Morbides jenseits von Sisi und Fiaker
Der Totengräber und der Mord in der Krypta (Die Totengräber-Serie 3)Wien an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Spiritistische Veranstaltungen haben Hochkonjunktur. Ein unübersichtliches Feld, das Scharlatanen und skrupellosen Betrügern unzählige Möglichkeiten bietet, und ...
Wien an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Spiritistische Veranstaltungen haben Hochkonjunktur. Ein unübersichtliches Feld, das Scharlatanen und skrupellosen Betrügern unzählige Möglichkeiten bietet, und eine Entwicklung, die Theodor Lichtenstein, ein renommierter Naturwissenschaftler und Freund von Oberpolizeirat Stukart, nicht nur mit großem Misstrauen beobachtet sondern auch aktiv bekämpft hat und schließlich mit dem Leben bezahlen muss. Leopold von Herzfeldt wird auf den Fall angesetzt, steht aber vor einem Rätsel, und einmal mehr setzt er auf die Hilfe von Augustin Rothmayer, Totengräber vom Zentralfriedhof. Aber dieser hat andere Sorgen, denn er will ein städtisches Waisenhaus unter die Lupe nehmen, aus dem seit einiger Zeit wiederholt Kinder verschwinden.
Über allem liegt die morbide Atmosphäre der Donaumetropole, aber „Der Totengräber und der Mord in der Kypta“ würde nicht funktionieren, wären da nicht die Kontraste, die sich aus den Darstellungen der unterschiedlichen Kreise ergeben, in denen sich die Protagonisten bewegen. Einerseits die Vertreter der gehobene Gesellschaft, die allen Veränderungen ablehnend gegenüberstehen, sich mit abstrusen Spielchen die Zeit vertreiben und über die sprichwörtlichen Leichen gehen, andererseits die einfachen Leute, die ihr Leben am Rande des Existenzminimums fristen und darauf hoffen, dass auch sie eines Tages vor gefüllten Schüsseln sitzen.
Natürlich gibt es Längen in diesem historischen Kriminalroman, was den detaillierten Beschreibungen, speziell im Fall der verschwundenen Kinder, geschuldet ist. Aber der Autor hat gründlich recherchiert und vermittelt damit ein stimmiges Bild dieser „guten, alten Zeit“ mit all ihren hässlichen Auswüchsen. Und er kann es sich nicht verkneifen, einem allseits bekannten Vertreter der Zunft einen unerwarteten Auftritt zu verschaffen, denn Sir Arthur Conan Doyle darf diesmal auch mitmischen.
Eine gelungene Fortsetzung der Reihe. Und beim nächsten Wien-Besuch werde ich mir mit Sicherheit nochmals die Katakomben unter dem Stephansdom im Detail anschauen.