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Veröffentlicht am 03.06.2021

Bica, Poncha und Levadas

Tod auf Madeira (Ein Madeira-Krimi 1)
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Wenn die Sonne scheint, der Himmel blau ist und die Temperaturen steigen, nimmt das Verlangen nach einer Auszeit zu. Zumal dann, wenn der momentane Alltag zugegebenermaßen eher wenig Abwechslung bietet. ...

Wenn die Sonne scheint, der Himmel blau ist und die Temperaturen steigen, nimmt das Verlangen nach einer Auszeit zu. Zumal dann, wenn der momentane Alltag zugegebenermaßen eher wenig Abwechslung bietet. Kein Wunder, dass dann Urlaubskrimis Hochkonjunktur haben, bieten sie doch die Möglichkeit, sich auf künftige Urlaubsziele zu freuen oder Erinnerungen Revue passieren zu lassen. Meist sind es deutsche Autoren, die mit entsprechendem Pseudonym den Eindruck vermitteln, dass sie dem/der Leser/in ländertypische Atmosphäre, eingebettet in eine spannende Handlung, bieten. Aber leider gelingt das nicht immer, so auch in diesem Fall.

„Tod auf Madeira“, Auftakt einer Reihe mit Comissário Mauricio Torres, schließt eine der letzten Leerstellen auf der Liste der europäischen Destinationen, die als Hintergrund für einen Urlaubskrimi dienen. Ich kenne die „Blumeninsel“ im Atlantik, habe sie bereits mehrfach besucht, und gerade deshalb lässt mich die Lektüre mit einem mehr als zwiespältigen Gefühl zurück.

Die Krimihandlung ist durch und durch konventionell: Der Wanderurlaub einer Reisegruppe, deren Teilnehmer sich seit der Schulzeit kennen, wird von einem Todesfall überschattet, der Rätsel aufgibt. Und da kommt Comissário Torres ins Spiel. Mord oder die Verkettung unglücklicher Umstände? Fast jeder Teilnehmer hätte ein Motiv gehabt…

Der Autor wandelt auf ausgetretenen Pfaden, nicht nur, was die Story angeht. Auch die Charakterisierung der Personen hat man so schon häufig gelesen. Die betrogene Ehefrau, der melancholische Polizist, der den Tod seiner Frau noch nicht verarbeitet hat etc. Und was den Handlungsort angeht, hier verarbeitet er die Informationen zu Madeira, die in jedem Reiseführer zu finden sind. Kein Wunder, denn die Region um Calheta, die er ausgiebig beschreibt, ist massiv touristisch geprägt.

Wenn man ihm glauben darf, sind die Madeirer ein zutiefst melancholisches Volk, geben sich der Saudade hin, lauschen dem Fado und trinken ständig Bica und Poncha. Natürlich wandern die Touristen immer die Levadas entlang, fahren mit dem Korbschlitten und verpassen damit so ziemlich alles Interessante, was man auf der Insel unternehmen, anschauen und erleben kann. Einmal mehr eine verpasste Gelegenheit, um die Qualitäten dieses schroffen Kleinods entsprechend zu würdigen. Schade!

Veröffentlicht am 01.06.2021

Brisante Themen, unterhaltsam verpackt

Such a Fun Age
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Wäre das Debüt der amerikanischen Autorin Kiley Reid nicht für den Booker Prize 2020 nominiert gewesen, hätte ich es wahrscheinlich nicht gelesen, denn Titel und Aufmachung verbergen gekonnt, wenn auch ...

Wäre das Debüt der amerikanischen Autorin Kiley Reid nicht für den Booker Prize 2020 nominiert gewesen, hätte ich es wahrscheinlich nicht gelesen, denn Titel und Aufmachung verbergen gekonnt, wenn auch wahrscheinlich unbeabsichtigt, den Zündstoff, den dieser Roman bietet.

Ort und Zeit: Philadelphia, 2015, das Jahr, in dem Hillary Clinton und Donald Trump für die Präsidentschaft kandidieren.

Akteure: Emira, Mitte zwanzig, College-Absolventin ohne Perspektive, schwarz, arm, verdient sich ihren Lebensunterhalt als Babysitterin. Alix, ihre Arbeitgeberin, ca. zehn Jahre älter, weiß, wohlhabende Upper Middle Class, Mutter eines Kleinkinds, erfolgreiche Betreiberin des „LetHerSpeak“ Blogs mit dem Ziel, das weibliche Empowerment zu fördern.

Ausgangspunkt der Handlung: Der Zwischenfall spät abends in einem Supermarkt, als Emira der Kindsentführung beschuldigt wird und nur durch das Eingreifen von Alix‘ Mann einer Verhaftung entgeht. Ein Kunde filmt den Vorfall, aber Emira untersagt ihm, das Video ins Netz zu stellen.

Reid konstruiert aus diesen Zutaten einen realistischen Plot über Rasse, Klasse, Identität und Privilegien, nimmt den Alltagsrassismus der Liberalen unter die Lupe und zerpflückt ihn bis ins Kleinste. Alix‘ Schuldgefühle und ihre daraus gut gemeinten Bemühungen um Emira entwickeln sich zunehmend zu einer regelrechten Besessenheit, weil sie sich und ihrem Umfeld beweisen möchte, wie frei sie doch von Vorurteilen ist. Die Autorin schreibt mit leichter Hand, schaut genau hin, entlarvt ganz beiläufig die unbewusste Ignoranz und Heuchelei der weißen gebildeten Elite, deren Wokeness vor Black Lives Matters. Ein entlarvender Roman auf der Höhe der Zeit, in dem brisante und gesellschaftspolitisch relevante Themen unterhaltsam verpackt werde. Die Filmrechte sind übrigens bereits verkauft.

Veröffentlicht am 28.05.2021

Lieber Kobra als Python

Die Kobra von Kreuzberg
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Wenn man Beverly Kaczmarek nach ihrem Beruf fragen würde, käme als Antwort wahrscheinlich Meisterdiebin, obwohl sie sich dessen nach ihrem letzten Coup nicht mehr so sicher ist. Ist ja auch schwierig, ...

Wenn man Beverly Kaczmarek nach ihrem Beruf fragen würde, käme als Antwort wahrscheinlich Meisterdiebin, obwohl sie sich dessen nach ihrem letzten Coup nicht mehr so sicher ist. Ist ja auch schwierig, in einer Familie zu reüssieren, in der sie immer mit ihren weitaus erfolgreicheren Brüdern konkurrieren muss. Die haben es drauf, klauen so hochpreisige Objekte wie Fabergé-Eier aus der Eremitage in St. Petersburg und machen sich dann noch lustig über ihre kleine Schwester, die es noch nicht einmal schafft, ihre Beute verlustfrei zu transportieren. Hat sie doch eine der beiden erbeuteten Wegwood-Vasen ihres letzten Bruchs fallen lassen. Jetzt will sie es sich und den anderen beweisen und plant den Supercoup. Die Quadriga vom Brandenburger Tor, die soll es sein.

Michel Decar war für mich ein unbekannter Autor, und so wusste nicht, worauf ich mich mit seinem neuen Roman einlassen würde. Und der Start war in der Tat holprig. Ich habe mich zu Beginn mehrmals gefragt, ob ich wirklich die Story einer durchgeknallten Räuberschwester lesen will, die einen unmöglichen Coup plant. Aber je weiter die Story fortschritt, umso mehr war ich von dem ungewöhnlichen Stil und der rotzigen Sprache angetan.

Wir finden hier Versatzstücke unterschiedlicher Genre: Ein guter Schuss Pulp und Trash, eine Prise Familiengeschichte, etwas Krimi, jede Menge Situationskomik, Ironie und schräge Kommentare über Gott und die Welt, aber auch verborgene Anspielungen auf den Status Quo der Gesellschaft. Hier werden gekonnt Klischees eingesetzt und ausgehebelt und jede Menge Typen aufgefahren, die im Gedächtnis bleiben werden. Ob das nun Dragan, der anarchistische Wetterterrorist oder die neben der Spur laufende Museumsdirektorin ist, jede/r ist für sich ein Unikat und passt wie die Faust auf’s Auge zu dieser Story, die einfach nur gute Laune macht. Lesen!

Veröffentlicht am 24.05.2021

Langatmig und zäh

Klippentod
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Simon Jenkins hat seine Arbeit als Polizist hinter sich gelassen und lebt nun ein Künstlerleben in Cadgwith, einem Fischerdorf im Süden Cornwalls. Aber er muss bald feststellen, dass es nicht so einfach ...

Simon Jenkins hat seine Arbeit als Polizist hinter sich gelassen und lebt nun ein Künstlerleben in Cadgwith, einem Fischerdorf im Süden Cornwalls. Aber er muss bald feststellen, dass es nicht so einfach wie gedacht ist, die Verbindungen zu seinem früheren Ich zu kappen. Als ihn spät in der Nacht der Anruf einer verzweifelten jungen Frau erreicht, die um Hilfe bittet, weist er sie ab. Ein fataler Fehler, wie er sich am nächsten Tag eingestehen muss, als ihre Leiche gefunden wird. Offenbar hat sie sich von der Klippe in den Tod gestürzt. So jedenfalls die Einschätzung der Polizei, für die der Fall damit geklärt ist. Ihre Freundin ist davon überzeugt, dass sie gestoßen, ermordet wurde und bittet Jenkins um Hilfe. Und es scheint, als läge sie mit ihrer Vermutung richtig, denn es taucht eine weitere Leiche auf, was die Alarmglocken des Ex-Polizisten schrillen und dessen Nachforschungen in Gang setzt.

Sehnsucht nach Meer? Nach felsgesäumten Wanderwegen und üppigem Grün? Reetgedeckten Cottages mit bunter Rosenpracht im Vorgarten? Wer in grandiosen Naturbeschreibungen, atmosphärischen Schilderungen des englischen Dorflebens samt Besuchen im Pub schwelgen möchte, wird in „Klippentod“ bestens bedient. Aber was die Stärke des Buches ausmacht, ist gleichzeitig auch seine Schwäche, denn als spannender Kriminalroman funktioniert es nur bedingt.

Die Vermutung liegt nahe, dass es als Einstieg in eine Reihe gedacht ist. Eine Location mit Atmosphäre, eine sympathische Hauptfigur mit traumatischer Vergangenheit, die Fischer, die um ihre Existenz fürchten plus das Alltagsleben im Dorf. All das wird in epischer Breite auf 560 Seiten geschildert, plätschert langsam dahin und stellt die Geduld auf eine harte Probe. Mir fehlt das Tempo, die Spannung, die immer wieder abflacht und das Ganze zu einer ziemlich langatmigen und zähen Geschichte macht und das Interesse an der Auflösung killt.

Veröffentlicht am 18.05.2021

In der Falle

Mado
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Mado möchte mehr. Sie will Freiheit, Leben, Spaß, weg von der nörgelnden Mutter, raus aus der bretonischen Provinz. Paris lockt mit Freiheit, aber das ist nur ein leeres Versprechen. Daran ändern auch ...

Mado möchte mehr. Sie will Freiheit, Leben, Spaß, weg von der nörgelnden Mutter, raus aus der bretonischen Provinz. Paris lockt mit Freiheit, aber das ist nur ein leeres Versprechen. Daran ändern auch die Partys und Drogen nichts. Der Kerl, mit dem sie lebt, ist keine Alternative. Dumm und brutal. Sie muss sich von ihm befreien, die einzige Möglichkeit, die sie kennt, ist Gewalt. Ein Schlag auf den Schädel. Ende.

Weg aus Paris, heim in die Bretagne. Oma wird’s schon richten, die kennt sich damit aus. Zu dumm, dass da keine Leiche zum Entsorgen ist. Offenbar hat er den Schlag überlebt. Einen Boxer haut so leicht nichts um. Aber wenn der Stolz angekratzt ist, folgen die Rachegedanken auf den Fuß.

Zurück in der Provinz, wo sich nichts geändert hat. Die Mutter hinter der Theke der verratzten Dorfkneipe, die angepasste Schwester, die sich in ihr Schicksal fügt und damit zufrieden ist. Mado, die noch immer hofft und sich in der Zwischenzeit die derben Bemerkungen der Männer gefallen lässt. Lähmende Langeweile, aufkeimende Wut.

Thierry? Kann der einen Ausweg bieten? Geld, das ist es, was zählt, das verspricht Freiheit, lässt hoffen. Aber woher nehmen auf die Schnelle? Zumindest hat er einen Plan, und wer nichts wagt, kann auch nichts gewinnen.

Der Roman erzählt von den starken Frauen der Familie Kaaris, die dennoch am Leben scheitern und resigniert ihren vorbestimmten Platz einnehmen. Nicht so Mado, die Wütende, Verzweifelte. Von dem Milieu, in das sie hineingeboren wurde, in Geiselhaft genommen. Die dennoch für ihr selbstbestimmtes Leben kämpft, den Mut und die Hoffnung nicht verliert. Nicht müde wird, ihren Weg trotz aller Widrigkeiten zu gehen und dafür auch Grenzen überschreitet.

Kurze Kapitel und wechselnde Perspektiven generieren Tempo. Die Umsetzung des Themas ist gelungen, auch wenn sie den Klischees des Genres entspricht. Keine Feelgood-Lektüre und nichts für Harmoniesüchtige, die zwingend ein Happy-End erwarten. Oder etwa doch?