Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.07.2021

Montreal, 12 Tage im Juli

Durch die Tore des Todes
0

Ein Kopf im Müllcontainer, und das erst der Anfang. Jede Menge Leichen in Montreal, verteilt über die gesamte Stadt. Den Fällen gemeinsam ist das Graffito eines mörderischen Weihnachtsmanns am Fundort ...

Ein Kopf im Müllcontainer, und das erst der Anfang. Jede Menge Leichen in Montreal, verteilt über die gesamte Stadt. Den Fällen gemeinsam ist das Graffito eines mörderischen Weihnachtsmanns am Fundort und ein Hinweis auf den nächsten Mord samt Tatwaffe. Ein irrer Serientäter, den es auf nachdrückliche Anweisung des Polizeipräsidenten schnellstens zu stoppen gilt. Spätestens dann, als der Kopf eines hochrangigen Polizisten in einem Müllcontainer gefunden wird. Der kommissarische Leiter der Abteilung für Schwerverbrechen Sergent-Détective Victor Lessard und seine Kollegin Jacinthe Taillon werden mit den Ermittlungen betraut. Ein Täter, der das Katz-und-Maus Spiel in Perfektion beherrscht, unterschiedliche Tatwerkzeuge, Mordopfer ohne Gemeinsamkeiten und Verbindung. Ein Killer mit Mission? Ein heikler Fall, der die Ermittler fordert, denn es geraten auch Polizeikollegen in den Kreis der Verdächtigen. Alles nicht so einfach für Lessard und seine Teamkollegen, die samt und sonders detailliert charakterisiert und so sympathisch sind, dass man sie gerne während ihrer zwölftägigen Ermittlung begleitet.

Die Erzählstruktur des Thrillers ist ungewöhnlich und verdient Aufmerksamkeit. Michaud arbeitet sich rückwärts von Kapitel 48 vor, die Nummer 1 lesen wir erst auf Seite 382, an- und abschließend schiebt er noch drei kurze Kapitel nach. „Durch die Tore des Todes“ ist trotz der komplexen Story ein spannender Pageturner, der den Leser an den Seiten kleben lässt, was bei Thrillern, die die mühsame Polizeiarbeit in den Mittelpunkt stellen, nicht immer der Fall ist. Der Autor hat jederzeit Kontrolle über den Plot, behält den Überblick, verzettelt sich nicht in Nebensächlichkeiten sondern treibt die Handlung Seite um Seite mit jeder Menge unerwarteter Wendungen voran.

Eine Reihe, die ich mit Sicherheit weiter verfolgen werde. Der dritte Band „In die Fluten der Dunkelheit“ erscheint am 01.09.21. Ich freue mich darauf.

Veröffentlicht am 12.07.2021

Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

Der langsame Tod der Luciana B
1

Wenn ein promovierter Mathematiker einen Spannungsroman schreibt und dabei auch das fachliche Knowhow seiner Studien in die Story einfließen lässt, kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Ergebnis ...

Wenn ein promovierter Mathematiker einen Spannungsroman schreibt und dabei auch das fachliche Knowhow seiner Studien in die Story einfließen lässt, kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Ergebnis kein 08/15 Kriminalroman sein wird. Aber schauen wir genauer hin:

Luciana B. hat während des Studiums als Schreibkraft für den erfolgreichen Schriftsteller Kloster gearbeitet. Als sich ihr dieser auf eindeutige Weise nähert, weist sie ihn ab. Eine Anwältin rät ihr, vor Gericht zu gehen. Sie willigt ein, und das Verfahren zerstört nicht nur dessen makellosen Ruf sondern auch seine Familie.

Zehn Jahre später, mittlerweile psychisch und physisch am Boden, sucht sie Hilfe bei einem anderen Autor, für den sie auch gearbeitet hat. Sie ist davon überzeugt, dass Kloster Rache übt, er für die Todesfälle in ihrem persönlichen Umfeld verantwortlich ist. Seit sich ihre Wege getrennt haben, sind sowohl ihr Freund als auch ihre Eltern und ihr Bruder unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen. Geblieben ist ihr nur ihre jüngere Schwester. Klosters Reaktion auf Lucianas Anschuldigungen nährt Zweifel. Hat er, oder hat er nicht, ist er schuldig oder unschuldig?

Bis diese Frage geklärt ist, bedarf es des geduldigen Ausharrens und jeder Menge philosophischer Haarspaltereien, die letztlich um die Frage kreisen, wie wahrscheinlich diese Häufung von Todesfällen im Umfeld einer Person sein können und welche logischen Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Plausibel oder nicht, wer weiß das schon, denn auch hier lässt uns Martinez im Zweifel. Und dann wäre da noch das Frauenbild - lateinamerikanischer Machismo in Reinkultur - das mir den Rauch aus den Ohren treibt. Unterm Strich eine unbefriedigende Lektüre und ein Ärgernis. Punkt.

Veröffentlicht am 09.07.2021

Highland-Horror

Die dunklen Wasser von Inverness
0

„Die dunklen Wasser von Inverness“ ist der zweite Band der DI Kennedy Reihe. Die alleinerziehende Mutter ist nach längerer Abwesenheit wieder im Dienst und wird gleich in ihrem ersten Fall nach Dienstantritt ...

„Die dunklen Wasser von Inverness“ ist der zweite Band der DI Kennedy Reihe. Die alleinerziehende Mutter ist nach längerer Abwesenheit wieder im Dienst und wird gleich in ihrem ersten Fall nach Dienstantritt mit einem grausigen Szenario konfrontiert, als ein verstümmelter Torso am Flussufer gefunden wird. Als kurze Zeit später eine weitere verstümmelte Leiche auftaucht, ist schnelles Handeln gefragt. Dann ist da noch der Handlungsstrang um Annabelle, eine junge Frau, die mit ihrem Auto in den abgeschiedenen Highlands unterwegs ist und nach einem Unfall schwer verletzt in einer wenig vertrauenerweckenden Umgebung erwacht.

Diese beiden von Beginn an konkurrierenden Perspektiven werden konsequent durchgehalten und sorgen zumindest anfangs für ein gewisses Tempo und machen neugierig. Leider wird in den über 500 Seiten der Bogen überspannt, denn sowohl die langatmigen Schilderungen von Kennedys Polizeiarbeit als auch Annabelles Martyrium in der Gefangenschaft werden bis zum Gehtnichtmehr ausgereizt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Halliday sich nicht entscheiden konnte, ob er einen Polizeiroman oder eine gruselige Horrorstory mit übernatürlichen Elementen und unappetitlichen Details schreiben wollte. Zumindest ist es nicht der klassische schottische Krimi, als der er beworben wird, denn offenbar hat sich der Autor von Urban Legends inspirieren lassen, die rund um den Bau diverser Stauseen und -dämme in den Highlands kursieren und von unterirdischen Gängen und verschütteten Arbeitern erzählen.

Was man dem Autor definitiv nicht absprechen kann, ist das Gespür für die menschenleeren und düsteren Orte des Hinterlandes von Inverness. Die Atmosphäre, die diese ausstrahlen, ist auf den Punkt getroffen, und es sind schlussendlich die stimmigen Beschreibungen dieser beeindruckenden Landschaft der schottischen Highlands, die mich halbwegs zufrieden auf dieses Buch zurückblicken lässt, denn sowohl der Aufbau der Story als auch die zugrunde liegende Thematik konnte mich leider nicht überzeugen.

Veröffentlicht am 06.07.2021

Eine alte Konservierungsmethode erobert die Küchen

Magic Fermentation
0

Einfrieren, Einkochen, Dörren - es gibt zahlreiche Methoden, um die Haltbarkeit von Nahrungsmittel zu verlängern. Aber kaum eine ist so effektiv wie das Fermentieren, hat dies doch im Gegensatz zu den ...

Einfrieren, Einkochen, Dörren - es gibt zahlreiche Methoden, um die Haltbarkeit von Nahrungsmittel zu verlängern. Aber kaum eine ist so effektiv wie das Fermentieren, hat dies doch im Gegensatz zu den vorgenannten nicht zu unterschätzende Vorteile hinsichtlich des gesundheitlichen Nutzens. Fermentierte Nahrungsmittel sind bekömmlicher, erhöhen den Gehalt an Vitamin C und B sowie die Bioverfügbarkeit der Mineralien, haben durch die Milchsäurebakterien einen positiven Einfluss auf die Darmflora und stärken das Immunsystem. Durch den Fermentationsvorgang verlängert sich die Haltbarkeit immens, Nährwert und Textur verändert sich, und last but not least entwickelt sich ein Geschmack, der mit den anderen Methoden definitiv nicht zu erreichen ist und mittlerweile auch in der Spitzengastronomie geschätzt wird.

Nach der 40-seitigen „Blubber-Basics“ Einleitung geht es gleich mit den „Wilden“ in die Vollen: Gemüse, Kräuter, Früchte und Würzsaucen, alles ist vertreten. Und natürlich dürfen Sauerkraut und Kimchi nicht fehlen. Die „Kultivierten“ legen den Schwerpunkt nicht nur auf Milchfermente und Getränke wie Kefir, Kombucha und Kwas sondern zeigen auch, wie man aus Hülsenfrüchten Miso, Tofu und Tempeh herstellen kann. Aber auch Sauerteig und Essig haben in diesem Kapitel ihren Platz. Abschließend dann das Kapitel mit den „Verrückten“, experimentelle Kombinationen der Autoren, die mal mehr und mal weniger gelungen erscheinen. Bei jeder dieser Untergruppen gibt es übrigens leckere Rezeptvorschläge für Mahlzeiten, in denen man die fermentierten Produkte einsetzen kann.

Im Anhang findet man die Pannenhilfe, ein ausführliches Glossar und Register sowie weiterführende Literaturhinweise und hilfreiche Bezugsquellen für Gefäße und ausgefallene Zutaten.

„Magic Fermentation“ ist sowohl für Einsteiger als auch Fortgeschrittene geeignet und bietet mit seiner Vielzahl von Tipps und Rezepten fundierte Informationen und Hilfestellungen für all diejenigen, die sich an dieser Konservierungsmethode versuchen möchten oder bereits von ihr überzeugt sind.

Veröffentlicht am 29.06.2021

Ähnlichkeiten vorhanden

Die Töchter des Nordens
0

Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben England in die Knie gezwungen. Die Umwelt ist zerstört, die wenigen Nahrungsmittel werden in Konserven aus Amerika ...

Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben England in die Knie gezwungen. Die Umwelt ist zerstört, die wenigen Nahrungsmittel werden in Konserven aus Amerika geliefert. Das freudlose Dasein der Menschen ist aufs Überleben reduziert. Sie hausen zusammengepfercht auf engstem Raum, gehen sinnloser Arbeit nach, die ihnen von ihrer totalitären Regierung zugewiesen wird, Frauen werden zur Verhütung gezwungen. Eigenständiges Denken ist unerwünscht, jeglicher Form von Kritik wird mit Gewalt begegnet. Unterdrückung und totale Kontrolle, wohin man schaut.

Nicht alle beugen sich diesem Joch. Auf den Hügeln des Lake District bewirtschaftet das kämpferisches Frauenkollektiv von Carhullen, an dessen Spitze die charismatische, militärisch ausgebildete Jackie steht, eine Farm nach den alten Methoden. Die Frauen sind Selbstversorger, bewegen sich unterhalb des Radars der Regierung, aber trainieren auch für den Ernstfall.

Dorthin bricht Schwester, die Ich-Erzählerin, eines Tages auf. Sucht nach Selbstbestimmung und einem besseren Leben. Aber auch diese feministische Utopie hat ihre Schattenseiten, es gibt nicht nur den Gruppenzwang. Auch von außen wächst der Druck, bedroht das Leben in den Hügeln, da die Existenz der rebellischen Frauen den offiziellen Stellen ein Dorn im Auge ist. Das Überleben des Kollektivs steht auf dem Spiel, und so dauert es nicht lange, bis Schwester und ihre Mitstreiterinnen sich zwischen Gewalt oder Kapitulation entscheiden müssen.

Der Roman kann die Ähnlichkeit mit Atwoods „Magd“ nicht leugnen, aber Sarah Hall hat sich zu wenig Platz für ihre Themen genommen und bleibt deshalb weitgehend an der Oberfläche. Die dystopische Gesellschaft und das feministische Utopia, das Kollektiv und die Anführerin, die individuelle Selbstbestimmung und der Gruppenzwang, die Unterordnung und die Rebellion. Die Beschreibungen/Ausarbeitungen sind genauso unbefriedigend wie der Schluss, der völlig unvermittelt und ohne große Erklärung daherkommt.

Lobend erwähnen hingegen muss man die großartigen Landschaftsbeschreibungen Cumbrias. Wer die Gegend kennt, wird mir zustimmen: Das ist Nature Writing vom Feinsten.