Kurt Gerber’s Geschichte wird von einem auktorialen, einem allwissenden, Erzähler geschildert. Es wird über Kurt erzählt und nicht von ihm. Zweimal wechselt Torberg die Person. Gleich am Anfang wird in die Welt von Artur Kupfer, dem Mathelehrer, eingetaucht und sein Leben und seine Gedanken dem Leser nähergebracht. Das andere Mal wird Lisa’s Situation dargestellt. Warum sie so handelt, wie sie handelt, und was sie über Kurt denkt. Diese beiden Abschweifungen geben einen wunderbaren Einblick in die zwei Personen, die in Kurt’s Leben für so viel Tragik sorgen.
Das Buch ist sehr flüssig und leicht zu lesen. Torberg verwendet durchgehend wunderschöne Metaphern.
„Dann schlichen sie sich heran und standen plötzlich wie träge Büffel mit gesenkten Hörnern da: die ersten schriftlichen Schularbeiten.“ Seite 62
Dass Torberg Österreicher war, erkennt man an den vielen, doch für Österreich typischen, Worten wie zum Beispiel „Matura“. Als Österreicherin, wie mir, fällt das einem kaum auf, da solche Wörter selbstverständlich sind und man sie ohne nachzudenken liest.
Kurt ist eigentlich ein mittelmäßiger bis schlechter Schüler, trotz großer geistiger Intelligenz und Frühreife, der im Unterricht durch freche Aussagen auffällt. Man könnte meinen er ist der „Klassenclown“ im herkömmlichen Sinne. Von seinen Mitschülern bekommt er widersprüchliche Haltungen entgegengebracht. Die einen finden sein Verhalten lächerlich, die anderen sprechen von mutig.
Kurt sieht dem ganzen Leben mit kritischem Blick entgegen und hebt sich von der Masse ab. Er ist sehr sensibel und versteht es, auch wenn es oft nicht so rüber kommt, sich in seinen Gegenüber einzufühlen und glaubt vor allem seine Liebe Lisa Berwald bis in ihr innerstes zu Verstehen. Er sieht sie jedoch nur mit einer rosaroten Brille und will das Offensichtliche nicht sehen.
Lisa Berwald ist ein Mädchen, das bei ihren Mitmenschen sehr beliebt ist. Sie hat die Gabe nur durch ihre Anwesenheit eine bessere Laune unter den Anwesenden zu verbreiten. Sie ist jedoch sehr sprunghaft, was ihre Liebhaber betrifft und, vor allem, was die Sache mit Kurt anbelangt. Sie behandelt ihn, wie es ihr gerade gefällt und nützt seine Liebe zu ihr in gewissen Maßen aus, obwohl sie sich doch ein bisschen zu Kurt hingezogen fühlt. Sie hat die Schule im letzten Jahr verlassen um arbeiten zu gehen.
Artur Kupfer ist ein Machthungriger Lehrer, der davon lebt einzelne seiner Schüler raus zu picken und diese bis zum letzten Rest zu quälen und zu schikanieren, um ihren Willen und ihre Persönlichkeit zu brechen. Nichts gibt ihm mehr Genugtuung und Zufriedenheit als das. Weil er so starken Einfluss hat, wird er von seinen Schülern auch Gott Kupfer genannt. Gott, weil er über jeden bestimmen kann und angeblich über den Dingen steht.
Der Schüler Gerber war für mich ein sehr unterhaltsamer Roman mit einem ernsten Thema. Ich fand es sehr interessant, wie sich Kurt in seinem letzten Jahr am Gymnasium schlägt, da auch meine Matura erst ein Jahr her ist und die Erinnerungen daran noch sehr frisch.
Am Anfang ist die Bedrohung durch Kupfer haarsträubend spürbar und man ist sich seiner gefährlichen Präsenz vollkommen bewusst. Das wird dadurch noch verstärkt, dass man einen tiefen Einblick in Kupfers Alltag bekommt und seine kranken Gedanken beschrieben werden. In der Mitte des Romans wird die Bedrohung Kupfers jedoch zurückgeschraubt und man denkt sich, was eigentlich so bedrohlich an ihm ist. Er ist doch nur irgendein Lehrer. Erst bei der Matura wird einem wieder bewusst, warum sich Kurt so vor ihm fürchtet.
Nicht nur Kupfer ist auf eine kranke Art besessen von Kurt sondern auch Kurt von Lisa und irgendwann vermischen sich alle drei zu einem Strudel aus Demütigung, Verachtung und Verzweiflung, aus diesem Kurt am Ende nicht mehr auftauchen kann. Die Liebe zu Lisa stellt sich am Ende nur als hohler „Kitschroman“ heraus und Kurt glaubt endlich all jenen, die ihn vor Lisa gewarnt hatten.
Die Entwicklung von Kurt von einem selbstbewussten, unabhängigen zu einem verzweifelten und in einen Abgrund stürzenden Schüler, ist gut nach zu vollziehen und innerhalb von zwölf Kapiteln, einem einzigen Schuljahr, bestens dargestellt.
Zu den Stärken zählt auf jeden Fall die Intensität, mit der die Geschichte von Kurt erzählt wird. Er handelt in jeder Situation nachvollziehbar und durchgehend konsequent.
Wenn man jedoch selbst gerade mitten in den Maturavorbereitungen steckt, könnte dieses Buch sich schleichend in deine Gedanken einnisten und die Angst vor den großen Prüfungen schüren.
Die Zielgruppe, die der Roman ansprechen soll, erstreckt sich über eine große Altersspanne. Besonders interessant ist dieser Roman aber vor allem für Schüler kurz vor der Matura, also im letztenSchuljahr, oder welche, die die Matura noch nicht so lange hinter sich haben. Aber auch ältere Genrationen können sich durch „Der Schüler Gerber“ wieder in ihre eigene Schulzeit zurück versetzten, da sich vieles bis heute nicht geändert hat, oder erst jetzt anfängt, sich zu verändern.
Für mich ist der Schüler Gerber ein Roman, der mit jedem Punkt überzeugt und zu Recht als Klassiker gehandelt wird.