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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.09.2023

Volle Punktzahl. Ohne Wenn und Aber.

Funkloch
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Garry Disher ist ein mit unzähligen Preisen ausgezeichneter Autor, der IMMER auf hohem Niveau schreibt. Ganz gleich, ob es sich um die Hirschhausen-, die Challis/Destry-, die Wyatt-Reihe oder einen seiner ...

Garry Disher ist ein mit unzähligen Preisen ausgezeichneter Autor, der IMMER auf hohem Niveau schreibt. Ganz gleich, ob es sich um die Hirschhausen-, die Challis/Destry-, die Wyatt-Reihe oder einen seiner Stand alones handelt, bisher hat mich noch keiner seiner Romane enttäuscht. Brillant!°

In „Funkloch“ (Challis/Destry-Reihe, Bd. 7) sind wir mit Chief Detective Hal Challis auf der Mornington Peninsula unterwegs, einer Halbinsel, die zu den Randbezirken von Melbourne gehört und mit ihren 190 km Strand nicht nur ein beliebtes Ziel für Wassersportler ist, sondern auch vermehrt solvente Städter anzieht, die ein Auge auf die Grundstücke am Meer geworfen haben. Aber die zunehmende Gentrifizierung schafft zahlreiche Probleme für die dünne Personaldecke der Polizei, wovon der unzureichende Handyempfang noch das Kleinste ist. Auf der einen Seite die Reichen und Schönen, auf der anderen Seite Familien, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Und natürlich auch jede Menge zwielichtige Gestalten, die das abgelegene Landesinnere für ihre krummen Geschäfte nutzen.

Von den Romanen des Autors wissen wir, dass er sich nicht einem Fall zufrieden gibt. Der Tod von zwei Auftragsmördern in einem Buschfeuer ist nur der Anfang, der im Verlauf der Handlung immer weitere Kreise zieht. Neben einer ausgebrannten Meth-Küche, dem organisierten Diebstahl von Landmaschinen, einem vermissten Kind und der Suche nach einem Serienvergewaltiger, den Ellen Destry, Challis‘ Freundin und mittlerweile Leiterin der Abteilung für Sexualverbrechen, im Visier hat, gibt es natürlich auch zwischenmenschliche Konflikte unter Kollegen, persönliche Dramen sowie Fehlverhalten innerhalb der Truppe. Alles mit leichter Hand in einer großartigen Geschichte verwoben, die mit der gewohnten Empathie von Disher erzählt wird.

Volle Punktzahl. Ohne Wenn und Aber!

Veröffentlicht am 27.08.2023

Wer Wind sät...

Im Sturm
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Mit „Im Sturm“ schreibt Pernilla Ericson (nach „Im Feuer“) ihre Vier-Elemente-Reihe mit Lilly Hed fort. Und diesmal wird es wesentlich dramatischer als in dem Vorgänger:

Um eine Dienststelle in Nordschweden ...

Mit „Im Sturm“ schreibt Pernilla Ericson (nach „Im Feuer“) ihre Vier-Elemente-Reihe mit Lilly Hed fort. Und diesmal wird es wesentlich dramatischer als in dem Vorgänger:

Um eine Dienststelle in Nordschweden bei dem ungelösten Mordfall an einem alleinstehenden Senior zu unterstützen, wird Lilly Hed, zusammen mit Liv Kaspi, die sie seit der gemeinsamen Ausbildung kennt, nach Skageby geschickt. Der Empfang dort ist mehr als frostig, fühlt sich das ursprünglich mit dem Fall betraute Team durch die Einmischung aus der Stadt als unqualifiziert abgestempelt. Und auch die Bewohner des Dorfes sind verschlossen, machen keinerlei Anstalten, die beiden Ermittlerinnen mit Informationen zu versorgen.

Als ein heftiges Unwetter aufzieht, der Sturm Bäume entwurzelt, die die Straßen blockieren und Leitungen kappen, wird die Lage in der Region zunehmend dramatisch. Nicht nur der Strom fällt aus, auch die Verbindung zur Außenwelt ist durch den Ausfall der Funkmasten abgeschnitten. Und ja, es bleibt nicht bei einem Toten, aber in dieser Extremsituation einen Serientäter aufzuspüren, scheint für Lilly und Liv nahezu unmöglich, werden doch auch die Spuren, die zu dem Mörder führen könnten, durch die starken Regenfälle vernichtet.

Es ist eine ganz besondere Dynamik, die die Handlung des Kriminalromans positiv beeinflusst. Da ist dieses lebensbedrohliche Szenario des Jahrhundertsturms mit allen Auswirkungen, das die beiden Polizistinnen zwingt, ohne die üblichen Hilfsmittel den Fall zu lösen, ganz gleich, ob es hier um den Abruf von Informationen aus den entsprechenden Datenbanken oder die Expertise von Spezialisten geht. In unserer heutigen Zeit kaum vorstellbar. Also jede Menge Drama, von der Autorin hervorragend umgesetzt. Alles in allem der gelungene zweite Band einer Reihe, die sich mit dem Klimawandel auseinandersetzt und die Probleme der Gegenwart ohne den sprichwörtlich erhobenem Zeigefinger thematisiert. Mit sympathischen Protagonisten, einem ausgewogenem Verhältnis zwischen Fall und Privatem sowie einem gut durchdachten Plot. Ein spannender Kriminalroman, den ich gerne weiterempfehle.

Ich freue mich bereits auf den dritten Band „In der Erde“, der am 24.07.24 erscheinen soll.

Veröffentlicht am 26.08.2023

Nur in Ansätzen gelungen

Verderben
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Mit Karin Smirnoffs „Verderben“ startet der zweite Versuch, die erfolgreiche Millennium-Trilogie Stieg Larssons fortzuschreiben. Mit der ersten Fortsetzung hatten die Erben David Lagercrantz beauftragt, ...

Mit Karin Smirnoffs „Verderben“ startet der zweite Versuch, die erfolgreiche Millennium-Trilogie Stieg Larssons fortzuschreiben. Mit der ersten Fortsetzung hatten die Erben David Lagercrantz beauftragt, die entsprechende dreiteilige Reihe erschien zwischen 2015 und 2019 in der deutschen Übersetzung. Mittlerweile wurden die Rechte für drei neue Millennium-Romane an den schwedischen Polaris Verlag verkauft, die 2022 diesen ersten Teil der Smirnoff‘schen Millennium-Trilogie auf den Markt brachten.

Der Kontakt zwischen Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander ist abgerissen. Ab und an eine Kurznachricht, das war’s schon. Sie gehen eigene Wege, und die führen sie in diesem Fall unabhängig voneinander ins fiktive Gasskas, ein kleines Kaff in Nordschweden. Blomkvist reist zu Hochzeit seiner Tochter Pernilla mit einem zwielichtigen Lokalpolitiker an, Salander soll Svala, eine ihr unbekannte Nichte mit außergewöhnlichen Fähigkeiten finden und sich um sie kümmern. Aber schneller als ihnen lieb ist sind sie in Ereignisse verwickelt, in denen skrupellose Geschäftemacher alles daran setzen, die Ressourcen Norrbottens zu ihrem Vorteil auszubeuten, was die region unwiderruflich zerstören würde. Und dabei schrecken sie nicht davor zurück, jede/n, der sich ihren Plänen in den Weg stellt zu beseitigen.

Auch wenn die beiden Protagonisten aus dem Original mit an Bord sind, macht es doch den Eindruck, als hätten sie mittlerweile stumpfe Zähne. Sie bleiben blass, scheinen nur noch Schatten der Personen zu sein, die wir aus dem Original kennen. Agieren merkwürdig zurückhaltend, lediglich zum Ende hin blitzt in der einen oder anderen Aktion ein verhaltenes Erinnern an deren frühere Zusammenarbeit auf.

Smirnoffs Fortsetzung ist in der schwedischen Gegenwart angekommen. An der Wahl der Themen - kriminelle Organisationen, korrupte Behörden plus die üblichen Zutaten wie Migranten, Missbrauch, Motoradgangs, Bandenkriege und Rechtspopulismus - orientiert sie sich zwar an dem Vorbild, ist in deren Umsetzung aber viel direkter, grobschlächtiger als Larsson. Kurze Kapitel aus wechselnden Perspektiven sowie knackige Sätze forcieren zwar das Tempo und generieren Spannung, auch wenn die Handlung ist im Großen und Ganzen sehr vorhersehbar ist. Ein großer Kritikpunkt ist für mich aber neben den vielen, stellenweise grotesken Klischees, die sie in der Charakterisierung der Bösewichte verwendet, die rohe, abstoßende und stellenweise hochgradig ordinäre Sprache, wobei das natürlich auch der Übersetzung geschuldet sein könnte.

Wer damit kein Problem hat, mag der Autorin Beifall klatschen (die Verkaufszahlen sprechen wohl dafür), mich konnte sie als Stieg Larssons Nachfolgerin leider nur in Ansätzen überzeugen.

Veröffentlicht am 22.08.2023

Ein fremdes Leben, und doch so vertraut

Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin
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Es ist eine überraschende Nachricht, die Johanna an ihrem 21. Geburtstag erhält. Lisbeth, eine Tante, von deren Existenz sie bisher nichts wusste, ist gestorben und hat ihr ein Häuschen in der Eifel hinterlassen. ...

Es ist eine überraschende Nachricht, die Johanna an ihrem 21. Geburtstag erhält. Lisbeth, eine Tante, von deren Existenz sie bisher nichts wusste, ist gestorben und hat ihr ein Häuschen in der Eifel hinterlassen. Allerdings mit einer seltsamen Auflage, sie muss dort mindestens sechs Monate leben, bevor sie es veräußern darf. Gegen den Rat ihrer Familie packt sie die Koffer und macht sich auf den Weg nach Altenburg.

Allein auf sich gestellt und mit den Problemen des täglichen Lebens konfrontiert, gestaltet sich der Anfang schwierig für die verwöhnte Fabrikantentochter, zumal jeder ihrer Schritte von den Bewohnern des Dörfchens misstrauisch beobachtet wird. Aber glücklicherweise ist da Kätt, die resolute Nachbarin, die nicht nur immer dann zur Stelle ist, wenn Probleme auftauchen, sondern Johanna auch von der unbekannten Tante erzählen kann. Lisbeth, von den Dörflern „die Füchsin“ genannt. Die Eigenwillige, die konsequent und gegen alle Widerstände ihren Weg gegangen ist, auch wenn sie dafür große persönliche Opfer bringen musste. Noch kann Johanna nicht ahnen, dass sie mehr mit Lisbeth verbindet, als sie sich vorstellen kann.

Familiengeheimnisse und eine Frauenfigur, die nach Selbstverwirklichung strebt, sind Themen, die gerade in historischen Romanen derzeit Hochkonjunktur haben. Ebenso die Verortung in der Eifel, von Autorinnen gerne genommen seit dem Ahrhochwasser 2021, was an der kargen Landschaft, früher auch „Preußisch Sibirien“ genannt, liegen mag, die ihren Bewohnern gerade in früheren Zeit viel abverlangt hat.

Brigitte Riebe ist Historikern, und auch in „Eifelfrauen: Das Haus der Füchsin“ steckt sicher jede Menge Recherchearbeit, da die Handlung im historischen Kontext verankert ist. Leider hält sich dieser aber dezent im Hintergrund. Zwar wird die Separatistenbewegung kurz angerissen, ebenso die allmählichen Veränderungen in Gesellschaft und Familien nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, ein bisschen Weltwirtschaftskrise, aber das war’s auch schon. Dafür darf – natürlich – eine Liebesgeschichte in Form eines attraktiven, französischen Wildhüters nicht fehlen, zu dem Johanna sich hingezogen fühlt. Darauf hätte man gut verzichten können, ist aber wohl in diesem Genre unabdingbar notwendig, will man die Erwartungen der Leserinnen erfüllen. Ich hätte gut darauf verzichten können und mir stattdessen mehr Zeitkolorit gewünscht. Vielleicht erfüllt sich diese Erwartung ja in dem geplanten Nachfolgeband.

Veröffentlicht am 20.08.2023

Wer einmal lügt...

Verlogen
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Vor über einem halben Jahr hat die alleinerziehende Maríanna eine kurze Notiz auf dem Tisch hinterlassen und ist spurlos verschwunden. Wegen ihrer problematischen Biografie vermutete die Polizei damals ...

Vor über einem halben Jahr hat die alleinerziehende Maríanna eine kurze Notiz auf dem Tisch hinterlassen und ist spurlos verschwunden. Wegen ihrer problematischen Biografie vermutete die Polizei damals Depressionen mit Selbsttötungsabsicht. Doch nun wurde die Leiche in einer Höhle gefunden und es scheint, als ob sie eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Ein Cold Case, und nach so langer Zeit kein einfacher Fall für Elma und ihren Kollegen Sævar, da auf den ersten Blick niemand aus dem Umfeld der Toten ein Interesse an ihrem Tod hatte. Oder etwa doch? Was ist mit Hekla, der Tochter, die mittlerweile bei liebevollen Pflegeeltern lebt? Oder mit der Pflegemutter, die bereits in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit Maríanna hatte? Viele Fragen, wenig Antworten in Eva Björg Ægisdóttirs „Verlogen“, Bd. 2 der Mörderisches-Island-Trilogie.

Parallel zu der Ermittlungsarbeit von Elma und Sævar, die sehr ausufernd geschildert wird, sind immer wieder Tagebucheinträge einer überforderten Mutter zu lesen, deren Kind offensichtlich eine Entwicklungsstörung, eventuell aus dem autistischen Spektrum hat und die über die Jahre nicht in der Lage ist, ihr Kind anzunehmen und eine Beziehung zu diesem aufzubauen.

Keine Frage, bis zu einem gewissen Punkt liest sich das durchaus spannend und weckt das Interesse, aber mangels der Fortschritte in den Ermittlungen ist bei 360 Seiten irgendwann der Punkt erreicht, an dem man gerne Ergebnisse und die eigenen Vermutungen bestätigt sehen möchte. Wer sagt die Wahrheit, wer erzählt Lügen?

Mir war das insgesamt zu klein-klein erzählt und mit zu vielen Wiederholungen und uninteressanten Nebensächlichkeiten gespickt, die den Fortgang der Handlung immens ausgebremst haben. Das typische Problem bei dem mittleren Band einer Trilogie.

Alles in allem deshalb nur 3,5 von 5.