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Veröffentlicht am 25.04.2020

Eine Reise zurück in die italienische Renaissance

Raffael - Das Lächeln der Madonna
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Raffael, geboren 1483 in Urbino, gestorben 1520 gestorben ihn Rom. Maler und Architekt der Renaissance, dieser faszinierenden Epoche, der wir so viele weltberühmte Werke und Baudenkmäler verdanken. Zeitgenosse ...

Raffael, geboren 1483 in Urbino, gestorben 1520 gestorben ihn Rom. Maler und Architekt der Renaissance, dieser faszinierenden Epoche, der wir so viele weltberühmte Werke und Baudenkmäler verdanken. Zeitgenosse Michelangelos und Leonardos, Womanizer und Madonnenmaler. Ein Ausnahmekünstler mit vielen Facetten.
Und genau dieser Raffael steht im Zentrum des Romans von Noah Martin, der damit nicht nur eine lesenswerte Künstlerbiografie sondern auch einen historischen Roman geschrieben hat, der den Leser in das Italien einer längst vergangenen Zeit entführt.

Sein Werdegang ist erstaunlich. Früh auf sich allein gestellt, übernimmt der talentierte Junge die Malerwerkstatt seines Vaters, verlässt seine Heimat wegen politischer Unruhen in Richtung Perugia und holt sich bei Meister Perugino den letzten Schliff. Hier entstehen auch seine ersten Meisterwerke. Über Città di Castello dann nach Florenz und schlussendlich nach Rom. Seine Dienste stellt er überwiegend dem Klerus zur Verfügung, aber nimmt auch Aufträge solventer Bürger an.

Er ist ruhelos, im Leben wie in der Liebe, und es sind viele Frauen, die seinen Weg kreuzen. Doch keiner fühlt er sich so verbunden wie Margaretha Luti, der Fornarina, der er in zahlreichen Bildern ein Denkmal setzt. 1520 stirbt er, gerade einmal 37 Jahre alt.

Veröffentlicht am 25.04.2020

Konnte mich leider nicht überzeugen

Der gute Cop
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Dundurn ist eine (fiktive) Kleinstadt im Osten Kanadas, deren besten Tage längst vorbei sind. Aber das soll sich nach dem Willen des ambitionierten Bürgermeisters ändern. Er hat einen Großinvestor an Land ...

Dundurn ist eine (fiktive) Kleinstadt im Osten Kanadas, deren besten Tage längst vorbei sind. Aber das soll sich nach dem Willen des ambitionierten Bürgermeisters ändern. Er hat einen Großinvestor an Land gezogen, der im Hafen ein Museumsprojekt realisieren möchte, in dessen Zentrum zwei 1813 versunkene Schoner stehen sollen. Eine einmalige Chance, um Touristen anzuziehen und das Städtchen wieder zum Leben zu erwecken. Zu früh gefreut, denn durch unerwartete Leichenfunde beim Ausbaggern des Hafenbeckens steht plötzlich das gesamte Vorhaben auf der Kippe. Die beiden Toten im Kofferraum des Oldtimers scheinen weniger das Problem, liegen sie wohl bereits seit Jahrzehnten im Wasser. Aber dann sind da noch die Leichen in den Betonsäulen, die offenbar neueren Datums sind und mit weiteren Toten auf dem Grundstück einer Biker-Gang in Zusammenhang stehen. Bloß ein Bandenkrieg, oder steckt etwa mehr dahinter? Und als ob das noch nicht genug wäre, treibt auch noch ein rassistischer Serienmörder in der Gegend sein Unwesen, der es auf erfolgreiche Frauen mit Migrationshintergrund abgesehen hat. Klar, dass Detective Superintendent MacNeice und sein Team alle Hände voll zu tun haben.

Einige Bemerkungen vorweg: Im Original liegen bereits vier Bände mit MacNeice plus Team vor. Da es in „Der gute Cop“ (zweiter Teil der Reihe), speziell was die Vergangenheit und die Beziehungen der Personen angeht, einige Verweise auf den Vorgänger gibt, stellt sich mir die Frage, warum man bei der Veröffentlichung nicht chronologisch vorgegangen ist. Des Weiteren erschließt sich mir die Wahl des Titels nicht wirklich. Offenbar soll signalisiert werden, dass hier ein neuer Protagonist am Start ist, aber „gut“ ist in diesem Zusammenhang sehr beliebig und wenig aussagekräftig. Dazu kommt der irrenführende Klappentext. MacNeice spricht weder mit seiner toten Frau (er träumt von ihr) noch mit den Vögeln, die er beobachtend zur Kenntnis nimmt. Hier wäre größere Sorgfalt bei der Erstellung geboten gewesen.

Wir haben es hier mit einem astreinen „Police Procedural“ zu tun, in dem die Arbeit des Teams um MacNeice sehr kleinteilig geschildert wird, was im Lauf der Handlung immer wieder zu Längen führt. Manches davon ist wichtig, anderes wird offenbar nur erwähnt, um die Seiten zu füllen. Leider geht das stellenweise sehr zu Lasten der Spannung. Und auch die Beschreibung der Personen fällt sehr verschieden aus. Bei einigen gibt sich der Autor große Mühe, obwohl sie nur einen kurzen Auftritt haben, andere werden, obwohl wesentlich an den Ermittlungen beteiligt, eher oberflächlich abgehandelt.

Meine hohen Erwartungen an diesen Kriminalroman wurden leider nicht erfüllt. Es gibt zwar interessante Ansätze, aber schlussendlich ist mir die gesamte Story „zu dünn“ und hätte auch auf der Hälfte der Seiten abgehandelt werden können.

Veröffentlicht am 22.04.2020

Schlechte Recherche killt das Thema

American Dirt
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In den Vereinigten Staaten hat „American Dirt“ für Furore gesorgt. In Ophra’s Book Club „Buch des Monats“, von John Grisham, Stephen King und anderen Berühmtheiten als Meisterwerk gefeiert, Bestsellerlisten ...

In den Vereinigten Staaten hat „American Dirt“ für Furore gesorgt. In Ophra’s Book Club „Buch des Monats“, von John Grisham, Stephen King und anderen Berühmtheiten als Meisterwerk gefeiert, Bestsellerlisten gestürmt. Marketing-Plan aufgegangen. Dann aber hagelt es Kritik, überwiegend von lateinamerikanischen Autoren. Zum einen bescheinigen sie Cummins Unkenntnis und Eindimensionalität, zum anderen machen sie den Verlagen den Vorwurf, weiße Schriftsteller zu bevorzugen.

Aber worum geht es in diesem Roman? Bei einer Schießerei wird eine mexikanische Großfamilie ausgelöscht, einzig Lydia und ihr Sohn überleben durch einen glücklichen Zufall. Die Flucht nach Amerika scheint ihre einzige Option zu sein, um den Killern der Narcos zu entkommen. Und so begeben sie sich, ausgestattet mit dem Nötigsten, aber genügend Bargeld und Scheckkarten, auf die Reise gen Norden. Wie so viele Migranten vor ihnen, soll sie der berüchtigte Güterzug „La Bestia“ ins gelobte Land bringen.

Selbst wenn man der Autorin gute Absichten unterstellt, der Roman ist nicht gelungen.

Zu viel Zuckerguss und Realitätsferne, zu wenig Empathie und gründliche Recherche. Detaillierte geografische Eckpunkte zu benennen reicht leider nicht aus. Die Kartellproblematik wird nur gestreift, die Menschen und deren Schicksal, die Lydia und Luca auf ihrem Weg begegnen, erfüllen jedes Klischee. Nein, halt, doch nicht. Drogenbaron Javier fällt völlig aus dem Rahmen. Ein Schöngeist, sexy Latino, smart bis zum Abwinken, mit einem Faible für anspruchsvolle Literatur. Hallo???

Kann man lesen, muss man aber nicht, wenn man sich für Mexiko, die Drogen, die Kartelle und die Migranten interessiert. Da gibt es wahrlich auch im Unterhaltungsbereich wesentlich besser recherchierte und beeindruckendere Romane: Ortunos „Die Verbrannten“, Hawkens „Kojoten“ oder Don Winslows Border Trilogie.

Veröffentlicht am 19.04.2020

Abwechslung auf dem Teller mit überschaubarem Aufwand

Come Together
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„Come together“. Klingt momentan etwas befremdlich, oder? Aber es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Zeiten, an denen sich die Großfamilie, Freunden und Verwandte um den Tisch versammeln werden. ...

„Come together“. Klingt momentan etwas befremdlich, oder? Aber es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Zeiten, an denen sich die Großfamilie, Freunden und Verwandte um den Tisch versammeln werden. Üppig gedeckt, mit leckeren Köstlichkeiten, die wir gemeinsam verzehren.

„Alles aus einem Topf: 100 Rezepte, die glücklich machen“ , so der Untertitel des Kochbuchs von Darina Allen, irische Köchin, Kochschulen-Betreiberin und Mitinitiatorin der dortigen Slow Food Bewegung. Genau dieses kleine Glück benötigen wir in der derzeitigen Situation. Und wenn uns damit auch noch das verhasste Abspülen überflüssigen Kochgeschirrs erspart bleibt, umso besser.

Die Rezepte sind überwiegend für 4 – 8 Personen konzipiert, eingeteilt nach dem richtungsweisenden Hauptbestandteil: Eier, Geflügel, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Gemüse, Reis und Getreide und Pasta, Süße Sachen, abgerundet durch ein detailliertes Register. Bei den Fleischgerichten liegt der Schwerpunkt – wie könnte es bei einer irischen Kochbuchautorin auch anders sein – auf Lamm. Ansonsten nimmt uns die Autorin auf eine kulinarische Reise rund um den Erdball mit: Indische Arme Ritter, Römisches Hähnchen mit Rosmarin-Fritten und Thymian, Masala-Lammstelzen, Mediterraner Meerestopf mit Aioli-Crostini, Griechische Spinat-Käse-Pastete, Perl-Couscous mit Granatapfel und Cashewkernen, Zwetschgen-Clafoutis.

Die einzelnen Zutaten klingen exotischer als sie sind. Vieles davon hat ist, wenn man regelmäßig kocht, eh vorhanden oder im gut sortierten Supermarkt erhältlich. Lediglich bei Freekeh, einem grün geröstetem Weizen, musste ich passen. Ich habe ihn durch die entsprechende Menge Dinkel ersetzt und es hat funktioniert. Der zeitliche Aufwand für die Vorbereitung ist überschaubar, und wenn die Zutaten erste einmal im Topf, der Pfanne, der Auflaufform oder dem Blech sind, geht es quasi wie von selbst.

Ein wunderbares Kochbuch, das Abwechslung auf den Teller bringt. Für Anfänger und Küchenprofis gleichermaßen geeignet.

Veröffentlicht am 17.04.2020

Viel Wohlwollen und wenig Distanz

Dear Oxbridge
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Oxford und Cambridge. Welche Assoziationen verbindet man mit diesen Begriffen? Englische Eliteuniversitäten, Jobgarant für die Absolventen, traditionsreich, teuer. Traum vieler angehender Akademiker, speziell ...

Oxford und Cambridge. Welche Assoziationen verbindet man mit diesen Begriffen? Englische Eliteuniversitäten, Jobgarant für die Absolventen, traditionsreich, teuer. Traum vieler angehender Akademiker, speziell im geisteswissenschaftlichen Bereich. So auch für Nele Pollatschek, die besessen von dem Wunsch ist, dort zu studieren. Bis sich dies erfüllt, gilt es aber einige Hindernisse zu überwinden. Nicht zuletzt, muss sie die komplizierten Auswahlverfahren erfolgreich absolvieren. Das gelingt, allerdings erst im zweiten Anlauf, und so kann sie in die altehrwürdigen Hallen (und eine zugige Schuhschachtel-Kammer) einziehen.

In „Dear Oxbridge. Liebesbrief an England“ resümert sie ihre sechsjährige Studienzeit als Innenansicht eines akademischen Betriebs. Mit viel Wohlwollen und wenig Distanz beschreibt sie den studentischen Alltag, den immensen Druck durch kurzfristige Deadlines für die Abgabe der Hausarbeiten und ein System, das darauf ausgerichtet ist, die Fähigkeit des eigenständigen Denkens zu fördern und zu fordern. Nichts, was man nicht auch über das Studium an einer Traditionsuniversität hierzulande berichten könnte. Mit einer Ausnahme. Bei uns wurden/werden Studenten nicht mit Psychopharmaka abgefüttert, wenn sie eine Erkältung haben.

Das interessanteste Kapitel ist jenes über die „Rote Hosen Gang“. Stiff upper lip, die Abgehobenheit, Realitätsferne und der Empathiemangel derjenigen, die bereits in teuren Privatschulen auf den Studienabschluss in Oxbridge vorbereitet werden, ist zwar bekannt, aber dennoch nicht minder erschreckend. Zumal es ja hinreichend bekannt sein dürfte dass sie dort auf ihre späteren einflussreichen Positionen in Politik, Wirtschaft und Industrie gedrillt werden. Und hier stellt sich mir die Frage, was ein Oxbridge-Abschluss wirklich wert ist. Um dies zu beantworten, muss man sich nicht nur den jetzigen Premier sondern auch seine Vorgänger anschauen, um zu begreifen, welche Funktionen diese Universitäten haben.

Randbemerkung: Den abgründigen Humor habe ich vergeblich gesucht, und Augen öffnen können diese Essays nur dem Leser, der England und seine Historie nicht kennt. Die Ursachen des Brexit haben sie jedenfalls nicht erklärt.