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Veröffentlicht am 03.03.2023

It takes two to tango

Das Liebespaar des Jahrhunderts
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„Ich liebe dich.“ und „Ich verlasse dich“, zwei Drei-Wort-Sätze, die Anfang und Ende einer Beziehung markieren. Julia Schoch schaut auf ihre Beziehung, stellt sie auf den Prüfstand, möchte raus und fürchtet ...

„Ich liebe dich.“ und „Ich verlasse dich“, zwei Drei-Wort-Sätze, die Anfang und Ende einer Beziehung markieren. Julia Schoch schaut auf ihre Beziehung, stellt sie auf den Prüfstand, möchte raus und fürchtet doch die letzte Konsequenz. Unzufrieden-heit, Zweifel, Hadern mit der Entwicklung, die das gemeinsame Leben genommen hat. Dreißig Jahre mit ihrem Lebenspartner, Höhen und Tiefen, Alltag. Und immer wieder der Wunsch nach einem Neuanfang, einem Leben ohne ihn.

Aber was tut sie, um den Status Quo zu verändern? Ehrlichkeit im Umgang miteinander sehe ich kaum, jeder lebt für sich in seiner Blase. Probleme werden nicht angesprochen und somit auch nicht gelöst. Was bleibt ist ein Paar, das sich auseinander gelebt, den Austausch und die Kommunikation aufgegeben hat und sprachlos. Und trotz dreißigjährigem Zusammenleben offenbar noch immer nicht gemerkt hat, dass eine Beziehung Arbeit ist und manchmal auch anstrengend sein kann. Ein Loblied auf die Liebe sehe ich hier weit und breit jedenfalls nicht.

Man merkt es deutlich, den begeisterten Rezensionen zu Julia Schochs autofiktionaler Erzählung „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ kann ich nur bedingt zustimmen. Dieses ständige Soll-ich-oder-soll-ich-nicht, das depressive Grübeln, die Erinnerungen an glücklichere Zeiten, all das mag ja handwerklich sauber beschrieben sein, ist mir aber unterm Strich zu viel Nabelschau, was allerdings autofiktionalen Romanen meist immanent ist. Das Kreuz mit diesem Genre sind meiner Meinung nach nämlich die Schilderungen, die durchaus ans Eingemachte gehen können, aber leider nur aus einer Perspektive vermittelt werden und somit das involvierte Gegenüber außen vor lassen. Nicht vergessen, it takes two to tango. Und gerade hinsichtlich der Bestandsaufnahme und Beschreibung einer langjährigen Beziehung, die auf der Kippe steht, ist das für mich durchaus ein Mangel.

Veröffentlicht am 02.03.2023

Kriminelles aus Coppers Chase

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel (Die Mordclub-Serie 3)
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Endlich ermitteln sie wieder, die vier Hobbydetektive, die sich jeden Donnerstagvormittag im Puzzlestübchen der idyllischen Seniorenresidenz von Coopers Chase treffen. Der neue Cold Case ist knifflig, ...

Endlich ermitteln sie wieder, die vier Hobbydetektive, die sich jeden Donnerstagvormittag im Puzzlestübchen der idyllischen Seniorenresidenz von Coopers Chase treffen. Der neue Cold Case ist knifflig, denn es geht um den Fall einer spurlos verschwundenen Person. Die Fernsehjournalistin Bethany Waites war einem Mehrwertsteuerbetrug riesigen Ausmaßes auf der Spur, als im Zuge ihrer Recherche ihr Auto nachts von einer Klippe stürzte. Unfall oder Mord? Für letztere Annahme sprechen zwei ungewöhnliche Umstände. Zum einen wurde ihr Fahrzeug auf ihrem Weg von keiner einzigen Überwachungskamera erfasst, zum anderen wurde trotz intensiver Suche ihre Leiche nie gefunden.

Schnell stellt das Quartett unter Leitung der ehemaligen MI6-Agentin Elizabeth fest, dass mehr Leute in den Fall involviert sind, als sie bisher angenommen haben. Und deshalb greifen sie auch ganz unkonventionell auf die Hilfe sowohl einer inhaftierten Drogendealerin als auch auf die eines desillusionierten Kriminellen zurück. Und dann wäre da ja auch noch Viktor, der alte KGBler, mit dem Elizabeth zu aktiven Zeiten eine kurze Liaison hatte und von dem wir in Zukunft wohl noch öfter lesen werden. Das ist zwar längst noch nicht alles, aber mehr wird hier nicht verraten…

Wie bereits in den beiden Vorgängern (die man zum besseren Verständnis gelesen haben sollte) gibt sich Richard Osman auch in „Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel“ nicht mit einem Handlungsstrang und dem bereits bekannten Personenkreis zufrieden. Die Story ist komplex, schlägt Haken und ist kaum vorhersehbar. Die Dialoge zünden wie immer, sind gespickt mit dem Osman eigenen schwarzen Humor und dennoch warmherzig und voller Sympathie für seine vier Musketiere, die diesen Krimi zu einem spannenden Lesevergnügen machen.

Das mag zwar nicht den innovativen und intellektuellen Standards entsprechen, die der Herausgeber des Krimi-Programms eines namhaften Verlags für die aktuelle Spannungsliteratur fordert, erfrischend unterhaltsam ist es aber allemal, auch wenn er es als „Retro-Kram neuerer Bauart“ bezeichnet, der „nichts weiter ist als Ringe im Wasser, nachdem ein Steinchen hineingeworfen wurde“. Offenbar bin ich old school, denn ich schätze die Donnerstagsmordclub-Reihe mit ihren scharfsichtigen Senioren und habe auch diesen Band der Reihe sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 01.03.2023

DI Eva Harris: Erster Fall

Das kalte Licht des Todes
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Eine neue Reihe, Polizeiroman, weibliche Hauptfigur. Der Autor schon zweimal mit dem BAFTA ausgezeichnet. Diese Vorabinformation wecken Erwartungen, werden aber leider nur teilweise erfüllt. Positiv hervorzuheben ...

Eine neue Reihe, Polizeiroman, weibliche Hauptfigur. Der Autor schon zweimal mit dem BAFTA ausgezeichnet. Diese Vorabinformation wecken Erwartungen, werden aber leider nur teilweise erfüllt. Positiv hervorzuheben sind die Charakterisierungen der Personen, allen voran natürlich Detective Inspector Eva Harris, die hochintelligente Spezialistin für Cyberkriminalität, eine Qualifikation, die für ihren neuen Arbeitsplatz relativ nutzlos scheint.

Die Ausgangssituation in „Das kalte Licht des Todes“ ist wohlbekannt: DI Harris tritt ihren Dienst auf ihrem neuen Revier in Surrey an und bekommt es gleich an ihrem ersten Tag mit einem schockierenden Mordfall zu tun. Noch bevor sie sich ihrem zukünftigen Team vorstellen kann, wird sie zu einem Tatort mit einer weiblichen Leiche beordert. Laut Aussage der Forensikerin vor Ort hat der Mörder sie zuerst betäubt und dann ausbluten lassen. Als wäre das nicht schon genug, hat er ihr auch noch mit chirurgischer Präzision die Augäpfel entfernt. Eine Vorgehensweise, die Erinnerungen an einen Cold Case und einen Mörder weckt, der nie gefasst wurde.

Nun könnte man meinen, die Ermittlungen, die zu dessen Enttarnung führen sollen, böte bereits genügend Stoff für einen spannenden Plot, aber damit gibt sich der Autor nicht zufrieden. Zum einen ergänzt er die Biografie der Protagonistin mit deren geheimnisvoller Vergangenheit, die zahlreiche Probleme nach sich zieht, was mittlerweile ja fast schon ein Must in Krimis ist, zum anderen gibt es zusätzlich in den Reihen der Polizei Kräfte, die alles daran setzen, dass die Ermittlungen der „Neuen“ scheitern. Und dann ist da ja auch noch der Mörder, dessen Motiv ausführlichst beleuchtet wird, was dadurch unvermeidbare Längen generiert. Etwas weniger wäre durchaus mehr gewesen.

Fazit: Für die Fortsetzung der Reihe ist noch reichlich Luft nach oben.

Veröffentlicht am 19.02.2023

Der Mensch ist des Menschen Wolf

Die marmornen Träume
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Der französische Autor Jean-Christophe Grangé ist hierzulande, wenn überhaupt, am ehesten bekannt durch die Verfilmung seines zweiten Thrillers „Die purpurnen Flüsse“. Vielleicht ändert sich das ja mit ...

Der französische Autor Jean-Christophe Grangé ist hierzulande, wenn überhaupt, am ehesten bekannt durch die Verfilmung seines zweiten Thrillers „Die purpurnen Flüsse“. Vielleicht ändert sich das ja mit seinem neuen Buch „Die marmornen Träume“, einem historischen Kriminalroman, dessen Handlung in Deutschland verortet ist.

Berlin, 1939. Der Zweite Weltkrieg steht vor der Tür, und das tägliche Leben hat sich mit der Machtübernahme durch die Nazis verändert. Man duckt sich aus Angst vor Hitlers Schergen. Gestapo und SS üben ihre Macht gnadenlos und mit aller Härte aus. Für alle anderen gilt die Devise „nur nicht auffallen“, es sei denn, man gehört zu denjenigen, die sich im Schatten der Nationalsozialisten gemütlich eingerichtet und/oder Karriere in der Partei gemacht haben. Und man genießt die Annehmlichkeiten, die damit einhergehen, wie den exklusiven Club im Adlon, dem ersten Haus am Platz. Doch dann wird in dessen unmittelbarer Nähe eine aufs Grausamste verstümmelte Dame der oberen Gesellschaft gefunden, ausgeweidet und mit durchschnittener Kehle, und sie wird nicht die einzige bleiben. Aber wer steckt hinter den Morden? Ist es ein kaltblütiger Killer, der Freude am Töten hat oder doch ein Wahnsinniger mit einer Mission? Und wenn ja, welchen Plan verfolgt er?

Drei Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund und Motivation bemühen sich um die Aufklärung der Morde: Frank Beewen, von oberster Stelle mit der Aufklärung der Morde beauftragt. Simon Kraus, Psychiater und Traumforscher, der nicht nur berufliche Verbindungen zu den Opfern hatte und schließlich Baronin von Hassel, ebenfalls Psychiaterin, aber auch Leiterin der Anstalt, in der Beewens Vater untergebracht ist, die selbst mit alkoholvernebeltem Hirn schneller als die beiden Männer die richtigen Schlüsse zieht. Fokussiert darauf, dem Mörder das Handwerk zu legen, gibt es immer wieder Situationen, in denen das Trio nicht die erforderliche Vorsicht walten lässt und tief in den nationalsozialistischen Sumpf gerät, der gefährlich für Leib und Leben ist.

680 Seiten bieten Grangé ausreichende Möglichkeiten, um zum einen die Charakterisierung seiner Protagonisten bis ins Detail stimmig auszuarbeiten und zum anderen die Geschichte, die er erzählen möchte, logisch aufzubauen und zu entwickeln. Wir kennen das aus seinen früheren Büchern. Diese Vorgehensweise generiert zwar Längen zu Beginn, aber Geduld lohnt sich, denn im zweiten Teil zieht die Spannung mächtig an. Hier zeigt er ein realistisches Bild der Verhältnisse, die 1939 in Nazi-Deutschland herrschen und von Willkür, Grausamkeit und Gewalt geprägt sind. Schonungslos hält er uns den Spiegel vor, zeigt eine verrohte Gesellschaft, die nicht nur ihr Mitgefühl sondern auch ihre Moral verloren hat, in der der Mensch des Menschen Wolf ist. Derjenige, der dagegen angeht, um seine Menschlichkeit zu retten, muss zu den gleichen Mitteln wie seine Widersacher greifen, da Gewalt sich in diesem Stadium der Historie nur mit Gewalt bekämpfen lässt. Dabei hat man aber glücklicherweise nie den Eindruck, dass den drastischen Beschreibungen voyeuristische Motive zugrunde liegen, denn wir wissen alle, dass in dieser dunklen Zeit wesentlich schlimmere Dinge als die beschriebenen geschehen sind.

Ein historischer Kriminalroman, verankert in dem dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte, der die Natur des Menschen auf den Prüfstand stellt und zum Nachdenken anregt. Lesen!

Veröffentlicht am 17.02.2023

Idyll in Scherben

Kuckuckskinder (Ein Falck-Hedström-Krimi 11)
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Fjällbacka ist im Feiermodus. Das Ehepaar Bauer, er ein bekannter Schriftsteller – man munkelt sogar, er wäre der nächste Nobelpreisträger – hat Freunde und Bekannte zu einer Festivität anlässlich ihrer ...

Fjällbacka ist im Feiermodus. Das Ehepaar Bauer, er ein bekannter Schriftsteller – man munkelt sogar, er wäre der nächste Nobelpreisträger – hat Freunde und Bekannte zu einer Festivität anlässlich ihrer Goldenen Hochzeit geladen. Die gesamte Schickeria des schwedischen Dörfchens ist anwesend, mit Ausnahme des Fotokünstlers Rolf Stenklo. Man feiert ausgelassen, der Alkohol fließt in Strömen. Auch Erika Falck und Patrik Hedström, sie Schriftstellerin, er Polizeibeamter, sind unter den Gästen. Am nächsten Morgen wir der verkaterte Patrik zu einem Tatort gerufen. Rolf Stenklo ist tot, liegt ermordet in der Galerie, in der er noch am Abend zuvor seine Ausstellung vorbereitet hat.

Wie wir es von Camilla Läckberg gewohnt sind, gibt es aber noch einen zweiten Handlungsstrang, der von Erika bedient wird. Für ihr neues Buch recherchiert sie eine lange zurückliegende Brandkatastrophe, bei der zwei Personen ums Leben gekommen sind. Ein Unglücksfall oder Mord? Im Laufe der Handlung gräbt sie eine Vielzahl von Hinweisen aus, die allesamt darauf hindeuten, dass zwischen den beiden Fällen eine Verbindung besteht.

Die Verschränkung von Gegenwart und Vergangenheit ist ein vertrautes Muster der schwedischen Autorin, das sie in ihren Falck-Hedström-Krimis immer wieder benutzt, um die Handlung aufzubauen. So auch in „Kuckuckskinder“ (Band 11). Keine Frage, sie versteht ihr Handwerk, man weiß schon bereits im Vorfeld, was man bekommt. Aber hier wurde dies über die Maßen ausgereizt. Gleicher Aufbau, gefällig Sprache, jede Menge Privatleben und viel zu viel Drumherumgerede, das den Fall überlagert und in den Hintergrund drängt. Zu allem Überfluss scheint die Autorin auch noch der Meinung zu sein, sie müsste aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen in ihre Story einarbeiten, was bereits in dem Vorgänger („Die Eishexe“, 2018) in die Hose ging. Nein, sie ist nicht in der Lage, die gewählte Thematik glaubwürdig und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu transportieren. Dazu kommt der wenig glücklich gewählte Titel (im Original „Gökungen“ = Der Kuckuckskönig), der die Richtung für die Interpretation der Geschehnisse bereits vorgibt.

„Kuckuckskinder“ ist ein langatmiger, weitgehend anspruchsloser und vorhersehbarer Kriminalroman, der zwar die Erwartungen erfüllt, aber keinerlei Überraschungen bietet. Kann man lesen, muss man aber nicht.