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Veröffentlicht am 28.07.2024

Nordseeinsel-Urlaubs-Flair mit Wohlfühlkrimi

Inselbrise
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„Inselbrise“ von Anja Eichbaum ist bereits der siebente Band der Norderney-Reihe mit Ruth Keiser und Martin Ziegler als Protagonisten, ein eher ruhiger Krimi mit Schwerpunkt zwischenmenschliche Beziehungen ...

„Inselbrise“ von Anja Eichbaum ist bereits der siebente Band der Norderney-Reihe mit Ruth Keiser und Martin Ziegler als Protagonisten, ein eher ruhiger Krimi mit Schwerpunkt zwischenmenschliche Beziehungen und Charaktere.

Worum geht es?
Susan Ophoven versucht als Schreibcoach auf Norderney Fuß zu fassen, doch der Neustart erweist sich als schwierig. Noch dazu wird ihre Ex-Schwiegermutter mit Pfeil und Bogen erschossen und Susan gerät unter Verdacht. Doch andererseits, überlegen die Inselpolizisten, könnte sie auch Opfer eines Komplotts sein …

Das Cover mit den Strandkörben vermittelt Nordsee-Flair und macht Lust auf Strand, Sonne und Meer. Das Buch erschien 2024, die Handlung spielt in der Gegenwart und erstreckt sich über einen Zeitraum von rund zehn Tagen im Monat Juli. Die stets kurz gehaltenen Kapitel sind teilweise mit Zeit- und Ortsangaben versehen. Der Schreibstil ist flüssig, liest sich locker, bildhaft. Sowohl die Wesenszüge der handelnden Personen als auch Landschaftsbeschreibungen, das Treiben am Strand sowie kulinarische Besonderheiten der Insel sind anschaulich beschrieben, animieren einen als Leser, einmal Norderney zu bereisen.

Für mich war dies, nachdem ich mit Band 6 quer eingestiegen bin, das zweite Buch dieser Reihe. Prinzipiell steht jedes Buch, was den Fall anbelangt, für sich alleine. Den relevanten Personenkreis überblickt man auch ohne Kenntnis der Vorgängerbände problemlos. Dennoch, ich glaube, die Charaktere der Protagonisten, ihre Entwicklung und warum sie so sind, wie sie sind, versteht man sicher noch besser, wenn man die Reihe von Beginn an gelesen hat.

Im Gegensatz zum vorherigen Band „Inselspiel“, der von Beginn an tempo- und abwechslungsreich ist, beginnt „Inselbrise“ sehr gemächlich mit Schwerpunkt auf zwischenmenschliche Beziehungen und ausgiebige Charakterbilder. Die Ermittlungsarbeit setzt erst nach gut der Hälfte des Romans ein. Ab dem Moment, als sich die Verdachtsmomente rund um Susan verdichten, wird auch die Polizei auf Norderney offiziell mit einbezogen. Denn der erste Mord ereignete sich ja nicht in ihren Zuständigkeitsbereich. Ab da kommt richtig Spannung auf, die sich bis zum dramatischen Finish noch steigert und eine unerwartete Lösung offenbart.

Die Protagonisten wirken authentisch und lebendig, zeigen Stärken und Schwächen, Vorgeschichten sind angedeutet. Privates ist gut mit der Krimihandlung verwoben, nimmt aber meiner Meinung nach etwas zu viel Raum ein, auch wenn die Dialoge unterhaltsam und die Protagonisten sympathische Zeitgenossen sind. Deren Freundschaft ist trotz mancher Differenzen und Missverständnisse geprägt von Harmonie und Verständnis füreinander.

„Inselbrise“ hat mich persönlich leider nicht so sehr mitgerissen wie der Vorgängerband. Ich fühlte mich zwar wohl im Kreise von Martin Ziegler und Ruth Keiser samt Partnern und Freunden, ließ mich gerne per Kopfkino auf Norderney entführen und inhalierte sehnsuchtsvoll Urlaubsgefühle, doch die Krimihandlung lag für mich zu lange zu sehr im Hintergrund. Nichtsdestotrotz empfehle ich den Krimi als optimale Urlaubslektüre gerne weiter und vergebe 4 Sterne.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.07.2024

Balletttänzerinnen im Visier eines Mörders

Mir träumte, du lägest im Grab.
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„Mir träumte, du lägest im Grab“ von Eva Holzmair ist ein Whodunit-Krimi mit einem anschaulichen Charakterbild der Protagonistin und französischem Flair.

Worum geht es?
Anna Schaller arbeitet als Garderobiere ...

„Mir träumte, du lägest im Grab“ von Eva Holzmair ist ein Whodunit-Krimi mit einem anschaulichen Charakterbild der Protagonistin und französischem Flair.

Worum geht es?
Anna Schaller arbeitet als Garderobiere an der Pariser Oper. Als zwei Balletteusen ermordet werden und eine dritte aus dem Corps, mit der sie befreundet ist, verschwindet, wird Anna immer mehr mit den Morden konfrontiert, gerät auch in den Fokus der Polizei und beginnt letztlich selbst nachzuforschen – ein nicht ungefährliches Unterfangen.

Am Cover ist die Bronzeskulptur „Plume of Legs“ (= ein Bukett aus Beinen) des Künstlers John Farnham abgebildet. Die Symbolik des Motivs – es sind die Beine von Tänzerinnen - erschließt sich einem erst auf dem zweiten Blick bzw. im Laufe der Lektüre. Der Titel des Buches ist einem Gedicht von Heinrich Heine entnommen, dessen Grab sich am Pariser Friedhof Montmartre befindet, jenem Friedhof, auf den die Protagonistin von ihrem Wohnzimmer aus hinunterblickt. Die Autorin verbindet in diesem Roman ihre Liebe zu Henrich Heines Werken, aus denen sich etliche Zitate im Buch finden, mit jener zu Frankreich.

Das Buch ist der bereits 2012 erschienene Debutroman der Autorin. Die kurz gehaltenen Kapitel sind übertitelt, ohne Zeitangaben. Die Handlung spielt Anfang des 21. Jahrhunderts in Paris und Umgebung. Das französische Flair ist anschaulich beschrieben und wird durch zahlreiche französische Ausdrücke und Phrasen unterstrichen, die man (so wie ich) mit rudimentären Französischkenntnissen auch versteht, ohne das ausführliche Glossar am Ende des Buches zu benötigen.

Erzählt wird in Ich-Form aus Sicht von Anna. Grundsätzlich ist der Schreibstil flüssig und gut beschreibend. Mich irritierte jedoch das Fehlen der Anführungszeichen bei Dialogen, wodurch es manchmal nicht sofort eindeutig erkennbar ist, ob gesprochen oder nur gedacht wird. Die Geschichte hat einen eigenen Reiz, die Morde empfand ich eher als Hintergrund, der Fokus lag für mich eher auf der Protagonistin.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Anna Schaller, aus Österreich stammend, die, obwohl sie Theaterwissenschaft studiert hat, das Leben hinter der Bühne als Garderobiere bevorzugt. Sie lebt eher zurückgezogen, mit wenigen sozialen Kontakten, auch die familiären Bindungen pflegt sie seit längerem nicht mehr. Die Morde an Balletttänzerinnen, das Verschwinden ihrer besten Freundin und dass sich ihre Schwester Bärbl nach Jahren um Hilfe an sie wendet, all das bringt Unruhe in Annas Leben. Ihr Alltag, ihre Herkunft, ihr Charakter und ihre Entwicklung dominieren die Handlung. Durch die Ich-Form erhält man umfassend Einblick in Annas Wesen, ihre Denkweise, ihre Vorgeschichte. Abgesehen von Anna, sind auch die übrigen Figuren lebendig gezeichnet, der Täter allerdings blieb für mich ziemlich farb- und strukturlos, was aber irgendwie zu Annas Wesen passt, die ihrem Umfeld üblicherweise nur oberflächliche Aufmerksamkeit schenkt.

Die Spannung kreiert sich primär aus der Frage nach dem Täter. Dass ausgerechnet Annas Schwester mit einem Verdächtigen liiert ist, bildet die Basis für die Verbindung zwischen Anna und den Morden und animiert sie, selbst zu recherchieren. Dabei kommt sie dem Täter näher als ihr lieb ist. In einem dramatischen Showdown klärt sich der Fall, offenbart einen eher unerwarteten Täter.

„Mir träumte, du lägest im Grab“ hat mir sehr gut gefallen, weil es wieder einmal ein Krimi war, der nicht dem üblichen Schema folgt. Zudem mochte ich auch das französische Ambiente sehr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2024

Tod bringende Reportage

Verrat auf Helgoland
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„Verrat auf Helgoland“, der 5. Band der Reihe von Susanne Ziegert, in der Friederike von Menkendorf ermittelt, ist nicht nur ein spannender Nordsee-Krimi, sondern hat auch einen interessanten historischen ...

„Verrat auf Helgoland“, der 5. Band der Reihe von Susanne Ziegert, in der Friederike von Menkendorf ermittelt, ist nicht nur ein spannender Nordsee-Krimi, sondern hat auch einen interessanten historischen Hintergrund.

Worum geht es?
Der Journalist Casimir Dorst kommt auf Helgoland, um einen kritischen Bericht über die Insel zu drehen, nicht nur über die Schönheiten, Sehenswürdigkeiten und möglichen Freizeitaktivitäten, sondern auch über die Vergangenheit Helgolands, insbesondere über die Widerständler im Zweiten Weltkrieg. Aber bevor er seinen Film fertigstellen kann, wird er ermordet.

Am Cover prangt die sogenannte Lange Anna, eine der typischen Felsformationen auf Helgoland. Das Motiv sticht nicht nur ins Auge, es stimmt auch auf den Schauplatz des Krimis ein. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart. Das Buch erschien 2024. Die Kapitel sind angenehm kurz gehalten, ohne Orts- oder Zeitangaben. Ich bin beim Vorgängerband quer in die Reihe eingestiegen. Man kommt in die einzelnen Fälle auch gut hinein, wenn man sie nicht der Reihe nach liest. Will man auch den roten Faden kontinuierlich verfolgen, sollte man wohl mit Band eins beginnen.

Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Mich beeindruckte insbesondere die anschauliche Schilderung der Hochseeinsel in all ihren Facetten – die Stimmung je nach Wetterlage, ob stürmische See oder strahlender Sonnentag, Flora und Fauna wird so verlockend beschrieben, dass man regelrecht animiert wird, Helgoland zu bereisen. Sehr geschätzt hätte ich eine Landkarte oder wenigstens Skizze von Helgoland, um die Lage der Schauplätze und die zurückgelegten Wegstrecken nachvollziehen zu können. Stetiges Googeln finde ich lästig, das stört den Lesefluss. Sehr interessant fand ich die eingeflochtenen Tagebucheintragungen, die viel über die Rolle von Helgoland im Zweiten Weltkrieg offenlegen, einen Faktor, der wohl nicht jedermann bekannt ist.

Der Fokus der Handlung liegt auf der Ermittlungsarbeit, auf der Suche nach dem Mörder des Journalisten. Das Opfer war kein sympathischer Zeitgenosse, sodass es weder an Verdächtigen noch an Mordmotiven mangelt. Somit gibt es viel Raum zum Miträtseln. Der Spannungsbogen hält sich bis zum Ende auf gutem Niveau, inklusive etwas Action und kritischen Situationen. Obwohl man irgendwann den Mörder zu erahnen beginnt, nimmt die Handlung am Schluss eine gänzlich unerwartete Wendung.

Die Charaktere, auch die der Nebenfiguren, sind lebendig und gut vorstellbar gezeichnet, wie die ehrgeizige, heimatverbundene Tourismusmanagerin Jana, der frauenverachtende Journalist Dorst, die fanatisch ihr Ziel verfolgende Hotelinhaberin. Harry Kruss, der Inselpolizist, wird durch die zufällig auf Urlaub weilende Friederike von Menkendorf bei den Ermittlungen unterstützt. Die beiden sind sympathisch und bilden ein harmonisch und effizient zusammenarbeitendes Team. Neben ihren Qualitäten als Kriminalbeamte kommen auch Gefühle nicht zu kurz. Das Private ist gut dosiert mit der Handlung verwoben. Die beiden kennen sich von früher, hatten sich etwas aus den Augen verloren und entdecken die Liebe zueinander wieder. Doch Harry wird Helgoland kaum verlassen wollen …

„Verrat auf Helgoland“ hat mir in mehrerer Hinsicht sehr gut gefallen. Abgesehen vom gut aufgebauten, spannenden Kriminalfall, fand ich vor allem alles rund um Helgoland äußerst interessant, das Historische ebenso wie das Touristische. Somit freue ich mich schon jetzt auf weitere Fälle mit Rike, ja vielleicht wieder gemeinsam mit Harry? Wie sich die Fernbeziehung wohl weiterentwickeln wird?
Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.07.2024

Ein Blick in menschliche Abgründe

Dunkler Abgrund
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„Dunkler Abgrund“ von der norwegischen Autorin Ruth Lillegraven ist die Fortsetzung von "Tiefer Fjord", ein Spannungsroman mit Clara Lofthus im Mittelpunkt.

Worum geht es?
Clara Lofthus, Mutter von Zwillingen ...

„Dunkler Abgrund“ von der norwegischen Autorin Ruth Lillegraven ist die Fortsetzung von "Tiefer Fjord", ein Spannungsroman mit Clara Lofthus im Mittelpunkt.

Worum geht es?
Clara Lofthus, Mutter von Zwillingen und seit dem Tod ihres Mannes Alleinerzieherin, erreicht einen Höhepunkt ihrer Karriere: sie wird zur Justizministerin ernannt, was ihrerseits vollen Einsatz verlangt. Für ihre Kinder hat sie immer weniger Zeit. Eines Tages sind sie verschwunden. Entführt.

Das Cover mit der im tiefen Wasser schwimmenden Frau strahlt bereits in Verbindung mit dem Buchtitel eine gewisse bedrohliche Situation aus – das tiefe Wasser, das sie hinab zieht oder hinab ziehen könnte, in den Abgrund. Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel „Av mitt blod“ (=Von meinem Blut). Aus dem Norwegischen übersetzt wurde diese von Günther Frauenlob. Die deutschsprachige Ausgabe erschien 2024. Unterteilt ist der Roman in drei Teile (Arbeit, Die Kinder, Gebirge). In kurz gehaltenen Kapiteln entwickelt sich die Geschichte chronologisch, indem abwechselnd aus Sicht verschiedener Protagonisten jeweils in Ich-Form erzählt wird. Ich fand diesen Erzählstil gewöhnungsbedürftig. Die stetigen Perspektivenwechsel, die meist noch neben Gegenwärtigem Vergangenes offenlegen, gestalten die Handlung einerseits abwechslungsreich, erzeugen aber andererseits irgendwie einen unruhigen Lesefluss. Davon unabhängig ist der Schreibstil schon flüssig, gut beschreibend, auch im Hinblick auf das Umfeld, die typische norwegische Landschaft.

Für mich war es das erste Buch dieser Autorin. Dass es sich bei "Dunkler Abgrund" um einen Fortsetzungsroman handelt, war mir nicht bekannt. Ich bin dennoch ohne Vorkenntnisse gut in die Geschichte hineingekommen, da ja sukzessive die Vorgeschichte ans Tageslicht kommt. Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass es von Vorteil ist, Band 1 zuvor gelesen zu haben.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Clara Lofthus, eine Karrierefrau. Als Alleinerzieherin und frisch ernannte Justizministerin ist sie zunehmend mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert. Zu Lebzeiten ihres Mannes hat dieser primär sich um die Zwillinge gekümmert, Freizeitaktivitäten mit ihnen geteilt. Erst als die Kinder verschwunden sind, wir ihr bewusst, wie sehr sie sie liebt. Auf einmal ist ihr der Beruf weniger wichtig. Als weitere erzählende Protagonisten agieren primär ihr Vater Leif, der beste Freund ihres verstorbenen Mannes, Alex, der in Clara verliebt ist und ihr bzw. ihren Söhne im Alltag hilft, sowie Andreas, einer der Zwillinge. Primär geht es um Schuld, Gerechtigkeit, auch Rache, aber auch um familiäre Bande, Verstrickungen, seelische Abgründe.

Was den Spannungsbogen anbelangt, so treibt einen selbstverständlich die Suche nach den entführten Kindern an weiterzulesen. Zudem fragt man sich natürlich, wer dahinter steckt. Denn es bieten sich so nach und nach immer wieder andere Verdächtige an. Überraschende Wendungen und Aktionen führen letztlich zu einem Ende, das ich so nicht erwartet habe und das mich auch nicht wirklich befriedigt hat, und mich in der Annahme bestärkt, dass es eine Fortsetzung geben wird.

Durch die Ich-Form eröffnet sich die Gedanken- und Gefühlswelt der Personen, auch so manches Geheimnis. Trotzdem wurde ich mit keiner der Figuren wirklich warm, insbesondere Clara war mir von Beginn an nicht sympathisch, erst recht nicht im Laufe der Handlung, als ich mehr und mehr über ihren Charakter erfuhr. Im Großen und Ganzen sind alle maßgeblichen Personen gut vorstellbar gezeichnet.

„Dunkler Abgrund“ ist ein spannendes Buch mit typisch skandinavischer dramatisch-tragischer Handlung. Diese triste Stimmung, die wenig sympathische Hauptfigur und das mehr oder weniger offene Ende waren nicht ganz meins. Nichtsdestotrotz ist das Buch gut geschrieben, somit vergebe ich 4 Punkte.

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Veröffentlicht am 07.07.2024

Eine abenteuerliche Reise ins Glück

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
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„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein“ von Klaus E. Spieldenner stellt nach elf Regionalkrimis einen Genrewechsel dar. Dies ist, wie es der Autor bezeichnet, ein Womo Road Krimi, eine amüsante Geschichte ...

„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein“ von Klaus E. Spieldenner stellt nach elf Regionalkrimis einen Genrewechsel dar. Dies ist, wie es der Autor bezeichnet, ein Womo Road Krimi, eine amüsante Geschichte über eine abenteuerliche Reise mit einem uralten Wohnmobil.

Worum geht es?
Der Hamburger Ernst Groß, verschuldet und obdachlos, macht sich mit einem altersschwachen Hymer-Mobil auf die Reise nach Polen. Er erlebt viel, Gutes und Schlechtes, und zieht aus seinen Erlebnissen folgenden Schluss: „Nicht am Ziel wird der Mensch groß, sondern auf dem Weg dorthin.“

Bereits das Cover sprach mich an, es wirkt fröhlich, urlaubsmäßig und turbulent. Das Buch erschien 2024 und gliedert sich in 25 mit Überschriften versehene Kapitel von angenehmer Länge. Der Schreibstil ist flüssig und humorvoll, so manch Situationskomik hat mich zum Lachen gebracht. Auch das Lokalkolorit kommt gut zur Geltung. Mir, die noch nie an der Ostsee war – die Handlung spielt zwischen Lübeck und Usedom – wurde ein anschaulicher Eindruck der dortigen Landschaft und Schauplätze vermittelt. Besonders geschätzt habe ich die am Buchrücken angebrachte Landkarte, wo ich die Reiseroute von Ernst Groß gut verfolgen konnte. Ich mochte bislang die Krimis von Klaus Spieldenner sehr, und ich finde, dieser Genrewechsel ist ihm auch ausgezeichnet gelungen.

Im Mittelpunkt steht eindeutig Ernst Groß, ein mir von Beginn an sympathischer Zeitgenosse, bei dem eben im bisherigen Leben so einiges schief lief, unverschuldet. Er verkörpert aufgrund seiner Körpergröße von nur 1,57 Meter nicht unbedingt das, was man sich unter einem Helden vorstellt. Doch er verfügt über Eigenschaften, die ihn aus der Masse hervorheben. Er ist aufmerksam, geht mit offenen Augen durch die Welt, ist hilfsbereit, mischt sich ein und handelt selbstlos und verantwortungsvoll, wenn er Missstände ortet. Jede seiner guten Taten hilft ihm auf seiner Reise weiter. Quasi nach dem Motto „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Er lernt natürlich nicht nur ihm wohlgesinnte Menschen kennen, doch letztlich siegt das Gute. So würde man es sich wünschen, im wahren Leben. Man weiß, so ist das reale Leben nicht, aber es liest sich wunderbar. Es tut einfach gut, einmal in ein bisschen heiler Welt zu versinken.

Nicht nur Ernst Groß ist lebendig, mit Stärken und Schwächen und Emotionen charakterisiert, auch die Nebenfiguren kann man sich sehr gut vorstellen, zum Teil haben mich auch die Namen sehr amüsiert, fängt ja schon damit an, dass ein 1,57 Meter großer Protagonist mit Nachnamen Groß heißt. Fantasievolle Namen wie Kommissar Deppenhauer, Kommissar Kälberjung, Bauer Knolle oder Habbe Niegenug erinnerten mich sogar etwas an Johann Nestroy.

Die Handlung ist abwechslungsreich, voll Fantasie, ein Erlebnis jagt das andere. Die Situationen sind kurios, witzig beschrieben, haben aber teils auch reale Hintergründe, manchmal steckt auch Kritik an Umständen dahinter – wie der Autor im Vorwort sagt: „Die Handlung bewegt sich zwischen spaßiger Komik und fiktiver Realität“. Und es mangelt auch nicht an Spannung, denn Ernst gerät aus lauter Gutmütigkeit und Naivität in so manch prekäre Situation.

Ich hatte unheimlichen Spaß beim Lesen. Mit Bedauern habe ich das Buch geschlossen und hoffe nun, dass der Autor, auch wenn ich seine Krimis schätze, auch noch Ideen für weitere amüsante Geschichten in petto hat. Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits und natürlich 5 Sterne!

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