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Veröffentlicht am 20.08.2020

Nasses Grab

Caribou
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„Caribou“ (im Original „Land Beyond the Sea) ist der Abschlussband einer Trilogie, in der sich der Autor Kevin Major mit der Historie seines Heimatlands beschäftigt.

Die Caribou ist ein Fährschiff, das ...

„Caribou“ (im Original „Land Beyond the Sea) ist der Abschlussband einer Trilogie, in der sich der Autor Kevin Major mit der Historie seines Heimatlands beschäftigt.

Die Caribou ist ein Fährschiff, das in der Cabotstraße zwischen Neufundland und Nova Scotia auf kanadischer Seite nicht nur Fracht für die Eisenbahngesellschaft sondern auch Passagiere transportiert, neben Zivilisten in den Zeiten des Zweiten Weltkriegs natürlich auf Militärangehörige. Am 14.10.42 kreuzt es den Weg des deutschen U-Boots U 69 und wird von diesem ohne Zögern torpediert. Die Fähre sinkt und mit ihr verlieren 137 Menschen ihr Leben, darunter viele Frauen und Kinder. 100 Passagiere/Besatzungsmitglieder überleben.

Dieses reale historische Ereignis beschreibt Kevin Major in dem Roman, wobei er seinen Blick im Detail zum einen auf den deutschen U-Boot Kommandanten Ulrich Gräf, zum anderen auf den Schiffssteward John Gilbert als Stellvertreter für die Überlebenden richtet. Romantisierende Beschreibungen sucht man glücklicherweise vergebens, die Schilderungen sind eher in einem knappen, realitätsnahen Reportage-Stil gehalten, was allerdings den Zugang nicht nur zu den Protagonisten sondern auch zu diesem tragischen Ereignis erschwert. Hier hätte ich mir mehr Empathie seitens des Autors gewünscht, denn so schaut man distanziert und emotionslos auf den Untergang des Fährschiffes und darauf, welche Auswirkungen er hat.

Der Roman gliedert sich in vier Teile: Im ersten Abschnitt lernen wir Gräf und die Besatzung des U-Bootes sowie einzelne Besatzungsmitglieder und Passagiere der Caribou kennen, dann folgt die Torpedierung und der Überlebenskampf in den Fluten, danach begleiten wir über einen eingeschränkten Zeitraum den Kommandanten des U-Boots Ulrich Gräf und den ehemaligen Schiffsteward und Überlebenden der Caribou John Gilbert, als Abschluss dann die Bombardierung Dresdens durch die amerikanische Luftwaffe.

Für Gräf geht das Leben weiter. Weitgehend unreflektiert. Er stellt weder den Sinn des Krieges noch seine Einsätze in Frage. Selbst dann nicht, als er bei dem Heimaturlaub in Dresden auf dem Bahnhof einen Deportationszug nach Theresienstadt beobachtet. Nur interessiert an seinen Erfolgen in Form der BruttoRegisterTonnen. Gilbert hingegen ist von dem Wunsch nach Vergeltung, nach Rache für die Caribou und die Opfer regelrecht besessen. Und die wird er bekommen.

Veröffentlicht am 18.08.2020

Faktenreicher Augenöffner

Lecker-Land ist abgebrannt
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Bio, Vegan, Vegetarisch, Superfood – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ernährung ist ein Thema, das uns alle angeht und überall präsent ist. Und wenn man sich die Vielzahl der Kochsendungen im ...

Bio, Vegan, Vegetarisch, Superfood – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ernährung ist ein Thema, das uns alle angeht und überall präsent ist. Und wenn man sich die Vielzahl der Kochsendungen im TV, die Food Blogs und das Angebot an Kochbüchern und Zeitschriften anschaut, sollte man davon ausgehen können, dass sich die Mehrzahl der Konsumenten damit auseinandersetzt, was schlussendlich auf dem Teller landet. Weit gefehlt.

Bei den einen fehlt die Zeit, bei den anderen die Lust am Selbermachen, denn noch nie wurde so wenig gekocht wie heute. Dafür steigt der Verbrauch an Produkten aus dem Convenience-Bereich kontinuierlich an. Weitaus problematischer scheinen mir allerdings die Wissenslücken zum Thema Ernährung, und genau hier setzt Manfred Krieners „Lecker-Land ist abgebrannt“ an. Der Autor sagt uns nicht, was wir essen sollen, sondern gibt uns Informationen an die Hand, damit wir eine Entscheidungsgrundlage dafür haben, was wir essen WOLLEN.

Ohne erhobenen Zeigefinger, nicht wertend und teilweise auch mit Augenzwinkern, bietet Kriener seinen Lesern jede Menge nützliche Informationen. Allerdings sind diese in erster Linie für Verbraucher interessant, die sich noch nicht im Detail mit der Thematik beschäftigt haben. Zucker, Aquakultur und Tierhaltung sind hier die Reizworte, wobei es für die Produktion entsprechender Nahrungsmittel kaum einen Unterschied macht, ob man sich Bio- oder konventionelle Qualität anschaut. Ähnliches gilt für die gehypten Superfoods wie z.B. Chia, Goji, Weizengras etc., die ohne Problem durch heimische Samen und Früchte ersetzt werden können und die Inhaltsstoffe der Exoten meist sogar übertreffen. Und allemal eine besserer Ökobilanz haben. Das allerdings nur als Beispiel, entscheiden muss jeder Verbraucher für sich. Aber Kriener schaut sich auch die aktuellen Strömungen innerhalb unserer Esskultur an: bio, vegetarisch, regional und vegan. Gerade der Veganismus hat eine kulinarische Zeitenwende eingeläutet und eine neue Ernährungswelt geschaffen, die die Essgewohnheiten weltweit auf lange Sicht verändern könnte.

Ein gut recherchierter und faktenreicher Augenöffner, mit ausführlichen Anmerkungen und Quellenverweisen sowie einem detaillierten Register, der hoffentlich nicht nur dazu motiviert, sich mit dem Thema Ernährung auseinanderzusetzen, sondern auch den Rat des Autors zu beherzigen: „Kochen Sie selbst so oft wie möglich, meiden Sie jeden Industriefraß, misstrauen Sie den Fertiggerichten der Ernährungskonzerne.“

Veröffentlicht am 16.08.2020

Mensch und Natur

Zugvögel
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Das Verhältnis von Mensch und Natur, ein Thema, das seit Jahrzehnten Autoren beschäftigt. Man denke nur an Thoreaus „Walden“, Melvilles „Moby Dick“ oder Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Und in ...

Das Verhältnis von Mensch und Natur, ein Thema, das seit Jahrzehnten Autoren beschäftigt. Man denke nur an Thoreaus „Walden“, Melvilles „Moby Dick“ oder Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Und in dem Maße, in dem die Zerstörung unserer Umwelt voranschreitet, Lebensräume sich für Menschen und Tiere verändern, Bestände quer durch alle Spezies dezimiert werden, beschäftigen sich auch in der aktuellen Belletristik Autor*innen mit dieser Thematik. Man denke nur an die erfolgreichen Romane von Maja Lund. Nun also Charlotte McConaghy, die von ihrer Liebe zur Natur zu ihrem Debüt „Zugvögel“ inspiriert wurde.

In einer Welt, in der es kaum noch Vögel gibt, setzt sich Franny, eine Ornithologin, den Gefahren des Atlantiks aus und folgt der Wanderung der letzten Küstenseeschwalben von Grönland bis in die Antarktis. Aber es ist nur in geringem Maße das wissenschaftliche Interesse, das sie antreibt, es sind vor allem ihre inneren Dämonen. Die Vergangenheit, die sie nicht ruhen lässt und für ihre Unrast verantwortlich ist.

„Zugvögel“ bedient verschiedene Genres und ist eine Melange aus Love-Story, Krimi, Abenteuerroman und Klima-Fiktion. Letzeres passt natürlich thematisch gut in unsere Zeit und weckt mit Sicherheit Interesse, hat aber leider eine große Schwäche: Wenn es das Anliegen einer Autorin ist, auf die Umweltzerstörung und deren nachfolgende Problem für die Tierwelt aufmerksam zu machen, sollte sie über das bloße Jammern hinausgehen. McConaghy verzichtet leider auf die Benennung der Ursachen, sieht die Probleme nicht in ihrem gesellschaftspolitischen Zusammenhang, sondern überlagert ihr eigentlich brisantes Thema mit den persönlichen Schwierigkeiten der Protagonistin. Eine vertane Chance. Schade.

Veröffentlicht am 09.08.2020

Auftakt einer neuen Reihe

Old Bones - Tote lügen nie
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„Old Bones“ ist der Auftakt einer neuen Reihe des Autorenduos Preston/Child. Und es ist gleichzeitig so etwas wie ein Spin Off, denn die beiden Protagonistinnen kennen wir bereits aus den Agent Pendergast-Büchern. ...

„Old Bones“ ist der Auftakt einer neuen Reihe des Autorenduos Preston/Child. Und es ist gleichzeitig so etwas wie ein Spin Off, denn die beiden Protagonistinnen kennen wir bereits aus den Agent Pendergast-Büchern. Nora Kelly, die Archäologin und Kuratorin in Santa Fe, und Corrie Swanson, das etwas schräge, ehemalige Mündel von Pendergast, mittlerweile FBI-Agentin.

Ausgangspunkt ist eine durch Tagebücher verbriefte tragische Geschichte: 1846 machen sich 87 Siedler, bekannt als die Donner Party, auf den Weg nach Westen, aber nur ein Teil von ihnen wird dort ankommen. Starke Schneefälle in der Sierra Nevada überraschen den Treck und verhindern das Weiterziehen, die Vorräte gehen zur Neige, 34 sterben. Die Übrigen überleben nur, weil sie sich ihre toten Reisegefährten einverleiben. Soweit die Fakten.

Nun zur Fiktion: Der kalifornische Historiker Clive Benton ist im Besitz eines solchen Tagebuch und glaubt, dass er anhand dessen den ehemaligen Lagerplatz der Gruppe bestimmen kann. Aber für den Feldeinsatz benötigt er Noras Hilfe, da es ihm an den nötigen Fähigkeiten für die Ausgrabung mangelt. Sie willigt ein, rechnet aber nicht mit den schrecklichen Ereignissen, die ihren Lauf nehmen, als das Gerücht auftaucht, dass in der Nähe des Lagers ein sagenhafter Goldschatz vergraben sei. Hier kommt dann Corrie ins Spiel, die die Mordermittlungen vor Ort leitet.

Ein interessanter Plot, leider stellenweise mit archäologischem Fachwissen überfrachtet und deshalb nicht unbedingt von Tempo geprägt. Aber die Überschneidungen, Verschränkungen zwischen damals und heute, haben für historisch interessierte Leser durchaus ihren Reiz. Obwohl die Geschichte der Donner-Party, ihres Überlebenskampfes, ihres Kannibalismus, bereits vielfach anhand verschiedenster Prämissen analysiert wurde, liefern Preston/Child mit diesem unterhaltsamen Roman einen verblüffenden Ansatz und eine neue Interpretation der damaligen Ereignisse. Vielleicht war es ja wirklich so, wer weiß?

Veröffentlicht am 07.08.2020

Ein Highlight der Reihe

Der Bluthund
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Mit schöner Regelmäßigkeit erscheint jedes Jahr ein neuer Roman aus dem Reacher-Universum. Ob das zukünftig so bleiben wird sei dahin gestellt, hat Lee Child doch kürzlich bekanntgegeben, dass er nun seinen ...

Mit schöner Regelmäßigkeit erscheint jedes Jahr ein neuer Roman aus dem Reacher-Universum. Ob das zukünftig so bleiben wird sei dahin gestellt, hat Lee Child doch kürzlich bekanntgegeben, dass er nun seinen Ruhestand genießen möchte und deshalb den Staffelstab an seinen Bruder weiterreicht, der die Reihe fortführen soll. Zunächst mit ihm als Co-Autor, später allein.

„Der Bluthund“ stammt allerdings noch aus seiner Feder, obwohl er sich, zumindest inhaltlich, von den Vorgängern unterscheidet. Der einsame Wolf zeigt zu Beginn seine emotionale Seite, die wir so nicht von ihm kennen. Auch wenn sie nur von kurzer Dauer war, trauert er der Begegnung mit einer außergewöhnlichen Frau hinterher. Ja, richtig, er hat Liebeskummer, aber keine Angst, kurz nach der Eröffnungssequenz verfällt er wieder in alte Muster und schlägert, was das Zeug hält.

Wesentlich überraschender als Reachers Melancholie ist allerdings die eigentliche Storyline. In einem Kaff in Wisconsin entdeckt er in einer Pfandleihe einen Westpoint-Ring, Symbol für die erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung an der renommierten Militärakademie. Die ehemalige Besitzerin - dass es eine Frau sein muss, schließt er aus der Größe des Rings - muss in einer großen finanziellen Notlage gewesen sein, wenn sie sich von ihm getrennt hat. Reacher, selbst hochdekorierter Ex-Militär, beschließt, den Ring der Eigentümerin zurückzugeben, aber das gestaltet sich schwieriger als erwartet.

Und da wären wir schon bei der zweiten Überraschung, mit der dieser Roman (im Original 2017 erschienen) aufwartet. Auch wenn er die alten Verhaltensmuster des Protagonisten beibehält, beschäftigt sich der Autor mit einem für die Vereinigten Staaten gesellschaftlich relevanten Thema, denn die im Irak-Einsatz schwerverletzte Veteranin ist abhängig von Schmerzmitteln und musste für deren Beschaffung den Ring versetzen.

Dass die Opioid-Krise ein großes, ein flächendeckendes Problem in den USA ist, dürfte mittlerweile bekannt sein. Ob Stadt oder Land, reich oder arm, die Schmerzmittel-Sucht zieht sich durch alle Schichten. Zur Information, zwischen 1999 und 2017 sind nach Behördenangaben fast 400.000 Menschen in den USA an den Folgen von Opioid-Missbrauch gestorben. Und das sind nur die offiziellen Zahlen, die Dunkelziffer dürfte weit höher sein.

Lee Child hat dieses wichtige Thema in eine gewohnt actionreiche Handlung gepackt, spannend und unterhaltsam inszeniert. Für mich ohne Frage ein Highlight der Reihe. Gerne mehr davon, Mr Child!