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Veröffentlicht am 23.05.2023

Vom Lieben in schweren Zeiten

Als Großmutter im Regen tanzte
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Drei Frauen, drei Schicksale und viele schmerzhafte Erinnerungen, denen sich Juni, die Enkelin, nähert, als sie vor ihrem gewalttätigen Mann in das Haus der Großeltern auf der kleinen norwegischen Insel ...

Drei Frauen, drei Schicksale und viele schmerzhafte Erinnerungen, denen sich Juni, die Enkelin, nähert, als sie vor ihrem gewalttätigen Mann in das Haus der Großeltern auf der kleinen norwegischen Insel flieht, um sich über ihre weiteren Schritte und ihre Zukunft klar zu werden. Nicht wissend, dass sie sich dafür zuerst einmal mit den verdrängten Geheimnissen ihrer Mutter und Großmutter auseinandersetzen muss.

Tekla, eine junge Norwegerin, verliebt sich in Otto, einen deutschen Soldaten, was weder von ihren Eltern noch von ihrem Umfeld gerne gesehen wird. Sie wird offen dafür angefeindet, wahlweise als „Deutschenmädchen“ oder „Deutschenflittchen“ bezeichnet und sogar bei einem Ausflug angegriffen, misshandelt und kahlgeschoren (die ältere Generation erinnert sich vielleicht auch noch an die Schimpfwörter, mit denen hierzulande Frauen belegt wurden, die sich mit ehemaligen Kriegsgefangenen oder Amerikanern nach Kriegende einließen). Wenn ihre Liebe eine Zukunft haben soll, müssen sie Norwegen verlassen, und so entschließt sich Tekla, Otto in dessen Heimatort zu folgen, nicht wissend, dass in Demmin seit den letzten Tages des Zweiten Weltkriegs, auch im übertragenen Sinn, kein Stein auf dem anderen geblieben ist.

Ein berührender, beeindruckender Roman von Trude Teige, einer in Norwegen sehr populären TV-Moderatorin und Journalistin, der bereits 2015 im Original erschienen ist, und in dem sie sich mit einem vergessenen Kapitel der Nachkriegsgeschichte (nicht nur) ihres Heimatlandes auseinandersetzt. Eine bewegende Geschichte vom Lieben in schweren Zeiten und einem Familientrauma, das bis in die Gegenwart nachwirkt.

Veröffentlicht am 21.05.2023

Auf zu neuen Ufern

City of Dreams
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Danny Ryan ist auf der Flucht Richtung Westen, begleitet von seinem Vater und seinem kleinen Söhnchen. Er hat die Nase voll, möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen, endlich ein friedliches Leben ...

Danny Ryan ist auf der Flucht Richtung Westen, begleitet von seinem Vater und seinem kleinen Söhnchen. Er hat die Nase voll, möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen, endlich ein friedliches Leben ohne Schießereien und Gang-Kämpfe führen, seinen Sohn aufwachsen sehen. Und so versucht er, sich vor der italienischen Mafia, dem FBI und der State Police in Sicherheit zu bringen und unter dem Radar zu bleiben. Zu dumm nur, dass zwei seiner loyalen Kumpel, die er im Schlepptau hat, das ganz anders sehen und aktiv werden, als sie herausfinden, dass Hollywood einen Film über die Ereignisse in Dogtown drehen. Als an ihnen Beteiligte sind sie der Meinung, ihnen würde ein Teil vom Kuchen zustehen, und so kommen sie aus der Deckung. Mit Folgen, die sie mit hätten vermeiden können, wenn sie sich ihre Aktion im Vorfeld überlegt hätten.

Mittelbände in Trilogien haben es üblicherweise schwer, und da ist Don Winslows „City of Dreams“ keine Ausnahme. Weder bietet er die Überraschungsmomente des Vorgängers „City on Fire“ noch den finalen Showdown, den wir im Abschlussband „City in Ruins“ wahrscheinlich erwarten dürfen, fährt eher mit angezogener Handbremse, auch wenn es natürlich zu den für dieses Genre typischen Auseinandersetzungen kommt. Dafür kriecht er tiefer in die Personen hinein, bringt uns selbst solche näher, die nicht im Zentrum des Geschehens stehen sondern nur Randfiguren sind.

Das wirkt alles durchdacht und souverän, kann es aber dennoch mit den großen Romanen aus Winslows Schaffen nicht aufnehmen, aber trotzdem sehe ich seinem angekündigten Abschied mit großem Bedauern entgegen. Seine Thriller werden mir fehlen.

Schlussbemerkung: Man sollte die Trilogie unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen, damit man die Ereignisse entsprechend einordnen kann.

Veröffentlicht am 21.05.2023

Ironischer Pessimismus

Blue Skies
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In seinen Romanen greift T. C. Boyle immer wieder Themen auf, die gesellschaftlich relevant sind und uns alle angehen. So auch in „Blue Skies“, dem neuesten Werk aus seiner Feder, in dem er sich mit der ...

In seinen Romanen greift T. C. Boyle immer wieder Themen auf, die gesellschaftlich relevant sind und uns alle angehen. So auch in „Blue Skies“, dem neuesten Werk aus seiner Feder, in dem er sich mit der Frage auseinandersetzt, wie Menschen im Angesicht einer ökologischen Katastrophe handeln.

Wird das Wissen darum und die Konfrontation mit deren Auswirkungen im Alltag das Verhalten beeinflussen, ja gar verändern? Vielleicht sogar bereits im Vorfeld? Ist doch nicht so, dass man sich mit einem Das-habe-ich-doch-nicht-gewusst herausreden könnte, oder?

Boyles Ausblick in eine nahe Zukunft ist pessimistisch. Florida ertrinkt in permanenten Regenfällen und dadurch verursachten Überschwemmungen, Kalifornien hingegen kämpft seit einigen Jahren mit außergewöhnlicher Hitze und nachfolgender Dürre. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Menschen registrieren zwar die Veränderungen und passen ihr tägliches Leben diesen an, unterlassen es aber, Verantwortung zu übernehmen, ihr Verhalten auf den Prüfstein zu stellen und zu korrigieren. Alles wie gehabt.

Verpackt in einen Familienroman klagt Boyle nicht an sondern beschreibt. Und das macht er eindringlich, wenngleich sich sein Anliegen, seine Botschaft auch hinter Zynismus und schwarzem Humor versteckt. Er hält uns einen Spiegel vor, appelliert an unser Verantwortungsgefühl, denn die Zeiten des blauen Himmels sind längst Vergangenheit.

Veröffentlicht am 21.05.2023

Geschichten vom Leben

Morgen, morgen und wieder morgen
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Angesiedelt im Milieu der Videospiele-Entwickler, unterhaltsam und mit leichter Hand geschrieben, ohne mit zu vielen Details die Nicht-Gamer zu überfordern, versprüht dieser Roman über weite Strecken Optimismus.

Ein ...

Angesiedelt im Milieu der Videospiele-Entwickler, unterhaltsam und mit leichter Hand geschrieben, ohne mit zu vielen Details die Nicht-Gamer zu überfordern, versprüht dieser Roman über weite Strecken Optimismus.

Ein Roman, der Geschichten vom Leben erzählt, die so vielfältig wie dieses sind. Von Menschen, die sich finden und auch wieder verlieren. Von Freundschaft und einer tiefen Liebe, die aber so ganz anders ist, als man es von den üblichen Love-Storys kennt. Vom Verstehen und Missverständnissen, die oft aus der unterschiedlichen Herkunft resultieren. Von Erfolgen und dem Scheitern, das zwangsläufig neuen Projekten immanent ist. Von Neid und Groll, speziell dann, wenn sich eine Frau in einer Männerdomäne behaupten will. Von Entfremdung und Trennung. Vom Tod und der Wiederauferstehung. Von Wiedergeburt und Erlösung, denn anders als im realen Leben bieten die virtuellen Welten der Videospiele unzählige Chancen auf Neuanfänge, so dass selbst der Tod niemals das Ende ist.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Meckern auf hohem Niveau

Liar
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Als Lenny Howell, ein alter Bekannter von Eddie Flynn, diesen um Hilfe bittet, zögert er zuerst. Aber da er die Qualen aus eigenem Erleben kennt, die ein Vater durchmacht, wenn die Tochter entführt wird, ...

Als Lenny Howell, ein alter Bekannter von Eddie Flynn, diesen um Hilfe bittet, zögert er zuerst. Aber da er die Qualen aus eigenem Erleben kennt, die ein Vater durchmacht, wenn die Tochter entführt wird, stimmt er letztendlich zu. Und das, obwohl er eigentlich andere Sorgen hat. Max Copeland, ein Anwalt ohne Moral, hat ihm eine Vorladung zustellen lassen. Offenbar hat er es auf Richter Ford, Eddies Freund und Mentor, abgesehen und will zu diesem Zweck einen alten Fall wieder aufrollen, in dem dieser eine Drogensüchtige verurteilt wurde, die einen Brand gelegt hat, bei dem ihr Baby ums Leben kam. Im Fall der entführten Tochter ist mittlerweile auch das FBI involviert und bereitet die Übergabe des Lösegelds vor. Zu dumm nur, dass Lenny zweigleisig fährt und seine eigenen Pläne hat, immer angetrieben von der Angst um das Leben seiner Tochter. Aber kann Eddie ihm trauen? Und welche Rolle soll er in diesem Fall spielen? Wer ist der „Liar“, und wer sagt die Wahrheit?

Obwohl ich ein großer Fan von Steve Cavanaghs Eddie Flynn bin und „Liar“ mit dem Gold Dagger Award als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet wurde, ist dieser dritte Band im Vergleich meiner Meinung nach der schwächste der Reihe. Aber dennoch sollte man ihn gelesen haben, damit man die Hintergründe der persönlichen Beziehungen entsprechend einordnen kann. Warum also unerwartet schwach? Nun, zum einen mag es daran liegen, dass das Thema Kindesentführung bereits in „Zu wenig Zeit zum Sterben“ (Bd. 1) abgehandelt wurde, zum anderen war die Handlung in „Liar“ recht vorhersehbar und simpel gestrickt. Und die ausufernden Erläuterungen jeder Einlassung in der Gerichtsverhandlung nahmen immer wieder das Tempo aus der Story und sorgten bei mir mehrfach für Augenrollen. Erfreulich hingegen fand ich den ausführlichen Auftritt von Agent Harper, die Fans der Reihe (aus Bd. 4 und 5) bereits kennen. Nun kennen wir auch die Anfänge dieser Freundschaft.

Trotz aller Kritik eine unterhaltsame Lektüre, die sich durch die Schlitzohrigkeit des Protagonisten wohltuend von vielen anderen Justizthrillern abhebt. Lesenswert!