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Veröffentlicht am 07.01.2024

KIllers of the Flower Moon

Das Verbrechen
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Ab den nächsten Tagen ist „Killers of the Flower Moon“ bei einem Streamingdienst auch in Deutschland verfügbar. Eine gute Gelegenheit, um auf David Granns True-Crime-Thriller „Das Verbrechen“ hinzuweisen, ...

Ab den nächsten Tagen ist „Killers of the Flower Moon“ bei einem Streamingdienst auch in Deutschland verfügbar. Eine gute Gelegenheit, um auf David Granns True-Crime-Thriller „Das Verbrechen“ hinzuweisen, der die mysteriösen Morde an den indigenen Osage in Oklahoma zum Thema hat und die Vorlage für den Film liefert.

Ich habe das Buch kurz nach Erscheinen 2017 erstmals gelesen. Damals waren in den Nachrichten Bilder von den Protesten gegen die Verlegung der Öl-Pipeline durch das Stammesterritorium der Standing Rock Sioux allgegenwärtig. Heiliger Boden wurde entweiht, die Wasserversorgung zerstört, weil die Profitinteressen der Betreiberfirma (an der auch der damalige US-Präsident beteiligt war) an erster Stelle standen und die Besitzer des Landes ihrer Rechte beraubten.

Es war also ein guter Zeitpunkt, zu dem David Granns True Crime-Story „Das Verbrechen“ erschien, zeigte es doch, dass sich in den Vereinigten Staaten nichts am Umgang mit den Indigenen geändert hat. Vor allem dann, wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. Man muss sich nur die Vorgehensweise der Regierungsorganisationen ansehen: Ein wertloses Stück Land wird zum Reservat erklärt, der Stamm umgesiedelt, aber wehe, es werden Bodenschätze jedweder Art auf dem Gebiet vermutet, dann setzt man alles daran, die Bewohner zu vertreiben.

Ähnliches geschah zwischen 1910 und 1930 in Oklahoma im Reservat der Osage-Indianer. Es stellte sich heraus, dass der Stamm auf einem unvorstellbar großen Ölfeld saß, dessen Erträge den Menschen ungeahnten Wohlstand bescherte. Das ging solange gut, bis Außenstehende bzw. Nicht-Stammesangehörige darauf aufmerksam wurden. Und plötzlich häuften sich die mysteriösen Todesfälle unter den Osage, Dutzende fielen ihnen zum Opfer. Wer nun aber glaubt, dass man von Regierungsseite alles unternommen hätte, um diese Mordserie aufzuklären, täuscht sich. Im Gegenteil.

In der besten Tradition des amerikanischen Reportage-Journalismus, wie wir ihn beispielsweise von Jon Krakauer kennen, hat sich David Grann diesem Thema genähert und die Osage-Morde in seinem Buch „Das Verbrechen“ näher betrachtet. Er ordnet die Vorgänge in drei Bereiche: Im Zentrum des ersten Teils stehen die Osage-Frauen, repräsentiert von Mollie Burkhardt und ihrer Familie, die fast ausnahmslos der Mordserie zum Opfer fallen. Teil zwei schildert die Ereignisse aus der Sicht von Tom White als Vertreter des neu gegründeten Federal Bureau of Investigation (FBI) und zeigt, dass diese Institution weit davon entfernt ist, den Osage Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Im Gegenteil, auch die Vertreter des FBI sind vornehmlich bestrebt, sich die Taschen zu füllen. Und im dritten Teil schließlich beschreibt der Autor seine Recherche, die ihn zweifelsfrei zu dem Schluss kommen lässt, dass die Zahl der Opfer unter den Osage um ein Vielfaches größer als bisher angenommen und bekannt ist.

Granns Buch geht schonungslos ins Detail, zeigt die Skrupellosigkeit der Beteiligten, ist dabei komplex und fordert zu jedem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit des Lesers. Ein spannendes Sachbuch, das einmal mehr ein beschämendes, schmutziges Kapitel der amerikanischen Historie ans Licht bringt. Lesen!

Veröffentlicht am 04.01.2024

Debüt mit Schwächen

Wer den Löffel abgibt
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Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: ...

Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: Ein Backwettbewerb mit sechs Teilnehmern, bei dem es gilt, in täglichen Challenges sein Können zu beweisen, um am Ende auf dem Siegerpodest zu stehen. Ergänzt wird dies allerdings relativ früh durch einen Leichenfund und zahlreiche Sabotageakte während des Wettbewerbs, was dem Roman einen Dreh in Richtung ‚Cozy crime‘ verpasst.

Aber sowohl die Repräsentanten des Veranstalters als auch die Teilnehmer sind samt und sonders höchst unsympathisch, verbissen und nicht wählerisch in der Wahl ihrer Mittel, wenn es darum geht, den Konkurrenten zu schaden und ihre eigene Position zu verbessern.

„Wer den Löffel abgibt“ ist nach Bilderbüchern, Comics und Graphic Novels, allesamt dialogbasierte Medien, der erste Roman der Autorin, und das merkt man. Gute Ansätze sind zwar vorhanden, aber leider so ausgeführt, dass daraus weder ein spannender Krimi noch ein befriedigender Roman wird. Nach meinem Dafürhalten liegt das in erster Linie daran, dass die Autorin kapitelweise die Perspektiven wechseln lässt und es versäumt, Verbindungen zu schaffen. Die Übergänge sind mir zu abrupt, so dass ich die aus einem Guss erzählte Story vermisst habe. Das schafft Distanz zu den Personen, die sich auch leider im Verlauf der Geschichte nicht verliert. Und was definitiv auch viel zu kurz gekommen ist, war die Spannung, denn gemordet wird erst relativ spät. Bis dahin passiert außer der eher oberflächlichen Beschreibung der einzelnen Aufgaben des Wettbewerbs reichlich wenig.

Eine Lektüre für zwischendurch. Schnell gelesen, aber leider auch schnell wieder vergessen. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 02.01.2024

Desperta ferro!

Essex Dogs
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Wenn ein gestandener Historiker einen Ausflug in die Belletristik unternimmt, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hält er sich an die historisch verbürgten Fakten, behält das große Ganze im Blick, ergänzt ...

Wenn ein gestandener Historiker einen Ausflug in die Belletristik unternimmt, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hält er sich an die historisch verbürgten Fakten, behält das große Ganze im Blick, ergänzt dieses und erweckt es in seinem Roman zum Leben, oder er greift eine einzelne Persönlichkeit bzw. ein Ereignis heraus, biegt sich im einen oder anderen Fall die Fakten zurecht und nutzt sie lediglich als Hintergrund für einen historisch inspirierten Roman, in dessen Zentrum nicht die Historie sondern individuelle Schicksale stehen.

Mit den „Essex Dogs“, Auftakt einer geplanten Trilogie, ist es dem englischen Historiker und Bestsellerautor Dan Jones gelungen, diesen beiden Möglichkeiten zu verbinden. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Roman über eine zehnköpfige Söldnertruppe, die 1346 in den Anfangstagen des Hundertjährigen Krieges im Auftrag des englischen Königs Edward in der Normandie an Land geht, um dessen Anspruch auf den französischen Thron im Zuge einer großangelegten Invasion durchzusetzen. Die Normandie ist allerdings nur der Anfang einer Reise, in der die Essex Dogs zahlreiche Scharmützel überleben müssen, bis die am Ende Crécy erreichen, wo die entscheidende Schlacht geschlagen wird.

Die titelgebenden Dogs sind ein bunter Zusammenschluss aus zehn Männern aus den verschiedensten Ecken Englands, die für jeden in die Schlacht ziehen, der sie bezahlt und damit ihren Lebensunterhalt sichert. Angeführt werden sie von Loveday Fitz Talbot, einem erfahrenen Veteran, der allerdings allmählich des Kämpfens überdrüssig wird. Zu viele Freunde hat er schon auf den Schlachtfeldern verloren. Ins Grübeln kommt er insbesondere dann, wenn er sich den sechzehnjährigen Romford, den jüngsten seiner drei Bogenschützen anschaut, der in der zweiten Buchhälfte als Knappe dem verzogenen Sohn des Königs zugeteilt wird.

Loveday und Romford, es sind genau diese beiden Männer, die den Beschreibungen der Schlachten, in die die Dogs involviert sind, Tiefe und Dramatik verleihen. Leider hat Jones darauf verzichtet, die Charaktere der übrigen acht Männer annähernd so detailliert wie diese beiden zu beschreiben. Umso mehr konzentriert er sich auf die Darstellung der Schlachten, das Wühlen im Dreck, die Grausamkeiten und das dreckige Handwerk des Tötens. Angereichert werden diese Beschreibungen des Söldnerlebens durch nachdenkliche Passagen, aber teilweise auch entschärft durch jede Menge Flüche und schwarzhumorige Kommentare.

Eine spannende und fesselnde Saga im Stil bekannter Serienformate, die gelungen Fakten und Fiktion verbindet, aber mehr Wert auf die Beschreibung von Actionszenen als auf historischer Genauigkeit legt. Wer sich für Militärgeschichte interessiert, wird hier weniger auf seine Kosten kommen als diejenigen, die eine unterhaltsame Story über eine von kriegerischen Auseinandersetzung geprägte Epoche des dunklen Mittelalters lesen möchten.

Veröffentlicht am 28.12.2023

Ein unausgegorener Reihenauftakt

Twelve Secrets -
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Platzierungen auf Bestenlisten können zwar Verkaufszahlen widerspiegeln, geben aber selten eine Auskunft über die Qualität eines Buches, was zahlreiche Beispiele belegen. Werfen wir einen Blick auf Robert ...

Platzierungen auf Bestenlisten können zwar Verkaufszahlen widerspiegeln, geben aber selten eine Auskunft über die Qualität eines Buches, was zahlreiche Beispiele belegen. Werfen wir einen Blick auf Robert Golds Debüt „Twelve Secrets“, hochplatziert in der Sunday Times Bestenliste. Ein Thriller, der das in Großbritannien für Spannungsliteratur beliebte Sujet „eine Kleinstadt und die Geheimnisse ihrer Bewohner“ plus die Suche nach einem Mörder zum Thema hat.

Ben Harper, ein Journalist, der sich mit True Crime Fällen beschäftigt, wird von seiner Vorgesetzten genötigt, zum Todestag seiner Mutter, die sich das Leben genommen hat, einen Artikel zu schreiben. Als Grund für ihren Selbstmord wird der tragische Tod ihres Sohns, Bens Bruder, vermutet. Aber ist dem wirklich so? Um das herauszufinden, muss Ben in sein Heimatstädtchen Haddley zurückkehren und tief in der Vergangenheit graben. Und natürlich gelangt dabei jede Menge verborgener Dreck in Form der „Twelve Secrets“ an die Oberfläche. Als dann auch noch während seines Aufenthaltes ein Mord geschieht, schließt Ben sich mit PC Dani Cash zusammen (wobei dieser allerdings recht wenig Raum gewidmet wird), und gemeinsam versuchen die beiden, unter Missachtung sämtlicher Regeln der Polizeiarbeit, den/die Mörder/in dingfest zu machen.

Der Thriller besteht aus zwei Teile. Teil1 legt Spuren und listet kapitelweise die Geheimnisse der jeweiligen Personen auf, wobei Gold ganz tief in die Klischee-Kiste greift und gefühlt alles an Verfehlungen aufbietet, was man sich vorstellen kann. Dazu kommt noch, dass sehr oft weder die zeitliche noch die personelle Einordnung klar ersichtlich ist. In Teil 2 hingegen versucht der Autor Verbindungen herzustellen, wobei jede Menge (gar nicht so unerwarteter) Wendungen zum Einsatz kommen, bevor die Story in einem abstrusen Finale endet.

Ein unausgegorener Reihenauftakt, der leider nicht zu überzeugen vermag.

Veröffentlicht am 21.12.2023

Kein großer Wurf. Leider.

Die Stunde der Reporterin
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Chicago, die fünfziger Jahre. Eine taffe Zeit für eine junge Frau, die in einer Männerdomäne Fuß fassen will. Speziell dort, wo Dinosaurier an den Hebeln sitzen, für die in erster Linie das Geschlecht ...

Chicago, die fünfziger Jahre. Eine taffe Zeit für eine junge Frau, die in einer Männerdomäne Fuß fassen will. Speziell dort, wo Dinosaurier an den Hebeln sitzen, für die in erster Linie das Geschlecht die Qualifikation für die Stellenbesetzung ist.

Das muss auch Jordan Walsh erfahren, die bei der Chicago Tribune durchstarten will. Getrieben von dem Wunsch zu schreiben, möchte sie die Familientradition – Mutter Schriftstellerin, Vater renommierter Journalist – fortführen. Sie ist intelligent, talentiert und ehrgeizig, aber das bewahrt sie nicht davor, für den Klatsch und Tratsch der Gesellschaftsseiten eingesetzt zu werden. Das typische Einsatzgebiet für eine Anfängerin und Arbeit, die sie zähneknirschend erledigt. Aber dennoch verliert sie ihr Ziel nicht aus den Augen. Sie möchte in die Nachrichtenredaktion, die eine große Story schreiben, die ihr dort einen Platz sichern soll.

Wer Val McDermids Roman um Allie Burns „1979“ gelesen und „Mad Men“ gesehen hat, bekommt einen Eindruck davon, wie es in den Büros der von Männern dominierten Redaktionen und Agenturen zugeht, in denen Frauen kein Bein auf den Boden bekommen. Die Chicago Tribune ist da keine Ausnahme. Dennoch fällt es schwer, Sympathie für Jordan Walsh zu entwickeln. Zu verbissen, zu unsolidarisch. „Die Stunde der Reporterin“ zeigt ihren Arbeitsalltag ungeschönt, aber auch immer wieder die Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt ist und die sie ohne mit der Wimper zu zucken nach unten durchreicht. Das ist gut gelungen.

Aber leider nimmt der Blick auf die Korruption und die mafiösen Strukturen innerhalb der Windy City für meinen Geschmack viel zu wenig Raum ein. Hier hatte ich mir wesentlich mehr erwartet. Dafür gibt es jede Menge Namedropping und banales Füllmaterial, das der Story Authentizität verleihen soll, letztendlich diese aber ausbremst und zerfasert.

Leider nicht der erwartete große Wurf. Schade.