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Veröffentlicht am 02.10.2024

Blick hinter die Kulissen

Bavarese
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„Man trug Lederhosen oder Dirndl, man lebte umgeben von blauen Bergen und grünen Wiesen. Die menschenliebten dieses Land und seine Hauptstadt. Hier herrschte keine Not und keine Korruption (…) Doch manchmal ...

„Man trug Lederhosen oder Dirndl, man lebte umgeben von blauen Bergen und grünen Wiesen. Die menschenliebten dieses Land und seine Hauptstadt. Hier herrschte keine Not und keine Korruption (…) Doch manchmal waren die grünen Wiesen, auf denen die glücklichen Kühe weideten, mit Exkrementen befleckt.“ (Seite 97)

Wer kennt sie nicht, die Bilder aus den Hochglanz-Zeitschriften? Küchenchefs der gehobenen Gastronomie, die allmorgendlich mit ihrem Weidenkorb über wohlbestückte Märkte schlendern, den Duft der Kräuterbündel prüfen, die prallen Tomaten mit dem unvergleichlichen Aroma kosten und sich die Zutaten für ihr Menu du Jour zusammensuchen? Die Wirklichkeit sieht in den meisten Fällen jedoch ganz anders aus. Mehrmals pro Woche hält ein Lieferfahrzeug vom Großmarkt vor dem Restaurant und stellt die Bestellungen zu, die zuvor nicht nur aus Deutschland, sondern aus ganz Europa auf dem Großmarkt angeliefert wurden.

Wolltet ihr schon immer einmal einen Blick hinter die Kulissen des „Bauchs von München“ werfen? Dann lest „Bavarese“ von Leo Reisinger, Musiker, Schauspieler und Autor, der lange Jahre sich mit einem Job auf dem Großmarkt über Wasser gehalten und seine Erlebnisse/Erfahrungen in diese Story gepackt hat.

Wir machen Bekanntschaft mit dem Brunner und dem Pfeiffer, der eine zwielichtiger Gemüselieferant, der andere Gastronom mit Ambitionen. Der Pfeiffer will Wiesnwirt werden, und dafür ist ihm jedes Mittel recht, insbesondere die Unterstützung eines Capo der ‘Ndrangheta. Nur den Brunner kann er nicht mehr in seinem Umfeld gebrauchen. Zwar hat er mit dessen Hilfe (und jeder Menge Geld am Finanzamt vorbei) sein Restaurant-Imperium errichtet, aber wenn man Wiesnwirt werden will, darf man diejenigen, die das Sagen haben zwar schmieren, sollte aber bei den Hintergrundrecherchen durch die Behörden unschuldig wie ein Neugeborenes wirken.

Und da ist dann noch die Lene, alleinerziehende Mutter, die den heruntergewirtschafteten Gemüsehandel ihres Vaters übernommen hat, und mehr schlecht als recht damit über die Runden kommt, sowie der Sepko, die rechte Hand vom Brunner. Ein Kerl mit dem Herz am rechten Fleck und einer dunklen Vergangenheit, der Gefühle für sie entwickelt.

„Bavarese“ eine Mischung aus Sozialreportage, Kriminalroman und Love-Story, nie sentimental oder kitschig. Reisingers Beschreibungen wirken nicht nur dann echt, wenn er die Abläufe und das geschäftige Treiben auf dem Großmarkt beschreibt. Sie kommen demaskierend daher, insbesondere dann, wenn er den erzählerischen Fokus auf die Spezlwirtschaft der Münchner Schickeria richtet, deren Vertreter keine Gewissensbisse kennen, wenn sie sich ihr Engagement unter der Hand honorieren lassen. Sämtliche Personen sind anschaulich beschrieben und charakterisiert, nicht nur die beiden Kontrahenten Brunner und Pfeiffer samt Entourage, sondern auch Sepko, der hin und hergerissen zwischen der Loyalität zum Brunner und seinen Gefühlen für Lene ist. Alles wirkt in höchstem Maß ungeschönt, authentisch und in der Gewichtung wohldosiert. Ein entlarvender Blick hinter die Kulissen und ein gelungener Erstling. Sehr empfehlenswert, nicht nur für Münchnerinnen und Münchner.

Veröffentlicht am 24.09.2024

Schottischer Noir vom Feinsten

Die April-Toten
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Glasgow war schon immer ein gefährliches Pflaster. Als dort und in der Umgebung zwischen 1970 und 1980 zahlreiche Kohleminen, Stahlwerke und Werften geschlossen wurden, führte dies zu Massenarbeitslosigkeit ...

Glasgow war schon immer ein gefährliches Pflaster. Als dort und in der Umgebung zwischen 1970 und 1980 zahlreiche Kohleminen, Stahlwerke und Werften geschlossen wurden, führte dies zu Massenarbeitslosigkeit und sozialem Elend. Im Gefolge davon kam es zu einem rasanten Anstieg der Kriminalitätsrate, was dazu führte, dass die schottische Großstadt schnell den Ruf hatte, „Crime Capital of Europe“ zu sein. Soweit der Hintergrund, vor dem Alan Parks Harry McCoy-Reihe einzuordnen ist, deren Startpunkt das Jahr1973 ist.

Mit „Die April-Toten“ sind wir im Jahr 1974 angekommen, und wie bereits der Titel verrät, konzentriert sich die Handlung auf den Zeitraum zwischen dem 12. und 22. April. Und natürlich sind alle wieder mit an Bord, die wir bereits aus den Vorgängern kennen: Harry, der durch ein Magengeschwür gesundheitlich angeschlagen ist. Wattie, mittlerweile stolzer Vater, der mit Schlafmangel kämpft. Murray, ihr Boss, der Wattie genau auf die Finger schaut, hat er ihm doch die Leitung in seinem ersten Fall, dem Mord an Jamsie Dixon übertragen. Dieser ein Handlanger von Harrys frisch aus dem Gefängnis entlassenen Freund und Unterweltgröße Stephie Cooper, was letzteren zum Auftraggeber gemacht haben könnte. Harry wäre hier als Leitender fehl am Platz, ist er doch Stephie gegenüber (meist) loyal. Auch wenn sie auf verschiedenen Seiten stehen.

Die Handlung ist komplex, wie von Parks gewohnt, und deckt wieder verschiedene Bereiche ab, zwischen denen es Zusammenhänge gibt. Ein amerikanischer Ex-Militär bittet Harry um Hilfe bei der Suche nach seinem Sohn, der spurlos von der US-Marinebasis am Holy Loch verschwunden ist. Ein junger Mann wird bei seinem Versuch, eine Bombe zu bauen, getötet, aber die Special Branch schließt die IRA aus. Ein dubioser Ex-Colonel, der junge Männer um sich schart, die ihm helfen sollen, seine Vision von einem besseren Schottland in die Tat umzusetzen. Ein Landhaus, in dem während einer Durchsuchung schockierendes Bildmaterial gefunden wird. Nicht zu vergessen Stephies Rachefeldzug gegenüber den illoyalen Mitgliedern seiner kriminellen Organisation.

Hochspannend, intelligent, mit sympathischen Charakteren und einer ausgeklügelten Story. Hart, stellenweise brutal und blutig, direkt in der Sprache (wie immer hervorragend übersetzt von Conny Lösch) und mit jeder Menge schwarzem Humor.

„Die April-Toten“ ist der vierte Band mit Harry McCoy und Co., und, wie die Vorgänger, astreiner schottischer Noir vom Feinsten. Damit man die Personen, ihre Entwicklung und ihre Beziehungen zueinander einordnen kann, empfiehlt es sich, die Reihe chronologisch zu lesen. Es lohnt sich. Unbedingt!

Veröffentlicht am 23.09.2024

Reihenauftakt "Tatort Malmö"

Tode, die wir sterben
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2012 ist der erste Band der Reihe mit den Kommissarinnen Ingrid Nyström und Stina Forss erschienen. Neun weitere folgten, bis 2022 das erfolgreiche deutsch-schwedische Autorenteam Voosen/Danielsson mit ...

2012 ist der erste Band der Reihe mit den Kommissarinnen Ingrid Nyström und Stina Forss erschienen. Neun weitere folgten, bis 2022 das erfolgreiche deutsch-schwedische Autorenteam Voosen/Danielsson mit „Die Spur der Luchse“ diese beendete und mit ihrem neuen Kriminalroman „Tode, die wir sterben“ den Startpunkt für die neue Reihe „Tatort Malmö“ setzen, deren inhaltliche Ausrichtung sich offensichtlich wesentlich stärker als die Vorgänger an den aktuellen gesellschaftlich-relevanten Problemen Schwedens orientiert.

Drogen, Problemviertel, Bandenkriminalität, Migranten, Vorurteile, Rassismus und, nicht zu vergessen, Russland als politisch-aktuelles Thema. Jede Menge Stoff, der hier abgedeckt wird. Dazu das Ermittlerteam aus „Ghettofrau und Superbulle“ (O-Ton Svea): Jon Nordh, Südschwede, alleinerziehender Vater, dessen Frau bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist und die strafversetzte Svea Karhuu, Nordschwedin mit arabischen Wurzeln und lockerer Faust, immer wieder verbalen Anfeindungen ausgesetzt. Zwei, die sich erst noch zusammenraufen und ihre persönlichen Probleme bewältigen müssen. Neu ist diese Konstellation nicht, eher mittlerweile fast schon Standard in skandinavischen Krimis und Voosen/Danielsson verwenden viel Zeit dafür auf, ihre neuen Hauptfiguren vorzustellen und mit einer Hintergrundgeschichte auszustatten. Zwar hat das bei einer neuen Reihe seine Berechtigung, sollte aber nicht auf Kosten der eigentlichen Krimihandlung gehen.

Mein abschließendes Urteil fällt, mit kleinen Abstrichen, positiv aus. Man merkt, dass hier Profis am Werk sind, die in der Lage sind, eine funktionierende Story routiniert zu plotten und auszuführen. Die Protagonisten sind sympathisch und haben Potenzial, die Handlung ist zwar stellenweise leicht überfrachtet, aber dennoch spannend und topaktuell. Und zu guter Letzt fand ich auch die Einblicke in die kulturellen Eigenheiten, meint die Unterschiede zwischen den Nord- und den Südschweden, sehr interessant.

Band 2 der Reihe wird im August 2025 unter dem Titel „Schwüre, die wir brechen“ erscheinen, und ich freue mich darauf, Svea und Jon auch bei ihrem nächsten Fall über die Schulter zu schauen.

Veröffentlicht am 22.09.2024

Schwacher Protagonist und dünne Handlung

Nacht der Verräter
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Max, ein Polizist, der nach einem missglückten Einsatz, den seine Kollegin mit dem Leben bezahlt, schwer traumatisiert ist. Dessen Frau, die wie ein Grab über ihr früheres Leben schweigt, ohne Vorwarnung ...

Max, ein Polizist, der nach einem missglückten Einsatz, den seine Kollegin mit dem Leben bezahlt, schwer traumatisiert ist. Dessen Frau, die wie ein Grab über ihr früheres Leben schweigt, ohne Vorwarnung spurlos verschwindet und ihr dreijähriges Kind zurücklässt.. Zwei Halbbrüder, beide ebenfalls Polizisten, die in dunkle Geschäfte verwickelt sein könnten. Seine Vorgesetzten, die uneingeschränkte Loyalität zum Dienst von ihm fordern und ihn auf seine Halbbrüder ansetzen. Und zuletzt eine kriminelle Organisation, die über Leichen geht.

Soweit die Eckdaten zu Horst Eckerts neuem Thriller „Nacht der Verräter“, in dem er zwar dem aus seiner Vincent und Melia-Reihe bekannten Handlungsort Düsseldorf treu bleibt, ansonsten aber alles zur Seite schiebt, was diese Vorgänger ausgezeichnet hat. Natürlich ist das legitim, und diese Story mag auch an reale Ereignisse in NRW angelehnt sein, aber auf mich wirkte sie über weite Strecken dünn, unglaubwürdig und an den Haaren herbeigezogen.

Die Gründe dafür werde ich hier aus meiner Sicht erläutern. Wer Max dienstfähig geschrieben hat, sollte den Beruf wechseln. Selbst für uns außenstehende Leser ist es schnell klar, dass das nicht verarbeitete Trauma noch immer seinen Blick vernebelt und die Verlustängste wieder an die Oberfläche holen. Und welche Partnerschaft toleriert auf Dauer das Schweigen des Gegenübers über die Vergangenheit, diese Geheimniskrämerei? Lässt eine Mutter, selbst wenn sie in einer Ausnahmesituation ist und nicht weiß, ob sie irgendwann zurückkommen wird, ihr Kind zurück? Was ist mit der familiären Loyalität? Warum müssen die Halbbrüder einen teilrussischen Hintergrund haben? Soll sie das von vornherein schon zwielichtig erscheinen lassen? Und zu guter Letzt, warum und wie könnte ein solch isoliertes Ereignis wie die Enttarnung zweier korrupter Polizisten ein wirksamer Schlag gegen die organisierte Kriminalität sein? Das wäre doch lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Tja, und der Schluss? Oh weia, falls dieser eine Tür für die Fortsetzung offenhalten soll, werde ich sie mit Sicherheit nicht lesen. Mir war dieser Thriller im Gegensatz zu der obengenannten Reihe, die ich sehr gerne gelesen habe, viel zu einfach gestrickt und konnte mich deshalb nicht überzeugen. Vielleicht waren meine Erwartungen aber auch zu hoch, denn bei der Mehrzahl der Leser und Leserinnen, schaut man sich die aktuellen Bewertungen an, konnte der Autor durchaus punkten.

Noch eine Bemerkung zum Schluss: Das Buch hat knapp 400 Seiten, aber hätte man eine Schriftgröße des üblichen Standards verwendet und die extrem kurzen Kapitel fließend enden lassen, würde das den Umfang erheblich reduziert haben.

Veröffentlicht am 17.09.2024

Der Verlust der Unschuld

Aufs Land
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„Die ganze Welt war düster und beängstigend“. Was liegt da näher, als sich nach einem Idyll zu sehnen? Aber ob diese idealisierte Vorstellung vom Landleben die Härten und Hürden des Alltags übersteht? ...

„Die ganze Welt war düster und beängstigend“. Was liegt da näher, als sich nach einem Idyll zu sehnen? Aber ob diese idealisierte Vorstellung vom Landleben die Härten und Hürden des Alltags übersteht? Bleibt abzuwarten.

Der Roman setzt im Jahr 2005 ein und endet 2010. Er nimmt uns mit nach Herefordshire in den englischen West Midlands. In dieser ländlichen Gegend haben drei Familien einen heruntergekommenen Bauernhof gekauft, um ihren Traum vom Leben auf dem Land in die Tat umzusetzen.

In Sadie Jones‘ „Aufs Land“ begleiten wir die beiden siebenjährigen Kinder Amy und Lan über diesen fünfjährigen Zeitraum, beobachten das Leben auf dem Hof, stromern mit ihnen durch die Natur, feiern mit ihnen Feste und belauschen die Gespräche, die sie führen. Die alternierenden Kapitel, in denen sie zu Wort kommen, schaffen Nähe.

Ich bin immer skeptisch, wenn Erwachsene aus Kindersicht schreiben, und auch hier stolpert man zu Beginn über einige Bemerkungen, die Kinder dieses Alters wohl so nicht machen würden. Aber das schleift sich glücklicherweise im Verlauf der Geschichte zunehmend ab und weicht in den Gesprächen, in denen die Kinder das Verhalten der Erwachsenen beobachten und kommentieren, einer sehr klaren, ja fast schon entlarvenden Beobachtungsgabe.

Auch wenn wir nicht erleben, wie die beiden Kinder zu Teenagern werden, nehmen wir doch Anteil an ihren ersten Schritten dahin. Je älter sie werden, desto feiner werden ihre Antennen und sie entwickeln ein untrügliches Gefühl für die Spannungen, die in der Luft liegen und das fragile Landidyll zum Einsturz bringen könnten. Natürlich geht es um Geld, dem die Träume geopfert werden sollen, aber auch um Beziehungen, die sich verändern, plötzlich auf dem Prüfstand stehen. Und nicht zuletzt gilt es, Verluste hinzunehmen. Auch Amy und Lans großes Abenteuer, ihre unbeschwerte Kindheit, wird von einer Realität, der sie nicht entkommen können, eingeholt.