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Veröffentlicht am 17.08.2021

Was muss dieser Junge ertragen?

Shuggie Bain
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Douglas Stuart erzählt in seinem Roman Shuggie Bain hochemotional vom Leben zwischen Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und dem Anderssein und trifft dabei jeden Nerv.
Shuggie Bain ist ein kleiner Junge, der ...

Douglas Stuart erzählt in seinem Roman Shuggie Bain hochemotional vom Leben zwischen Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und dem Anderssein und trifft dabei jeden Nerv.
Shuggie Bain ist ein kleiner Junge, der ohne Vater, bei seiner alkoholsüchtigen Mutter aufwächst und einfach nur glücklich sein möchte und dafür würde er alles tun.
Die Leser:innen sympathisieren sofort mit Shuggie und obwohl sie genau wissen, wie es enden wird (da das erste Kapitel schon die Gegenwart von Shuggie präsentiert), wünschen sie sich für ihn nur das beste, denn irgendwann hat es auch dieser Junge verdient glücklich zu sein. Was Shuggie alles durchmachen muss, bricht einem das Herz und rührt nicht nur einmal zu Tränen. Seine Reaktion auf all dies und sein Durchhaltevermögen, machen ihn zu einem ganz besonderen, literarischen Charakter, in dem vermutlich viel zu viel tatsächliche Lebenserfahrung des Autors steckt. Auch für Agnes können die Leser:innen Sympathien aufbringen, obwohl man sich hier nie sicher ist, wie man über sie denken soll.
Der Ton, den Stuart anschlägt, ist gehoben, jedoch nicht anstrengend. Er hebt sich zwar von dem Slang ab, der von den meisten Charakteren gesprochen wird (außer Agnes und ihrer Kinder), ist aber immer noch umgänglich, sodass es nicht fremd und distanziert wirkt.
Insgesamt ist das Buch ein gelungenes Fenster in eine Zeit und ein Leben, die nicht allzulang her sind, wie es sie vermutlich heute noch gibt und bei dem man am Ende froh ist, dass man dieses wieder schließen kann und es nicht am eigenen Leib erfahren musste.

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Veröffentlicht am 06.08.2021

Eindrucksvolles Debut

Junge mit schwarzem Hahn
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Junge mit schwarzen Hahn wirkt anfangs wie eine surreale Dorfgeschichte, mit überzeichneten ländlichen Stereotypen, die den merkwürdigen Jungen und seinen schwarzen Hahn fürchten und in ihm den Teufel ...

Junge mit schwarzen Hahn wirkt anfangs wie eine surreale Dorfgeschichte, mit überzeichneten ländlichen Stereotypen, die den merkwürdigen Jungen und seinen schwarzen Hahn fürchten und in ihm den Teufel sehen.
Doch der Maler, der der dörflichen Kirche ein Altarbild malen soll, erkennt jedoch was wahrlich in Martin steckt, der von der Dorfgemeinschaft gemieden wird. Martin zieht mit dem Maler durchs Land und wird Retter und Schutzengel derer, die es am dringendsten benötigen.
Martin ist die Person, die keine Fehler hat, trotz seiner dunklen Vergangenheit und der Missachtung, mit der er im Dorf gestraft wurde, wurde er zu einem herzensguten Jungen, der jede kleinste Ungerechtigkeit erkennt und sich entschieden gegen diese zur Wehr setzt. Er ist ein fast magischer Charakter, den sich die Leser:innen als Vorbild nehmen sollten, denn keine Vergangenheit entschuldigt es, ein schlechter Mensch zu sein.
Stefanie vor Schulte präsentiert ein atemberaubendes Debüt, das ans Herz geht und einem aufzeigt, dass man immer die Wahl hat sich für oder gegen das Böse zu entscheiden. Die Autorin trifft genau den richtigen Ton für die Zeit und das mystische und dunkle Setting des Romans, sodass es einem auch nach dem Ende des Buches nicht sofort loslässt.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

Entwicklungsroman anders rum!

Liebe Rock
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Liebe Rock ist ein ganz besonderer Roman, dass fällt sofort auf, wenn das erste Kapitel mit 100 beginnt und nicht mit 1 und auch der erste Satz macht sofort hellhörig.
Stilistisch nimmt sich der Roman ...

Liebe Rock ist ein ganz besonderer Roman, dass fällt sofort auf, wenn das erste Kapitel mit 100 beginnt und nicht mit 1 und auch der erste Satz macht sofort hellhörig.
Stilistisch nimmt sich der Roman einiges heraus, was man nicht oft zu sehen bekommt. Er ist an die Geliebte des Protagonisten, Rock, gerichtet und spricht diese immer wieder mit du an, als würde er es ihr direkt erzählen - so fühlen sich die Leser:innen ein bisschen wie Rock. Timm wirkt dadurch viel nahbarer, als wäre er direkt vor einem und obwohl er manch fragwürdige Entscheidungen trifft und etwas seltsam ist, kann man nicht anders, als ihn zu mögen.
Durch die relativ kurzen Kapiteln, mit noch kürzeren Absätzen, in denen nie eine direkte Rede verwendet wird und kein Wort zu viel verwendet wird um irgendwas oder irgendwen zu beschreiben, bekommt der Roman eine gewisse Geschwindigkeit, aber auch etwas von Verwüstung und Chaos. Gleichzeitig aber, ist er, durch die erzählte Geschichte, ruhig und langsam.
Der Text ist einzigartig und doch erinnert er an so einiges, oft kommt das Punk-Feeling auf, das vor allem durch die Sprache und die Ziellosigkeit des Protagonisten geprägt wird und dadurch erinnert der Roman auch immer wieder an "Der Fänger im Roggen".
An sich wissen die Leser:innen von Anfang an, worauf sie sich einlassen und doch fiebern sie mit Timm mit, wollen das Beste für ihn, hoffen, dass er es schafft, aber eigentlich ist klar, dass es nicht gut enden kann.
Liebe Rock ist eine Art "negativer Entwicklungsroman" mit sehr viel Gefühl und einer fesselnden Art zu erzählen.

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Veröffentlicht am 02.08.2021

Informativ und emotional

Dreieinhalb Stunden
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Dreieinhalb Stunden erzählt von einem einzigen Tag, von einer Mauer, einem Zug, aber gleichzeitig von ganzen Leben, von Schicksalen und von Entscheidungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Zwischen ...

Dreieinhalb Stunden erzählt von einem einzigen Tag, von einer Mauer, einem Zug, aber gleichzeitig von ganzen Leben, von Schicksalen und von Entscheidungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Zwischen der DDR und der BRD soll eine Mauer gebaut werden und nur mehr wenige Züge werden noch ein letztes Mal über die Grenze fahren dürfen. In so einem Zug sitzen unsere Protagonist:innen und müssen die Entscheidung ihres Lebens treffen. Im Westen bleiben, der nicht ihr zu Hause ist und ein neues Leben anfangen oder zurück in die Heimat kehren und nie wieder in den Westen können?
Der Roman schafft es dabei sehr gut die Beweggründe aller Protagonist:innen aufzufangen und sowohl für das Leben im Westen, als auch für den Osten positive und negative Seiten aufzuzeigen. Die Zerrissenheit ist sehr gut beschrieben und zeichnet ein historisch gut dargestelltes Bild, dass einmal nicht den Westen in den Himmel lobt und den Osten verteufelt. Die Leser:innen erfahren sehr viel vom Leben damals und lernen sich in die Zivilbevölkerung einzufühlen.
Historisch wertvoll, sprachlich eher mittelmäßig und teilweise zu überfüllt mit Perspektiven ist es ein gutes Buch, für Spannung und Nervenkitzel fehlt aber etwas.

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Veröffentlicht am 27.07.2021

Solider Thriller

Eskalation
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Wer schon viele Thriller gelesen hat, wird mit Eskalation wohl nicht allzu glücklich sein. Der Roman bietet zwar alles, was ein Thriller braucht, aber auch nicht wirklich viel mehr.
Die Handlung, die Frau, ...

Wer schon viele Thriller gelesen hat, wird mit Eskalation wohl nicht allzu glücklich sein. Der Roman bietet zwar alles, was ein Thriller braucht, aber auch nicht wirklich viel mehr.
Die Handlung, die Frau, die in der Nacht vom Täter entführt wird, der dabei auch einen Polizisten tötet, geht sehr lange gar nicht voran, da die Ermittler keine neuen Hinweise erhalten und die Leser:innen erfahren die Information, durch die verschiedenen Erzählperspektiven immer und immer wieder. Die kleinen Highlights zwischendurch und die kleinen Rätsel, die manche Kapitel aufgeben, sind nicht gerade überraschend aufgelöst und bringen nicht die erhoffte Spannung, die die ersten Seiten versprechen.
Durch die kurzen Kapitel und die vielen Perspektivenwechsel können die Leser:innen auch nicht wirklich mit irgendwelchen Charakteren warm werden, da diese nie genug Zeit haben, sich zu entfalten.
Die titelgebende "Eskalation" findet ganz am Ende innerhalb von 20 Seiten statt, um gleich danach wieder abzufallen und auf den letzten Seiten nochmal die gesamte Handlung kurz zusammenzufassen für die, die nicht gut genug aufgepasst haben.
Das Buch versucht seine Leser:innen in die Irre zu führen, indem falsche Fährten viel zu offensichtlich gelegt werden und am Ende eine Auflösung präsentiert wird, die nicht mal von Wahrsager:innen erkannt hätte werden können, da den Leser:innen einfach die wichtigen Informationen nie gegeben wurden.

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