett gewohnt ist, setzt er seinen Figuren, die rechtschaffene Ziele haben, einige Widersacher entgegen. Meistens handelt es sich dabei um Personen mit Rang und Namen, die ihre Macht gegenüber ihren Untergebenen geltend machen. Allerdings kann sich England schließlich nicht den Umwälzungen auf dem europäischen Kontinent entziehen und greift in das Kriegsgeschehen ein, von dem im Laufe der Zeit sämtliche Protagonist(inn)en betroffen sind.

Der Autor erzählt das Geschehen in chronologischer Reihenfolge. Die Handlungsstränge um verschiedene Figurengruppen laufen parallel, kreuzen sich aber gelegentlich und spielen ineinander über. Mit dem Unfall zu Beginn des Buchs verdeutlicht er die herrschenden Klassenunterschiede in der Gesellschaft und Sal konnte meine Sympathie gewinnen. Danach hoffte und bangte ich über Höhen und Rückschläge hinweg, dass sie für sich und ihren Sohn das angestrebte Ziel erreichen wird, in der sie nicht mehr täglich um das Stillen ihres Hungers kämpfen muss.

Immer wieder führte Ken Follett mir beispielhaft vor Augen wie vor zweihundert Jahren die untere Gesellschaftsschicht durch eine entsprechende Gesetzgebung niedrig gehalten wurde. Seine Ausführungen enden teilweise mit drakonischen Strafen, die leider der harten Realität entsprechen. Dagegen wehren sich seine Hauptfiguren im Rahmen ihrer Möglichkeiten, was sie aus der Menge ihrer Mitbürger(innen) herausstechen lässt. Über die Jahre hinweg lernen die Protagonist(inn)en aus ihren Erfahrungen und passen sich an neue Gegebenheiten an.

Wieder einmal zeigt Ken Follett in seinem Roman „Die Waffen des Lichts“, dass er ein brillanter Unterhalter ist, dem es gelingt, politisch weltbewegende Ereignisse auf kleinem Raum in der fiktiven Stadt Kingsbridge widerzuspiegeln. Durch das Kreieren interessanter Figuren und abwechslungsreich gestalteter Handlungen lässt er Geschichte lebendig werden. Sehr gerne empfehle ich das Buch an Lesende historischer Romane weiter.

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Veröffentlicht am 09.10.2023

Kann die Rekonstruktion eines Mordes nach 20 Jahren noch die Wahrheit ans Licht bringen?

Ich hätte da ein paar Fragen an Sie
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Bodie Kane, die Protagonistin im Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ von Rebecca Makkai, hatte eine Mitschülerin, die vor über zwanzig Jahren an der gemeinsam besuchten Schule ermordet wurde. Inzwischen ...

Bodie Kane, die Protagonistin im Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ von Rebecca Makkai, hatte eine Mitschülerin, die vor über zwanzig Jahren an der gemeinsam besuchten Schule ermordet wurde. Inzwischen betreibt die Medienwissenschaftlerin gemeinsam mit einem Co-Moderator einen Podcast über die Geschichte von Frauen im Film. Recherchetätigkeiten sind ihr deshalb vertraut und sie ist sich sicher, dass bei der Aufklärung des damaligen Mordfalls nicht alle Details geklärt wurden. Sie hinterfragt auch ihre eigene Rolle bei den Befragungen im Umfeld des Opfers nach der Tat, denn eventuell hat sie durch ihre Aussage die Ermittlungen in eine falsche Richtung getrieben.

Ein Video über den Mordfall, das Bodie vor wenigen Jahren zugeschickt wurde, weckt längst vergessen geglaubte Erinnerungen in ihr und ihre Zweifel daran, dass damals der richtige Täter verurteilt wurde, werden hochgespült. Sie nimmt ein Angebot an, über zwei Wochen hinweg als Dozentin einen Kurs über das Podcasten am Grandy College abzuhalten, dem Internat in New Hampshire, das sie vier Jahre lang besucht hat. Sie beabsichtigt zwar nicht, die Ermordung anzusprechen, aber sie schleicht sich in ihre Themenvorschläge hinein. Als sie sieht, wie eifrig ihre Schüler(innen) sich dem Thema widmen, erhofft sie sich, dass deren Betrachtung des Falls vielleicht Einzelheiten zu Tage bringen, die damals nicht beachtet wurden.

Das Geschehen, sowohl in der Gegenwart wie auch die Begebenheiten in der Vergangenheit, schildert Bodie als Ich-Erzählerin. Sie wendet sich mit ihren Schilderungen an einen ehemaligen Lehrer, den sie zwischenzeitlich auch direkt anspricht. Mit seinem Verhalten hat er damals ihr Misstrauen in Bezug auf gewisse Details im Rahmen des Mordfalls geweckt. Hin und wieder finden sich in der Geschichte Einschübe mit Bodies Rekonstruktionen, wie es zum Mord gekommen sein könnte mit jeweils einer anderen Person, die sie in den Mittelpunkt stellt.

Die Schilderungen ihrer gegenwärtigen Tätigkeit am College werden immer wieder von einer Gedankenflut unterbrochen, in der Brodie in die Vergangenheit reist. Stück für Stück entblätterte sie vor mir als Leserin ihre Jugendzeit. Zwischen den Erinnerungen an das Geschehen rund um den Tod ihrer Klassenkameradin drängen sich Gefühle zu verschiedenen Mitschülern(innen) und Lehrer(innen) an die Oberfläche. Sie sieht sich als Schülerin, die sich nicht leicht in die Klassengemeinschaft einfügen wollte, was auch an den Schikanen von Klassenkamerad(inn)en lag.

Bei dem erneuten Aufrollen des Kriminalfalls verfolgte ich interessiert die Schilderungen zum US-amerikanischen Justizsystems und den darin schlummernden Ungerechtigkeiten. Brodie Kane erlebte am College rassistisches Verhalten ihrer Mitschüler(innen), deren Unehrlichkeit, um sich selbst ins beste Licht zu setzen und unterschiedliche Behandlung aufgrund gesellschaftlicher Zugehörigkeit. Es kam zu verbalen und sogar körperlichen Übergriffen, die sie heute nicht mehr tolerieren würde.

Rebecca Makkai thematisiert auf unterschiedliche Weise Begebenheiten zu sexueller Belästigung, die ihre Protagonistin auch im gegenwärtigen Leben berühren und nachdenklich darüber stimmen, ab wann man diese als solche bezeichnen sollte. Sie zeigt Folgen für die Betroffenen auf und die heutigen Möglichkeiten, in den Sozialen Medien darauf aufmerksam zu machen. Bodie weiß aus Erfahrung, dass die Flut von Ereignissen, die die Hörenden und Lesenden konsumieren in der Menge irgendwann in ihren Einzelheiten verschwimmen.

Mit der Protagonistin erschafft Rebecca Makkai in ihrem Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ eine innerlich zerrissene Figur, deren Persönlichkeit sich mit den Jahren gefestigt hat, die aber immer noch mit ihren Emotionen kämpft. Zwar hält der Roman aufgrund der Aufklärung des Mordfalls durchgehend eine gewisse hintergründige Spannung, aber es kommt zwischenzeitlich immer wieder zu Längen durch die Beschreibung von Szenen, die für die angeschnittenen Themen nicht weiterführend sind. Dennoch habe ich gerne verfolgt, ob es zu neuen Erkenntnissen und einer gerichtlichen Neubeurteilung der Tat kommen wird, daher empfehle ich das Buch an literarisch interessierten Lesende weiter.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.10.2023

Tochter versucht die Beziehung der ihr feindselig gestimmten Mutter zu ergründen

Die Wahrheiten meiner Mutter
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Bodie Kane, die Protagonistin im Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ von Rebecca Makkai, hatte eine Mitschülerin, die vor über zwanzig Jahren an der gemeinsam besuchten Schule ermordet wurde. Inzwischen ...

Bodie Kane, die Protagonistin im Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ von Rebecca Makkai, hatte eine Mitschülerin, die vor über zwanzig Jahren an der gemeinsam besuchten Schule ermordet wurde. Inzwischen betreibt die Medienwissenschaftlerin gemeinsam mit einem Co-Moderator einen Podcast über die Geschichte von Frauen im Film. Recherchetätigkeiten sind ihr deshalb vertraut und sie ist sich sicher, dass bei der Aufklärung des damaligen Mordfalls nicht alle Details geklärt wurden. Sie hinterfragt auch ihre eigene Rolle bei den Befragungen im Umfeld des Opfers nach der Tat, denn eventuell hat sie durch ihre Aussage die Ermittlungen in eine falsche Richtung getrieben.

Ein Video über den Mordfall, das Bodie vor wenigen Jahren zugeschickt wurde, weckt längst vergessen geglaubte Erinnerungen in ihr und ihre Zweifel daran, dass damals der richtige Täter verurteilt wurde, werden hochgespült. Sie nimmt ein Angebot an, über zwei Wochen hinweg als Dozentin einen Kurs über das Podcasten am Grandy College abzuhalten, dem Internat in New Hampshire, das sie vier Jahre lang besucht hat. Sie beabsichtigt zwar nicht, die Ermordung anzusprechen, aber sie schleicht sich in ihre Themenvorschläge hinein. Als sie sieht, wie eifrig ihre Schüler(innen) sich dem Thema widmen, erhofft sie sich, dass deren Betrachtung des Falls vielleicht Einzelheiten zu Tage bringen, die damals nicht beachtet wurden.

Das Geschehen, sowohl in der Gegenwart wie auch die Begebenheiten in der Vergangenheit, schildert Bodie als Ich-Erzählerin. Sie wendet sich mit ihren Schilderungen an einen ehemaligen Lehrer, den sie zwischenzeitlich auch direkt anspricht. Mit seinem Verhalten hat er damals ihr Misstrauen in Bezug auf gewisse Details im Rahmen des Mordfalls geweckt. Hin und wieder finden sich in der Geschichte Einschübe mit Bodies Rekonstruktionen, wie es zum Mord gekommen sein könnte mit jeweils einer anderen Person, die sie in den Mittelpunkt stellt.

Die Schilderungen ihrer gegenwärtigen Tätigkeit am College werden immer wieder von einer Gedankenflut unterbrochen, in der Brodie in die Vergangenheit reist. Stück für Stück entblätterte sie vor mir als Leserin ihre Jugendzeit. Zwischen den Erinnerungen an das Geschehen rund um den Tod ihrer Klassenkameradin drängen sich Gefühle zu verschiedenen Mitschülern(innen) und Lehrer(innen) an die Oberfläche. Sie sieht sich als Schülerin, die sich nicht leicht in die Klassengemeinschaft einfügen wollte, was auch an den Schikanen von Klassenkamerad(inn)en lag.

Bei dem erneuten Aufrollen des Kriminalfalls verfolgte ich interessiert die Schilderungen zum US-amerikanischen Justizsystems und den darin schlummernden Ungerechtigkeiten. Brodie Kane erlebte am College rassistisches Verhalten ihrer Mitschüler(innen), deren Unehrlichkeit, um sich selbst ins beste Licht zu setzen und unterschiedliche Behandlung aufgrund gesellschaftlicher Zugehörigkeit. Es kam zu verbalen und sogar körperlichen Übergriffen, die sie heute nicht mehr tolerieren würde.

Rebecca Makkai thematisiert auf unterschiedliche Weise Begebenheiten zu sexueller Belästigung, die ihre Protagonistin auch im gegenwärtigen Leben berühren und nachdenklich darüber stimmen, ab wann man diese als solche bezeichnen sollte. Sie zeigt Folgen für die Betroffenen auf und die heutigen Möglichkeiten, in den Sozialen Medien darauf aufmerksam zu machen. Bodie weiß aus Erfahrung, dass die Flut von Ereignissen, die die Hörenden und Lesenden konsumieren in der Menge irgendwann in ihren Einzelheiten verschwimmen.

Mit der Protagonistin erschafft Rebecca Makkai in ihrem Roman „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ eine innerlich zerrissene Figur, deren Persönlichkeit sich mit den Jahren gefestigt hat, die aber immer noch mit ihren Emotionen kämpft. Zwar hält der Roman aufgrund der Aufklärung des Mordfalls durchgehend eine gewisse hintergründige Spannung, aber es kommt zwischenzeitlich immer wieder zu Längen durch die Beschreibung von Szenen, die für die angeschnittenen Themen nicht weiterführend sind. Dennoch habe ich gerne verfolgt, ob es zu neuen Erkenntnissen und einer gerichtlichen Neubeurteilung der Tat kommen wird, daher empfehle ich das Buch an literarisch interessierten Lesende weiter.

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Veröffentlicht am 01.10.2023

Abwechslungsreiche Erzählung in der die Figuren Höhen und Tiefen erleben

Die Frauen vom Lindenhof - Gemeinsam der Zukunft entgegen
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Im dritten Band der Trilogie „Die Frauen vom Lindenhof“ vom Autorinnenduo Andrea Bottlinger und Claudia Hornung, das die Reihe unter dem Pseudonym Katharina Oswald geschrieben hat, steht ein Generationenwechsel ...

Im dritten Band der Trilogie „Die Frauen vom Lindenhof“ vom Autorinnenduo Andrea Bottlinger und Claudia Hornung, das die Reihe unter dem Pseudonym Katharina Oswald geschrieben hat, steht ein Generationenwechsel bei Familie Wagner an, die seit etwa vierzig Jahren eine Schreinerei für Puppenmöbel in der Nähe von Hall in Baden-Württemberg betreibt. Wer bald die Geschicke des Unternehmens leiten wird und damit entsprechend dem Untertitel „Gemeinsam der Zukunft entgegen“ steuert, entscheidet sich erst zum Ende des Buchs hin.

Marianne, die einst in den 1950ern die Schreinerei ihres verstorbenen Vaters weitergeführt hat, aber seit einem Unfall selbst nicht mehr in der Werkstatt arbeiten kann, gibt das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen nicht ab. Das erfährt auch Franziska, die kurz nach ihrer Geburt von Mariannes Tochter Corinna adoptiert wurde. Schon als junges Mädchen beschäftigt sie sich gerne mit Holz. Während ihre Mutter sie vor einer unüberlegten frühen Entscheidung der Berufswahl schützen möchte, wendet Franziskas Großmutter sich an ihre ältere Nichte, der sie Leitungskompetenz zuschreibt, um ihr die Führung des Unternehmens anzuvertrauen. Die 18-jährige Franziska entscheidet sich dazu, den Sommer des Jahres 1999 im Erzgebirge zu verbringen und dort die besondere Holzkunst der Seiffener zu erkunden. Außerdem findet sie bei dem Sozialpädagogen Christian eine Schulter zum Anlehnen.

Während die beiden ersten Bände zeitlich über mehrere Jahre spielen, zieht sich die Handlung des dritten Teils lediglich über wenige Monate hinweg. Als Leserin lernte ich einiges über die Seiffener Kunst der Herstellung von Spielzeug. Zwar hatte ich noch nie von der erzgebirgischen Tradition des Reifendrehens gehört, die im Roman erläutert wird, aber Räuchermännchen, Pyramiden und Schwibbögen sind mir schon lange bekannt und ebenso typisch für die Region.

In der Zeit, die seit den Handlungen in Band 2 vergangen ist, hat die Jugend mehr Freiheit erlangt, ungehindert ihre Meinung zu äußern und gehört zu werden. Mit Christian führen die Autorinnen eine Figur ein, dessen Beruf ihn mit Jugendlichen zusammenarbeiten lässt. Dadurch werden einige gegenwartsnahe Probleme aufgezeigt.

Im durchgehend abwechslungsreichen Geschehen der Geschichte haben die Protagonistinnen der Familie Wagner einige Sorgen zu ertragen. Die Autorinnen schildern deren bewegende Gefühle im Umgang damit und auch, dass man sich manchmal professionelle Hilfe bei der Bewältigung einholen sollte. Eine Person an der Seite zu wissen, der man sich anvertrauen kann, gibt Mut. Ein offener und ehrlicher Umgang miteinander vermittelt Sicherheit darüber, auf welchen Tatsachen man seine Entscheidungen treffen kann.

Auch im abschließenden Band der Serie „Die Frauen vom Lindenhof“ lässt Katharina Oswald ihre Figuren über viele Höhen und Tiefen gehen, was die Erzählung abwechslungsreich gestaltet. In dritter Generation steht Franziska bereit in den Betrieb der Schreinerei der Familie Wagner einzusteigen und wird noch vor ihrem ersten Arbeitstag mit den Unwägbarkeiten des Berufs konfrontiert. Liebe und Hass, Hoffnung und Resignation führen den Lesenden über die Seiten hinweg. Die Geschichte hat mich bestens unterhalten und daher empfehle ich sie gerne weiter.

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Veröffentlicht am 01.10.2023

Verständliche und unterhaltsame Erzählung über den Wettlauf zur Entwicklung der Polio-Impfung

Die Formel der Hoffnung
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In ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ beschreibt Lynn Cullen den Werdegang der Ärztin und Forscherin Dr. Dorothy Millicent Horstmann, die sich über viele Jahre ihres Lebens hinweg für eine Prävention ...

In ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ beschreibt Lynn Cullen den Werdegang der Ärztin und Forscherin Dr. Dorothy Millicent Horstmann, die sich über viele Jahre ihres Lebens hinweg für eine Prävention gegen Kinderlähmung eingesetzt hat. Sie starb 2001 im Alter von 90 Jahren. Als Leserin konnte ich die Wissenschaftlerin in der Zeit von 1940 an bis zum Jahr 1963 begleiten.

Dorothy M. Horstmanns Eltern sind deutscher Herkunft. Wenige Jahre nach ihrer Emigration wird die Mutter zur Alleinverdienenden, doch sie setzt alles daran, Dorothy den Weg für eine Karriere zu ebnen. Die Ärztin fällt immer wieder durch ihre Größe auf und überragt meist ihre Kollegen. Doch bei ihrer Stellensuche wird ihre Bewerbung bewusst übergangen, denn es ist damals schwierig, als Frau eine leitende Position zu erhalten. Nur durch einen Irrtum gelingt ihr der berufliche Einstieg in einem Assistenzprogramm. Doch unbeirrt geht sie ihren Weg, denn ihr Ziel ist es, Kindern eine Zukunft ohne Sorge vor Lähmungen und Tod zu geben.

Der Weg zu einem Impfstoff gegen Polio ist gefüllt mit Hoffnung und vielen Rückschlägen. Es gibt mehrere Virologen, die sich am Wettlauf zur Entwicklung einer Impfung beteiligten. Zweien von ihnen gelingt es schließlich, entsprechende Fortschritte zu verzeichnen. Lynn Cullen verdeutlicht, dass deren Forschung abhängig von Geldgebern war, was für Dorothy ein Problem darstellte. Immer wieder wird sie aufgrund ihres Geschlechts übergangen. Einer Frau wurden Haushalt und Familie zugestanden und erwartet, dass sie ihren Beruf nach einer Heirat aufgab. Die Autorin führt dazu im Roman zahlreiche Beispiele in Form von historischen, weiblichen Personen an. Im Roman spielen sie zwar nur eine Nebenrolle, aber sie in der Realität leisteten sie wichtige Beiträge, damit der Impfstoff gefunden werden konnte, ohne dass ihr Name in Abhandlungen zum Thema Eingang gefunden hat.

Vermutlich blieb Dr. Dorothy M. Horstmann auch deshalb unverheiratet und ohne Kinder, weil sie aufgrund häufig spontan anfallender Reisetätigkeiten in den Fällen von Polioausbrüchen rund um die Welt, immer wieder und auch manchmal lange andauernd von Daheim abwesend war. Dennoch erdenkt die Autorin sich für die Wissenschaftlerin eine Liebe, die sich ganz natürlich in deren Leben einfügt.

Die Ärztin sichert sich die Schätzung ihrer Kollegen durch die Entdeckung, dass das Virus über das Blut in die Nervenbahn eindringt. Obwohl ihr damit eine Ehrung durch einen Nobelpreis verwehrt bleibt, wie sicherlich vielen weiteren Wissenschaftlern auch, erarbeitete sich Dr. Horstmann immer mehr Respekt unter den mit der Erforschung von Polio Beschäftigten.

Lynn Cullen verknüpft in ihrem Roman „Die Formel der Hoffnung“ die ihr durch eine sehr gute Recherche bekannten Fakten des Lebens der Ärztin Dr. Dorothy M. Horstmann mit erdachten, aber überaus passenden Begebenheiten und bringt damit einem breiten Publikum eine bedeutende, aber eher unbekannte weibliche Persönlichkeit näher. Nebenher übt sie Kritik an der Gesellschaft in den mittleren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im Umgang mit Frauen, die eine berufliche Karriere anstreben. Als Leserin erfuhr ich viele Details über den Wettlauf zur Entwicklung des Impfstoffs gegen Polio, die die Autorin verständlich und auf unterhaltsame Weise in ihre Erzählung einfließen lässt. Sehr gerne empfehle ich das einfühlsam geschriebene Buch weiter.

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