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Veröffentlicht am 13.03.2022

Neues aus Down Under

Der zweite Sohn
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Loraine Peck taucht mit ihrem Debüt, für das sie 2021 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet wurde, in die Unterwelt von Sydney ein, in der Rivalitäten zwischen Serben und Kroaten ihre Fortsetzung finden. ...

Loraine Peck taucht mit ihrem Debüt, für das sie 2021 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet wurde, in die Unterwelt von Sydney ein, in der Rivalitäten zwischen Serben und Kroaten ihre Fortsetzung finden. Auf beiden Seiten gibt es alte Rechnungen, die darauf warten, beglichen zu werden.

Ivan, Milans Erstgeborener und zukünftiger Nachfolger des kroatischen Clan-Chefs, ist tot, wird vor seinem Haus in Sydney erschossen, als er seinen Müll in die Tonne kippt. Eine Vergeltung und Provokation der Serben, die sein Vater nicht unbeantwortet lassen kann. Es ist eine Frage der Ehre und Johnny, „Der zweite Sohn“, soll seinen Bruder rächen. Aber dieser ist nicht für das Familiengeschäft gemacht, will viel lieber mit seiner Frau Amy und seinem Sohn Sasha wie eine normale Familie in Frieden leben. Zumal ihn Zweifel an der Herkunft des Täters kommen, als sich weitere Morde ereignen. Wer hat ein Interesse daran, die beiden Banden gegeneinander aufzubringen? Johnny fasst einen Plan, wie er nicht nur diese Frage klären sondern sich auch noch ohne großes Aufsehen aus dem kriminellen Milieu verabschieden kann.

Peck lässt uns abwechselnd aus zwei unterschiedlichen Perspektiven einen Blick auf die Ereignisse werfen. Zum einen ist das natürlich Johnny, seine Herkunftsfamilie, der er Loyalität schuldet, aber auch dessen Sehnsucht nach einem ruhigen, unspektakulären Leben Frau und Kind. Amy hingegen ist die Außenseiterin, die Australierin, die eingeheiratet hat, nicht dazugehört und deshalb auch mit kritischem Blick beobachtet, was in dieser Familie vor sich geht, weshalb sie am liebsten mit Johnny und Sasha weit weg von Sydney neu anfangen möchte.

Die Handlung ist zwar im Clan-Milieu angesiedelt, aber dafür war mir dieser angebliche Thriller viel zu zahm, hatte eher etwas von einem Roman über eine Einwanderfamilie, die im neuen Leben nicht heimisch geworden ist und noch immer Traumata aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt. Dass Frauen in Gangsterkreisen üblicherweise nichts zu melden haben, ist klar, schließlich muss sich ja jemand um die Kinder und den Haushalt kümmern (Ironie aus). Aber dass Amy, das naive Dummchen, eines Tages aufwacht und völlig schockiert darüber ist, dass sowohl ihr Mann als auch dessen Familie ihren Lebensunterhalt mit kriminellen Geschäften finanzieren…sorry, aber das scheint mir dann doch zu weit hergeholt.

Als Thriller funktioniert der Roman nur bedingt, und auch für einen Whodunit ist die Story zu durchsichtig. Ivans Killer hatte ich recht schnell auf dem Schirm, lediglich über das Motiv musste ich etwas länger rätseln. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 13.03.2022

Wirrer Gamer-Thriller

RABBITS. Spiel um dein Leben
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„Rabbits“ ist das ambitionierte Projekt des amerikanischen Filmemachers Terry Miles, entstanden aus einem Podcast gleichen Namens. Angelegt als etwas Außergewöhnliches, als Kultroman, als einem Mischung ...

„Rabbits“ ist das ambitionierte Projekt des amerikanischen Filmemachers Terry Miles, entstanden aus einem Podcast gleichen Namens. Angelegt als etwas Außergewöhnliches, als Kultroman, als einem Mischung aus Thriller und Rätsel- und Gamer-Story, prall gefüllt mit Verschwörungstheorien, popkulturelle Anspielungen und Verweise, die zwar in einem visuellen Medium funktionieren können, hier allerdings an der angepeilten Zielgruppe vorbeigehen. Das mag jetzt zwar snobistisch klingen, aber ich gehe nicht davon aus, dass Gamer Kafka, Danielewski oder Eco als Lektüre bevorzugen, auf deren Werke Miles in seinem Buch mehr oder weniger versteckt hinweist.

Real versus digital, die Übertragung filmischer Mittel in die Handlung funktioniert leider nur bedingt. Schnelle Schnitte okay, das Kreieren von Atmosphäre oder ausgefeilte Charakterisierungen Fehlanzeige. Dafür jede Menge Codes, Geheimnisse und krude Botschaften. Herausgekommen ist ein banales, wirres, langatmiges Konstrukt, konstruiert am Reißbrett, das mich nicht erreichen konnte und dessen Sinn sich mir nicht erschließt.

Veröffentlicht am 12.03.2022

Quo vadis, Schwedenkrimi?

Fuchsmädchen
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Die Leiche einer Vierzehnjährigen wird mit aufgeschnittenen Pulsadern in einem stillgelegten Kalksteinbruch aufgefunden, in den Haaren Reste einer Schnur, auf dem Körper mit Filzstift die Zahl 26 aufgemalt. ...

Die Leiche einer Vierzehnjährigen wird mit aufgeschnittenen Pulsadern in einem stillgelegten Kalksteinbruch aufgefunden, in den Haaren Reste einer Schnur, auf dem Körper mit Filzstift die Zahl 26 aufgemalt. Außerdem treibt am Fundort eine Fuchsmaske im Wasser. Kurz darauf taucht die nächste Maske an einem weiteren Leichenfundort auf, wobei das Opfer, eine ältere Antiquarin, eine kreuzförmige Wunde am Hals hat. Die Maske lässt vermuten, dass es einen Zusammenhang der beiden Fälle gibt und ein Serienmörder sein Unwesen treibt.

Sanna Berling und Eir Pedersen bekommen den Fall zugewiesen, zwei Ermittlerinnen, die dem Handbuch für die Darstellung kaputter schwedischer Polizeibeamten entsprungen sein könnten. Sanna wohnt in einem Lagercontainer, ist tablettenabhängig und trauert um Mann und Kind, beide Opfer einer Brandkatastrophe. Eir ist frisch im Team, strafversetzt, hat ein Problem mit ihrer Impulskontrolle und eine drogenabhängige Schwester, um die sie sich kümmert. So weit, so bekannt, alles schon einmal gelesen. Und auch die Auflösung des Falles strotzt jetzt nicht wirklich vor Originalität, sondern erfüllt im Großen und Ganzen die Klischees des Genres, wobei offenbar der religiöse Fanatismus besonders in den ländlichen Gegenden Schwedens auf fruchtbaren Boden zu fallen scheint.

Mit Wehmut denke ich an Sjöwall/Wahlöö und Mankell zurück, denn schwedische Kriminalromane waren lange Zeit ein Garant für spannende Unterhaltung. Düstere Atmosphäre, kantige Ermittler und ein Mordfall, der oft durch gesellschaftlichen Veränderungen beeinflusst war. Aber leider auch ein Erfolgskonzept, das zu einer Goldgräberstimmung in der Buchbranche führte und den Markt mit den Krimis/Thrillern aus dem hohen Norden flutete. Ohne Rücksicht wurde alles veröffentlicht, solange es nur aus Skandinavien kam. Darunter hat die Qualität gelitten, und so gibt es Stand jetzt, wie auch im vorliegenden Thriller, kaum noch einen Unterschied zu der üblichen Massenware, die weder überzeugen noch überraschen kann.

Veröffentlicht am 08.03.2022

Gut Ding will Weile haben

Ein unverschämt gutes Kochbuch
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Joshua Weissman ist überzeugt von dem, was er mit Leidenschaft tut und was er am besten kann. Kochen. Hierzulande kaum bekannt, ist er in den Vereinigten Staaten ein Star am Herd, vertreten auf sämtlichen ...

Joshua Weissman ist überzeugt von dem, was er mit Leidenschaft tut und was er am besten kann. Kochen. Hierzulande kaum bekannt, ist er in den Vereinigten Staaten ein Star am Herd, vertreten auf sämtlichen Social Media Plattformen. 5,8 Millionen Follower auf TikTok und 5,3 Millionen Abonnenten auf YouTube, Zahlen, die für sich sprechen. Und wer wollte nicht schon immer einmal „Ein unverschämt gutes Kochbuch“ im Regal stehen haben? So der Titel, der nicht nur Interesse weckt, sondern auch suggeriert, dass hier ein Koch am Werk ist, dem es nicht an Selbstvertrauen mangelt. Stellt sich nur noch die Frage, ob die Rezepte diese Erwartungen einlösen.

Gut Ding will Weile haben, so könnte man die Gerichte überschreiben, für die sich Weissman stark macht. Das liegt in erster Linie daran, dass er es vermeidet auf fertige Zutaten zurückzugreifen. Und damit meint er nicht Convenience Food, sondern auch so simple Dinge wie Butter aus der Packung, was ich reichlich übertrieben finde.

Ungefähr ein Drittel des Kochbuchs bietet Anleitungen für selbstgemachte Basics: diverse Brühen, Butter, Käse, Soßen, Dips, Pickles, Marmelade, Backwaren und Pasta. Das ist alles recht zeitintensiv und somit im Alltag kaum zu realisieren. Kann man machen, muss man aber nicht. Manche dieser Rezepte sind interessant, andere wiederum, und hier schreibe ich aus Erfahrung, wohl in erster Linie für amerikanische Ernährungsgewohnheiten gedacht. Deutlich wird das an Weissmans Ketchup: Tomatenmark, Wasser, Essig und jede Menge Maissirup. Das geht auch anders, nämlich mit frischen Tomaten und sparsam dosiertem Rohrohrzucker. Das Ergebnis spricht für sich und ist mit Sicherheit gesünder.

Diese Grundzutaten sind ein elementarer Bestandteil seiner durchaus kreativen Rezepte (knapp 170 Seiten), die von amerikanischen und europäischen Einflüssen sowie von der asiatischen Küche inspiriert sind. Kein Wunder, hat er doch lange in einem japanischen Restaurant gekocht.

Die Einteilung ist nicht weiter überraschend: Frühstück (btw. wer braucht ein Rezept für „Perfekt gekochte weiche Eier“?), Appetizer/Snacks, Fisch, Fleisch, Pasta, Sandwiches & Co., Gemüse und Salate, Suppen, Desserts. Die Rezepte sind detailliert, die Angaben zum zeitlichen Aufwand passen, die Zutaten (fast alle in jedem Supermarkt erhältlich) aufgelistet, die Zubereitung in Einzelschritten ausführlich beschrieben, jedes einzelne Rezept mit qualitativ hochwertigen Fotos garniert. Was ich allerdings vermisse, sind die Nährwertangaben.

Für passionierte Hobbyköche, die weder Zeit noch Mühe scheuen und Spaß am stundenlangen Werkeln am Herd haben, kann ich dieses Kochbuch absolut empfehlen, für die Alltagsküche hingegen ist es allerdings aus genannten Gründen nur bedingt tauglich.

Veröffentlicht am 04.03.2022

Rechts und links der Grenze

Kaiserstuhl
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Brigitte Glaser ist in Südbaden verwurzelt, und so ist es nicht überraschend, dass sie sich in ihrem neuen Roman „Kaiserstuhl“ die jüngere Geschichte dieser Region genauer anschaut, von der es nur ein ...

Brigitte Glaser ist in Südbaden verwurzelt, und so ist es nicht überraschend, dass sie sich in ihrem neuen Roman „Kaiserstuhl“ die jüngere Geschichte dieser Region genauer anschaut, von der es nur ein Katzensprung auf die französische Seite ist.

Das benachbarte Elsass hat eine wechselhafte Geschichte, war schon immer ein Spielball der Mächte, mal zu Frankreich, mal zu Deutschland gehörend. Im Zweiten Weltkrieg annektieren die Nationalsozialisten 1940 das Elsass und schließen es mit Baden zusammen. Widerstand auf französischer Seite ist kaum auszumachen, es gibt nur wenige Resistance-Gruppen, die auch noch gnadenlos verfolgt und zerschlagen werden. Erst 1944 wird das Elsass unter Mitwirkung der Alliierten zurückerobert und fühlt sich auch seither Frankreich zugehörig.

1959 wird Charles de Gaulle Präsident der Republik. Während seiner Amtszeit setzt er alles daran, die Aussöhnung von Deutschland und Frankreich voranzutreiben und diese durch einen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag (= Élysée-Vertrag, im Januar 1963 von de Gaulle und Adenauer unterzeichnet) zu besiegeln.

Zur Feier dieses historischen Ereignisses soll nach erfolgter Unterzeichnung mit einem 1937er Champagner mit einer ganz speziellen Geschichte angestoßen werden, von dem es nur noch eine Flasche gibt. Diese ist jedoch verschwunden, und hier verbindet sich die große Weltpolitik mit dem Schicksal der Freiburger Weinhändlerin Henny und dem elsässischen Cineasten Paul, ihrem sitzengelassenen Ex-Verlobten, der damit beauftragt wird, diesen Champagner aufzuspüren. Aber es gibt noch andere „Interessenten“ mit weniger hehren Motiven, mit denen sie sich herumschlagen müssen, denn offenbar birgt die Flasche ein brisantes Geheimnis.

Aber natürlich agieren die beiden auf der Suche nach dem edlen Tropfen nicht im luftleeren Raum. Wir erfahren etwas über deren gemeinsame Vergangenheit, über die Familiengeschichten der Protagonisten, über in der Vergangenheit getroffene schlechte Entscheidungen, die bis in die Gegenwart Schuldgefühle verursachen.

Positiv überrascht hat mich die Entscheidung der Autorin, die Atmosphäre der sechziger Jahre nicht durch die überbordende Nennung von Konsumartikeln zu veranschaulichen. Ihr Fokus richtet sich auf die kulturellen Veränderungen, die langsam aber sicher von Frankreich nach Deutschland überschwappen und den Mief der Nachkriegsjahre vertreiben. Hier kommt es ihr natürlich zupass, dass Paul ein glühender Fan der Nouvelle Vague ist und uns Leserinnen durch die Nennung der Titel immer wieder Filme, Regisseure und Schauspieler aus dieser Zeit ins Gedächtnis gerufen werden.

Ein vielschichtiger Roman, in dem Historisches gekonnt in unterhaltsame Fiktion verpackt ist und der dennoch nicht platt daherkommt. Empfehlenswert, vor allem für Leser
innen rechts und links der Grenze.