Kevin heißt das Männlein aus dem Buchtitel, ist Angies Lebensgefährte und Ernährer und liegt nun mausetot im Regen, erstochen! Neben ihm liegt noch jemand, Dennis, Besitzer eines Callcenters und mit Loretta Luchs verbandelt – bewusstlos! Kevin und Dennis also, Träger zweier vorurteilsbehafteter Vornamen. Nomen est Omen? Bei Kevin schon, so ist zu mutmaßen, während Dennis ein rundum netter und anständiger Kerl ist, der seine wilde Jugend erfolgreich hinter sich gelassen hat, wenn man mal absieht von seiner speziellen Art sich zu kleiden. Aber zu seinem Mungo Jerry Look steht er, seriös ist er in seinem Innern, flippig-abgefahren nach außen.
Ganz und gar nicht seriös aber ist die bereits erwähnte, stinkfaule Angie, Mutter der genauso stinkfaulen Miriam, die, wie sie meint, vor der ganz großen Karriere als Influencerin steht, in seliger Unkenntnis der Tatsache, dass für eine solche ohne Fleiß kein Blumentopf zu gewinnen ist. Und Miriam wiederum ist die Freundin, besser die von ihm so genannte 'Bitch' eines gewissen TocTocSeven, Möchtegern Gangsta-Rapper und erwiesenermaßen eine talentfreie Hohlbirne, wie Lorettas Freundin Diana ihn treffend einstuft. Kevin war der dauerbekifften, extrem arbeitsscheuen, selbsternannten Buddhistin Angie und ihrer nichtsnutzigen Tochter, die er zur Arbeit motivieren wollte, ein zunehmendes Ärgernis – und daher wurde ein perfider Plan geschmiedet, ihn über die Wupper zu wuchten, um mal frei im schlagfertigen Jargon zu bleiben, dessen sich die Geschichte befleißigt, was ihr sehr gut zu Gesicht steht. Ein Plan, der den arbeitsamen, gutmütigen Dennis involvierte, denn dem wurde Miriam als Tochter untergeschoben. Dennis und eben jene Angie, die auch damals schon ein egozentrischer Blutsauger war, der nichts anbrennen ließ, nämlich, hatten zu Hippiezeiten auf Ibiza eine Affäre, deren Resultat die Tagediebin Miriam ist. Sein soll! Angeblich!
Dass Dennis, erstmal völlig erschlagen von der vermeintlichen Tatsache, Vater zu sein, nur Mittel zum Zweck ist, der darauf gerichtet ist, Kevin zu beseitigen, merkt er allerdings erst, als die durchtriebene Angie gemeinsam mit der hirnfreien Tochter bei der Polizei zu Protokoll gibt, dass Dennis versucht hätte, sie zurückzugewinnen und ihm daher Kevin im Weg gewesen wäre. Ein Motiv, das die ermittelnde Polizei, genauer gesagt Kommissarin Küpper ('die Kobra'), als schwerwiegend genug ansieht, um den freundlichen Callcenter-Chef, der doch in Wirklichkeit nur seine Loretta und seine puscheligen Zwergseidenhühnchen liebt, in Untersuchungshaft zu nehmen.
Loretta ist am Boden zerstört, besinnt sich dann aber auf die beachtlichen detektivischen Qualitäten, über die sie verfügt, wie man im Laufe der Lektüre erfährt und von denen man sich auch selbst überzeugen kann. Und dann – wozu hat man denn Freunde, allzeit hilfsbereit, immer zur Stelle? Also mobilisiert sie Frank und Bärbel, Erwin und Doris – und ruft Okko aus dem hohen Norden, seines Zeichens versierter Anwalt und Ehemann ihrer besten Freundin Diana, herbei, um Dennis rechtlich zu vertreten und ihn so schnell wie möglich zu ihr zurückzubringen. Denn dass Dennis das Bauernopfer in einem dreist-bösartigen Komplott ist, ist sonnenklar! Jetzt gilt es, die garstige Angie und ihre Helfershelfer zu überführen, was nahezu aussichtslos erscheint, denn die Böse ist mit allen schmutzigen Wassern gewaschen....
Turbulent geht es zu in diesem Roman, der die Bezeichnung 'Krimödie' völlig zu Recht trägt. Ungewöhnlich ist freilich, dass der Täter beziehungsweise die Tätergruppe von Anfang an bekannt ist! Wenn man nun allerdings meint, dass der Geschichte damit ein Gutteil an Spannung genommen wird, irrt man sich gewaltig! Selbst diejenigen unter den Krimifreunden, die sich gerne selbst an der Entlarvung des Übeltäters beteiligen und herumrätseln wollen, werden auf ihre Kosten kommen, freilich anders, als sie es gewohnt sind. Hier geht es nämlich nicht um das Auffinden des Drahtziehers einer kriminellen Angelegenheit sondern um dessen Überführung – und das ist so spannend wie im höchsten Maße amüsant geschrieben und lässt darüberhinaus einen Blick werfen auf die mühselige und unflexibel anmutende Polizeiarbeit, wie auf das vorgeschriebene Prozedere nach dem Fund einer Leiche und der Einlassung von Zeugen. Der gute Leumund des Beschuldigten hat, so lese ich erstaunt, keinen Aussagewert, es zählen nur Fakten, in unserer 'Krimödie' also die Tatsache, dass der ohnmächtige Dennis blutbeschmiert und mit einem Messer in der Hand neben dem toten Kevin gefunden wurde und die darauf folgende Aussage der beiden gewissenlosen Frauen. Und wenn die Beweislage hieb- und stichfest ist, gibt es für die Polizei keinen Grund, weiter zu ermitteln, anderen möglichen Spuren nachzugehen!
Was also wäre aus Dennis geworden, wenn da nicht Loretta und die Freunde, allen voran der ehemalige Polizist Erwin, gewesen wären, denen ja gar nichts übrig bleibt, als auf eigene Faust den kotelettengeschmückten Hühnerliebhaber wieder zu einer reinen Weste und damit zur Freiheit zu verhelfen? Das tun sie mit Engagement, Schwung, Einfallsreichtum und lockeren Sprüchen, im feinsten Ruhrpottslang, sobald Karate-Frank seinen Mund aufmacht – und es ist aufs Höchste unterhaltsam zu lesen! Wortwitz pur! Und einfach herrliche Charaktere – von den sympathischen bis hin zu den Übelkrähen!
Es verwundert mich und ist mir darüberhinaus ein Rätsel, warum mir die Bücher der Autorin Lotte Minck bislang noch nicht untergekommen sind, zumal, wie ich während der Lektüre herausgefunden habe, es schließlich bereits eine beachtliche Reihe von 'Krimödien' um Loretta Luchs (aka 'Hornbrillen-Girl', wie man dem Covertext entnehmen kann) gibt und in denen, so ist anzunehmen, auch Dennis, Diana, Erwin und die übrigen Freunde eine Rolle spielen. Aber dieses Versäumnis kann und wird behoben werden, denn es lohnt sich allemal, die Begegnung mit einer derart sympathischen, witzigen, schlagfertigen, herrlich normalen und das Herz auf dem rechten Fleck habenden Bande nicht eine einmalige sein zu lassen, sondern im Gegenteil die Bekanntschaft zu intensivieren!