Wie sieht der perfekte Mord aus? Wenn die Leiche keine Kampfspuren aufweist und in der Umgebung keine Fingerabdrücke oder sonstige verräterische DNA-Spuren zu finden sind. In einem Reinraum eines Arzneimittellabors ...
Wie sieht der perfekte Mord aus? Wenn die Leiche keine Kampfspuren aufweist und in der Umgebung keine Fingerabdrücke oder sonstige verräterische DNA-Spuren zu finden sind. In einem Reinraum eines Arzneimittellabors gibt es keine menschlichen Spuren, da alle Personen, die dieses Labor betreten, Ganzkörperanzüge, Masken, Haarnetze und Handschuhe tragen. So steht Kommissar Lohen mit seiner Kollegin Falke vor einem fast unlösbaren Rätsel.
Die Autorin schafft es, die Spannung durchweg zu halten. Es werden immer wieder kleine Szenen ohne scheinbaren Zusammenhang in die Geschichte eingeflochten, die die Vermutungen, wer der Mörder sein könnte, in eine bestimme Bahn lenken. Doch im Verlauf der Ermittlungen treten neue Beweise auf, die diese Vermutungen gegenstandslos werden lassen. Jeder Verdächtige, jeder Mitarbeiter, jede außenstehende Person findet in den Ermittlungen ihren Platz und im Epilog wird der gesamte Fall befriedigend aufgeklärt. Es bleiben keine offenen Fragen, jeder Zusammenhang wird erklärt und der Täter entlarvt. Doch die Auflösung ist nicht, was man erwartet.
„Jeder Zauberer oder Gläubige, der Gott sowie sein heiliges Wort und das Christentum opfert und einen Bund mit dem Teufel eingeht, soll mit dem Tode bestraft und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.“ ...
„Jeder Zauberer oder Gläubige, der Gott sowie sein heiliges Wort und das Christentum opfert und einen Bund mit dem Teufel eingeht, soll mit dem Tode bestraft und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.“ (S. 5)
Dieses Buch ist nichts für Abenteurer und sonnige Tage. Das Leben in Vardø ist düster, karg und entbehrungsreich. Die Geschichte um Maren und Ursa entwickelt sich genauso gemächlich, wie die Geschichte um Vardø und die Hexenverfolgung. Es erinnert an ein heranrollendes Gewitter, dass man schon aus der Entfernung spüren, aber nicht sehen kann. Ein großer Sturm wird erwartet, doch es weht nur ein laues Lüftchen.
„Doch jetzt weiß sie, wie es war, zu glauben, dass das Böse nur dort draußen hersche. Das Böse war hier, unter ihnen, es hatte zwei Beine und fällte Urteile mit menschlicher Zunge.“(S. 375)
Am nördlichsten Punkt im Königreich Norwegen-Dänemark gibt es 1617 auf einer Insel ein Dorf namens Vardø, dessen Männer an Heiligabend von einem Sturm ertränkt werden. Der Verlust stürzt das ganze Dorf in Trauer.
Maren hat ihren Vater, Bruder und Verlobten an den Sturm verloren. Nun lebt sie mit ihrer Mutter, die vor Trauer ein Schatten ihrer Selbst wird, und der Frau ihres Bruders, die eine Sámi und hochschwanger ist, in dem gemeinsamen beengten Haus. Sie träumt von einem Wal, der das Verderben ihres Dorfes besiegelt und sie Unheil ahnen lässt.
Ursa betritt Vardø 1619 mit ihrem Mann, dem Comissioner Cornet. Kurz vor seiner Reise hat er ihren Vater in Bergen kennen gelernt.
„>>Er brauchte ein Schiff, und eine Braut …<<
>>In dieser Reihenfolge?<<, flüsterte Ursa […].“ (S. 86)
Sie bemerkt schnell, dass sie in Bergen verwöhnt wurde. Dort lebte sie in einem großen Haus, mit Bediensteten und musste sich keine Sorgen um Essen oder saubere Kleidung machen. In Vardø bewohnt sie ein winziges Haus mit nur einem Raum und hat nichts als den Namen ihres Mannes. Sie bittet Maren um Hilfe.
In den Monaten nach dem Sturm haben die Frauen zusammen gehalten, gemeinsam die Kirche besucht und um ihre Männer getrauert. Da das Dorf häufig von Sámi besucht wird, sind den Frauen die Sámi-Rituale nicht fremd, teilweise sogar willkommen. Dies ändert sich mit dem Eintreffen des Comissioners, der ein gottesfürchtiger Mann ist. Schnell spaltet sich das männerlose Dorf in die kirke-Frauen (Kirchenfrauen) und die anderen. Mitten drin finden sich Ursa und Maren, die eine ungewöhnliche Freundschaft verbindet.
Die Charaktere sind zum großen Teil unverständlich in ihren Handlungen. Dass die kirke-Frauen sich dem großen, starken Mann an den Hals werfen und sich gegenseitig verpetzen, um zu seinen Lieblingen zu gehören, ist nachvollziehbar. Doch warum Marens mamma plötzlich eine Abneigung ihrer eigenen Schwiegertochter Diinna gegenüber entwickelt, warum Diinna sich scheinbar verwahrlosen lässt, warum ihr Sohn seltsam anmutet, ist unverständlich. Das ganze Verhalten beginnt bereits, bevor Vardø überhaupt von der Ankunft des Comissioners erfährt.
Maren wird im Klappentext (der Verlages) als unabhängige Frau beschrieben. Im Gegensatz zu Ursa ist jede Frau in diesem Dorf unabhängig, da sie alle Männer verloren haben und somit keine Wahl hatten. Warum Maren nun besonders unabhängig sein soll, erschließt sich nicht. Sie macht sich in der Gegenwart von Comissioner Cornet klein und möchte am liebsten unsichbar sein. Sie ist ängstlich, kann sich nicht durchsetzen und in den wichtigen Augenblicken nicht den Mund aufmachen. Sie schweigt sich aus.
Der Klappentext auf dem Buch verspricht einen intensiven und poetischen Roman, einen Überlebenskampf, sowie eine gefährliche und mächtige Liebe. Dies weckt hohe Erwartungen, die das Buch nicht erfüllen kann. Die Geschichte treibt langsam voran. Der Überlebenskampf ist kein Kampf. Die Charaktere sind vor allem ängstlich. Die gefährliche und mächtige Liebe bleibt vermisst.
Es ist ein Buch über das Misstrauen unter Frauen in einer männerdominierten Welt zu Zeiten der Kirche und Hexenverfolgung. An Intensität und Poetik fehlt es.
„Wir sind so sorglos mit Worten gewesen. Wir haben sie verschwendet, bis wir nicht mehr wussten, was sie wert waren. Worte sind vorweggenommene Taten und wir hätten gut daran getan, das nicht zu vergessen. ...
„Wir sind so sorglos mit Worten gewesen. Wir haben sie verschwendet, bis wir nicht mehr wussten, was sie wert waren. Worte sind vorweggenommene Taten und wir hätten gut daran getan, das nicht zu vergessen. Und als wir uns wieder daran erinnert haben, war es zu spät.“
(S. 77, Am Anfang starben die Vögel von Holger Gerlach)
Kurzgeschichtensammlungen sind interessant, weil es aufregend ist zu erfahren, wie unterschiedliche Autoren ein gemeinsames Thema umsetzen. Bei dieser Anthologie ist der Name Programm. Jedoch nur oberflächlich. Noir ist französisch für schwarz. In der Literatur beschreibt noir eine düstere Atmosphäre und wird auch mit dem Begriff „Schauergeschichten“ in Verbindung gebrach.
Noir 1 hat mich jedoch in seiner Gesamtheit enttäuscht. Die „literarischen Abgründe“ aus dem Klappentext entpuppen sich als Depression, Kanibalismus, Götterkomplex, Mord, Krieg, und so weiter. Diese sind nicht abgründiger als gewöhnliche Krimis oder Sci-Fi-Romane.
Doch nicht alle Kurzgeschichten sind langweilig oder vorhersehbar. Die beste und gleichzeitig auch kürzeste ist Am Anfang starben die Vögel von Holger Gerlach, in der eine unheilvolle Zukunftsversion mit sehr viel Gefühl dargestellt wird, und dass trotz der Distanz zwischen den Protagonisten.
Midnight Paradise von Peter Kirschstein und XN4-DMT von Leveret Pale gehören in den Fantasy-/ Sci-Fi-Bereich der Literatur und waren düster und recht spannend. In der ersten dieser Geschichte geht es um ein Bordell in der Hölle, die Namen der Protagonisten erinnern an Spielkarten und es gibt zahlreiche Wesen aus verschiedenen Mythologien und Historien. Die zweite handelt von einem virtuellen Treuetest und seinen grauenvollen Folgen. XN4-DMT entspricht mehr als alle anderen Geschichten dem Thema noir.
Die letzte Geschichte, Der Scharfschütze von Jan Pieter Reus, beinhaltet eine gelungene Kritk gegenüber eines Stärkeren und ein verwirrendes Ende.
Diese vier Geschichten bieten Potenzial, doch gehen sie leider in der Gewöhnlichkeit der anderen sechs unter. Diese Anthologie gibt sich so viel Mühe noir zu sein, Tabuthemen anzusprechen, ohne jedoch Grenzen zu überschreiten. H.P. Lovecraft lehrt einem das Grauen, treibt seine Leser in den Wahnsinn. Noir 1 ist dagegen ein Kinderbuch.
„[…] die meisten Leute schössen verbal lediglich mit Schrot: Viel Getöse, große Streuverluste, und mit Glück träfe irgendetwas in irgendein Ziel.“
(S. 147, Der Scharfschütze von Jan Pieter Reus)
„Im Vergleich zur Erde sind wir Menschen also tatsächlich sehr jung. Wie werden sapiens genannt, weil dieses lateinische Wort „weise“ oder „klug“ bedeutet. Entscheide einfach selbst, nachdem du dieses ...
„Im Vergleich zur Erde sind wir Menschen also tatsächlich sehr jung. Wie werden sapiens genannt, weil dieses lateinische Wort „weise“ oder „klug“ bedeutet. Entscheide einfach selbst, nachdem du dieses Buch gelesen hast, ob du den Namen gut findest.“ (S.90)
Einfach alles in einem Buch unter zu bringen, ist umfangreich. Deswegen hat der Brockhaus auch so viele Bände. Das ein Buch mit 352 Seiten und vielen Illustrationen da nicht heran kommt, sollte also nicht überraschen. Doch gibt dieses Buch einen groben Überblick über die Entstehung der Erde, die Entwicklung des Menschen, einiger Kulturen und Religionen. Es reißt die Themen an und bewegt sich rasant auf die heutige Zeit zu. Der Vergleich mit einer 24 Stunden Uhr macht deutlich, wie kurz der Mensch auf der Erde bereits verweilt.
Der Klappentext empfiehlt das Buch „ für alle Neugierigen - egal welchen Alters“, doch erinnert die Aufmachung und Erzählweise mit ihren Vergleichen an ein Kinderbuch. Die Geschichte der Erde und später der Menschheit wird, bis auf wenige Ausnahmen, in leicht verständlichen Worten und kurzen Sätzen erzählt. Die vielen Illustrationen und Zitate berühmter Persönlichkeiten lockern die Texte auf.
Für Kinder und Neugierige, die einen groben Überblick über die Erdgeschichte haben möchten, lohnt sich dieses Buch. Für junge Erwachsene und Erwachsene ist es zu kindlich und für Geschichtsinteressierte zu oberflächlich.
Das Buch beginnt mit dem Urknall, bei dem subatomare Teilchen und Atome erwähnt und mit Legosteinen verglichen werden. Dann folgen Wasserstoffatome, Mirkoorganismen, Cyanobakterien, Stromatolithen und Photosynthese. Diese Begriffe werden nicht erklärt, auch nicht im angehängten Glossar.
„Sie mochte keine Räume ohne Bücher. Sie fand, das machte Räume traurig.“ (S. 15)
Die letzte Seite dieser Novelle ließ mich sprachlos zurück. Das Nebelmädchen von Mirror Ends hat mich in den Bann gezogen ...
„Sie mochte keine Räume ohne Bücher. Sie fand, das machte Räume traurig.“ (S. 15)
Die letzte Seite dieser Novelle ließ mich sprachlos zurück. Das Nebelmädchen von Mirror Ends hat mich in den Bann gezogen und nicht mehr los gelassen. Doch bereits der Prolog ist düster und voller Bilder. Alles dazwischen wirkt wie ein Traum, aus dem man aufwachen und doch verweilen möchte.
Die Autorin schafft eine Welt, die bildgewaltiger kaum sein kann. Das Haus Mirror Ends hat nicht nur eine Geschichte, sondern auch ein eigenes Leben, einen Herzschlag und ein Lied.
Eliza Willows scheint entrückt. Sie nimmt die Realität anders wahr, weswegen sie das Nebelmädchen sehen kann. Dieses weint die Sterne vom Himmel, ist schwermütig und hoffnungslos. Eliza ist ihre einzige Hoffnung. Zusammen bemühen sie sich, die verlorenen Träume zu finden und das Nebelmädchen von ihrem Fluch zu befreien, bevor die Nacht komplett „finsterdunkel“ (S. 9) wird.
Das Nebelmädchen von Mirror Ends liest sich wie ein Traum, voller bunter Bilder und dunkler Lieder. Die Geschichte ist verzaubert, bezaubernd, magisch. Sie führt den Leser auf den Friedhof der Spiegel und den Trödelmarkt der Träume. Man lernt das Weiblein aus Papier kennen und den Preis von Träumen und Versprechen. Mit diesem Buch zahlt man diesen gerne. Es ist ein Traum, düster und voller Hoffnung.
„Aber das war vor dem Speicher gewesen, vor dem Trödelmarkt der Träume und den verlorenen Erinnerungen; vor dem Wissen um den Schmied, der Träume fing und in kleine Käfige aus Stahl, Magie und Glas sperrte und vor all den anderen Dingen – wie dem alten Weiblein aus Paier, an deren Existenz sie nie zuvor geglaubt hätte. Vor allem aber vor dem Nebelmädchen mit den goldgrünen und silberblauen Augen aus Meeresleuchten und Himmelssehnsucht.“ (S. 9)