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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.10.2021

Leichte Unterhaltung. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Das Haus der Düfte
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Wenn die Temperaturen sinken, steigt die Bereitschaft, sich mit einem Schmöker in den Lesesessel zurückzuziehen und in andere Welten einzutauchen. Wer dieses Bedürfnis verspürt, kann getrost zu dem „Das ...

Wenn die Temperaturen sinken, steigt die Bereitschaft, sich mit einem Schmöker in den Lesesessel zurückzuziehen und in andere Welten einzutauchen. Wer dieses Bedürfnis verspürt, kann getrost zu dem „Das Haus der Düfte“ greifen, der die Leserin sowohl in die französische Metropole als auch in die Hauptstad des Parfüms, nämlich nach Grasse, entführt. Pauline Lambert ist eines der Pseudonyme einer deutschen Autorin, die bereits zahlreiche, meist historische Romane veröffentlicht hat, die in diversen europäischen Regionen verortet sind (zuletzt Russland).

Der Roman arbeitet mit den beliebten Versatzstücken aus Historie, Familienfehde- und geheimnissen und – natürlich – einer nicht ganz konfliktfreien Liebesgeschichte. Soweit konventionell und bekannt. Aber es gibt auch einen Aspekt, der diese Melange aufwertet, und das ist der detaillierte Blick der Autorin auf den Prozess der Parfümherstellung, der Kreation der Düfte und der besonderen Eigenschaften, die ein/e erfolgreiche/r Parfümeur/in mitbringen muss. Letzteres war interessant zu lesen, ebenso die Rückblicke in die Vergangenheit einer alteingesessenen Duftdynastie in Grasse. Die Familienfehde hingegen trägt nichts Wesentliches zum Handlungsfortgang bei, und auch auf die Lovestory hätte ich gerne verzichtet.

Leichte Unterhaltung. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 13.10.2021

Üble Machenschaften

Spook Street
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Romane, die im Spionage-Milieu angesiedelt sind, haben manchmal die Tendenz knochentrocken daherzukommen. Aber nicht so Mick Herrons Reihe um die „Slow Horses“. Auch in „Spook Street“, Band 4 der Reihe, ...

Romane, die im Spionage-Milieu angesiedelt sind, haben manchmal die Tendenz knochentrocken daherzukommen. Aber nicht so Mick Herrons Reihe um die „Slow Horses“. Auch in „Spook Street“, Band 4 der Reihe, brilliert der Autor mit einer fesselnden Story, schrägen Charakteren, ironisch-bissigem Humor und deutlichen Seitenhieben auf das Verhalten der politischen Strippenzieher, denen es weniger um die Sicherheit des Landes als vielmehr um die Sicherung der Pfründe und die Zementierung ihrer Posten geht.

Falls jemand die Reihe (noch) nicht kennt, hier ein kurzer Überblick. Die Slow Horses sind „gefallene“ Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes, die entweder wegen eines gravierenden Fehlers bei einer Operation und/oder persönlichem Fehlverhalten ausgemustert wurden und nun ihre Zeit bis zum gewollten oder ungewollten Ausscheiden unter der Leitung von Jackson Lamb - keine Manieren, aber messerscharfer Verstand – in dem heruntergekommenen Slough House absitzen. Wer nun aber glaubt, dieser Umstand würde die Truppe zusammenschweißen, ist auf dem falschen Dampfer. Jeder für sich und der MI5 gegen alle. Es sei denn, jemand aus ihrer Mitte ist in unmittelbarer Gefahr, dann sind sie gemäß ihren Fähigkeiten zur Stelle.

Alles beginnt mit einer Bombenexplosion in einem Einkaufszentrum, die auf den ersten Blick keinen Bezug zu der eigentlichen Storyline zu haben scheint.

River Cartwright (einer der Kaltgestellten) fährt aufs Land, möchte seinen Großvater Dave, besuchen, ehemals die Nummer 2 im MI5 und derjenige, von dem er alles gelernt hat, was ein Spion können und wissen muss. Mittlerweile ist er alt, tüttelig und vergesslich, aber ist er so durcheinander, dass er den Besucher, der an seiner Tür klingelt und sich als seinen Enkel ausgibt, tötet? Auf den ersten Blick weisen alle Indizien darauf hin, dass der Tote River ist, denn die Leiche vor dem Cottage ähnelt ihm verblüffend. Von Dave fehlt seither jede Spur.

Doch der Schein trügt, River lebt und setzt alles daran, die Identität des Toten zu klären, herauszufinden, was dieser von seinem Großvater wollte. Er taucht ab, benutzt die Fahrkarte nach Frankreich, die der Tote bei sich hatte und findet in einem abgelegenen Dorf Informationen zu einem schmutzigen Geheimdienst-Projekt aus der Vergangenheit, die nicht nur ihm Übelkeit verursachen…

Wie immer ein mehr als kritischer und entlarvender Blick des Autors auf die Arbeit der Geheimdienste. Nachdrücklich empfohlen!

Veröffentlicht am 11.10.2021

Wer sucht der findet

Der Sucher
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In „Der Sucher“ betritt Tana French gleich zweifach Neuland. Während alle ihre bisherigen Romane im städtischen Umfeld angesiedelt sind, verortet sie hier die Handlung im ländlichen Westen Irlands. Nix ...

In „Der Sucher“ betritt Tana French gleich zweifach Neuland. Während alle ihre bisherigen Romane im städtischen Umfeld angesiedelt sind, verortet sie hier die Handlung im ländlichen Westen Irlands. Nix los, für die jungen Menschen gibt es hier nichts zu holen. Keine Arbeit, keine Perspektive. Also träumen sie von einem aufregenden Leben in der Stadt, von dem einen großen Coup, der sie dort rausholt.

Und auch die Hauptfigur Cal Hooper schert aus dem bekannten Muster aus. Kein Ire, sondern Amerikaner. Ein Ex-Cop, der sein Leben neu sortieren muss. Die Ehe gescheitert, die Tochter erwachsen, den Job beim Chicago PD, der sich nicht mehr mit seiner persönlichen Moral vereinbaren lässt, hingeschmissen. Ein Neuanfang, das heruntergekommen Häuschen, dessen Renovierung ihn tagtäglich auf Trab hält. Ein Leben in und mit der Natur in Ardnakelty. Eine abgeschottete, überschaubare und eingeschworene Dorfgemeinschaft, die den Fremden aufnimmt, sein Tun interessiert beäugt. Ihm das Gefühl vermittelt, er könne irgendwann dazugehören, wenn er die Herausforderungen besteht.

Doch dann wird seine Alltagsroutine von Trey unterbrochen, einem verwahrlosten Kind, das mit Mutter und Geschwistern außerhalb des Dorfes lebt. Zuerst beobachtet es lediglich misstrauisch Cals Tun, nähert sich ihm dann aber vorsichtig. Nach und nach rückt das scheue Kind damit heraus, weshalb es den Kontakt sucht. Brendan, der große Bruder, ist ohne Abschied spurlos verschwunden. Und offenbar hat es im Dorf schon die Runde gemacht, dass Cal früher Polizist war. In Treys Augen dafür prädestiniert, Antworten zu finden. Widerstrebend lässt Cal sich darauf ein und muss im Verlauf seiner Nachforschungen feststellen, dass unter der idyllischen Oberfläche des Dorfes Gefahren lauern, die identisch mit denen seines alten Wirkungsortes sind. Die ihn aber viel stärker anfassen, weil er zu den Beteiligten persönliche Beziehungen aufgebaut hat und sich für Trey verantwortlich fühlt.

Wer nun glaubt, er/sie hielte einen Thriller in Händen, liegt falsch. Man kennt es bereits aus den anderen Romanen der irischen Autorin, sie lässt sich Zeit, entwickelt ihre komplexen Charaktere sorgfältig, gibt Hinweise, die mit dem Fortschreiten der Handlung die ungute Erwartung wecken, dass sich eine Katastrophe anbahnen könnte. Und das stellt zu keinem Zeitpunkt die Geduld der Leser/in auf die Probe, großartig und kurzweilig ihre Beschreibungen des dörflichen Lebens. French beherrscht ihr Handwerk meisterhaft, geizt auch nicht mit unerwarteten Wendungen, lässt aber die großen Themen wie Menschlichkeit, Moral und persönliche Integrität nicht außen vor. Dabei verweigert sie aber die einfachen Antworten auf die Frage nach dem Bösen, das sich so einfach nicht abgrenzen lässt. Und auch die „Helden“ kommen am Ende nicht unbeschadet davon. Keine strahlenden Sieger, sondern alle angezählt, in ihren Grundfesten erschüttert und beschädigt in ihrem persönlichen Leben.

Ganz große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.10.2021

Nachdrücklich empfohlen!

Die Stadt, das Geld und der Tod
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Handlungsort Hamburg, die Hansestadt, in der sich die krummen Geschäfte vom Kiez hinein in die Villenviertel verlagert haben und im Nadelstreifenanzug abgeschlossen werden.

Handlungsort Hamburg, die Hansestadt, in der sich die krummen Geschäfte vom Kiez hinein in die Villenviertel verlagert haben und im Nadelstreifenanzug abgeschlossen werden.

Veröffentlicht am 09.10.2021

Diese Leute

Liebe deine Nachbarn wie dich selbst
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2019 gewinnt Louise Candlish den British Book Award Crime & Thriller für „Our House“ und verweist so namhafte Kollegen wie Ian Rankin und Jo Nesbø auf die Plätze. Ein Grund, sich ihre Romane einmal genauer ...

2019 gewinnt Louise Candlish den British Book Award Crime & Thriller für „Our House“ und verweist so namhafte Kollegen wie Ian Rankin und Jo Nesbø auf die Plätze. Ein Grund, sich ihre Romane einmal genauer anzuschauen. Vierzehn mehr oder weniger erfolgreiche Bücher hat die Autorin seit 2004 veröffentlicht, die auch teilweise in deutscher Übersetzung vorliegen. Das wiederkehrende Thema ist die Variation der Toxizität zwischenmenschlicher Beziehungen, die Dynamik, die entsteht und außer Kontrolle gerät, wenn Außenstehende in ein geschlossenes System eindringen.

In „Liebe deinen Nachbarn wie dich selbst“ ist das Lowland Way im fiktiven Londoner Vorort Lowland Gardens, eine propere Enklave der gehobenen Mittelschicht. Häuser und Gärten sind gepflegt, das Miteinander rücksichtsvoll. Eine harmonische Idylle. Bis, ja bis Darren und Jodie ihre geerbte Doppelhaushälfte beziehen. Und „diese Leute“ (der Originaltitel „Those People“ hätte viel besser gepasst) scheren sich nicht um die unausgesprochenen Regeln und Erwartungen der Nachbarn, die die Verwandlung des Grundstücks in ein Katastrophengebiet (O-Ton) mit Besorgnis beobachten. Rücksichtnahme auf die Alteingesessenen? Fehlanzeige. Toleranz gegenüber den Neuankömmlingen? Keine Spur. Die anfängliche Verärgerung weicht bald unverhohlener Aggressivität. Es kommt zu Drohungen, verbalen Übergriffen, der Umgangston wird rauer. Auf beiden Seiten. Bis die Situation schließlich eskaliert und jemand stirbt.

Diese Eskalationsstufen schildert Candlish minutiös, indem sie uns die Innenansichten der jeweiligen Beteiligten im Detail präsentiert. Und so fragt man sich mit zunehmendem Verlauf, ob mit „diesen Leuten“ tatsächlich die beiden Neuen in der Straße gemeint sind. Oder möchte sie uns vielmehr die Bruchlinien innerhalb dieses sozialen Mikrokosmos aufzeigen? Den Snobismus und die Heuchelei der angepassten, zivilisierten Bewohner demaskieren?

Ein Thriller? Nein, eher eine psychologische Fallstudie zum Thema Gruppendynamik und menschliches Verhalten in Ausnahmesituationen. Und gerade deshalb sehr interessant.