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Veröffentlicht am 22.10.2019

Atmosphärisch und überraschend

Die Farbe von Glas
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„Außerdem bist du viel zu willensstark, um eine gute Ehefrau zu sein.“ (S. 28)

Rósa ist eine selbstbewusste, 25 jährige, unverheiratete Frau. Ihr Pabbi war Pastor in Skálholt und ihre Familie hoch angesehen. ...

„Außerdem bist du viel zu willensstark, um eine gute Ehefrau zu sein.“ (S. 28)

Rósa ist eine selbstbewusste, 25 jährige, unverheiratete Frau. Ihr Pabbi war Pastor in Skálholt und ihre Familie hoch angesehen. Sie kann lesen und schreiben und kennt die Sagas (Geschichten und Legenden) von Island. Ihr Pabbi hat ihr erlaubt, bei ihm in der Kirche zu bleiben, statt eine gute Partie zu heiraten und das Dorf zu verlassen. Doch nach seinem Tod zog der Hunger ein und als ihre Mutter schwer krank wird, wurde der nahende Winter immer mehr zu einer Bedrohung. Sie wusste sich nicht anders zu helfen und hat das Angebot von Jón angenommen. Sie hat ihn geheiratet, obwohl es viele bunruhigende Gerüchte um Jón gibt. Doch Rósas Mutter bekommt durch die Verbindung regelmäßig Lebensmittel und Torf für ein Feuer; sie bekommt eine Chance den Winter zu überleben.

„Nur ein kleines Kind kann so blind sein, das Dunkle in diesem Mann nicht zu sehen.“ (S. 28)

Jón ist ein angesehener Händler, sein Ruf eilt ihm voraus. Er ist außerdem das erwählte Oberhaupt des Dorfes Stykkishólmur. Seine erste Frau Anna ist verstorben. Es ranken sich viele Gerüchte um ihren Tod, die sogar bis nach Skálholt gelangen. Daher ist er sehr bemüht, weiteres Gerede zu vermeiden, vor allem in seinem eigenen Dorf. Er lebt abgeschieden von den übrigen Bewohnern auf einem Hügel und hat selbst vor seiner Ehefrau Geheimnisse.
In Rósa findet er eine gehorsame und gefügige Gemahlin. Sie putzt, flickt und kocht; sie befolgt seine Regeln und meidet das Dorf und seine Bewohner. Nichts erinnert an die selbstbewusste Frau aus Skálholt.

„[…], doch diese seltsame Einsamkeit erträgt sie nicht. Sie fühlt sich wie der harte, gläserne, Anhänger, der um ihren Hals baumelt.“ (S. 109)

Es ist entsetzlich, wie sehr Einsamkeit jemanden verändern kann. Rósa vermisst nicht nur ihre Mutter, sondern Gesellschaft allgemein. Sie hört Nachts Geräusche, fühlt sich beobachtet und hat Angst etwas falsch zu machen. Sie verliert an Gewicht und Farbe, macht sich unsichtbar. Sie hält sich an der Glasfigur, die Jón ihr geschenkt hat, fest, als wäre sie ein Anker. So wird diese Figur zum Symbol für Rósa, dass sich durch die ganze Geschichte zieht. Daher macht der englische Titel „The Glass Woman“ mehr Sinn, als der Deutsche, auch wenn dieser poetischer klingt.


„Ich hatte sie für zerbrechlich gehalten, als ich sie kennenlernte. Doch nun wusste ich, dass sich hinter ihrem gehorsamen Knicksen und dem tugendhaft gesenkten Blick ein stählerner Kern verbarg.“ (S.356)

Es wird aus Rósas und Jóns Sicht erzählt, wobei Jóns Geschichte in der Zukunft liegt. So ist Rósas Erzählstrang der aktuelle und wird am Ende mit Jóns zusammen geführt. Diese Erzählweise fesselt das Interesse und gibt mehr über Jón Preis, als jedes Gerede in Stykkishólmur es vermag.

Neben den Geheimnissen um Jón und seiner ersten Frau oder den Anspielungen auf Rósas Glasanhänger, ist das Buch sehr atmosphärisch. Island ist ein raues Land, im Winter sehr karg, im Sommer fruchtbar, immer gefährlich und in Bewegung. Viele Menschen verschwinden, nicht nur in Schneestürmen. Die Bewohner Islands sind gefangen zwischen dem christlichen Glauben der Kirche und den Naturgeistern. Die Beschreibungen der Landschaften und Naturgewalten sind bildhaft und mächtig.

„Die Berge erheben sich wie eine schützende Hand rund um Stykkishólmur, als wollten sie das Dorf vor Unglück und neugierigen Blicken bewahren. Gestein ragt aus dem grünen Land hervor, die Knochen des Bodens, blank gescheuert in Jahren der Überbeanspruchung und Rodung. Das graue Skelett der Erde blitzt auf, nackt und roh.
Das Land erstreckt sich bis hinunter zum Strand, der wie eine schwarze Sandnarve vor der krausen Oberfläche des Meeres liegt[…]. Im Fjord liegen Tausende von Inseln verteilt, als hätte ein gereizter Trol wahllos Felsbrocken ins Wasser geworfen.“ (S. 71)

Wer ein spannungsgeladenes Abenteuer erwartet, wird enttäuscht. Wer aber eine düstere, atmosphärische Geschichte voller Zweifel, Angst und Geheimnisse erwartet, wird am Ende überrascht.

Veröffentlicht am 11.10.2018

Das Mondscheinkind und die Liebe

Im Schatten des Mondes
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Leo ist ein Mondscheinkind. Mit zwei wurde dieser Gendefekt bei ihm festgestellt, der verhindert, dass er UV-Licht verträgt. Seitdem hat er viel über sich ergehen lassen: Den Spott der Kinder in der Schulde, ...

Leo ist ein Mondscheinkind. Mit zwei wurde dieser Gendefekt bei ihm festgestellt, der verhindert, dass er UV-Licht verträgt. Seitdem hat er viel über sich ergehen lassen: Den Spott der Kinder in der Schulde, Operationen, die Liebe seiner Mutter, die Abneigung seines Vaters und den Neid seiner Schwester. So verspricht er sich von dem Schulwechsel nicht viel. Sein einziger Freund ist der Wolf im Zoo, der, wie er, hinter Gittern gefangen ist und den Feind, den Mondmann, an heult. Doch eines Nachts steht plötzlich ein Mädchen neben ihm vor dem Wolfskäfig.
Ina lebt in ihrer ganz eigenen Welt. Sie ist Astronautin und möchte mit ihrer Rakete auf den Mond fliegen. Sie lebt am liebsten Nachts, und so ist es nicht verwunderlich, dass sie den mondfarbenen Jungen am Wolfskäfig überrascht.

Dieses Buch ist außergewöhnlich. Es ist zwar eine Liebesgeschichte, doch anders, als man vermuten möchte bei diesem Cover. Es ist vor allem eine Geschichte über einen 16 jährigen Jungen, dessen Leben mit zwei Jahren endete. Seitdem lebt er eigentlich nur noch von Operation zu Operation, weiß selbst nicht, was er will, und verlässt sich auf seine Mutter, die nur für ihn zu leben scheint, auch wenn er das gar nicht möchte. Er ist in sich gekehrt, allein mit seiner Krankheit, und eigentlich hofft er nur, dass es bald vorbei ist.
Es ist aber auch eine Geschichte über Familie, Mutterliebe, Freundschaft, und dass jeder seines eigen Glückes Schmied ist. Und dass man manchmal einen Freund braucht, eine andere Sichtweise, um sein Leben ändern zu wollen. Licht und Schatten, Sonne und Mond. Sie können nicht ohne einander, und Leo und Ina erzählen ihre Geschichte lieber selber.

Der Leser lernt in diesem Buch den Mond nicht nur von seiner strahlenden Seite kennen, sondern auch von seiner Schattenseite. Und dass auch diese voller Schönheit ist. Der Schreibstil ist sehr leicht zu lesen, und doch manchmal etwas verwirrend. Was ist Wirklichkeit und was ein Traum? Gibt es da überhaupt einen Unterschied? Und wer bestimmt das? Leos Mutter? Inas Paps?

Veröffentlicht am 16.08.2018

schöne Geschwistergeschichte

Wenn das Meer leuchtet
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"Mir ist klar, dass ich einen Fehler gemacht habe und dass der Konsequenzen haben wird.
Aber das ist egal. Denn ich bin mir selbst treu geblieben, und nur darauf kommt es an." (S.57)

Klappentext: Marie ...

"Mir ist klar, dass ich einen Fehler gemacht habe und dass der Konsequenzen haben wird.
Aber das ist egal. Denn ich bin mir selbst treu geblieben, und nur darauf kommt es an." (S.57)

Klappentext: Marie ist neu auf dem College. Hier in Kalifornien ist alles anders - und doch genau so, wie es für sie schon immer war: Ausgrenzung und Ablehnung bestimmen ihren Alltag, und so zieht sie sich in sich selbst zurück. Doch eine dramatische Bedrohung zwingt sie zum Handeln. Plötzlich wird ihr Leben zum Spießrutenlauf, und von einem auf den anderen Tag ist alles anders.
Denn was tust du, wenn derjenige, der dich bedroht, auf einmal der einzige ist, der dir beisteht? Können Menschen sich so grundlegend verändern? Kann aus Angst Liebe werden? Und ist diese stark genug, gegen alle Widerstände zu bestehen?


Marie war als Kind immer die Außenseiterin und wurde gehänselt. Jetzt ist sie am College in Kalifornien und möchte die Vergangenheit in Alabama hinter sich lassen und von vorne beginnen. Zuerst versucht sie sich mit ihrer Zimmergenossin anzufreunden, doch die hat andere Pläne. Allein gibt Marie sich ihrem Kummer hin, auf ihre eigene Art, und wird im falschen Moment überrascht und falsch verstanden. Schon geht alles wieder von vorne los und Marie ist wieder die Außenseiterin. Marie ist ein zähneknirschender, zum Haare raufender Charakter. Sie hatte ein schweres Leben an der Schule, weswegen sie einen Neuanfang sucht. Versteh ich. Warum sie sich so an ihre Zimmergenossin versucht zu klammern, anstatt jemand freundliches aus den Kursen zu suchen, verstehe ich nicht. Außerdem verfällt sie schnell in alte Muster, was sie erst in die Misere bringt. Allerdings ist sie auch mutig, weiß meistens, was sie will, sie ist loyal und benutzt ihren gesunden Menschenverstand. Sie zeigt manchmal mehr Rückgrat, als ihre Komilitonen. Das Buch ist leicht geschrieben und gut in einem Rutsch zu lesen. Ab und an blieb mir das Herz stehen, aber das wird wohl allen so gehen in diesen Situationen. Alles in allem nicht das, was man bei diesem Klappentext erwartet und im Grunde genommen auch nicht ein klassischer Liebesroman, steht die Geschwisterliebe für mich mehr im Vordergrund, als das Paar. Trotzdem schön.

Veröffentlicht am 07.08.2018

sinnlich

Steam Master
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Das Aethernanox soll eröffnet werden. Es ist ein aethergetriebenes Hotel, was keine sinnlichen Wüsche offen lässt. Cundringham arbeite auf Hochtouren an den letzten Feinheiten, als ein Steam Master tot ...

Das Aethernanox soll eröffnet werden. Es ist ein aethergetriebenes Hotel, was keine sinnlichen Wüsche offen lässt. Cundringham arbeite auf Hochtouren an den letzten Feinheiten, als ein Steam Master tot vom Himmel fällt. Der Steam Master Lucius Lokken wählt derweil seine nächste Maskenträgerin aus, als er nach London gerufen wird. Es folgt eine spannende Mischung aus Steampunk und Lust.
Diese Anthologie besteht weniger aus 13 Kurzgeschichten, als viel mehr vielen Kapiteln unterschiedlicher Autoren, die sich zu einer Geschichte zusammen fügen. Die Charaktere sind vielseitig wie ihre Autoren, die Handlung spannend und der Schreibstil flüssig. Ein Kunstwer.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Empfehlung für Dr.Who Fans

Weltenamulett
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Melissa entdeckt an ihrem 17. Geburtstag ein Amulett, welches ihr den Verstand raubt. Zumindest findet sie sich erst spät damit ab, dass sie wirklich in eine andere Welt gereist ist. Erst mit der Zeit ...

Melissa entdeckt an ihrem 17. Geburtstag ein Amulett, welches ihr den Verstand raubt. Zumindest findet sie sich erst spät damit ab, dass sie wirklich in eine andere Welt gereist ist. Erst mit der Zeit akzeptiert sie, dass es kein Traum ist und das weckt die Wut auf ihre Mutter, die sie nicht schon in jungen Jahren auf ihre Aufgabe vorbereitet hat. So landet sie auf der Welt Traveste und fühlt sich völlig überfordert.

Während des ganzen Buches habe ich mich immer wieder gefragt, wie ich wohl reagieren würde, wenn mir so etwas widerfahren würde. Daher kann ich mit Melissa von Anfang an mitfühlen. Sie ist sehr mutig, manchmal etwas vorschnell, und dann verfällt sie wieder in Panik. Aber am Ende schafft sie es doch irgendwie und nimmt sich für die Zukunft sehr viel vor. Und ich hoffe sehr, dass es mit dem Weltenamulett weitergeht, denn ich bin sehr gespannt auf neue Welten. Dieses Buch erfreut ein Dr.Who-Herz :)

Der Schreibstil ist sehr flüssig, die Charaktere sind sehr gut beschrieben. Die Beschreibung von Traveste ist faszinierend, nicht nur die Umgebung, auch die Tiere und Menschen. Die Autorin hat nicht nur eine fantastische Welt geschaffen, sondern sie auch wahr werden lassen.