Einsamkeit, Verschwiegenheit und die Bäume
Das Flüstern der BäumeDieses Buch ist aufgebaut wie eine Baumscheibe: Ring für Ring lernen wir die verschiedenen Generationen der Familie Greenwood kennen, vom Jahr 2038 bis ins Jahr 1908 und dann wieder zurück bis zum Jahr ...
Dieses Buch ist aufgebaut wie eine Baumscheibe: Ring für Ring lernen wir die verschiedenen Generationen der Familie Greenwood kennen, vom Jahr 2038 bis ins Jahr 1908 und dann wieder zurück bis zum Jahr 2038. Dieser Aufbau ist sehr gelungen und den künstlerischen Ansatz dabei lobe ich sehr.
Der Anfang war etwas schwierig. Zum Einen der Schreibstil: Er ist sehr poetisch und manchmal wunderschön und berührend. Dann aber werden wirklich wichtige Dinge ganz kurz in einem Satz abgehandelt, dass man aufpassen muss es überhaupt mitzubekommen. Damit hatte ich anfangs Probleme, man gewöhnt sich aber dran.
Zum anderen dauert es etwas, bis man die Verbindungen zwischen den Personen sieht und erkennen kann, wer mit wem wie zusammenhängt. Im ersten Abschnitt bis zum Jahr 1908 lernen wir die Charaktere und ihr Leben kennen und stoßen auf die ersten großen Geheimnisse. Das mittlere Abschnitt 1908 ist besondererweise in der Wir-Form geschrieben und spricht aus dem Kollektivgedächtnis des kleinen Ortes, in dem die Brüder Harris und Everett aufwuchsen.
Im zweiten Abschnitt schließen sich dann zunehmend alle Lücken in der Geschichte. Nach Harris (Holzfäller-Unternehmer) und Everett (Landstreicher, der vom Ahornsirup-Zapfen lebt), die man von 1908 bis 1934 begleitet, folgt Willow, eine Umweltaktivistin (1974), danach ihr Sohn Liam (2008) und schließlich Jacinda/Jake (2038).
Jede Generation scheint die vorige zu hassen. Warum ist das so? Weil jede Generation große Geheimnisse bewahrt, niemand die Wahrheit über seine Familiengeschichte erfährt und es dazu zu Missverständnissen und Zerwürfnissen kommt. Daher ist jeder auf seine Art einsam und ohne Liebe und jeder lebt eine Art Vagabundentum. Dieses Nicht-Miteinander-Reden hat mich sehr gestört. Zudem verhalten sich ausnahmslos alle egoistisch, selbst Willow, die mit ihrem Aktivismus für ein höheres Gut kämpft. Einzig Everett ist wirklich altruistisch und handelt selbstlos. Er bringt einige wirklich große Opfer und das sogar doppelt, indem er hinterher niemals davon spricht und sie für sich behält. Ihm gönne ich das Glück, das er später gefunden hat.
Insgesamt frage ich mich, was der Autor hier für eine Message verbreiten wollte. Dass man miteinander ehrlich sein und reden soll? Gut, die kenne ich auch schon aus zahlreichen anderen Büchern. Mich beschleicht der Eindruck, das wäre in Nordamerika tatsächlich ein großes Problem... Oder will er uns sagen, dass die Bäume immer für uns da sind, auch wenn die Menschen um uns herum es nicht sind? Dass sie ein höheres Gut sind, weil sie so viel älter und wichtiger sind als wir? Ich verstehe es nicht so ganz, fürchte ich...