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Veröffentlicht am 12.01.2022

Fordernde Lektüre

Zum Paradies
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Drei Jahrhunderte, drei Geschichten, ein Roman. Alles miteinander verbunden durch ein Haus am Washington Square, aber auch durch die immer gleichen Namen, die für die Personen verwendet werden, die im ...

Drei Jahrhunderte, drei Geschichten, ein Roman. Alles miteinander verbunden durch ein Haus am Washington Square, aber auch durch die immer gleichen Namen, die für die Personen verwendet werden, die im Zentrum des jeweiligen Abschnitts stehen. Das lässt zwar auf den ersten Blick eine Kontinuität vermuten, aber weder ähneln sich ihre Lebensumstände noch die Art und Weise, wie sie die Schwierigkeiten und Herausforderungen des Lebens anpacken. Dreimal „Was wäre, wenn“, dreimal die Vereinigten Staaten als Rahmen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Gesellschaft.

Der Roman hat mich gefordert, und das lag weniger an dem Umfang als vielmehr an der Vielfalt der Themen, die die Autorin verarbeitet. Über allem steht das Sehnen nach Liebe, nach dem persönlichen Paradies. Der Weg dahin, oftmals beschwerlich und mit Hindernissen gespickt.

Hoffnung, Realität, Vision. Scheint im ersten Teil noch alles möglich, werden die Freiheiten in Teil 2 durch das Auftreten und die Verbreitung der stigmatisierenden „Krankheit“ schon merklich eingeschränkt, zumindest für Teile der Bevölkerung. Im dritten Teil, angesiedelt in einer Zukunft, die keine/r von uns so je erleben möchte, hat ein totalitaristisches System die Kontrolle übernommen. Überwachung und engmaschige Vorschriften bestimmen den Alltag, der freie Wille gehört der Vergangenheit an, die Menschen scheinen die Fähigkeit zu lieben verloren zu haben.

„Zum Paradies“ konfrontiert uns nicht nur mit utopischen Aussagen, sondern greift gesellschaftliche Strömungen und Veränderungen auf, die wir in ihren Ansätzen bereits jetzt beobachten können. Yanagihara gibt uns jede Menge Denkanstöße mit auf den Weg. Sie appelliert an uns, die Verhältnisse zu hinterfragen, Privilegien und Ausgrenzung nicht zu akzeptieren, und schlussendlich dafür Sorge zu tragen, dass jedem Menschen der Zutritt zum Paradies gewährt wird.

Veröffentlicht am 09.01.2022

Jede Tote zählt

Totstück
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Bei Margo läuft es momentan nicht rund. Ihre Adoptivmutter ist gestorben und ihre Beziehung steht vor dem Aus. Sie ist schwanger, möchte wissen, wo sie herkommt und sucht deshalb nach ihrer leiblichen ...

Bei Margo läuft es momentan nicht rund. Ihre Adoptivmutter ist gestorben und ihre Beziehung steht vor dem Aus. Sie ist schwanger, möchte wissen, wo sie herkommt und sucht deshalb nach ihrer leiblichen Mutter. Die Adoptionsagentur vermittelt ihr den Kontakt zu deren Schwester Nikki, und was diese ihr erzählt, ist für sie mehr als schockierend. Susan war eine drogenabhängige Prostituierte und wurde wenige Monate nach Margos Geburt brutal ermordet. Die Ermittlungen der Polizei? Oberflächlich und ergebnislos. Kein Wunder, ist Susan doch ein „Totstück“, deren Tod niemand kümmert. Ausgegrenzt nicht nur während ihres Lebens, sondern auch noch im Tod.

Nikki bringt es auf den Punkt: „Früher in New York, wenn da Obdachlose umgebracht wurden, haben die Cops die Akte mit dem Vermerk NHI abgelegt: No Humans Involved. Nicht mal menschlich. Wenn unsereins umgebracht wird, nennen sie uns „Totstücke“, als ob wir von vornherein nie wirklich lebendig gewesen wären“. (S. 143).

Margo hingegen, so Nikkis Überlegung, sei schon aufgrund ihres Berufs als Ärztin ein respektiertes Mitglied der Gesellschaft und könnte so dafür sorgen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden und der Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Aber sie zwingt sie auch dazu, ihre Weltsicht zu hinterfragen: „.. wahrscheinlich macht man so einen Job doch nur, wenn man irgendwie traumatisiert ist.“ Nikki schließt die Augen. „ARM“ sagt sie entnervt. „Sie war arm...Deshalb haben wir es gemacht.“ (S.142)

Es ist nicht die Suche nach dem Täter, die im Zentrum dieses Romans steht, es ist vielmehr die Frage, wie eine Gesellschaft mit Menschen umgeht, die weder Prestige noch Macht und vor allem keine Lobby haben. Basierend auf einer realen Mordserie unter Glasgows Prostituierten in den Achtzigern stellt Mina die Frage, ob wir es zulassen sollten, dass Status und Privilegien den Wert eines Todesopfers bestimmen, denn „jede/r Tote zählt“. Nachdrücklich empfohlen.

Veröffentlicht am 06.01.2022

Kein konventionell gestrickter Spannungsroman

Milch oder Blut
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Wer einen 08/15 konventionell gestrickten Spannungsroman erwartet, ist bei Liza Cody an der falschen Adresse. Ob nun die Protagonistin aus dem in diesem Genre üblichen Rahmen fällt, oder die Story sich ...

Wer einen 08/15 konventionell gestrickten Spannungsroman erwartet, ist bei Liza Cody an der falschen Adresse. Ob nun die Protagonistin aus dem in diesem Genre üblichen Rahmen fällt, oder die Story sich in eine unvorhersehbare Richtung entwickelt…bei dieser Autorin muss man mit allem rechnen, denn sie überrascht immer wieder mit ihrem Ideenreichtum.

Eine Woche im Leben von Seema Dahami, die bei einem Pub-Besuch mit ihren Freundinnen die Bekanntschaft eines älteren Herrn macht. Ein Charmeur der alten Schule, kultiviert, vermögend, ohne Dreck unter den Fingernägeln. Ganz anders als Seema, die ihren Lebensunterhalt als Stadtgärtnerin verdient. Sie kann sich Lazaros Charisma nicht entziehen, genießt das Interesse, das er zeigt, nimmt sein Angebot an, sie in seiner komfortablen Limousine nach Hause fahren zu lassen und lehnt auch das Opiumpfeifchen nicht ab, das er ihr anbietet. Auf sein Drängen hin verabreden sie sich wieder, sie soll einen Dachgarten für ihn gestalten, aber alle diese Treffen finden nachts in seiner Villa statt. Die Warnung einer Freundin schlägt Seema in den Wind, obwohl ihr manches seltsam vorkommt. Die seltsamen Flecken an ihrem Hals, das unerklärliche Nasenbluten und die Fressorgie, bei der sie entgegen ihrer jüdischen Erziehung einen blutigen Cheeseburger verschlingt. Und dann wird auch noch ihre Mutter mit durchschnittener Kehle aufgefunden…

„Milch oder Blut“ ist ein wilder, stellenweise verwirrender Mix aus Krimihandlung, jüdischen Traditionen und Blutsauger-Story, der sich zwischen Realität und Fantasie bewegt und die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit verwischt. Das muss man mögen, und wenn man sich darauf einlassen kann, wird man mit einer ungewöhnlichen, spannenden und unterhaltsamen Geschichte belohnt.

Veröffentlicht am 05.01.2022

Clever geplotteter Justzthriller

Thirteen
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Im englischsprachigen Ausland ist der nordirische Autor und ehemalige Bürgerrechtsanwalt Steve Cavanagh längst kein Unbekannter mehr. Und nachdem er sich bei der Vergabe des Theakston‘s Old Peculier Crime ...

Im englischsprachigen Ausland ist der nordirische Autor und ehemalige Bürgerrechtsanwalt Steve Cavanagh längst kein Unbekannter mehr. Und nachdem er sich bei der Vergabe des Theakston‘s Old Peculier Crime Novel of the Year Award 2019 gegen u.a. Val McDermid, Mick Herron und Liam McIlvanney durchsetzen konnte, bekommt er nun endlich auch hierzulande die Aufmerksamkeit, die er verdient.

Die Ausgangssituation in diesem vierten Band der Thrillerreihe um den Strafverteidiger Eddie Flynn (bisher liegen in der deutschen Übersetzung Bd. 1 und 2 vor) ist genretypisch: Bobby Solomon, Hollywoods neuer Liebling, ist angeklagt, seine Ehefrau und deren Liebhaber ermordet zu haben. Er beteuert seine Unschuld, aber sämtliche Indizien sprechen gegen ihn. Als der mit dem Fall betraute Staranwalt sein Mandat niederlegt, übernimmt Flynn die Verteidigung. Unterstützt von der ehemaligen FBI-Agentin Harper "Leck mich“ überprüft er die vorliegenden Beweise und stößt auf Ähnlichkeiten mit Mordfällen, bei denen sämtliche Täter zweifelsfrei schuldig gesprochen und verurteilt wurden. Aber es gibt ein Indiz, das alle diese Fälle miteinander verbindet…

Da Cavanagh die Story in alternierenden Kapiteln aus der Sicht des Verteidigers sowie des mörderischen Jury-Mitglieds erzählt, bleibt die Spannung permanent auf hohem Niveau. Man ist jederzeit nah an dem aktuellen Geschehen und der Gedankenwelt der beiden Protagonisten, die sich in ihrer methodischen Vorgehensweise gar nicht so unähnlich sind. Aber obwohl „Thirteen“ über weite Strecken mit hohem Tempo aufwartet, gibt es doch auch einige Längen und Ungereimtheiten in diesem Katz-und-Maus Spiel, wie z.B. die Todesfälle innerhalb der Jury. Warum werden diese nicht unter die Lupe genommen und genauer untersucht? Täter und Motiv? Ziemlich schnell offensichtlich. Und dennoch kann man sich der Faszination dieses clever geplotteten Justizthrillers nicht entziehen.

Veröffentlicht am 04.01.2022

Nicht nur für Herdhelden

Quick and Good
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Mittlerweile tragen immer mehr Kochbuchautoren/-autorinnen dem Umstand Rechnung, dass in der heutigen Zeit kaum noch jemand willens ist, sich für die Zubereitung eines Essens stundenlang in die Küche zu ...

Mittlerweile tragen immer mehr Kochbuchautoren/-autorinnen dem Umstand Rechnung, dass in der heutigen Zeit kaum noch jemand willens ist, sich für die Zubereitung eines Essens stundenlang in die Küche zu stellen. Wie sonst sollten sich die ständig steigenden Zahlen der verschiedenen Lieferdienste erklären? Und das erklärt auch den Trend der Spitzenköche, Rezepte für den Hausgebrauch zu entwickeln, in denen der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt. Jamie Oliver kocht in 30 bzw. 15 Minuten, Nigella Lawson peppt mehr oder weniger gelungen Convenience auf, selbst von Alfons Schuhbeck gibt es ein Kochbuch für Gerichte, die nur 20 Minuten Zubereitungszeit benötigen.

Mit seiner neuesten Veröffentlichung „Quick and good“ reiht sich Gordon Ramsay, der umtriebige schottische Sternekoch, in diese Riege ein und verspricht „100 köstliche 30-Minuten-Rezepte“. Und ja, mit einem Minimum an Planung und Vorbereitung funktionieren diese auch. „Wer wenig Zeit zum Kochen hat, sollte in der Küche besonders kreativ sein“ (Einleitung, S. 7). Wenn man diesen Satz beherzigt die richtigen Garmethoden und Zutaten wählt, die mittlerweile in den meisten Supermärkten erhältlich sind, steht einem leckeren und abwechslungsreichen Essen nichts mehr im Wege.

Die Rezepte sind von den Einflüssen verschiedener Küchen geprägt. Neben mediterraner Pasta gibt es natürlich auch asiatische Bowls, eine Vielzahl nordafrikanischer Gemüsegerichte und raffiniert abgewandelte Klassiker. Die Unterteilung ist klassisch: Suppen und Salate, Fisch und Schalentiere, Geflügel, Fleisch, Vegetarische Hauptgerichte, Pasta, Reis und mehr, Dips und Beilagen. Und auch die Süßschnäbel kommen bei den 14 leckeren Desserts nicht zu kurz.

Die Zutaten sind separat aufgelistet, die Zubereitung im Detail beschrieben, ab und an gibt es noch Tipps und Tricks für die Erweiterung des Gerichts, falls man mehr Zeit zur Verfügung hat. Nicht zu vergessen das entsprechende Foto zu jedem Rezept, damit man sich eine Vorstellung davon machen kann, wie das Ergebnis aussehen sollte.

Nicht nur für Herdhelden ein empfehlenswertes Kochbuch mit inspirierenden und leckeren Rezepten, die zügig realisiert werden können und Abwechslung auf den Teller bringen.

P.S. Auch wenn Ramsays Manieren des Öfteren zu wünschen übrig lassen, kochen kann er.