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Veröffentlicht am 26.07.2022

Klatsch und Tratsch auf hohem Niveau

Palace Papers
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Für „Palace Papers“, diesen umfangreichen Insiderbericht über die britische Monarchie, hat Tina Brown, ehemalige Chefredakteurin bei Vanity Fair, Tatler und The New Yorker unzählige Personen aus dem Umfeld ...

Für „Palace Papers“, diesen umfangreichen Insiderbericht über die britische Monarchie, hat Tina Brown, ehemalige Chefredakteurin bei Vanity Fair, Tatler und The New Yorker unzählige Personen aus dem Umfeld der Queen befragt, mit Journalistenkollegen gesprochen und Druckwerke gewälzt, was sie auf über 40 Seiten eindrucksvoll belegt.

Herausgekommen ist dabei ein nicht nur ein „Greatest Hits“ der Skandale und Skandälchen der Windsors, sondern auch ein interessanter Einblick in eine aus der Zeit gefallene Institution, die de facto keine politischen Machtbefugnisse sondern lediglich repräsentative Aufgaben hat und deren Familienmitglieder angehalten sind, sich an die „Never complain, never explain“ Vorgabe der Queen zu halten. Dass dieser Kodex zunehmend an Gültigkeit verliert, zeigt sich inbesondere bei manchen angeheirateten Zugängen der Royals, die nicht das dicke Fell der Queen haben, mit nicht erfüllten Erwartungen kämpfen (Lady Di) oder eigene Pläne für ihren neuen Status haben (Meghan Markle).

Dabei sind die Sympathien der Autorin klar verteilt. Anne, unaufgeregt und klaglos ihren Job machend, Camilla, pragmatische Frau an der Seite des zukünftigen Königs und Kate, die sich pefekt mit ihrer Rolle als royale Unterstützerin arrangiert hat. Und natürlich die Queen herself, die seit siebzig Jahren den Briten ein Gefühl von Beständigkeit vermittelt und damit die Monarchie am Laufen hält, auch wenn in der jüngeren Vergangenheit immer wieder kritische Stimmen deren Abschaffung fordern. Doch solange die Insel in einen kollektiven Freudentaumel gerät - zuletzt gesehen bei den Feierlichkeiten anlässlich des 70jährigen Thronjubiläum – müssen die Windsors nicht auf gepackten Koffern sitzen.

„Palace Papers“ ist Klatsch und Tratsch auf hohem Niveau, gewährt interessante Einblicke in das Leben und die Marotten der Royal Family, ist äußerst vergnüglich zu lesen und verkürzt unterhaltsam die Zeit, während wir auf die Fortsetzung von „The Crown“ warten.

Veröffentlicht am 24.07.2022

Wer war Eliza Acton?

Miss Elizas englische Küche
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Elizabeth „Eliza“ Acton (1799 – 1859) ist eine Frau mit vielen Facetten. Sie selbst sieht sich als Lyrikerin, findet aber wie so viele Dichterinnen dieser Zeit niemanden, der ihre Gedichte drucken will. ...

Elizabeth „Eliza“ Acton (1799 – 1859) ist eine Frau mit vielen Facetten. Sie selbst sieht sich als Lyrikerin, findet aber wie so viele Dichterinnen dieser Zeit niemanden, der ihre Gedichte drucken will. Als sie der Bankrott ihrer vermeintlich vermögenden Familie dazu zwingt, sich nach einem Broterwerb umzuschauen, scheint ihr das Angebot eines Verlegers ein gangbarer Ausweg. Er empfiehlt ihr, anstatt Gedichte ein Kochbuch zu schreiben. Aber wie kann sie diesen Vorschlag realisieren, hat sie doch noch nie einen Fuß in die Küche gesetzt? Kochbücher sind in diesen Zeiten kaum verfügbar, wenn doch, dann können sie kaum Hilfestellung bieten. Sie holt sich Unterstützung ins Haus, die junge Ann Kirby (Tochter einer dementen Mutter und eines beinamputierten Veteranen) soll sie als Küchenmädchen unterstützen. Eine höchst produktive Verbindung, aus der 1845 das Standardwerk „Modern Cookery for Private Families“ entsteht, der Vorläufer der Kochbücher, wie wir sie heute kennen, aber auch eine Freundschaft, die sich über alle Standesgrenzen hinweg setzt.

Die Autorin Annabel Abs hat bisher zwei Romanbiografien veröffentlicht, eine über James Joyce‘ Tochter Lucia, die andere über Frieda von Richthofen, die als Vorbild für Lady Chatterley diente, wobei sie für „The Joyce Girl“ wegen ihrer freien Interpretation der biografischen Daten heftig kritisiert wurde.

Der Blick in „Miss Elizas englische Küche“ scheint sich allerdings in der Tat überwiegend an den bekannten Eckdaten zu orientieren und gewährt einen interessanten Blick auf die Entstehungsgeschichte des ersten englischen Kochbuchs, das so ganz anders als seine Vorgänger daherkommt und noch heute vielen Kochbuchautorinnen als Vorbild dient: Die Beschreibung der Rezepte muss akribisch sein, mit einer kompletten Zutatenliste und korrekten Mengenangaben plus exakten Koch- und Backzeiten starten. Ganz so, wie wir es bis zum heutigen Tag aus unseren Kochbüchern gewohnt sind.

Alles in allem ein unterhaltsamer historischer Roman, der aber leider auch seine Schwächen hat. Zur Erinnerung, wir sind im viktorianischen England. Das erbärmliche Leben der Landbevölkerung wird bei Elizas Suche nach ihrer Gehilfin kurz angerissen, bleibt aber letztlich ohne persönliche Konsequenzen. Das Streben der beiden Frauen nach Unabhängigkeit wird im Wesentlichen durch die finanzielle Sicherheit verkörpert. Und dann soll mir noch einmal jemand erklären, wie Eliza, die keine Ahnung vom Kochen hat, sich in so kurzer Zeit mit sämtlichen Küchentechniken vertraut machen und die ausgefallensten Gerichte kreieren konnte. Das scheint mir dann doch reichlich unglaubwürdig, oder?

Veröffentlicht am 21.07.2022

Selbstporträt einer unsympathischen Mörderin

How to kill your family
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Der Ausgangspunkt für Bella Mackies „How to kill your family“ ist eine simple Lovestory: Eine außereheliche Affäre bleibt nicht ohne Folgen, der reiche Schnösel entzieht sich der Verantwortung, kehrt in ...

Der Ausgangspunkt für Bella Mackies „How to kill your family“ ist eine simple Lovestory: Eine außereheliche Affäre bleibt nicht ohne Folgen, der reiche Schnösel entzieht sich der Verantwortung, kehrt in den Schoß der feinen Familie zurück, die Mutter kämpft ihr gesamtes Leben mit dieser Zurückweisung und Enttäuschung und packt dieses Trauma auf die Schultern des Kindes, das im Laufe der Jahre einen eigenen Weg findet, damit umzugehen.

Grace, das ehemalige Kind, ist mittlerweile erwachsen. Und Grace sitzt momentan für einen Mord, den sie nicht begangen hat, hinter Gittern. Aber sie ist dennoch nicht unschuldig, hat Blut an den Händen. Ihre Enttäuschung über den abwesenden Vater hat sich in Hass verwandelt. Sie hat beobachtet, akribisch geplant und schließlich die Familien ihres Vaters getötet. Sie ist zwar damit davongekommen, sitzt jetzt aber dennoch in einer Zelle, mag mit den Mithäftlingen nicht reden und schreibt deshalb einen Rückblick auf ihr Leben.

Dabei versorgt sie die Leser nicht nur mit Einzelheiten zu ihren Taten, sondern schwadroniert zusätzlich endlos über alles, was ihr gerade so durch den Kopf geht. Männer, Millenials, Babyboomer, die Reichen und den allgemeinen Zustand der Welt. Way too much. Anfangs mögen ihre rotzigen und durchaus auch schwarzhumorigen Kommentare ja noch einen gewissen Charme haben, aber mit ansteigender Seitenzahl werden diese zunehmend ermüdender und man möchte ihr nur noch ein entnervtes Komm-endlich-auf-den-Punkt zurufen. Dazu kommt diese unglaubliche Arroganz, gepaart mit unterschwelligen Hassgefühlen gegenüber allen und jedem, die aus ihren Bemerkungen spricht und mich absolut nicht für ihre Person einnehmen konnte. Als Gesamtbild betrachtet lassen ihre Auslassungen eher die Vermutung zu, dass es sich bei Grace um eine Soziopathin handelt, die im Erwachsenenalter keinen Weg gefunden hat, sich von den Verletzungen der Kindheit zu befreien.

Veröffentlicht am 20.07.2022

Überflüssige Rezeptsammlung

Saftig vom Grill
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Sommerzeit ist Grillzeit, und wie jedes Jahr erscheinen neue Kochbücher zu diesem Thema. Nun also „Saftig vom Grill“ aus der GU Reihe Magic cooking. Was an den Rezepten allerdings magisch sein soll, erschließt ...

Sommerzeit ist Grillzeit, und wie jedes Jahr erscheinen neue Kochbücher zu diesem Thema. Nun also „Saftig vom Grill“ aus der GU Reihe Magic cooking. Was an den Rezepten allerdings magisch sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Gerichte sind samt und sonders fleischlastig und wenig innovativ. Standard, sozusagen, und ambitionierte Grillmeister/innen werden hier wenig Anregung finden. Alles in allem eine völlig überflüssige Rezeptsammlung.

Hier kommt allerdings ein weiteres großes Manko hinzu, denn die Rezepte setzen den Besitz eines Gasgrills voraus. Natürlich könnte man einwerfen, dass es ganz gleich ist, welchen Grill man zur Zubereitung benutzt. Leider ist dem nicht so, denn insbesondere wenn es um das Thema indirekte Hitze geht, fällt schon einmal ein Großteil der Hobbygriller/innen weg. Es sei denn, sie haben einen ausreichend dimensioniert Grill mit einer regulierbaren Haube, auf dessen Grundfläche das entsprechende Grillgut je nach benötigter Hitze einen Platz finden kann. Und seien wir doch mal ehrlich, wenn es um den Geschmack geht, ist der Holzkohlegrill dem Gasgrill meilenweit überlegen.

Wer ein Kochbuch für die Zubereitung leckerer Grillgerichte sucht, sollte zu der Grillbibel, dem Klassiker, greifen. Dann bleibt die Enttäuschung erspart.

Veröffentlicht am 20.07.2022

Gegen alle Widerstände

Die Hennakünstlerin
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Wenn ein Roman auf Reese Witherspoons Auswahlliste landet, ist das zumindest in den Vereinigten Staaten ein Garant dafür, dass in kürzester Zeit dessen Verkaufszahlen durch die Decke gehen. So auch geschehen ...

Wenn ein Roman auf Reese Witherspoons Auswahlliste landet, ist das zumindest in den Vereinigten Staaten ein Garant dafür, dass in kürzester Zeit dessen Verkaufszahlen durch die Decke gehen. So auch geschehen mit „Die Hennakünstlerin“, dem Debüt von Alka Joshi, in dem uns die amerikanische Autorin auf eine farbenprächtige Reise in ihr Geburtsland Indien mitnimmt.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Lakshmi Sastri, die titelgebende Hennakünstlerin, die im postkolonialen Indien der fünfziger Jahre eine folgenschwere Entscheidung für ihre Zukunft fällt. Indien ist ein Land voller Gegensätze. Aber über der üppigen, farbenprächtigen Vegetation und den beeindruckenden Bauwerken sollte man nicht nur die Slums in den Großstädten nicht vergessen. Wir erinnern uns, ist Indien nicht das Land, in dem in den ländlichen Regionen bis zum heutigen Tag der Brauch der Witwenverbrennung hochgehalten wird? In dem Menschen ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt in Kasten eingeordnet werden aus denen, die sie in ihren Rechten, nicht aber in ihren vorgegebenen Pflichten einschränken?

Aber es gibt sie, die Frauen, die sich nicht mit ihrem vorgegebenen Platz in der Gesellschaft abfinden, die ihre Vision von einem selbstbestimmten Leben gegen alle Widerstände verwirklichen, ganz gleich, welche Opfer sie dafür bringen müssen. Wie Lakshmi. In Erinnerung an diese Frauen hat Alka Joshi diesen Roman geschrieben, mit dem sie sich auch vor der Lebensleistung ihrer eigenen Mutter verbeugt.