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Veröffentlicht am 14.12.2023

Eine Mörderjagd voller Irrungen und Wirrungen

Overkill - Der Puppenspieler
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„Overkill – Der Puppenspieler“ von Astrid Korten ist der vierte Band der Reihe mit Hauptkommissarin Mo Celta als Protagonistin.

Klappentext:
Hauptkommissarin Mo Celta kehrt traumatisiert aus der Ukraine ...

„Overkill – Der Puppenspieler“ von Astrid Korten ist der vierte Band der Reihe mit Hauptkommissarin Mo Celta als Protagonistin.

Klappentext:
Hauptkommissarin Mo Celta kehrt traumatisiert aus der Ukraine zurück und lässt sich für einige Monate vom Dienst beurlauben. Doch als eine junge Frau ermordet im Auwald aufgefunden wird, erinnert der Fall Mo an die Opfer des Puppenspielers. Und an Viktoria Wittensee, die Frau des Münchener Anwalts Alexander Wittensee, die seit drei Jahren verschwunden ist und dem Opfer ähnlich sieht. Gemeinsam mit Thomas Berger, ihrem Kollegen von der Vermisstenstelle Letzte Spur, ermittelt Mo auf eigene Faust und kommt einem ungeheuerlichen Verbrechen auf die Spur. Geprägt von den Horrorszenarien ist sie fest entschlossen, den Täter zu fassen, notfalls mit Gewalt.

Das Cover mit dem aus dem Dunkeln heraus leuchtenden Clowngesicht ist ein Eyecatcher. In mir weckte das an uns für sich putzige Gesichtchen widersprüchliche Gefühle, vor allem wirkt das zweite im Hintergrund lauernde Gesicht bedrohlich, stimmig für einen Thriller. Das Buch erschien 2023. Es gliedert sich in zehn Teile, die mit Zitaten aus „Alice im Wunderland“ betitelt sind, die stets einen Bezug zur Handlung haben. Die Kapitel sind extrem kurz (80 bei rd. 310 Seiten), was einen - abgesehen von der sowieso spannenden Handlung und dem flüssigen Schreibstil - zum stetigen Weiterlesen animiert.

Auch dieser Band ist problemlos ohne Vorkenntnisse lesbar, doch gewisse Hinweise auf frühere Fälle, mit denen Mo Celta befasst war, bzw. auf jene Erlebnisse, die sie geprägt und traumatisiert haben, wecken – soferne man sie noch nicht kennt - Neugier auf die Vorgängerbände.

Das Thema „Alice im Wunderland“ zieht sich durch das gesamte Buch. Möglicherweise entgingen mir manche Feinheiten dadurch, dass ich das Kinderbuch nie gelesen habe.

Die Handlung spielt in der Gegenwart und schließt fast nahtlos an Band drei an. Man ist sofort mitten im Geschehen. Im Prinzip verfolgt man zwei Handlungsstränge – einerseits Alexander Wittensees Suche nach seiner verschwundenen Frau und andererseits Mo Celtas Jagd nach dem Mörder, den sogenannten Puppenspieler. Die Autorin wählte für Alexanders Linie die Erzählform, bei Mo die Ich-Form, wodurch man Alexander etwas distanzierter erlebt, während Mos Gedanken, Albträume und Ängste besonders eindrucksvoll zutage treten. Die beiden Handlungsstränge laufen quasi parallel, die beiden Protagonisten agieren unabhängig voneinander, eigentlich als Gegner, sehen den Fall jeweils von einer ganz anderen Perspektive aus und tragen letztlich jeder auf seine Weise zur Lösung des Falles bzw. zur Unschädlichmachung des Drahtziehers bei.

Das Spannungsniveau lässt nie nach, sondern steigert sich zunehmend. Dazu tragen nicht nur die kurzen Kapitel und die stetigen Perspektivenwechsel sowie Cliffhanger bei, sondern auch unerwartete Wendungen und die Tatsache, dass man bis zum überraschenden Schluss nicht durchschaut, was für ein fieser Plan dahintersteckt, wer hier Täter oder Opfer ist. Zudem mangelt es nicht an Action und lebensgefährlichen Situationen, auch nicht an Gänsehautmomenten, Brutalität, Grausamkeit und Leichen.

Die Charaktere sind gut vorstellbar gezeichnet, auch jene von Nebenfiguren. Im Mittelpunkt steht Mo Celta, die traumatisiert aus der Ukraine heimkam. Sie hat Fürchterliches erlebt, leidet unter Albträumen, neigt zu Aggressivität, handelt meist zu impulsiv, sie kämpft gegen die inneren Dämonen. Sie ist stur, hartnäckig, schlagkräftig und hart im Nehmen, wirkt wenig weiblich. Im Inneren sehnt sie sich jedoch nach Wärme und Geborgenheit, was sich zeigt, als sie sich verliebt. Wird die Liebesbeziehung eine Wesensänderung in ihr bewirken können – ein interessanter Aspekt im Hinblick auf die Fortsetzung dieser Reihe.

„Overkill – Der Puppenspieler“ ist ein packender Thriller voller Täuschungen und Irreführungen, eine Lektüre, die man kaum aus der Hand legen möchte.

Eine unbedingte Leseempfehlung und selbstverständlich 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Magische Weihnacht im Haus Nr. 7

Das Weihnachtswunder von Haus 7
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„Das Weihnachtswunder von Haus 7“ von Anja Marschall ist ein Märchen für Erwachsene, das einen den realen Alltag wunderbar vergessen lässt, eine Geschichte voller Liebe, Freundschaft und mit einer Prise ...

„Das Weihnachtswunder von Haus 7“ von Anja Marschall ist ein Märchen für Erwachsene, das einen den realen Alltag wunderbar vergessen lässt, eine Geschichte voller Liebe, Freundschaft und mit einer Prise Magie.

Worum geht es?
Luisa, verwitwet, mit zwei kleinen Kindern, hat ein Riesenproblem. Das alte Haus, in dem sie lebt, soll abgerissen werden. Eine andere leistbare Wohnung zu finden, erweist sich als schwierig. Also sucht sie den Eigentümer des Hauses in seiner Villa auf, um ihn umzustimmen. Doch der alte Mann reagiert völlig unerwartet. Er hält Luisa für seine Tochter, zu der er seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Mit einem Mal steckt Luisa mitten in verwirrenden Turbulenzen.

Den ersten Hauch von Weihnachtsfeeling verspürt man bereits, wenn man das Buch zur Hand nimmt. Das Cover mit weihnachtlich dekorierten Haustüren, Schneegestöber, Päckchen und Tannenzweiglein ist nicht nur stimmig, es glitzert sogar etwas. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart. Unterteilt ist der rund 350 Seiten umfassende Roman in über 50 kurz gehaltene Kapitel, ohne genaue Zeit- oder Ortsangaben.

Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich beschreibend. In der Geschichte ist man sofort drinnen, sie liest sich locker, die Seiten fliegen nur so dahin. Ich habe das Buch fast in einem Zug ausgelesen, nicht nur weil die Story so stimmungsvoll und herzerwärmend, sondern auch dramatisch und spannend ist. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven und genau diese Wechsel gestalten die Handlung nicht nur abwechslungsreich, sondern macht die Protagonisten auch lebendiger, weil man ihre Gedanken und Intentionen erfährt, und als Leser gewissermaßen auch einen Wissensvorsprung gegenüber den anderen handelnden Personen hat. Die Handlung steckt voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen. Trotz der grundsätzlich weihnachtlichen Wohlfühlstimmung basiert die Geschichte aber auf durchaus ernster Thematik, nämlich den Machenschaften auf dem Immobiliensektor.

Die Charaktere wirken authentisch, aus dem Leben gegriffen und doch auch irgendwie originell, wie Luisas Nachbarn Wolle und Oma Baumann. Fast alle sympathisch gezeichnet, nicht alle findet man vom ersten Moment an liebenswert, doch im Laufe der Handlung zeigt es sich, dass sie doch das Herz am rechten Fleck haben. Die Menschen zeigen Gefühle, haben nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen. Die kämpferische Luisa mit ihren herzigen Kindern Matti und Lilli hat natürlich sofort mein Herz erobert. Was die Liebesgeschichte zwischen Joost und Luisa anbelangt, so gibt es zwar die eine oder andere romantische Szene, doch der Funke sprang nicht auf mich über. Die Wandlung von Van Arnheim vom kühl kalkulierenden Geschäftsmann zum gefühlvollen Wahl-Opa fand ich überzeugend und berührend. Ihm fehlte einfach jahrzehntelang menschliche Wärme und Zuwendung.

Der rote Faden von Magie, personifiziert durch den, einem Weihnachtsmann ähnelnden, Hausmeister Tomte, der immer dann zur Stelle ist, wenn handwerkliche oder seelische Hilfe vonnöten ist, der zaubert und bezaubert, und der Geschichten weiß, die er selbst gar nicht erlebt haben kann, verleiht dem Roman seinen besonderen Reiz. Natürlich ist es unrealistisch, aber genau diese magischen Momente verkörpern das Weihnachtswunder. Und würde man sich nicht gerade in diesen unruhigen Zeiten so einen guten Geist wünschen, der Wunder bewirken kann?!

„Das Weihnachtswunder von Haus 7“ hat mir sowohl berührende wie fesselnde Lesestunden beschert, mich bezaubert und alles rundherum vergessen lassen. Mir hat das Buch Weihnachtsvorfreude geschenkt. Eine ideale Geschichte für die Vorweihnachtszeit, die ich wärmstens empfehle!

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Veröffentlicht am 04.12.2023

Über die Vergänglichkeit des Lebens und die Kraft der Liebe

Abschied von Regensburg
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Mit „Abschied von Regensburg“ endet nunmehr die berührende Tetralogie von Rüdiger Marmulla rund um das Paar Dana und Richard.

Die Novelle enthält kurze Ausschnitte aus den Vorgängerbänden, sodass sie ...

Mit „Abschied von Regensburg“ endet nunmehr die berührende Tetralogie von Rüdiger Marmulla rund um das Paar Dana und Richard.

Die Novelle enthält kurze Ausschnitte aus den Vorgängerbänden, sodass sie auch für Neueinsteiger problemlos verständlich ist, doch würde ich wärmstens empfehlen, die komplette Reihe zu lesen, um die Stationen dieser Liebesgeschichte, von der Jugendliebe, dem Sich-aus-den-Augen-verlieren bis zur schicksalhaften Wiederbegegnung des Paares wirklich miterleben zu können.

Worum geht es in diesem Band?
Dana und Richard, nunmehr seit Jahren verheiratet, führen ihr Hotel in Regensburg und fühlen sich glücklich und unbeschwert. Doch da zeigen sich erste Anzeichen von Demenz bei Dana. Nach einem schweren Sturz muss sie ins Krankenhaus, wo sich ihr psychischer und physischer Zustand rapide verschlechtert, sie wird zum Pflegefall. Eine schwierige Zeit für Richard, den schließlich ihr Tod hart trifft.

Das Cover ist passend zu den Vorgängerbänden wiederum mit einer Ansicht von Regensburg gestaltet. Das Büchlein erschien 2023 und umfasst rund 80 Seiten. Der Schreibstil ist flüssig, klar, kurz und bündig, einige Kapitel sind nur zwei Seiten lang. Der Text ist vorwiegend in Dialogform gehalten, was sich sehr lebendig anfühlt, als wäre man dabei. Auch ohne ausführlich beschriebene Gefühlsäußerungen gelingt es dem Autor stets, dass man das Ausmaß und die Heftigkeit der Emotionen der Protagonisten zwischen den Zeilen spürt.
Wie oft in seinen Novellen, so hat Rüdiger Marmulla auch in dieser Wissenswertes eingeflochten, und zwar im Zuge jener Reise, die Richard zur Trauerbewältigung unternimmt; man erfährt so einiges über diverse Sehenswürdigkeiten und die Geschichte der besuchten Orte.

Nach einem lockeren, fröhlichen Beginn tritt die tragische Wendung der Handlung bereits nach wenigen Seiten ein, nimmt einen gefangen. Man spürt Richards tiefe Liebe, seine Verzweiflung, leidet unwillkürlich mit, hofft, trauert. Automatisch versetzte ich mich in seine Lage, wie es mir an seiner Stelle ginge. Ich konnte das Büchlein nicht mehr aus der Hand legen und habe es in einem Zug ausgelesen. Trotz der traurig anmutenden Handlung, die einen mit der Vergänglichkeit des Lebens konfrontiert, lässt einen das Ende doch tröstlich zurück.

Wiederum hat mich eine Geschichte von Rüdiger Marmulla sehr berührt. Ein schwieriges und bedrückendes Thema, und doch derart feinfühlig geschrieben, dass einen die Tiefe der Gefühle irgendwie mitnimmt, erfüllt. Ich fand es einfach schön, dies zu lesen, und empfehle diese Reihe überzeugt weiter.

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Veröffentlicht am 02.12.2023

Zeitgeist der 60er-Jahre

Die Welt war voller Fragen
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Nach „Die Welt war eine Murmel“ nimmt Herbert Dutzler mit „Die Welt war voller Fragen“ die Leser wiederum mit auf eine Zeitreise in die 60er-Jahre.

Worum geht es?
Der erwachsene Siegfried räumt nach ...

Nach „Die Welt war eine Murmel“ nimmt Herbert Dutzler mit „Die Welt war voller Fragen“ die Leser wiederum mit auf eine Zeitreise in die 60er-Jahre.

Worum geht es?
Der erwachsene Siegfried räumt nach dem Tod der Mutter das Elternhaus. Anhand von Fotos, Spielsachen und Ziergegenständen erinnert er sich an Begebenheiten aus seiner Kindheit, an schulische Probleme ebenso wie Familienstreitigkeiten, an die technischen Errungenschaften sowie die damals geltenden Benimmregeln und Rollenbilder.

Wie Band 1 ist auch dieses Buch eine edel ausgeführte Hardcover-Ausgabe mit Lesebändchen. Am Cover ist ein Junge teilweise abgebildet, in für die 60er Jahre typischer Schiausrüstung. Das Buch erschien 2023 und ist in 15 kurze Kapitel mit Überschriften unterteilt. Der Schreibstil ist flüssig und humorvoll. Es wechseln sich die Erzählungen aus der Kindheit mit den Gedanken bzw. der heutigen Meinung des zurückblickenden erwachsenen Siegfried ab, letztere sind in Kursivschrift gehalten. Ich kannte bereits Band 1, doch sind die Bücher jeweils unabhängig voneinander lesbar.

Der 13-jährige Siegfried, mittlerweile im Gymnasium, ist ein aufgeweckter Junge, der lieber liest als Sport zu betreiben, der nicht nur gerne isst, sondern sich auch fürs Kochen interessiert, was dem damaligen Rollenbild so gar nicht entspricht. Wissensdurstig wie er nun mal ist, hinterfragt er in seiner kindlichen Neugier auch manches, worauf die Lehrer keine Antwort wissen oder geben wollen, sich sogar provoziert fühlen. Er gilt als vorlaut und frech. So kassiert er statt Anerkennung negative Klassenbucheintragungen. Nicht nur im Gymnasium gibt es Probleme, auch zuhause hängt der Haussegen schief, als die Mutter darauf drängt, arbeiten zu gehen und den Führerschein zu machen, sehr zum Verdruss des Vaters.

Die handelnden Personen wirken generell sehr lebendig, gut vorstellbar und authentisch, auch Nebenfiguren wie Großeltern, Lehrkörper oder Schulkameraden. Sigi steht natürlich im Mittelpunkt. Und Sigi hat auch mein Herz erobert, insbesondere auch durch seine aufmerksame Art der Mutter gegenüber, der er im Haushalt hilft, so gut er kann. Er ist der einzige, der anerkennt, was sie für die Familie leistet. Auch seine Art, mit all den Ungerechtigkeiten zurechtzukommen; sich zurücknehmen und zu schweigen statt aufzubegehren, ist beeindruckend.

Ich (Jahrgang 1953) bin wieder in meine Jugendzeit eingetaucht, erinnerte mich an viele der genannten Fernsehsendungen, noch in Schwarz-weiß, natürlich daran, wie aufregend die Mondlandung war, aber auch an die langen Haare mancher Burschen und die negativen Reaktionen darauf. Auch ich war immer eine Leseratte und las gerne Karl May, ebenfalls die Donauland-Ausgabe. Ganz nostalgisch wird einem zumute, liest man die Autotypen von damals: Opel Rekord, VW Käfer, Ford Taunus. Ich finde, es ist dem Autor ausgezeichnet gelungen, die Gedankenwelt und die Ereignisse dieser Zeit aufleben zu lassen und zu vermitteln, insbesondere die weiblichen und männlichen Rollenbilder, das Schulwesen und das Tabuthema Nazi-Vergangenheit. Menschen, die in dieser Zeit aufwuchsen, werden wie ich das Déjà-vu genießen und für jüngere, denke ich, sollte es nicht uninteressant sein, etwas darüber zu erfahren, in welchem Umfeld ihre Großeltern aufwuchsen.
Eine unbedingte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Das Geheimnis der alten Dame

Der letzte Akt vom Puppenspiel
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In „Der letzte Akt vom Puppenspiel“ beschreibt Elisabeth Escher nicht nur den Alltag einer betagten, pflegebedürftigen Dame, sondern sie erzählt auch deren ungewöhnliche Lebensgeschichte.

Klappentext:
Hildegard ...

In „Der letzte Akt vom Puppenspiel“ beschreibt Elisabeth Escher nicht nur den Alltag einer betagten, pflegebedürftigen Dame, sondern sie erzählt auch deren ungewöhnliche Lebensgeschichte.

Klappentext:
Hildegard Glas ist vierundneunzig Jahre alt und lebt nach dem Tod ihres Ehemanns weiterhin in ihrem Haus am Stadtrand von Salzburg. Körperlich gebrechlich aber geistig nach wie vor rege, gängelt und manipuliert sie gekonnt die Menschen um sich herum. Ihr Sohn Wieland, erfolgreicher Jurist im Ruhestand, die Pflegerin Anyana, die Hildegard rund um die Uhr betreut und bei ihr im Haus wohnt, ihre einstige Zugehfrau Rosi und auch die Enkeltochter Jenni, die in Rom studiert und sich in unglücklichen Beziehungen mit verheirateten Männern verstrickt – sie alle tanzen nach ihrer Pfeife, als wäre sie die Puppenspielerin in ihrem ganz persönlichen Bühnenstück.
Als ein unerwarteter Brief eintrifft kommt Hildegards Souveränität schließlich ins Wanken, denn eine folgenschwere Lebenslüge drängt ans Licht und macht den letzten Akt ihres Puppenspiels zu einer Gratwanderung.

Das Cover mit der Marionettenpuppe passt gut zum Titel, der orange Hintergrund ist ein Eye-catcher. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig, gut beschreibend. Der Roman ist in keine Kapitel unterteilt. Die stetigen Perspektivenwechsel zwischen den einzelnen Protagonisten gestalten die Handlung abwechslungsreich und produzieren auch eine gewisse Spannung. Es sind nur wenige Personen – ihr Sohn, die Schwiegertochter, die Enkelin, die Pflegerin und eine langjährige Freundin -, mit denen sie Kontakt pflegt. Im Schreibstil differenziert die Autorin. Die Gedanken und Alltag der im Mittelpunkt stehenden Hildegard schildert sie im Präsens, die Ansichten aller anderen im Präteritum, ebenso die Rückblende auf Hildegards Leben in der Nachkriegszeit.

Die Handlung entwickelt sich langsam. Man lernt Hildegard und die Personen rund um sie kennen, ihre Beziehung zueinander, wobei eher Pflichtbewusstsein vorherrscht, weniger Herzlichkeit. Die alte Dame ist trotz ihrer körperlichen Einschränkung überraschend dominant und zeigt relativ wenige Emotionen. Eine Ausnahme stellt lediglich ihre Enkelin dar, da war mehr Herzenswärme zu spüren. Alle Personen sind ausgiebig charakterisiert, wirken authentisch und lebendig, ihre Aktionen und Gefühle in Bezug auf Hildegard sind nachvollziehbar. Hildegards Jugend hat nicht nur sie geprägt und zu dem Menschen gemacht, der sie ist, sondern hat sich auch insbesondere auf ihren Sohn ausgewirkt. Die gewisse Unnahbarkeit, die Hildegard ausstrahlt, reflektiert ihre Umgebung, sodass generell in dieser Familie wenig Zuneigung oder gar Zärtlichkeit aufkommt. Diese menschliche Kühle ist leider auch der Grund dafür, dass ich mit den Personen kaum warm wurde. Nichtsdestotrotz hat mich die Geschichte sehr gefesselt.

„Der letzte Akt vom Puppenspiel“ hat mich im Hinblick darauf, welche Wendung die Handlung nahm, was für eine schicksalhafte Lebensgeschichte zutage kam, wirklich überrascht. Es ist eine nicht alltägliche Geschichte, auf ihre Weise auch spannend, berührend und nachdenklich stimmend – auf jeden Fall lesenswert.

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