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Veröffentlicht am 07.09.2021

Menschliche Tiere als Detektive

Nordfriesentote
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„Nordfriesentote“ ist der Debütroman von Hannah Mauritz, der - bedingt durch die tierisch-menschlichen Protogonisten - etwas märchenhaft anmutet. Es ist ein Cosy-Krimi, trotz ziemlich schlimm zugerichteter ...

„Nordfriesentote“ ist der Debütroman von Hannah Mauritz, der - bedingt durch die tierisch-menschlichen Protogonisten - etwas märchenhaft anmutet. Es ist ein Cosy-Krimi, trotz ziemlich schlimm zugerichteter Leichen, in dem man so nebenbei auch noch einiges über Meeresbiologie, Muscheln u.a. Meeresgetier erfährt.
Worum geht es?
Der Polizist Bennet wird bei einem Spaziergang niedergeschlagen und erwacht im Körper seines Hundes Rooster wieder auf, sein Körper ist verschwunden. Er sucht Hilfe bei seiner Freundin Anne, die sich mit seinem Kollegen Hendrik auf die Suche nach Bennet macht, wobei sie durch Zufall auf eine Leiche stoßen. In der Folge findet Bennet heraus, dass es noch weitere in Tiere verwandelte Menschen gibt. Sie bilden ein Team, verfolgen auf eigene Faust diverse Spuren und führen die ziemlich lahm dargestellte Polizei dann zu den jeweiligen Funden.
Sie sind ein effektives Team: Bennet, der Polizeihund, der bei den Besprechungen im Polizeirevier vor Ort ist und somit über die Ermittlungsfortschritte am Laufenden ist und Zugriff auf den Polizeicomputer hat, Maria, die Katze, die sich an Land überall flink und unauffällig bewegen kann, während Bennet ja meist angeleint und in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, Joline, die Möwe, die aus der Luft beobachtet, und Lana, der Seehund, die die Geschehnisse am Strand und im Meer ausspioniert.
Die Aktionen des tierischen Quartetts sind zwar teils praktisch nicht nachvollziehbar, wie z.B. das Verfassen von handgeschriebenen Nachrichten oder die Bedienung eines Computers mit Pfoten oder Krallen, aber es ist amüsant zu lesen. Köstlich, was sich die vier so alles einfallen lassen, um die Menschen auf etwas aufmerksam zu machen oder abzulenken.
Ich fand die Grundidee, dass ein Mensch im Körper eines Tieres steckt und das Leben aus dessen Perspektive meistern und mit körperlichen Stärken und Schwächen eines Tieres zurechtkommen muss, wie besseres Gehör oder Geruchsinn, jedoch schlechtere Sehkraft, originell und unterhaltsam. Vor allem Bennets Hundegedanken regten zum Schmunzeln an.
Sowohl die menschlichen, als auch die tierischen Protagonisten sind sympathisch gezeichnet, doch ich bin mit keinem Wesen, ob Tier, ob Mensch, richtig warm geworden, keine Gestalt wurde zu einem meiner Favoriten, keine habe ich richtig ins Herz geschlossen.
Der Schreibstil ist leicht und flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge, die Spannung steigerte sich schließlich doch noch gegen Ende mit gefahrvollen Situationen und einem Wettlauf gegen die Zeit. Auf der letzten Seite, angelangt, blieb ich persönlich unbefriedigt zurück – der Fall war nur zum Teil gelöst, der Mörder war zwar gefasst, doch die Art und Weise, wie es zu dieser Verwandlung kommen konnte, blieb offen. Das Buch endet mit einem Cliffhanger. Meine offenen Fragen werden wohl erst in der Fortsetzung beantwortet.
Nichtsdestotrotz hat mir das Buch einige entspannte Lesestunden beschert. Natürlich möchte ich auch die Fortsetzung lesen.

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Spannung, Action mit etwas Humor und Romantik garniert

Nichts als Staub
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Die junge Streifenpolizistin Alina gerät im Zuge einer Mordermittlung in einen Hinterhalt, wird krankenhausreif geschlagen, des Drogenhandels beschuldigt und suspendiert. Gemeinsam mit unerwartet auftauchenden ...

Die junge Streifenpolizistin Alina gerät im Zuge einer Mordermittlung in einen Hinterhalt, wird krankenhausreif geschlagen, des Drogenhandels beschuldigt und suspendiert. Gemeinsam mit unerwartet auftauchenden Helfern sucht sie auf eigene Faust nach dem Mörder und ihrem persönlichen Gegner.
Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge. Der Fall erweist sich als komplexer, als es zu Beginn den Anschein hat. Die Handlung ist ereignisreich, in manchen Aktionen zwar eher fantasievoll als realitätsnah, wartet jedoch immer wieder mit Überraschungen und unerwarteten Wendungen auf, wodurch die Spannung kaum absinkt und man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Am Ende sind nicht nur alle Mordfälle gelöst, sondern es eröffnet sich eine neue Zukunftsperspektive für Alina und ihr Team, was weitere interessante Fälle verspricht. Obwohl mich das Buch gefesselt hat, würde ich eher von einem Krimi sprechen als von einem Thriller.
Die Charaktere wirken authentisch, sind alle sympathisch. Sie zeigen sowohl Stärken als auch Schwächen, haben Eigenarten, besondere Talente und Geheimnisse. Alina, Elias, Lennart und Norbert sind ein ungewöhnliches, faszinierendes, sich optimal ergänzendes, schlagkräftiges Team. Durch Lennart kommt eine humorvolle Note in die Handlung, und dass es zwischen Alina und Elias knistert, bringt auch einen Hauch Romantik mit hinein.
Es war mein erster Alexander Hartung-Thriller und ganz sicher nicht mein letzter. Ich bin nun nicht nur gespannt auf die weiteren Fälle von Alina Grimm und ihrem Team, sondern es wurde auch meine Neugier auf die anderen Reihen dieses Autors geweckt.

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Veröffentlicht am 27.08.2021

Eine fiese Intrige

Ein Männlein liegt im Walde
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„Ein Männlein liegt im Walde“ von Lotte Minck ist erst mein zweiter Krimi aus dieser bereits 14 Bände umfassenden Reihe und wieder hat mich dieser unblutige Cosy-Krimi, exakt nennt man ihn Krimödie, wieder ...

„Ein Männlein liegt im Walde“ von Lotte Minck ist erst mein zweiter Krimi aus dieser bereits 14 Bände umfassenden Reihe und wieder hat mich dieser unblutige Cosy-Krimi, exakt nennt man ihn Krimödie, wieder voll begeistert, und zwar nicht nur wegen der spannenden Handlung, sondern in erster Linie wegen der positiven, harmonischen Ausstrahlung, wegen dieser Gruppe von wahren Freunden, die stets füreinander da sind.
Worum geht es?
Im Mittelpunkt steht diesmal Lorettas Lebensgefährte Dennis, der zunächst unerwartet mit einer 20-jährigen Tochter konfrontiert wird und schließlich durch eine heimtückische Intrige seiner Jugendfreundin in Mordverdacht gerät. Loretta und ihrer Freundesschar gelingt es mit Schauspieltalent, List, freundschaftlicher Rechtshilfe und kreativer Detektivarbeit, Dennis zu rehabilitieren und der Polizei die Augen für die wahren Täter zu öffnen.
Der Schreibstil ist wunderbar locker, humorvoll, zeigt aber auch viel Einfühlungsvermögen für Lorettas Stimmungen und Gefühle, denn ihr geht dieser Fall ja besonders nahe, betrifft er doch sie persönlich bzw. jenen Menschen, den sie besonders liebt.
Die Charaktere, sowohl die sympathische, stets hilfsbereite Freundesrunde als auch die bösartigen Intriganten sind glaubhaft dargestellt.
Die Handlung wird aus Sicht von Loretta geschildert, im Mittelpunkt stehen deren private Bemühungen und Aktionen, sowie jene ihrer Freunde, die polizeilichen Ermittlungen erfährt man nur am Rande, soweit sie Loretta mitgeteilt werden. Daher bleibt letzten Endes der genau Tathergang ein wenig im Dunkeln, für Loretta ist ja der Fall gelöst, sobald Dennis aus der Untersuchungshaft entlassen ist.
Mir hat das Buch wieder einmal großes Lesevergnügen bereitet und meine Lust, auch Lorettas frühere Fälle zu lesen, verstärkt.
Im Übrigen sei auch noch angemerkt, dass man auch ohne Kenntnis früherer Bände ohne weiteres in die Geschichte hineinkommt und die zahlreiche Freundesschar gut überblickt.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Wahre Kriminalfälle, eingebettet in viel Zeitgeschichte

Fantom
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Den roten Faden und die Basis bilden wahre Kriminalfälle, eine Serie von Banküberfällen und der Fall eines Erpressers, der Anschläge auf die Bundesbahnen ausübt.
Ich hatte etwas Mühe, in die Geschichte ...

Den roten Faden und die Basis bilden wahre Kriminalfälle, eine Serie von Banküberfällen und der Fall eines Erpressers, der Anschläge auf die Bundesbahnen ausübt.
Ich hatte etwas Mühe, in die Geschichte hineinzukommen. Die vielen Personen. Die vielen, scheinbar nicht mit dem Fall zusammenhängenden Geschichten.
Abgesehen von einigen Kapiteln aus der Täterperspektive, wo man vor allem einiges über das Leben und die Vorgangsweise des Erpressers und Bombenlegers erfährt und somit stets mehr weiß als die Polizei, steht die realitätsnah geschilderte Polizeiarbeit im Mittelpunkt, die nur schleppend vorangeht und von zahlreichen Misserfolgen geprägt ist – einerseits, weil die Täter immer wieder Pausen einlegen, andererseits weil auch das Kompetenzgerangel innerhalb des Polizeiapparats sich hemmend auswirkt. Obwohl dieser Wechsel zwischen Täter- und Ermittlerperspektive die Handlung belebt, bleibt die Spannung dennoch etwas auf der Strecke, vielleicht auch, weil man ja den Täter kennt, das Miträtseln entfällt.
Mit hinein verwoben sind etliche zeitgeschichtlich relevante Ereignisse während des Ermittlungszeitraums, wie der Schahbesuch in Deutschland, das geteilte Deutschland, Studentenunruhen, der Vietnamkrieg. Auch die fiktive Familiengeschichte des Kommissars, der die Ermittlungen leitet, spielt facettenreich in die Handlung hinein, wie dessen Kindheit oder der Selbstmord der jüdischen Mutter, sowie die Verschickung seiner jüdischstämmigen Schwester in die USA.
Die Handlung spielt Ende der 60er Jahre – da gab es keine Recherchen im Internet, kein Mobiltelefon, keine ständigen DNA-Analysen, da telefonieren die Kriminalbeamten noch von Telefonzellen mit dem Präsidium. Ich empfinde es auch immer wieder wohltuend, in ein Leben ohne überflutende Technik katapultiert zu werden.
Positiv anmerken möchte ich, dass ich die Landkarte sehr hilfreich fand, um nachzuverfolgen, wo der Erpresser seine Anschläge verübte bzw. die Polizei bei den missglückten Lösegeldübergaben durch die Gegend schickte. Etwas schwierig empfand ich die Vielzahl an involvierten Polizeibeamten: Ich denke, ein Personenregister hätte mir geholfen, die Übersicht zu bewahren.
Obwohl ich vieles informativ fand und der ermittelnde Kommissar durchwegs meine Sympathie hatte, hat mich das Buch leider nicht so richtig gepackt, vielleicht auch, weil ich als Österreicherin zu wenig Bezug zu den historischen Ereignissen in Deutschland habe.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Ein einsamer Held inmitten einer Horror-Zukunftsvision

MICKY COLA
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Zuallererst - sollten Sie bereits Bücher von Gerhard Loibelsberger kennen - vergessen Sie alles zuvor von ihm Gelesene, das rät der Autor selbst. „Micky Cola“ hat mit seinen Alt-Wien-Krimis nichts gemeinsam.

Mein ...

Zuallererst - sollten Sie bereits Bücher von Gerhard Loibelsberger kennen - vergessen Sie alles zuvor von ihm Gelesene, das rät der Autor selbst. „Micky Cola“ hat mit seinen Alt-Wien-Krimis nichts gemeinsam.

Mein erster Eindruck: Ich hatte schon lange kein so edles Buch in Händen. Mit exzellenten Zeichnungen, die die eigenen Vorstellungen, die man aufgrund des Textes von dieser apokalyptischen Vision hat, ausgezeichnet verstärken. Aber am meisten unter die Haut gingen mir die Songs, die die geschilderten Ereignisse anschaulich untermalen. Diese sphärische Musik und der Sprechgesang, die verschiedenen Rhythmen, mal Blues, mal Marsch, je nachdem welche Stimmung sie ausdrücken sollen, versetzen unwahrscheinlich gut in diese Welt. Die Texte zu den Songs verfasste der Autor übrigens ebenfalls, auch die männliche Gesangsstimme stammt von ihm.

Ich wusste, dieses Buch stellt eine Herausforderung für mich dar, denn mir war klar, es ist eine Dystopie, also keine optimistische, heile Welt vorgaukelnde Zukunftsvision. Nun, es ist tatsächlich bei weitem kein Wohlfühlbuch – es ist teils deprimierend, schaurig, grausig, kann mit so manchem Thriller konkurrieren, was Blutvergießen und brutale Morde anbelangt.

Die Quintessenz liegt jedoch in den Ansätzen, die durchaus bereits heutzutage erkennbar sind, die betroffen machen und zum Nachdenken anregen, allen voran über den Raubbau an der Erde, über den Klimawandel, all die Folgen, die sich tagtäglich ereignen, wie Überschwemmungen, Starkregen, Wirbelstürme, Waldbrände, das Schmelzen der Pole, zu hoher C0²-Ausstoss, ein erkaltender Golfstrom, die Vergrößerung des Ozonlochs, aber auch Gentechnik und eine Art technische Hörigkeit.

Und doch, da ist Micky Cola, der Individualist, der Außenseiter, auch ein wenig ein Auserwählter, ein einsamer Held, der allen Gefahren und Widrigkeiten strotzt, um eine Veränderung zu bewirken. Ob es ihm letztlich gelungen ist, die Welt zu verbessern, das Leben für die Menschheit lebenswerter zu gestalten, bleibt offen. Micky Cola als Charakter empfand ich als etwas zwiespältig. Er ist kein strahlender Held, kein uneingeschränkt sympathischer Mann. Zwar ist er ein friedfertiger, guter, ein besonderer Mensch, ein Einzelgänger, musisch begabt, intelligent, mental und physisch stark, ein Kämpfer mit besten Absichten, doch dass er – wenn auch mit einem hehren Ziel und im Zuge seines Kampfes dazu gezwungen - seinen Auftrag letztens nur durch massives Morden erreichen kann, gefiel mir nicht so.

Der Schreibstil, diese Mixtur aus Deutsch, Englisch und Französisch, könnte trotz des vorhandenen Glossars für sprachunkundige Leser mühsam sein, denke ich. Für mich vermittelte dieses Sprachenwirrwarr perfekt das geschilderte Konglomerat von menschlichen und künstlichen Wesen, den scheinbaren Einheitsbrei, diese Masse, wo es offensichtlich nicht nur keine Nationalitäten mehr gibt, sondern auch keine Rassen, keine Völker, wo jedes seine eigene Sprache hat. Es gibt keine Eigenständigkeit mehr, die Wesen sind manipuliert, total gläserne Kreaturen. Individualität, auch selbstständiger Wissenserwerb, ist verpönt, wird verfolgt, kann nur im Untergrund existieren. Dort lebt auch Micky Cola als Musiker.

Phantasievolle, nicht unbedingt bösartige, aber wenig empathische Wesen bevölkern die Erde, künstlich erschaffen, manipuliert. Daneben gibt es nach wie vor einige wenige Mächtige. Einige wenige Privilegierte. Und nur für die scheint im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne, für sie gibt es auch noch variantenreiche Nahrung. Für alle anderen ist die Welt finster, ewig bewölkt, mit tristem Dauerregen, und es gibt für sie nur fast food ähnliche Einheitskost. Oberflächlich gesehen geht es allen gut, Armut scheint es nicht zu geben, doch sie dämmern so vor sich hin, eingelullt berieselt von realitätsfernen Vorspiegelungen, die menschlichen Wesen existieren lediglich in einer digitalen Traumwelt.

Ich bin nun kein Fan von Dystopien geworden. Ich lese grundsätzlich nicht gerne Deprimierendes, Düsteres oder Trauriges. Dennoch hat mich dieses Buch in seiner Gesamtheit, mit seiner Aussage und in der Ausführung sehr beeindruckt. Man sollte stets offen sein für Neues und innovativ ist dieses Buch in seiner Kombination von Text, Musik und Illustration auf jeden Fall. Zudem ist die Thematik, dass man sich Gedanken machen sollte, wohin die Bevölkerung der Erde steuert, hochaktuell. In diesem Sinne würde ich empfehlen, sich einmal aus der eigenen Lese-Komfortzone herauszuwagen und sich in dieses Leseabenteuer zu stürzen.

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