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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.04.2020

Absolut berührend und nachdenklich machend

Das rote Adressbuch
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Die 96-jährige Doris Alm lebt vereinsamt in ihrer kleinen Wohnung in Stockholm. Einmal täglich versorgt eine meist gedankenlose Pflegerin sie mit dem Nötigsten. All ihre Freunde und Verwandten sind bereits ...

Die 96-jährige Doris Alm lebt vereinsamt in ihrer kleinen Wohnung in Stockholm. Einmal täglich versorgt eine meist gedankenlose Pflegerin sie mit dem Nötigsten. All ihre Freunde und Verwandten sind bereits verstorben. Ihr einziger Lichtblick ist ihre Großnichte Jenny, die allerdings mit ihrer Familie in den USA lebt. Etwa einmal wöchentlich skypen die Beiden miteinander, Doris einziger Kontakt mit der Welt. Die Zeit dazwischen füllt Doris mit dem Niederschreiben ihrer Erinnerungen anhand der Namen aus ihrem roten Adressbuch.

Wow, was für ein berührendes Buch!
Ich glaube, ich bin nicht die einzige, die einige Tränen während der Lektüre vergossen hat. Ich bin froh, dass meine Mutter noch lebt, 87-jährig, und ich regelmäßig Kontakt mit ihr halten kann. Wie wichtig das für uns beide ist, hat dieses Buch noch einmal verdeutlicht.

Die Erzählweise von Frau Lundberg hat dem Leser wegen der ständigen Zeitsprünge schon einiges abverlangt. Mir fiel es durch die lebhafte Schilderung der Begegnungen in der Vergangenheit oft schwer mich wieder in der Gegenwart zurecht zu finden.

Allerdings hat sich mir nicht erschlossen, warum Allan bereits nach einem Jahr, in dem er sich nach eigenen Angaben nach Doris verzehrt hat, eine neue Frau gefunden und geheiratet hat. Unverständlich ist für mich auch, dass Beide immer postlagernd über Jahre, Jahrzehnte an die gleiche Adresse geschrieben haben und sich folglich nie fanden.

Bewundert habe ich, dass Frau Lundberg zwar sehr berührend aber nie kitschig geschrieben hat. Nachvollziehen kann ich daher, dass viele Leser ihr erzählt haben, dass der Roman dazu ermutigt habe, mit ihren älteren Verwandten wieder mehr ins Gespräch zu kommen.

Ich freue mich auf das nächste Buch dieser Autorin.

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Veröffentlicht am 26.04.2020

Geheimnisse, Grusel und Gänsehaut

VERGESSEN - Nur du kennst das Geheimnis
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Kirsty, Adrian und ihre beiden Töchter haben traumatische Erlebnisse hinter sich gelassen und wagen im walisischem Hywelphilly einen Neuanfang. Nach Adrians Selbstmordversuch und schwerer Depression wollen ...

Kirsty, Adrian und ihre beiden Töchter haben traumatische Erlebnisse hinter sich gelassen und wagen im walisischem Hywelphilly einen Neuanfang. Nach Adrians Selbstmordversuch und schwerer Depression wollen sie gemeinsam mit Kirstys Mutter ein Gästehaus eröffnen.

Nach anfänglicher Erleichterung der Lebenssituation geht Kirsty vor lauter Renovierungsarbeiten, Zimmerausstattungen und Vorbereitungen für die bevorstehenden Gäste buchstäblich die Puste aus. Ihr Asthma verschlimmert sich, ihre Mutter bevormundet sie, ihre Kinder fühlen sich in der neuen Umgebung noch nicht wohl und ihr Mann zieht sich zunehmend zurück.

Zu allem Unglück lädt ihre Mutter Selina, eine Cousine von Kirsty, zu der sie aus gutem Grund mehrere Jahre keinen Kontakt hatte, ein und das Chaos nimmt seinen Lauf.


Dies ist nicht mein erster Thriller von Claire Douglas und wieder entwickelt sich ihr Buch zum Pageturner. Sie hält den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite.

Die Lebenssituation der Kirsty entwickelt sich von hoffnungsvoll zu bedrückend bis sie voller panischer Angst lebt. Immer neue Fragen werden bei jedem Lüften eines Geheimnisses aufgeworfen. Kirsty hat ständig Angst als Tochter, Mutter und Ehefrau zu versagen. Kirstys Ängste sind es auch, die die Spannung ständig hochhalten.

Die genaue Beschreibung der einzelnen Charaktere ermöglicht es uns Lesern mit zu fiebern. Man kann immer besser Kirstys Ängste und Befürchtungen nachvollziehen. Carol, Kirstys Mutter, ihre Kinder Evie und Amelia und auch Selina sind sehr genau gezeichnet. Ihre Reaktionen und Krisen sind deshalb ebenfalls nachvollziehbar. Adrian erschien mir im Gegensatz dazu blass und teilweise zu unbeteiligt, weshalb ich ihm auch vieles geheime zugetraut habe.

Dieser Thriller war ein spannendes Vergnügen, das trotz einer Leiche mit wenig Blut und Gewalt auskam.

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Veröffentlicht am 07.04.2020

Brandaktuell und spannend wie das wahre Leben

Im Namen der Lüge
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Ein Tötungsdelikt nach einem Eifersuchtsdrama bringt Vincent Veihs Truppe in Einsatz. Kommissar Bruno Wegmann, der diesen Fall leitet, lässt sich schnell von einer Beziehungstat überzeugen. Da der Täter ...

Ein Tötungsdelikt nach einem Eifersuchtsdrama bringt Vincent Veihs Truppe in Einsatz. Kommissar Bruno Wegmann, der diesen Fall leitet, lässt sich schnell von einer Beziehungstat überzeugen. Da der Täter unmittelbar festgenommen wurde, ist der Fall für Kommissar Wegmann und dem Staatsanwalt schnell abgehandelt.

Die Streifenbeamtin Kim Brandstätter und Hauptkommissar Veih sehen einen anderen Tathintergrund. Der Ermordete ist Journalist und er recherchierte unter Reichsbürgern.

Die Verfassungsschutzbeamtin Melia Khalid wird ein brisantes Geheimpapier zugespielt, dessen Authentizität nicht bestätigt ist. Sie versucht, der Sache auf den Grund zu gehen.

Veihs und Khalids Wege kreuzen sich auf der Suche nach der Wahrheit.

Politisch tut sich viel in dieser Zeit. Landtagswahlen stehen an. Drei RAF-Pensionäre führen Raubüberfälle auf Geldtransporter aus. Wollen sie mit ihren Raubzügen die vierte Generation von RAF-Terroristen finanzieren und Waffen beschaffen oder kämpfen sie ums eigene Überleben?


„Im Namen der Lüge“ ist wieder einmal ein explosiver Politthriller. Ich habe auch wieder einmal den Eindruck, dass ich als ambitionierter Leser politisch gut informiert sein muss, um auch alles verstehen und nachvollziehen zu können. Einige Tatsachen, die in der Danksagung angeführt wurden, hatte ich so noch gar nicht in ihrer Bedeutung mitbekommen.

Insbesondere die letzten beiden Sätze der Danksagung waren mir aus der Seele geschrieben:
„Die Frage, was der Inlandsgeheimdienst wirklich schützt, ist berechtigt. Die Verfassung scheint es nicht zu sein.“

Die Geschichte ist fiktiv, aber wie in allen Thrillern von Herrn Eckert ist sie sehr nah an der Realität. Als Leser denke ich ständig, ja, genauso könnte es sein, und mir wird angst und bange bei dem Gedanken. Es handelt sich immer um Gedankenspiele, aber warum werden in der Realität solche und ähnliche Verbrechen, egal ob von „Rechts“ oder „Links“ nie völlig aufgeklärt? Warum besteht unser Geheimdienst, er nennt sich ja Verfassungsschutz, aus so vielen Geheimnissen, geschredderten Akten und V-Männern, die von Geheimdienstlern geschützt werden, aber vor denen wir nicht geschützt werden?

Zurück zum Buch: Super spannend entblättert Herr Eckert die Machenschaften rechter Organisationen. Sie unterwandern die Parteien und den Verfassungsschutz, provozieren linke Gruppierungen und suggerieren deren terroristisches Potential, um letztlich die Regierung zu stürzen und die Macht an sich zu reißen. Die ganze Paranoia der Verfassungsschützer und die Geheimnisse der Geheimnisträger, die keinesfalls publik werden dürfen, treten voll zu Tage.

Pikant und erfrischend ist dabei, dass die ermittelnde Verfassungsschützerin eine farbige Deutsche mit Kraushaar ist. Kommissar Veih spielt dieses Mal eher eine Nebenrolle, aber die Brisanz seiner Beziehung als Polizist zu seiner Mutter mit RAF-Vergangenheit kam wieder voll zur Geltung.

Was mir noch erwähnenswert erscheint: Wenn man Melias Manipulationen der Presse beobachtet, und zwar nicht „Bild“ oder ähnliches, sondern ernsthaft gut recherchierende Presse, die eigentlich unser Vertrauen genießt, dann erfährt das Wort „Lügenpresse“ eine andere, neue Bedeutung.

Für mich steht nicht erst nach der Lektüre vorliegenden Buches fest, dass Staatsgeheimnisse, die vom Verfassungsschutz geschützt werden, eigentlich immer nur zur Vertuschung von Fehlern oder Schlimmerem und zum Schutz der Macht missbraucht werden.

Danke, dass Sie uns dieses Spektakel vor Augen geführt haben. Vielleicht lässt es uns wachsamer sein.

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Veröffentlicht am 19.12.2019

Dunkles Erbe?

Das Erbe
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Völlig unerwartet erhält die unscheinbare Mona Lang Post vom Amtsgericht München, Abteilung Nachlasssachen. Eine entfernte Verwandte Ihrer Mutter, Klara Hacker, vererbt der jungen Frau, die voller Minderwertigkeitsgefühle ...

Völlig unerwartet erhält die unscheinbare Mona Lang Post vom Amtsgericht München, Abteilung Nachlasssachen. Eine entfernte Verwandte Ihrer Mutter, Klara Hacker, vererbt der jungen Frau, die voller Minderwertigkeitsgefühle steckt, nicht nur ein 12 Millionen wertiges Miethaus, sondern vertraut auch darauf, dass Mona mit ihrem Erbe moralisch richtig verfahren wird.
Mit Annahme des Erbes beginnt der Kampf Monas Familie um Teilhabe, Monas Unsicherheit, ob ihr das Erbe überhaupt zusteht und somit die Spurensuche in der Vergangenheit, wobei Unglaubliches zu Tage kommt.


Wieder einmal gibt es einen spannenden, gut recherchierten und sensible Themen bearbeitenden Roman von Ellen Sandberg.

„DINGE, DIE UNS NICHT GEHÖREN. VERGANGENHEIT, DER WIR NICHT ENTKOMMEN.“

Frau Sandberg hat dieses schwierige Thema in einen mitfühlenden Roman verarbeitet. Der Gutmensch Mona hat mich manches Mal genervt, nachdenklich gemacht, entsetzt und zum Schluss mit ihr übereinstimmend zurückgelassen.

Ich glaube, die meisten Menschen, denen solch ein Erbe in den Schoss fällt, würden sich maßlos freuen und gedankenlos den Luxus genießen.

Bei der hohen Anzahl von Enteignungen, Übervorteilungen und Raub an der jüdischen Bevölkerung während der NS-Zeit, gibt es sicher sehr viele Erben großer Vermögen deren Herkunft fragwürdig ist. Aber was geschieht, wenn nachgeforscht wird und die eigentlichen Erben wissen gar nichts über ihre jüdische Herkunft und über die Leiden ihrer Vorfahren. Haben die Nachkommen ein Recht auf das Erbe?

Auch Mona, deren moralisches Empfinden Recherche und Abtretung des Erbes fordert, tut sich schwer, ihr Erbe an Schmarotzern und Betrügern weiterzugeben.

Und gerade diese Entwicklung macht für mich den Roman so spannend und interessant.

Rückblenden und alte Briefen geben dem Leser zuweilen einen Wissensvorsprung gegenüber Mona. Trotzdem schält sich die Wahrheit, die dann zur endgültigen Entscheidung führt, erst nach und nach an die Oberfläche. Dadurch kann der Leser Monas Zweifel, ihre Unsicherheit und ihre Entscheidung gut nachvollziehen.

Danke, gut, dass dieses Thema auch in der Unterhaltungsliteratur zur Sprache kommt.

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Veröffentlicht am 15.10.2019

Herrlich ruhig und analytisch

Der Verein der Linkshänder
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Das ist bitter! Einundzwanzig Jahre nachdem ein Brand, der zur Vertuschung eines vierfachen Mordes diente, ermittelt und abgeschlossen war, wird die Leiche des mutmaßlichen Täters in der Nähe des Brandortes ...

Das ist bitter! Einundzwanzig Jahre nachdem ein Brand, der zur Vertuschung eines vierfachen Mordes diente, ermittelt und abgeschlossen war, wird die Leiche des mutmaßlichen Täters in der Nähe des Brandortes gefunden.

Kommissar Van Veeteren und Kommissar Münster hatten damals die örtliche Polizei unterstützt, konnten den Mörder aber nie stellen, was jetzt im nachhinein nicht verwundert, da es sich bei dem vermeintlichen Täter um das fünfte Opfer handelt. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde seine Leiche vergraben um die Polizei auf die falsche Fährte zu locken. Damals wie heute fehlen den Ermittlern ein Motiv, Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern und dem Täter und natürlich einen möglichen Verdächtigen.

Van Veeteren, er geht mittlerweile auf die fünfundsiebzig zu, kann es nicht fassen, dass er und Münster dem Täter auf dem Leim gegangen sind. Mit seiner Frau Ulrike Fremdli stürzt er sich in die Ermittlungsarbeit.


Ich liebe die ruhige und analytische Art und Weise des Romanaufbaus von Hakan Nesser.

Kein blutrünstiger Serienkiller, obwohl auch in diesem Roman viele Opfer zu beklagen waren, auch kein hektischer Actionthriller, bei dem der Leser nicht schnell genug die Seiten umblättern kann, stattdessen Ruhe, analytisches Denken, ein bisschen philosophieren und wunderbar amüsante und unterhaltsame Dialoge. Das zauberhafte Geplänkel zwischen Van Veeteren und seiner Frau, sowie zwischen den Inspektoren Barbarotti und Backman, hat riesen Spaß gemacht.

Die philosophischen Gedanken von Van Veeteren ergaben einen ruhigen Flow. Der Leser konnte sich immer in Ruhe seine eigenen Gedanken zum Fall machen. Durch die Rückblenden und Erzählstränge auf drei Zeitebenen waren wir Leser oft im Vorteil und konnten Zusammenhänge früher als die Ermittler erkennen. Ich denke, auch den eigentlichen Täter konnte der Leser früher erkennen.

Die Gespräche und der Gedankenaustausch bei denen die Ermittlungsergebnisse der verschiedenen Gruppen zusammengetragen wurden, waren spritzig, amüsant und einfach köstlich, so dass ich als Leser einfach riesigen Spaß hatte den jeweiligen Gedankengängen zu folgen.