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Veröffentlicht am 09.08.2023

Verpatzte Fortsetzung

Der Sündenbock
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Seit 1997 ist pünktlich wie ein Uhrwerk ein neuer Band aus Lee Childs Reacher-Reihe erschienen. Immer wieder die passende Sommerlektüre, actionlastig und auf die Person des Einzelgängers konzentriert, ...

Seit 1997 ist pünktlich wie ein Uhrwerk ein neuer Band aus Lee Childs Reacher-Reihe erschienen. Immer wieder die passende Sommerlektüre, actionlastig und auf die Person des Einzelgängers konzentriert, ohne großen Anspruch. Ende 2018 habe ich in London eine Veranstaltung mit dem Autor besucht, in der er ankündigte, dass er „in Rente“ geht und deshalb sein Bruder Andrew die Serie fortschreibt. Klar, die Cash Cow sollte in der Familie bleiben, aber bereits in „Die Hyänen“ war zu erkennen, dass dieser Wechsel sich nicht unbedingt förderlich auf das gewohnte Konzept auswirken wird. Nun also „Der Sündenbock“ (The Sentinel, 2020), zum ersten Mal mit dem Namen des Nachfolgers auf dem Cover.

Die Story in Kürze: Reacher kommt in eine Kleinstadt in Tennessee. Sieht, wie Schläger einen Mann verfolgen. der sich später als der IT-Verantwortliche des Städtchen entpuppen wird, das von einem Ransomware-Angriff lahmgelegt wurde. Wie üblich verprügelt Reacher die Schläger und erfährt von dem Geretteten, der sich als der IT-Verantwortliche des Städtchens entpuppt, dass ein Ransomware-Angriff die gesamte Infrastruktur lahmgelegt hat und man ihn dafür verantwortlich macht. Und natürlich tauchen die üblichen Verdächtigen auf, die verantwortlich sind und sich in die Politik von Good’s own country einmischen wollen. Gibt’s eigentlich ein einziges Klischee, das Andrew Child ausgelassen hat? Okay, der altmodische Reacher ist nun in der Gegenwart angekommen, aber muss der wortkarge Einzelgänger nun auch zu einem Schläger ohne persönliche Moral und einer Plaudertasche werden?

Das war nix. Zu viel Andrew, zu wenig Lee. Klischeehafte Handlung, keine Spannung, unterirdische Sprache. Für mich ist es definitiv jetzt an der Zeit, die Zelte abzubrechen und weiterzuziehen.

Veröffentlicht am 03.08.2023

Von Spannung keine Spur

Die letzte Nacht
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Karin Slaughters Grand County Reihe habe ich gerne gelesen, waren diese Krimis/Thriller doch immer raffiniert geplottet und ausnahmslos spannend. Als die Autorin dann beschlossen hat, Will Trent und die ...

Karin Slaughters Grand County Reihe habe ich gerne gelesen, waren diese Krimis/Thriller doch immer raffiniert geplottet und ausnahmslos spannend. Als die Autorin dann beschlossen hat, Will Trent und die unsäglich nervende Faith einzuführen und mit ihnen eine neue Serie zu starten, bin ich davon ausgegangen, dass sie das gewohnte Niveau halten kann. Weit gefehlt. Zwar hoffe ich noch immer, dass sie zu alter Stärke zurückfindet, aber auch mit dem aktuellen, als Thriller beworbenen Band „Die letzte Nacht“, konnte sie bei mir leider nicht punkten.

Die zugrunde liegende Story wurde schon vielfach in diversen Kriminalromanen von wesentlich talentierteren Autorinnen erzählt. Vergewaltigung ist immer ein heikles Thema, das es mit Fingerspitzengefühl zu behandeln gilt, und das bekommt Frau Slaughter einfach nicht hin. Ihr geht es immer um Schockmomente und drastische Darstellungen, bei denen es möglichst brutal und abartig zugeht und bei den Leserinnen Gänsehautmomente hervorrufen.

Tja, und auch Täter und Motiv sind nicht außergewöhnlich, im Gegenteil. Wer Geld und Ansehen hat, kann sich alles erlauben, so die gängige Überzeugung, und schon ist damit ein Konsens mit den Leser*innen hergestellt. Das ist einfach nur plump und vorhersehbar. Wenn es dann wenigstens noch spannend wäre, aber nein. Die Story verliert sich im langatmigen Graben in der Vergangenheit und Sara Lintons halbherzigen Selbstreflexionen, die jeden Ansatz von Spannung ausbremsen und das Lesen zu einer zähen Angelegenheit machen. Absolut nicht mein Fall.

Veröffentlicht am 23.07.2023

Enttäuschend uninspiriert

1989 - Wahrheit oder Tod
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Die Pressekonzentration hat Ende der achtziger Jahre rasant zugenommen, fast alle Printmedien befinden sich mittlerweile in den Händen zweier einflussreicher Mogule. Einer ist Ace Lockhart, Allie Burns‘ ...

Die Pressekonzentration hat Ende der achtziger Jahre rasant zugenommen, fast alle Printmedien befinden sich mittlerweile in den Händen zweier einflussreicher Mogule. Einer ist Ace Lockhart, Allie Burns‘ neuer Chef. Skrupellos, nur den Verkaufszahlen und dem Profit verpflichtet. Auch das Nachrichtenmagazin, für das sie arbeitete, ist im Besitz Lockharts und zu dem typischen Tabloid mit den reißerischen Schlagzeilen verkommen. Investigativer Journalismus ist nicht mehr gefragt, was die mittlerweile in Manchester lebende Allie schmerzhaft feststellen muss. Eine ihrer Reportagen, die die unhaltbaren Zustände in der (Nicht-)Behandlung von HInfizierten in Schottland, deren Übersiedlung nach England und den Machenschaften der Pharmaindustrie schildert, erscheint zwar, wurde allerdings auf Anweisung des Herausgebers stark modifiziert und hat nichts mehr mit Allies eigentlichem Artikel zu tun.

Es hätte dem Roman mit Sicherheit nicht geschadet, wenn McDermid tiefer in diese Themen eingestiegen wäre. Ob das nun die Pressekonzentration und ihre Auswirkungen, die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen in den überwiegend männlich geprägten Redaktionen, die verheerenden Auswirkungen, die Thatchers Politik für GB hatte, Aids im Spiegel der Öffentlichkeit, die Katastrophen von Lockerbie und Hillsborough (werden zumindest am Rande erwähnt) und…und…und

Stattdessen schickt McDermid ihre Protagonistin nach Ost-Berlin, wo diese sich in eine mehr als lächerliche Fluchtgeschichte verwickeln lässt, die sie – natürlich – in den Stasiknast bringt. Aber es geht noch wesentlich schlimmer. Die gefakte Entführung von Tycoons Töchterlein.Was sich die Autorin dabei gedacht hat, lässt sich noch nicht einmal vermuten. Für die Handlung war dies jedenfalls meiner Meinung nach überflüssig wie ein Kropf.

Langer Rede, kurzer Sinn:1989“ ist enttäuschend uninspiriert und hält dem Vergleich mit dem Vorgänger leider in keinster Weise stand. Von der gelernten Journalistin Val McDermid erwarte ich mehr als eine Aneinanderreihung uninteressanter Ereignisse und eine Playlist am Ende des Buches.

Veröffentlicht am 20.07.2023

Biedere Hausmannskost ohne Raffinesse

Trügerisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 9)
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Urlaubskrimis haben Hochkonjunktur, und es gibt kaum eine Region, die außen vor bleibt. Mit Abstand am beliebtesten bei den Leserinnen und Lesern ist Frankreich, und neben der Bretagne insbesondere die ...

Urlaubskrimis haben Hochkonjunktur, und es gibt kaum eine Region, die außen vor bleibt. Mit Abstand am beliebtesten bei den Leserinnen und Lesern ist Frankreich, und neben der Bretagne insbesondere die sonnige Provence Hier ist Remy Eyssens Lavandou-Reihe verortet, in deren Zentrum der aus Deutschland stammende Gerichtsmediziner Leon Ritter samt seiner Lebensgefährtin Isabelle Morell, stellvertretende Polizeichefin der ortsansässigen Polizei, steht.

Im neunten Band „Trügerisches Lavandou“ hält eine Kindesentführung das Team rund um Isabelle in Atem. Die beiden Kleinkinder Lucas und Luisa sind verschwunden und die Lösegeldforderung des Entführers stellt die verschuldeten Eltern vor große Probleme. Es gibt zahlreiche Hinweise und Verdächtige, aber im Laufe der Ermittlungen erweisen diese sich immer wieder als falsche Fährten. Das Interesse der Medien ist groß, die Zeit drängt und mit jedem Tag, der ergebnislos verstreicht, sinkt die Wahrscheinlichkeit, die Kinder lebend aufzufinden und zu ihrer Familie zurückzubringen.

Dieser Band der Reihe hat meine Geduld deutlich überstrapaziert. 530 Seiten Ermittlungsarbeit, die sich permanent im Kreis dreht und zu keinen neuen Ergebnissen kommt. Verdächtigungen und Nachforschungen, die sich nach kurzer Zeit als heiße Luft entpuppen. Unnötig aufgeblasene, unglaubwürdige Story. Zäh, langatmig und mit jeder Menge Wiederholungen. Die üblichen Außenseiter mit ihren Macken, die sie natürlich sofort an exponierte Stelle im Kreis der Verdächtigen katapultieren. Konventioneller, altbackener Stil. Dazu dann noch die zahlreichen Passagen aus dem Zettelkasten, die wir fast wortgetreu bereits in den Vorgängern gelesen haben. Das unvermeidliche Boule-Match mit den überheblichen Touristen, „La Mer“ im Radio Nostalgie (haben die nur diesen einen Tonträger?) und die Beschreibung der Vegetation, wobei letzteres noch das Beste an diesem Krimi ist. Zuletzt die Hoppla Hopp-Auflösung mit dem wenig schlüssigen Motiv. Enttäuschend.

Biedere Hausmannskost ohne einen Funken Raffinesse. Schade, denn die Vorgänger habe ich gerne gelesen.

Veröffentlicht am 08.07.2023

Alles Käse...

Bleich wie der Mond
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So schmeckt der Sommer auf Capri: Sonnengereifte Tomaten, aromatisches Basilikum, ein feines Olivenöl und natürlich Mozzarella, am besten aus der Milch von artgerecht gehaltenen Büffeln produziert. Und ...

So schmeckt der Sommer auf Capri: Sonnengereifte Tomaten, aromatisches Basilikum, ein feines Olivenöl und natürlich Mozzarella, am besten aus der Milch von artgerecht gehaltenen Büffeln produziert. Und genau darum geht es in Luca Venturas neuem Capri-Krimi „Bleich wie der Mond“, der Reihe mit den Inselpolizisten Enrico Rizzi und der aus dem Norden nach Capri strafversetzten Antonia Cirillo. Über den Grund dafür lässt uns der Autor selbst nach mittlerweile vier Bänden im Unklaren. Wahrscheinlich ist ihm selbst bisher noch keine schlüssige Begründung eingefallen. Man merkt es, I’m not amused…

Nino Castaldo, Inhaber eines Familienunternehmens in Anacapri, das sich auf die Herstellung von handgezogenem Büffelmozzarella spezialisiert hat, wird frühmorgens tot in einem seiner Milchbottiche aufgefunden. Rizzi wird in die Molkerei beordert und stellt fest, dass dieser ermordet wurde. Gemeinsam mit seiner Kollegin Antonia nimmt er die Ermittlungen auf und stößt in ein Wespennest aus familiären Zwistigkeiten und den erwartungsgemäßen Einlassungen zu Tier- und Umweltschutz.

Es gibt kaum etwas, was an diesem Kriminalroman lobenswert ist. Ein Urlaubskrimi lebt von den Beschreibungen der Orte. Die gibt es zwar, aber leider sind sie weder atmosphärisch noch informativ, so dass sie kaum Lust auf einen Capri-Urlaub machen. Am interessantesten sind noch die Beschreibungen der Mozzarella-Produktion. Was komplett vernachlässigt wird und dem Autor keine Erwähnung wert ist, sind die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Kampaniens, einer Region, die für ihre europaweit höchste Arbeitslosigkeit bekannt ist.

Die Story ist dünn, plätschert vor sich hin, unterbrochen von dem belanglosen Geplapper sowohl der Verdächtigen als auch Rizzis, der im familieneigenen Garten Gemüse erntet und sein Schrottauto fahrtauglich macht. Der Plot ist bieder, bietet weder Spannung noch Tempo, die Personen sind flach gezeichnet und uninteressant.

Aber falls sich jemand dafür interessiert, wie handgezogener Büffelmozzarella hergestellt wird, ist er hier an der richtigen Adresse.