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Veröffentlicht am 19.08.2023

Wenn die Vergangenheit dich einholt…

Saat der Sünde
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Es ist ein kniffliger Fall, mit dem es Kate Burkholder, die Polizeichefin von Painters Mill, Ohio, in „Saat der Sünde“ zu tun hat, denn in diesem 14. Band der Reihe klopft die Vergangenheit an. Drei Älteste ...

Es ist ein kniffliger Fall, mit dem es Kate Burkholder, die Polizeichefin von Painters Mill, Ohio, in „Saat der Sünde“ zu tun hat, denn in diesem 14. Band der Reihe klopft die Vergangenheit an. Drei Älteste der Amish aus Kishacoquillas Valley, Pennsylvania, erscheinen bei ihr und bitten um Hilfe. Bei Feldarbeiten wurde ein von Kugeln durchlöcherter Schädel gefunden, zweifelsohne identifiziert als Ananias Stoltzfus, ehemals Bischof der Gemeinde und vor vielen Jahren spurlos verschwunden. Alle Indizien sprechen dafür, dass der mittlerweile inhaftierte Jonas Bowman, Kates Jugendliebe, für den Mord verantwortlich ist. Aber die Ältesten bezweifeln das, denn der Bischof war ein unerbittlicher Verfechter der Tradition und hatte sich eine Menge Feinde gemacht, die als Täter in Frage kommen könnten. Also verlässt Kate ihr vertrautes Terrain und fährt nach Pennsylvania, wo sie als Privatperson versucht, Licht ins Dunkel der Ermittlungen zu bringen und Jonas zu entlasten.

Bei jedem neuen Band der Reihe frage ich mich, ob denn da noch etwas Neues kommen kann und werde oft eines Besseren belehrt. So auch hier, denn diesmal nimmt uns die Autorin mit in die Jugendjahre ihrer Protagonistin. Diese Rückblenden weitet sie aber nicht über Gebühr aus, sondern setzt sie in Beziehung zu den moralischen Regeln der Amish, denn natürlich ist es der Fall, der im Mittelpunkt steht.

Und der ist durchaus gelungen, auch wenn von Anfang an klar ist, dass nicht Kates Jugendfreund für den Tod des Bischofs verantwortlich ist. Und glücklicherweise verzichtet Castillo auch endlich darauf, zum wiederholten Mal die alltäglichen Einschränkungen der Glaubensgemeinschaft zu thematisieren, die allen regelmäßigen Leserinnen der Reihe hinreichend bekannt sind.

Störend fand ich jedoch die Passagen, in denen Kate sich mit Situationen auseinandersetzen muss, die ihr Leben bedrohen. Dieser unglaubwürdige Superwoman-Aspekt passt definitiv nicht zu dieser Reihe, lebt diese doch von den sorgfältig ausgearbeiteten Charakteren und den Einblicken in eine uns fremde Kultur, die aus der Zeit gefallen scheint.

Eine Empfehlung für alle, die auf unterhaltsame Art mehr über die Amish, ihre Regeln und ihre Lebensweise, erfahren wollen.

Veröffentlicht am 14.08.2023

Die Weyward-Frauen

Die Unbändigen
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„Unbändig“, Adjektiv, lt. Duden „wild, nicht zu zügeln“. Eine Definition, die wertet. Und mit „Die Unbändigen“, meiner Meinung nach ein unglücklich gewählter, deutscher Titel für den Debütroman von Emilia ...

„Unbändig“, Adjektiv, lt. Duden „wild, nicht zu zügeln“. Eine Definition, die wertet. Und mit „Die Unbändigen“, meiner Meinung nach ein unglücklich gewählter, deutscher Titel für den Debütroman von Emilia Hart, in dem ihre Protagonistinnen gegen Beschränkungen aufbegehren, die ihnen quer durch die Jahrhunderte das Leben schwer machen.

Altha, die Heilkundige, die 1619 der Hexerei beschuldigt und vor Gericht gestellt wird. Violet, fasziniert von der Welt außerhalb ihres Zimmers und allem, was da kreucht und fleucht, Tochter von Elizabeth Weyward, deren Vater sie in den 1940er Jahren einsperrt und überwacht, damit sie nicht wie ihre Mutter endet. Und schließlich Kate, die 1991 nach langem Zögern ihren übergriffigen Lebensgefährten heimlich, still und leise verlässt und in das Cottage ihrer verstorbenen Großmutter Violet zieht. Sie muss zur Ruhe kommen, sich neu sortieren, herausfinden, was wichtig ist. Und sie muss zurück ins Leben finden. Für sich und das Ungeborene.

Drei Epochen, drei Leben. Drei Frauen, die das Erbe der Weyward-Frauen in sich tragen, den Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung. Offenbar ist dies für die englischsprachigen Kritiker*innen schon ausreichend, um einen Roman als feministisch zu klassifizieren. Was das Thema Schwangerschaft angeht, bin ich ohne Einschränkung auf Seiten der Autorin. Es kann nicht angehen, dass sich Männer anmaßen, über den weiblichen Körper, auch per Gesetz, zu bestimmen. Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob es magische Elemente sind, die die Frauen im Endeffekt schützen. Dazu bedarf es schon etwas mehr als weiblicher Kontrolle über Vögel, Insekten und sonstige Natur.

Alles in allem der typische historische Frauenroman mit den üblichen Stereotypen. Bewundernswerte Frauen, übergriffige Männer, und am Ende wird alles gut. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie selbstbestimmt und ohne ökonomische Zwänge noch heute im Einklang mit der Natur.

Veröffentlicht am 11.08.2023

Gelungener Abschluss

Nebelblau
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„Nebelblau“, nach „Sturmrot“ und „Erdschwarz“ der abschließende Band von Tove Alsterdals Eira-Sjödin-Trilogie, beginnt mit einer überraschenden Entdeckung, die Meeresarchäologen bei einem Tauchgang im ...

„Nebelblau“, nach „Sturmrot“ und „Erdschwarz“ der abschließende Band von Tove Alsterdals Eira-Sjödin-Trilogie, beginnt mit einer überraschenden Entdeckung, die Meeresarchäologen bei einem Tauchgang im Wrack eines vor langer Zeit gesunkenen Schiffes machen. Das Teilskelett, das sie finden, gibt Anlass zu Spekulationen und ruft die Ermittler rund um Eira Sjödin auf den Plan. Handelt es sich um eine vor Jahren verschwundene Frau oder um ein ehemaliges Besatzungsmitglied des Schiffes oder schlicht um ein bisher unbekanntes Mordopfer? Noch ahnt keine/r der Beteiligten, dass jede neu gewonnene Erkenntnis neue Fragen aufwerfen und sie schließlich zu einer Protestbewegung, die in den sechziger Jahren in Ådalen aktiv war, führen wird.

Wie bereits in den Vorgängern ist es Tove Alsterdal gelungen, reale Ereignisse nicht nur aus der schwedischen sondern auch aus der internationalen Vergangenheit in einen spannenden Kriminalfall zu packen und aufzuzeigen, welche Auswirkungen dennoch lang Vergangenes auf das Leben der Menschen in der Gegenwart haben kann. Dazu richtet sie den Blick auf eine verbürgte CIA-Aktion, die „Operation Chaos“, in der der Geheimdienst eine Gruppe von amerikanischen Wehrdienstverweigerern und Vietnam-Deserteuren, die nach Schweden geflüchtet sind, infiltriert und mit Hilfe gekaufter Unterstützer von innen heraus zerschlagen will.

Aber natürlich kommen auch die in den beiden vorherigen Bänden rund um Eira und ihr Privatleben gesponnenen Handlungsfäden nicht zu kurz. Da ist das Kind, das sie erwartet und von dem sie nicht weiß, wer der Vater ist. Die Mutter, die mittlerweile wegen ihrer fortgeschrittenen Demenz in einem Pflegeheim lebt. Der Bruder, der wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen aber auf sich genommen hat, im Gefängnis sitzt.

Alles ohne Logikfehler verwoben und im richtigen Verhältnis gut ausbalanciert, sodass keine Fragen offenbleiben und man am Ende das Buch zufrieden zuklappen kann.

Veröffentlicht am 09.08.2023

Verpatzte Fortsetzung

Der Sündenbock
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Seit 1997 ist pünktlich wie ein Uhrwerk ein neuer Band aus Lee Childs Reacher-Reihe erschienen. Immer wieder die passende Sommerlektüre, actionlastig und auf die Person des Einzelgängers konzentriert, ...

Seit 1997 ist pünktlich wie ein Uhrwerk ein neuer Band aus Lee Childs Reacher-Reihe erschienen. Immer wieder die passende Sommerlektüre, actionlastig und auf die Person des Einzelgängers konzentriert, ohne großen Anspruch. Ende 2018 habe ich in London eine Veranstaltung mit dem Autor besucht, in der er ankündigte, dass er „in Rente“ geht und deshalb sein Bruder Andrew die Serie fortschreibt. Klar, die Cash Cow sollte in der Familie bleiben, aber bereits in „Die Hyänen“ war zu erkennen, dass dieser Wechsel sich nicht unbedingt förderlich auf das gewohnte Konzept auswirken wird. Nun also „Der Sündenbock“ (The Sentinel, 2020), zum ersten Mal mit dem Namen des Nachfolgers auf dem Cover.

Die Story in Kürze: Reacher kommt in eine Kleinstadt in Tennessee. Sieht, wie Schläger einen Mann verfolgen. der sich später als der IT-Verantwortliche des Städtchen entpuppen wird, das von einem Ransomware-Angriff lahmgelegt wurde. Wie üblich verprügelt Reacher die Schläger und erfährt von dem Geretteten, der sich als der IT-Verantwortliche des Städtchens entpuppt, dass ein Ransomware-Angriff die gesamte Infrastruktur lahmgelegt hat und man ihn dafür verantwortlich macht. Und natürlich tauchen die üblichen Verdächtigen auf, die verantwortlich sind und sich in die Politik von Good’s own country einmischen wollen. Gibt’s eigentlich ein einziges Klischee, das Andrew Child ausgelassen hat? Okay, der altmodische Reacher ist nun in der Gegenwart angekommen, aber muss der wortkarge Einzelgänger nun auch zu einem Schläger ohne persönliche Moral und einer Plaudertasche werden?

Das war nix. Zu viel Andrew, zu wenig Lee. Klischeehafte Handlung, keine Spannung, unterirdische Sprache. Für mich ist es definitiv jetzt an der Zeit, die Zelte abzubrechen und weiterzuziehen.

Veröffentlicht am 03.08.2023

Von Spannung keine Spur

Die letzte Nacht
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Karin Slaughters Grand County Reihe habe ich gerne gelesen, waren diese Krimis/Thriller doch immer raffiniert geplottet und ausnahmslos spannend. Als die Autorin dann beschlossen hat, Will Trent und die ...

Karin Slaughters Grand County Reihe habe ich gerne gelesen, waren diese Krimis/Thriller doch immer raffiniert geplottet und ausnahmslos spannend. Als die Autorin dann beschlossen hat, Will Trent und die unsäglich nervende Faith einzuführen und mit ihnen eine neue Serie zu starten, bin ich davon ausgegangen, dass sie das gewohnte Niveau halten kann. Weit gefehlt. Zwar hoffe ich noch immer, dass sie zu alter Stärke zurückfindet, aber auch mit dem aktuellen, als Thriller beworbenen Band „Die letzte Nacht“, konnte sie bei mir leider nicht punkten.

Die zugrunde liegende Story wurde schon vielfach in diversen Kriminalromanen von wesentlich talentierteren Autorinnen erzählt. Vergewaltigung ist immer ein heikles Thema, das es mit Fingerspitzengefühl zu behandeln gilt, und das bekommt Frau Slaughter einfach nicht hin. Ihr geht es immer um Schockmomente und drastische Darstellungen, bei denen es möglichst brutal und abartig zugeht und bei den Leserinnen Gänsehautmomente hervorrufen.

Tja, und auch Täter und Motiv sind nicht außergewöhnlich, im Gegenteil. Wer Geld und Ansehen hat, kann sich alles erlauben, so die gängige Überzeugung, und schon ist damit ein Konsens mit den Leser*innen hergestellt. Das ist einfach nur plump und vorhersehbar. Wenn es dann wenigstens noch spannend wäre, aber nein. Die Story verliert sich im langatmigen Graben in der Vergangenheit und Sara Lintons halbherzigen Selbstreflexionen, die jeden Ansatz von Spannung ausbremsen und das Lesen zu einer zähen Angelegenheit machen. Absolut nicht mein Fall.