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Veröffentlicht am 22.03.2022

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Die Wächterinnen von New York
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Wenn eine Stadt mehr wäre als eine Ansammlung von Gebäuden, Straße und Sehenswürdigkeiten, hätte sie dann auch besondere Eigenschaften? Hätte sie eine Seele? Wäre sie wütend und abweisend oder freundlich ...

Wenn eine Stadt mehr wäre als eine Ansammlung von Gebäuden, Straße und Sehenswürdigkeiten, hätte sie dann auch besondere Eigenschaften? Hätte sie eine Seele? Wäre sie wütend und abweisend oder freundlich und einnehmend? Und wenn sie, warum auch immer, aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen möchte, wäre sie dann stark oder schwach? Würde sie dann Hilfe benötigen?

Die Science Fiction- und Fanatsy Autorin N.K. Jemisin nimmt uns in „Die Wächterinnen von New York“ mit in den Big Apple und spinnt genau um diese Ausgangssituation eine abgefahrene Story, die ich so noch nie gelesen habe. Allerdings möchte ich vorausschicken, dass dies nicht unbedingt mein bevorzugtes Genre ist, aber schon allein die Verankerung in der amerikanischen Realität mit ihren ethnisch vielfältigen Perspektiven und Problemen, speziell dem Rasissismus, hat mein Interesse an diesem Urban Fantasy Roman geweckt.

New York ist bereit aufzuwachen, geboren zu werden, benötigt aber dafür Unterstützung. Und da die Stadt mehr ist als die Summe ihrer Teile, gibt es fünf unterschiedliche Helfer/Avatare, analog den fünf Boroughs, aus denen die Stadt besteht. Und jede*r, der schon einmal dieses Metropole besucht hat, weiß um die Unterschiede, durch die sich diese auszeichnen.

Manhattan ist ein Student mit Vergangenheit, Brooklyn ist ein schwarzer Rapper, Anwalt und Stadtrat, Queens ist ein indisches Mathegenie auf der Durchreise, Bronx ist eine indigene Galeristin und Staten Island die typischengstirnige Weiße. Gemeinsam müssen sie Toleranz entwickeln, ihre Vorurteile überwinden, den ursprünglichen Avatar heilen und den Kampf gegen die Spaltung aufnehmen, um ihre Stadt zu retten. Gemeinsam, denn New York, das sind sie alle.

Anfangs etwas verwirrend, weil man sich in die Gedankenwelt der Autorin einlesen und die gelieferten Informationen verarbeiten muss. Dafür wird man mit einer faszinierenden Geschichte belohnt, die vielfältig, schlüssig und spannend ist und in ihrer Komplexität überrascht. Lesen!

Veröffentlicht am 22.03.2022

Verflechtungen oder All about the money

Das Jahr der Gier
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Ein britischer Journalist wird Opfer einer Messerattacke, eine junge Frau wird ermordet, zwei Vorfälle, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten erkennen lassen. Diese werden erst offensichtlich, ...

Ein britischer Journalist wird Opfer einer Messerattacke, eine junge Frau wird ermordet, zwei Vorfälle, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten erkennen lassen. Diese werden erst offensichtlich, als Melia Adan und Vincent Veih sich in die Ermittlungen einschalten und ihre Ergebnisse verbinden. Melia, die auf Bitten ihres Onkels eingreift, da der Journalist ein gemeinsamer Bekannter ist, und Vincent, der in dem Mordfall ermittelt und das Gefühl hat, dass sich dahinter mehr verbirgt, als der erste Anschein vermuten lässt. Offenbar hat ihn sein Gefühl nicht betrogen, denn alle Spuren führen zu Worldcard, dem Shooting Star am Himmel der Finanzdienstleister. Und je tiefer die beiden in diesen Fall einsteigen, desto hässlicher und entlarvender treten die Verflechtungen von Big Money und Politik zu Tage. Entscheidungsträger in hohen Positionen halten schützend ihre Hand über skrupellose Geschäftemacher, die selbst vor Mord nicht zurückschrecken, solange nur für sie auch ein Teil vom Kuchen abfällt. Und wie es in der Realität so ist, auch diese kommen wie immer ungeschoren davon.

Vom DAX-Konzern in die Insolvenz. Da sich Eckert in „Das Jahr der Gier, dem dritten Teil der Reihe mit Melia Adan und Vincent Veih, an Aufstieg und Fall des Finanzdienstleisters Wirecard orientiert, ist in Grundzügen bereits bekannt, wie es enden wird. Allerdings nimmt das diesem Politthriller aber weder die Spannung noch die Brisanz, da er einmal mehr als deutlich das von Gier nach Geld, Macht und Einfluss geprägte Agieren der (teilweise aus den Vorgängerbänden bekannten) Akteure aus Wirtschaft und Politik sowie das skrupellose Vorgehen der Geheimdienste und ihrer Vertreter aufzeigt.

Ein Politthriller, wie er spannender nicht sein könnte. Warum? Weil dessen Handlung die gesellschaftspolitische Realität nicht nur abbildet sondern Entwicklungen fast schon visionär vorwegnimmt. Unbedingte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.03.2022

Ein vergessenes Kapitel der deutschen Geschichte

Ein Präsident verschwindet
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Seit dem Erfolg von „Babylon Berlin“, der filmischen Adaption von Volker Kutschers Gereon Rath-Reihe, sind zahlreiche deutschsprachige Kriminalromane erschienen, die sich mit der jüngeren Vergangenheit ...

Seit dem Erfolg von „Babylon Berlin“, der filmischen Adaption von Volker Kutschers Gereon Rath-Reihe, sind zahlreiche deutschsprachige Kriminalromane erschienen, die sich mit der jüngeren Vergangenheit Deutschlands beschäftigen. Allerdings nutzen diese die historischen Verweise meist nur als Zeitkolorit und stellen selten reale Begebenheiten in den Mittelpunkt der Handlung.

Ganz anders Langroth, der sich in „Ein Präsident verschwindet“ einem Ereignis zuwendet, das nicht nur Kanzler Adenauer sondern auch seiner Regierungsmannschaft einige schlaflose Nächte bereitet. 1954 verschwindet Otto John, ehemals im Widerstand gegen die Nationalsozialisten aktiv und mittlerweile Präsident des Verfassungsschutzes, spurlos. Übergelaufen oder entführt, das ist die Frage, die Philipp Gerber vom BKA klären soll. Als John kurze Zeit später in Ost-Berlin auftaucht, klingen alle Alarmglocken, denn er verfügt kraft seines Amtes über jede Menge Insiderwissen, das nicht in falsche Hände geraten sollte. Aber Gerber hat auch ein persönliches Interesse an dem Fall, denn auch seine Freundin Eva, Reporterin für ein kommunistisches Magazin, ist abgetaucht. Kann es sein, dass sie in Otto Johns Verschwinden involviert ist?

Die politischen Verhältnisse zwischen Ost und West sind angespannt, es ist die Zeit des Kalten Krieges. Und mittlerweile kommen auch die alten Nazis wieder aus ihren Löchern gekrochen und machen sich in staatlichen Behörden breit. Wie Reinhard Gehlen (ehemaliger Generalmajor der Wehrmacht und Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost), der mit dem Einverständnis der Amerikaner als Gründer des Auslandsgeheimdienstes Organisation Gehlen (später BND) schon wieder fest im Sattel sitzt und Gerbers Nachforschungen immer wieder torpediert.

Es ist ein vergessenes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte, das sich Ralf Langroth für seinen zweiten Thriller mit Philipp Gerber vorgenommen hat. Natürlich mit der einen oder andere künstlerische Freiheit, aber in den wesentlichen Punkten an den historisch verbürgten Fakten orientiert. Lohnt sich!

Veröffentlicht am 13.03.2022

Neues aus Down Under

Der zweite Sohn
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Loraine Peck taucht mit ihrem Debüt, für das sie 2021 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet wurde, in die Unterwelt von Sydney ein, in der Rivalitäten zwischen Serben und Kroaten ihre Fortsetzung finden. ...

Loraine Peck taucht mit ihrem Debüt, für das sie 2021 mit dem Ned Kelly Award ausgezeichnet wurde, in die Unterwelt von Sydney ein, in der Rivalitäten zwischen Serben und Kroaten ihre Fortsetzung finden. Auf beiden Seiten gibt es alte Rechnungen, die darauf warten, beglichen zu werden.

Ivan, Milans Erstgeborener und zukünftiger Nachfolger des kroatischen Clan-Chefs, ist tot, wird vor seinem Haus in Sydney erschossen, als er seinen Müll in die Tonne kippt. Eine Vergeltung und Provokation der Serben, die sein Vater nicht unbeantwortet lassen kann. Es ist eine Frage der Ehre und Johnny, „Der zweite Sohn“, soll seinen Bruder rächen. Aber dieser ist nicht für das Familiengeschäft gemacht, will viel lieber mit seiner Frau Amy und seinem Sohn Sasha wie eine normale Familie in Frieden leben. Zumal ihn Zweifel an der Herkunft des Täters kommen, als sich weitere Morde ereignen. Wer hat ein Interesse daran, die beiden Banden gegeneinander aufzubringen? Johnny fasst einen Plan, wie er nicht nur diese Frage klären sondern sich auch noch ohne großes Aufsehen aus dem kriminellen Milieu verabschieden kann.

Peck lässt uns abwechselnd aus zwei unterschiedlichen Perspektiven einen Blick auf die Ereignisse werfen. Zum einen ist das natürlich Johnny, seine Herkunftsfamilie, der er Loyalität schuldet, aber auch dessen Sehnsucht nach einem ruhigen, unspektakulären Leben Frau und Kind. Amy hingegen ist die Außenseiterin, die Australierin, die eingeheiratet hat, nicht dazugehört und deshalb auch mit kritischem Blick beobachtet, was in dieser Familie vor sich geht, weshalb sie am liebsten mit Johnny und Sasha weit weg von Sydney neu anfangen möchte.

Die Handlung ist zwar im Clan-Milieu angesiedelt, aber dafür war mir dieser angebliche Thriller viel zu zahm, hatte eher etwas von einem Roman über eine Einwanderfamilie, die im neuen Leben nicht heimisch geworden ist und noch immer Traumata aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt. Dass Frauen in Gangsterkreisen üblicherweise nichts zu melden haben, ist klar, schließlich muss sich ja jemand um die Kinder und den Haushalt kümmern (Ironie aus). Aber dass Amy, das naive Dummchen, eines Tages aufwacht und völlig schockiert darüber ist, dass sowohl ihr Mann als auch dessen Familie ihren Lebensunterhalt mit kriminellen Geschäften finanzieren…sorry, aber das scheint mir dann doch zu weit hergeholt.

Als Thriller funktioniert der Roman nur bedingt, und auch für einen Whodunit ist die Story zu durchsichtig. Ivans Killer hatte ich recht schnell auf dem Schirm, lediglich über das Motiv musste ich etwas länger rätseln. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 13.03.2022

Wirrer Gamer-Thriller

RABBITS. Spiel um dein Leben
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„Rabbits“ ist das ambitionierte Projekt des amerikanischen Filmemachers Terry Miles, entstanden aus einem Podcast gleichen Namens. Angelegt als etwas Außergewöhnliches, als Kultroman, als einem Mischung ...

„Rabbits“ ist das ambitionierte Projekt des amerikanischen Filmemachers Terry Miles, entstanden aus einem Podcast gleichen Namens. Angelegt als etwas Außergewöhnliches, als Kultroman, als einem Mischung aus Thriller und Rätsel- und Gamer-Story, prall gefüllt mit Verschwörungstheorien, popkulturelle Anspielungen und Verweise, die zwar in einem visuellen Medium funktionieren können, hier allerdings an der angepeilten Zielgruppe vorbeigehen. Das mag jetzt zwar snobistisch klingen, aber ich gehe nicht davon aus, dass Gamer Kafka, Danielewski oder Eco als Lektüre bevorzugen, auf deren Werke Miles in seinem Buch mehr oder weniger versteckt hinweist.

Real versus digital, die Übertragung filmischer Mittel in die Handlung funktioniert leider nur bedingt. Schnelle Schnitte okay, das Kreieren von Atmosphäre oder ausgefeilte Charakterisierungen Fehlanzeige. Dafür jede Menge Codes, Geheimnisse und krude Botschaften. Herausgekommen ist ein banales, wirres, langatmiges Konstrukt, konstruiert am Reißbrett, das mich nicht erreichen konnte und dessen Sinn sich mir nicht erschließt.