Rasante Dystopie
Die AuserwählteIt never rains in California
But girl, don't they warn ya
It pours, man, it pours
Albert Hammond
Ich musste einmal tief durchatmen, nachdem ich die letzte Seite im Buch gelesen hab. Die Geschichte war ...
It never rains in California
But girl, don't they warn ya
It pours, man, it pours
Albert Hammond
Ich musste einmal tief durchatmen, nachdem ich die letzte Seite im Buch gelesen hab. Die Geschichte war so rasant, haarsträubend, voller Nervenkitzel und Action, dass man kaum zum Luftholen kommt. Erzählt wird die Geschichte von der Hauptprotagonistin Mia in der ich-Form. Es sind nur drei Tage ihres Lebens, die sie erzählt, aber wahrscheinlich die spannendsten und aufregendsten Tage ihres Lebens. Das Buch ist in vier Teile geteilt, die jeweils einen Tag vor dem großen Unwetter, das angeblich kommen sollte, beschreiben und der letzte Teil ist für das vorbehalten, was wirklich passiert. Beginnen tut alles drei Tage vor der großen Apokalypse die der Prophet Rance Ridley (er wird einfach nur Prophet genannt) vorausgesehen hat.
Der erste Teil war sehr anstrengend zu lesen, da wirklich jedes kleinste Detail von Mia's Tag beschrieben wurde und das über 170 Seiten lang. Man hat kaum Ruhepausen und wird ständig auf Trab gehalten. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, dass nach fast 200 Seiten erst ein Tag vergangen war und hab das mit der Aufteilung der Abschnitte in Tage zuerst nicht ganz überrissen. Aufgrund von vielen Rückblicken in Mia's Vergangenheit kam es einem zuerst so vor, als wäre viel mehr Zeit vergangen, aber es war nur ein einziger, sehr ereignisreicher Tag. Für die Entwicklung der Charaktere und für mich selbst, hätte ich mir gewünscht, dass alles, was Mia passiert, auf mehr als drei Tage aufgeteilt wurede. Vorallem die Beziehung von Mia zu Jeremy baut sich innerhalb von zwei Tagen in ein äußerst intimes und vertrauensvolles Zusammensein auf. Sehr glaubwürdig. Die nächsten Teile waren kürzer und angenehmer zu lesen, aber nicht weniger spannend. Man wird wirklich oft von den Handlungen überrascht, die man großteils wirklich nicht ahnen konnte.
"Keine Wolke am Himmel ...
Man sieht die Sonne nicht,
aber Wolken sieht man auch keine."
Flannery O'Connor
Ein guter Mensch ist schwer zu finden
und andere Erzählungen
Mia hat einen sehr starken Charakter, sie handelt meisten so, wie man es von ihr in ihrer Position und Situation erwartet und doch gibt es Stellen, an denen man ihre Handlungen nicht nachvollziehen kann, an denen sie Menschen vertraut, denen sie nicht zu vertrauen hat und sie das eigentlich genau wissen müsste.
Einen ganz anderen Charakter hat ihr Bruder Parker. In seiner kindlichen und naiven Art mit der Welt umzugehen ist er das genaue Gegenteil von der von Skepsis und Argwohn getriebenen Mia. Seine Beweggründe und Handlungen sind ein bisschen vorhersehbar und ich hab mich hin und wieder dabei erwischt, wie ich ihn verflucht habe. Aber er ist in seiner Art ein sehr sympathischer Kerl.
Bei Mia's Mom wirds ein bisschen komplizierter. Wer "Die Tribute von Panem" ebenfalls gelesen hat, wird wissen von was ich rede. Mia's Mom hat mich ein bisschen an Katniss Mom erinnert. Es hat mir das Herz gebrochen, wie sie mit ihren Kindern, vorallem mit Mia, umgegangen ist und sie so im Stich gelassen hat.
Von Jeremy erfährt man nicht sehr viel und er bleibt bis zum Ende konturenlos im Vergleich zu Mia. Er wird als sehr geheimnisvoll beschrieben, was aber nicht hilf ihn besser kennen zu lernen.
Die Welt vergeht im Feuer, brennend.
Oder sie erstarrt im Eis.
Die Hitze der Begierde kennend,
Seh' ich ihr Ende ehre brennend.
Robert Frost,
Feuer und Eis
Jennifer Bosworths Schreibstil ist sehr angenehm und Die Auserwählte wirklich gut geschrieben. Ich hab es wirklich sehr gern gelesen und habe an der Sprache, oder besser gesagt an der Übersetzung, nichts auszusetzen. Sie hat die Idee, die sie hatte, gut umgesetzt und diese Idee ist wirklich sehr originell und irgendwie gar nicht so abwegig, wenn man sich das Ende der Welt vorstellt. Wie man im Buch sehr gut sehen kann, machen Menschen, wenn sie verzweifelt sind und Existenzängste haben, Dinge, die sie unter normalen Bedingungen nie in Erwägung gezogen hätten und von denen sie richtig abgeneigt waren. So sind zwei rivalisierende, unter religiösen Einflüssen stehende Gruppen oder Kulte, denen sich Menschen anschließen um in ihren letzten Stunden/Tagen noch zu Gott überzuwechseln, für mich sehr gut vorstellbar.
Während des Lesens hatte ich oft das Gefühlt, dass die Autorin unbedingt will, dass ich die Jünger und den Prophet nicht mögen soll und bei den Suchenden war ich bis zum Ende sehr unschlüssig, was ich von ihnen halten soll.
Das Ende war sehr spannend und überraschend, leider mit etwas zu viel Happy End nach meinem Geschmack. Nennt mich kaltherzig, aber diese eine Person hätte wirklich sterben sollen und nicht nur fast.
Es muss wirklich schwer sein einen Endzeitroman plausibel zu schreiben, ohne Logikfehler. Leider lassen sich auch hier Logikfehler finden. Erstens, warum hat niemand mit dem Wiederaufbau der Stadt angefangen und warum ist von den anderen Städten/Bundestaaten/Ländern keine Hilfe gekommen? Was passiert überhaupt außerhalb von Los Angeles? Bekommt die restliche Welt eigentlich auch mit, wie nah sie am Ende steht? Darüber erfährt man leider nichts. Auch nicht in welcher Zeit/Zukunft das Erdbeben und die Geschichte passiert. Es könnte jederzeit gewesen sein/passieren.
Wenn es nichts mehr zu verbrennen gibt,
muss man sich selbst in Brand stecken.
Unbekannt
FAZIT
Die Auserwählte ist ein gelungener dystopischer Roman, der den Leser/die Leserin mit einer rasanten Geschwindigkeit von der ersten bis zur letzten Seite auf eine Reise mitnimmt, die so von Energie sprüht, dass man am Ende genauso aufgeladen und voller Energie ist, wie Mia wenn sie vom Blitz getroffen wird!
Auf jedenfall lesenswert und ich empfehle es mit gutem Gewissen weiter!