Ein, wie ich finde, sehr durchschnittlich geratener Cosy Krimi mit Parissetting, dem das gewisse Pariser Flair leider völlig fehlt
Madame Bertin steht früh aufMadame Bertin, lebt in Paris, ist bereits im besten Alter, doch man könnte sagen, sie gehört zu den rüstigen Rentnerinnen, die immer noch mit beiden Beinen mitten im Leben stehen und ist überzeugter Single. ...
Madame Bertin, lebt in Paris, ist bereits im besten Alter, doch man könnte sagen, sie gehört zu den rüstigen Rentnerinnen, die immer noch mit beiden Beinen mitten im Leben stehen und ist überzeugter Single. Ihre Bäckerei in Paris, genießt einen sehr guten Ruf; seit vielen Jahren schon gehört sie zu den Lieferanten des Präsidenten und ist stolz darauf, regelmäßig die Botenfahrten zum Präsidentenpalais machen zu dürfen, um dort köstliche Baguettes, Croissants und Brioches abzuliefern. Eigentlich hat sich Louise Bertin, mittlerweile zu großen Teilen, aus dem Bäckerhandwerk zurückgezogen, die Filialen bereits an ihren Neffen und dessen Frau übergegeben, was sie mittlerweile bereut, denn Ihr Neffe hat kein gutes Händchen für die Finanzen.
Daher zögert sie, ihrem Neffen das komplette Erbe zu überschreiben. In ihrer Freizeit umgibt sich Louise gerne mit Künstlern; lädt regelmäßig interessante Menschen ein zu sich, in ihre wunderbare Wohnung über der Hauptfiliale und genießt den Flirt, mit dem leider verheirateten Apotheker Olivier Pellegrini.
Eines Tages wird sie Zeugin eines Verbrechens; zumindest glaubt Louise, dass jemand ermordet wurde im Nachbarhaus, denn sie sah kurz eine blutige Hand, die sich ans Fenster presste. Die herbeigerufene Polizei kann zunächst jedoch keine Leiche finden und so wird sie vom ermittelnden Lieutenant Jean Luc Balterre, nicht ernst genommen. Doch Louise weiß genau, was sie gesehen hat, zudem hat sie Blutreste an einem Fenster gefunden, die sie mit einem Taschentuch gesichert hat. Da ihr die Polizei keinen Glauben schenken will, beschließt Louise auf eigene Faust zu ermitteln. In Oliviers Apotheke, bittet sie ihren Freund um dessen Hilfe und so setzt sie einen Stein ins Rollen, an dessen Ende tatsächlich eine Leiche gefunden wird. Doch die junge Dame soll Selbstmord begangen haben, was Louise nicht glauben will. Ihre hartnäckigen Bemühungen, mehr herauszufinden und die Vermutungen der Polizei zu widerlegen, werden bald von Erfolg gekrönt, doch dann wird Louise Neffe niedergeschlagen und schwer verletzt und die Polizei glaubt bald, dass er womöglich etwas mit dem Tod an der Frau zu tun haben könnte, was Louise schockiert. Sie weiß genau, dass ihr Neffe kein Kind von Traurigkeit ist, doch für einen Mörder hält sie ihn nicht. Kann Louise den wahren Täter überführen und Licht ins Dunkel bringen über die Hintergründe des Verbrechens?
Da ich Krimis liebe und Frankreich als Setting insbesondere, bin ich beim Stöbern, auf Julie Massons Krimi „Madame Bertin steht früh auf“, aufmerksam geworden. Die Autorin, ist bereits durch ihre Lucien Lefevre Reihe bekannt geworden, die ebenfalls im Rowohlt Verlag herausgegeben wurde und diesmal wartet Julie Masson, mit einer etwas anderen Ermittlerin auf. Louise Bertin sollte man jedoch nicht mit Miss Marple verwechseln. Zugegeben, Alter und Cleverness mögen bei beiden Figuren vorhanden sein, doch da hört es schon auf mit den Überschneidungen. Louise ist nämlich eine sehr eitle, ältere Dame, die viel Wert auf ihr Äußeres legt, einen Ente fährt und einem Flirt nicht abgeneigt ist, was ich an sich ganz witzig fand.
Mich haben die anfänglichen Wiederholungen bezüglich Madame Bertins „Makeupauffrischens“, beim Lesen irgendwann genervt, genauso wie die Autorin Julie Masson; übrigens ein Pseudonym für die Sachbuchautorin Maren Franz, für meinen Geschmack, zu oft die Brotlieferungen an den Präsidenten zum Thema machte.
Obwohl der Roman in Paris spielt, kam bei mir das gewisse Pariser Flair, beim Lesen leider zu keinem Zeitpunkt auf, so leid es mir für die Autorin auch tut. Eigentlich könnte der Roman praktisch überall spielen, denn neben dem Mietshaus, in dem ein Mord verübt wurde, einer Bar, Louises Wohnung, der Apotheke von Olivier und der Küche des Élysée-Palasts, findet man nicht mehr viel mehr Orte vor, die in diesem Roman Erwähnung finden.
Und auch die Dialoge zwischen den Akteuren, fand ich ehrlich gesagt etwas hölzern oder unrund geschrieben. Sicherlich, Louise, Olivier und der Lieutnant haben durchaus Potential und sind interessante Figuren, doch bleiben sie in dieser Geschichte noch recht blass.
Dazu gestalten sich die Ermittlungen zäh und ich fand es sehr unrealistisch inszeniert, dass Louise so schnell von der Polizei miteinbezogen wurde in den Fall. Eine ältere Privatperson darf etwa einen Tatort betreten, an dem sich eine bereits verwesende Leiche befindet? Und es hat keine Konsequenzen für Louise, dass sie ein Tatortphoto aus dem Polizeirevier entwendet?
Normalerweise hätte ich für „Madame Bertin steht früh auf“, lediglich 2 von 5 Punkten vergeben. Da die Autorin gegen Ende des Romans aber reichlich an der Spannungsschraube gedreht hat und ich das letzte Drittel der Geschichte viel besser und atmosphärisch dichter geschrieben fand, als den Rest, möchte ich einen Punkt hinzufügen.
Sollte ein zweiter Teil geplant sein, würde ich mir allerdings viel mehr französisches Flair und vor allem Dialoge wünschen, die etwas natürlicher geschrieben wirken.
Kurz gefasst: Ein, wie ich finde, sehr durchschnittlich geratener Cosy Krimi mit Parissetting, dem das gewisse Pariser Flair leider völlig fehlt.