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Veröffentlicht am 15.09.2016

Wundersam, wunderbar und berührend

Das wundersame Leben des Isidoro Raggiola
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„Das wundersame Leben des Isidoro Raggiola“ von Enrico Ianniello ist die fiktive Biografie der titelgebenden Figur, die diese in der Retrospektive erzählt. Isiodoro ist in einem kleinen italienischen Dorf ...

„Das wundersame Leben des Isidoro Raggiola“ von Enrico Ianniello ist die fiktive Biografie der titelgebenden Figur, die diese in der Retrospektive erzählt. Isiodoro ist in einem kleinen italienischen Dorf aufgewachsen, in dem jeder jeden kennt. Seine Mutter ist für ihre selbst hergestellten Pastanudeln bekannt, sein Vater ist ein wichtiger Gewerkschaftler mit einem schielenden Auge. Statt zu weinen hat Isidoro kurz nach seiner Geburt einen Pfifflaut erzeugt und das Pfeifen wird auch zu seinem weiteren Leben dazu gehören.

Der örtliche Besitzer einer Gemischtwarenhandlung hält in einem Käfig einen Beo. Im Alter von ungefähr zwei Jahren begegnet Isidoro dem Vogel zum ersten Mal. Es entsteht ein gepfiffenes Gespräch zwischen den beiden. Die Begegnung steht am Beginn einer langen Freundschaft. Isidoro verfeinert im Laufe der nächsten Jahre sein Pfeifen so sehr, dass er gemeinsam mit dem Beo Ali ein Vokabular aus Pfifflauten erstellt.

So wundersam der pfeifende Junge ist, so wundersam sind auch die Personen in seiner Umgebung. Neben seinen lebensklugen Eltern, die aus eigenen Erfahrungen ihre Schlüsse gezogen haben und Isidoro so manchen Ratschlag mit auf den Weg geben, treffen hier eigenartige und eigenwillige Charaktere aufeinander. Nicht alle sind liebenswert, es gibt auch ein paar wenige boshafte Gestalten. Doch Isidoros Welt ist geprägt durch die Liebe seiner Eltern und einer gegenseitigen Zuneigung und Verständnis untereinander zum besten Freund und zur besten Freundin.

Im Jahr 1980 erhält Isidoro im Alter von neun Jahren die große Chance zu einem Auftritt vor Publikum bei dem er sein Können zeigt. Doch schon kurze Zeit später erlebt er das größte Unglück seines Lebens. Die Geborgenheit seines jungen Lebens wird jäh unterbrochen durch ein Erdbeben bei dem seine Eltern in den Trümmern ihres Hauses sterben. Der Schock macht ihn sprachlos. Das Pfeifen, das er bisher auf vielfältige Art nur aus Spaß und zur Erheiterung anderer ausgeführt hat wird nun zu einer besonderen Weise der Verständigung in die er alle seine Eindrücke und Gefühle hineinlegt.

Isidoro zeigt dem Leser, dass man sich auch durch schwere Schicksalsschläge nicht unterkriegen lassen und seine Ziele nicht aus den Augen verlieren soll. Sicherlich spielt in der Geschichte auch eine gehörige Portion Glück für den Jungen eine Rolle. Die Erzählung ist niemals schwermütig, sondern sie glänzt immer wieder durch einige teils skurrile Schilderungen die erheiternd wirken. Eine Besonderheit stellen die Liebesbriefe des Vaters dar, die zwischen den Kapiteln eingeschoben sind. Sie sind nicht nur, wie zu erwarten wäre, an seine Frau gerichtet. Lassen Sie sich überraschen! Durch das Pfeifen liegt auch allgegenwärtig ein Hauch von Musik in der Luft, die man beim Lesen zu hören glaubt.

„Das wundersame Leben des Isidoro Raggiola“ ist eine berührende Geschichte, die sich tatsächlich so zugetragen haben könnte, obwohl einige Begebenheiten magisch anmuten. Der Roman ist ein Plädoyer, an sich selbst zu glauben ohne von den Idealen abzuweichen, die man von den Eltern erhalten hat, auf Freundschaft zu bauen und die Neugier niemals zu verlieren. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich empfehle es uneingeschränkt weiter.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wichtiges Thema, schön und ansprechend umgesetzt

Im Land der Wolken
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Henry wohnt im Land der Wolken. Jedem Bewohner dieses Landes, der eine Wolke berührt kommen sofort ganz viele neue Ideen, die er natürlich in die Tat umsetzen möchte. So bunt und verschiedenartig die Wolken ...

Henry wohnt im Land der Wolken. Jedem Bewohner dieses Landes, der eine Wolke berührt kommen sofort ganz viele neue Ideen, die er natürlich in die Tat umsetzen möchte. So bunt und verschiedenartig die Wolken sind, so abwechslungsreich sind auch die möglichen Aktivitäten. Aber Henry geht es dabei gar nicht gut und so sitzt er lieber allein und schaut sich das Treiben an. Bis Sara, ein Mädchen in seinem Alter, ins Nachbarhaus einzieht. Statt sich für das wilde Geschehen zu interessieren, setzt sie sich zu Henry. Das bleibt nicht unbemerkt …

Die Geschichte wird mit ansprechenden Worten von Alexandra Helmig kindgerecht für die Altersgruppe ab 3 Jahren erzählt. Ihre Lebendigkeit wird unterstützt durch die wunderschönen Illustrationen von Anemone Kloos. Die Wolken sind ein einziger Farbenrausch und sehr verführerisch. Man versteht, warum die Bewohner die Wolken mögen. Und weil man damit so vieles erleben kann, wünscht man sich gerne ins Land der Wolken.

Doch es herrscht niemals Stillstand, Freizeitstress wäre wohl der richtige Begriff hierfür. Jeder will für sich das Beste und noch mehr. Wer innehält, hat Angst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, weil er den anderen nicht mehr über die erlebten Dinge erzählen kann. So wie Henry. Doch Henry zeigt, dass man keine Angst zu haben braucht. Denn sein non-konformes Verhalten ist wiederum so befremdlich, dass es auf Außenstehende interessant wirkt. Und wenn schon zwei sich anders wie die Menge verhalten, ziehen sie Aufmerksamkeit an. Was tuscheln die beiden da, was hecken sie aus, verpassen wir was?

Das Buch ist ein Versuch schon die Kleinen zum Innehalten zu bewegen und ihnen zu zeigen, dass Nichtstun nicht krank macht, sondern ganz im Gegenteil Zeit gibt, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Ein Kinderbuch zu einem wichtigen Thema, sehr schön und ansprechend umgesetzt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Buch, demi ich noch viele Leser wünsche

Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben
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„Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben“ ist ein ganz persönliches Buch des Autors Matt Haig. Mit 24 Jahren erkrankte er an Depression. Das Buch schildert seine Auseinandersetzung mit der Krankheit und ...

„Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben“ ist ein ganz persönliches Buch des Autors Matt Haig. Mit 24 Jahren erkrankte er an Depression. Das Buch schildert seine Auseinandersetzung mit der Krankheit und die Möglichkeiten die er gefunden hat, um damit zu leben. Sehr viele Menschen, vor allem Männer, die von der Krankheit heimgesucht werden sehen keinen Ausweg und bringen sich selbst um. Auch Matt Haig hatte zunächst den Gedanken an Selbstmord, dargestellt im Piktogramm auf dem Schutzumschlag. Er stand am Rand einer Klippe und es fehlte nur noch der letzte Schritt. Doch die Feststellung geliebt zu werden und die Angst vor dem Tod hielten ihn zurück.

Neben seiner Schilderung des Verlaufs seiner eigenen Erkrankung fügt Matt Haig viele Tatsachen und Fakten über Depressionen ein. Die Krankheit ist allein deswegen tückisch, weil sie von den Mitmenschen nur durch das auffällige Verhalten des Betroffenen wahrgenommen werden kann, aber in den allermeisten Fällen fehlgedeutet wird. Der Patient zieht sich aus der Gesellschaft zurück. So kommt es zu Ausgrenzungen die eine wichtige Unterstützung der Erkrankten unmöglich machen: das Reden.

Die Krankheit ist vielfältig. Es gibt verschiedenste Ursachen, die unterschiedlichsten Krankheitsverläufe und dementsprechend auch individuelle Therapien zur möglichen Heilung. Was dem einen hilft verschlimmert beim anderen die Depression.

Das Buch will wachrütteln und das Thema Depression in die Öffentlichkeit bringen. Es ist bewusst allgemein verständlich gehalten. Neben einigen Auflistungen die Matt Haig erstellt hat, nennt er auch diverse Gründe am Leben zu bleiben. Einige Einschübe in Form von Kapiteln in diesem Buch wie beispielsweise eine Liste mit Sätzen, die die Krankheit zum Depressiven sagt, heitern den Ernst des Buches etwas auf.

Mir bleibt zu hoffen, dass dieses Buch von Vielen gelesen wird, um über die Krankheit aufzuklären, irrtümliche Vorstellungen zu beseitigen und eventuell auch bereits Erkrankte dazu bringt, professionelle Hilfe zu suchen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Schöne Lektüre für Sommertage

Der Sommer der Sternschnuppen
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Grace Hammond, Anfang 30, Überarbeiterin von computergenerierten Übersetzungen und Ordnungsfanatikerin, wohnhaft in Manhattan, ist derzeit arbeitslos und gerade wieder zum Single geworden. Als auch noch ...

Grace Hammond, Anfang 30, Überarbeiterin von computergenerierten Übersetzungen und Ordnungsfanatikerin, wohnhaft in Manhattan, ist derzeit arbeitslos und gerade wieder zum Single geworden. Als auch noch ein Wasserschaden ihre Wohnung unbewohnbar macht, beschließt sie, für einige Wochen zu ihren Eltern nach Hause in die Kleinstadt Dorset zu ziehen. Ihre Eltern sind erfreut über den Besuch, ihre Freundin Cluny schmiedet gleich wieder Pläne zu gemeinsamen Aktivitäten.

So beginnt der Roman „Der Sommer der Sternschnuppen“ von Mary Simses. Das Cover ist wunderschön und ansprechend gestaltet und deutet auf einen leicht beschwingten Inhalt mit viel Liebe hin, den man hier auch vorfindet. Über alldem liegt jedoch das Geheimnis einer Bürde, die die Protagonistin mit durch ihr junges Leben schleppt.

Als Grace ein altes Fahrrad ins Geschäft zur Reparatur bringt begegnet sie dort der Aushilfe Mitch der schon bald weitergehendes Interesse an ihr zeigt. Außerdem trifft sie in Dorset auf bekannte Gesichter ihrer Jugendzeit, allen voran ihr Ex-Freund Peter, der inzwischen als erfolgreicher Regisseur arbeitet und im Moment Szenen vor Ort für einen neuen Film dreht. Alte Gefühle werden wieder in ihr wach und auch der Filmschauspieler Sean kann ihre Aufmerksamkeit für sich gewinnen. Schließlich sieht sich Grace von gleich drei Männern begehrt. Wer mag nur der Richtige für sie sein?

Doch der Höhenflug ihres Glücks in Liebesdingen wird überlagert von dem alten Schmerz eines nicht verarbeiteten Verlusts einer ihr nahestehenden Person. Erst muss sie sich mit den Schatten der Vergangenheit beschäftigen, um weitere erfolgreiche Schritte in die Zukunft zu gehen.

Grace konnte trotz ihrer gelegentlichen Naivität meine Sympathie erlangen. Zu Beginn des Buchs ist bemitleidenswert. Doch sie macht das Beste aus der momentanen Situation. Dabei stellt sie erst später fest, wie sehr sie ihren Eltern mit ihren seltenen Besuchen daheim fehlt. Erst als es ihr gelingt inne zu halten und das Gespräch zu suchen, wird ihr klar, dass sie deren Umgang mit ihr fehl gedeutet hat. Und auch in Sachen Liebe wird ihr im Laufe der Ereignisse deutlich, wer ihr Vertrauen und ihre Zuneigung verdient hat.

Die Protagonistin bedient sich einer gewissen Leichtigkeit und neigt dazu, von einem Fettnäpfchen ins Nächste zu tappen. Es ist nicht einfach für sie, wieder in der Heimat zu sein und auf ihre Schulkameraden zu treffen. Als in der Großstadt wohnend möchte sie sich ihnen gegenüber gerne als jemand zeigen, der Karriere gemacht hat. Indem Grace öfters mal in Situationen über ihren derzeitigen Stand flunkert und sich selbst so gibt, wie es für ihr Gegenüber interessant erscheint, entstehen Szenen mit viel Komik. Die Kapitel beginnen jeweils mit einer Grammatikregel und einem dazu passenden Beispielsatz. Diese Kapitelanfänge stehen in Bezug zu der Penibilität von Grace in Sachen Rechtschreibung und Ordnung, die zu weiteren Momenten mit Witz und Charme führen.

Die Autorin besetzt einige ihrer Charaktere recht klischeehaft, wie beispielsweise den Schauspieler Sean. Das ist amüsant zu lesen. Trotz des an Grace nagenden Geheimnisses in Bezug auf den Verlust einer ihr wichtigen Person stimmt der Roman nicht traurig. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bleibt oberflächlich. Jedoch bringt die von Beginn an auf Grace liegende, zu spürende Last auch eine Prise Spannung in die Erzählung.

Mary Simses lässt ihre Geschichte an der Küste von Connecticut spielen. Die üppige Landschaft fliegt bei den Fahrradtouren der Protagonistin am Leser vorbei und die über allem liegende Wärme des Sommers ist vermeintlich zu spüren. Bis nahezu zum Schluss bleibt offen, für welchen weiteren Lebensweg sie sich entscheiden wird. Einen großen Anteil dazu trägt bei, ob einer der drei an ihr interessierten Männer ihr Herz erobern wird.

Das Buch hat mich bestens unterhalten und ich empfehle es gerne als sommerlich leichte Lektüre weiter.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gefühlvoll und berührend

Das Traumbuch
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Die Erzählung des Romans „Das Traumbuch“ von Nina George kommt seinem Titel in wunderschön geschilderten Szenen nach. Einer der Protagonisten verliert sich in seinen Gedanken in Welten zwischen dem Jenseits ...

Die Erzählung des Romans „Das Traumbuch“ von Nina George kommt seinem Titel in wunderschön geschilderten Szenen nach. Einer der Protagonisten verliert sich in seinen Gedanken in Welten zwischen dem Jenseits und dem Dasein. Er gleitet scheinbar schwerelos durch seine Erinnerungen und fiktive Zukunftsszenen, auf dem Cover synonym dargestellt durch die Möwe.

Der 13jährige Sam, hochbegabt und Synästethiker, möchte endlich seinen Vater Henri kennenlernen. Ohne das Wissen seiner Mutter lädt der in London lebende Junge ihn deshalb zum Vater-Sohn-Tag der Schule ein. Der ehemalige Kriegsberichterstatter ist auf dem Weg zum Treffen als er von einer Brücke springt um ein Mädchen aus der Themse zu retten. Sein Einsatz hat Folgen, denn aufgrund eines Schwächeanfalls im Anschluss an die Rettung taumelt er und wird von einem Auto erfasst. Er fällt ins Koma.

Sam ist nicht der einzige Besucher am Krankenbett. Auch Eddie, die frühere Freundin von Sams Vater, erfährt von dessen Unfall. Sie ist erstaunt als man ihr mitteilt, dass Henri sie in einer Patientenverfügung dazu bestimmt hat, über ein mögliches Abschalten der Maschinen zu entscheiden die ihn am Leben halten, wenn er einmal genau in die Lage kommen sollte, in die er sich jetzt befindet.

Der Lebensweg dieser drei Menschen die im Krankenhaus aufeinander treffen war in der Vergangenheit und ist auch jetzt wieder so miteinander verknüpft, dass Entscheidungen die einer von ihnen getroffen hat beziehungsweise treffen wird zu Konsequenzen auch für die anderen führt. Die Geschichte ist nach Tagen eingeteilt, die ab dem Zeitpunkt des Unfalls zählen. Von Kapitel zu Kapitel wechselt die Perspektive zwischen den drei genannten Charakter, wobei jede in der Ich-Form erzählt. Die Autorin hat mit der Erzählweise eine gute Wahl getroffen, denn so erfährt der Leser mehr über die inneren Auseinandersetzungen der Person.

Henri, Sam und Eddie erzählen einiges aus ihrem bisherigen Leben. Schritt für Schritt offenbaren die gemeinsamen Erlebnisse von Henri und seiner Freundin die Beziehung der beiden zueinander. Henri schildert aber auch wie es dazu kam, dass er zu seinem Sohn und dessen Mutter keinen Kontakt mehr hatte.

Der Leser begegnet in diesem Roman drei sehr unterschiedlichen Menschen, die über große Gefühle und Einfühlungsvermögen verfügen. Sam hat als Synästetiker eine ganz besondere intensive Wahrnehmungssicht. Henri erlebte als Kriegsreporter schon einiges Leid in der Welt, doch der Verlust seines Vaters hat ihn besonders getroffen. Die Verlegerin für Phantastik Eddie steht gerade vor der großen Entscheidung über das ihr anvertraute Leben während zu Hause ihr neuer Freund auf sie wartet.

Nina George, die in diesem Buch den eigenen schweren Verlust eines Menschen verarbeitet, schreibt gefühlvoll über die ganz großen Empfindungen, die das Leben zu bieten hat und die den Leser tief berühren. Die Geschichte stimmt nachdenklich und bleibt auch nach dem Lesen noch im Kopf. „Das Traumbuch“ ist ein Roman den ich sehr gerne weiterempfehle.