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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.11.2018

Komplizierte Beziehungen

Wer Strafe verdient
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In Kürze, weshalb ich auch darauf verzichte, näher auf den Inhalt einzugehen:

Ich kann die vielen negativen Rezensionen nicht nachvollziehen. Von Elizabeth George darf man keinen gemütlichen englischen ...

In Kürze, weshalb ich auch darauf verzichte, näher auf den Inhalt einzugehen:

Ich kann die vielen negativen Rezensionen nicht nachvollziehen. Von Elizabeth George darf man keinen gemütlichen englischen Landhauskrimi der Sorte Mord-Ermittlung-Entlarvung des Täters erwarten. Und das Ganze am besten auf 250 Seiten, damit es schnell runtergelesen werden kann. Aber das hat sie ja bereits hinlänglich in den Vorgängerbänden der Reihe bewiesen. Ihr Anliegen ist es, das komplizierte Beziehungsgeflecht im Umfeld des Verbrechens darzustellen, und das gelingt ihr auch in "Wer Strafe verdient" perfekt. Ja, und das benötigt Raum - in diesem Fall stark über 800 Seiten. Natürlich sind nicht alle Informationen für die Aufklärung relevant, aber so kann sich der Leser ein wesentlich besseres Bild von den Umständen machen, die zu dem Verbrechen führen. Und auch die Befindlichkeiten und persönlichen Probleme der Protagonisten von Scotland Yard - Havers, Lynley und Ardery - gehören meiner Meinung dazu, steht es doch außer Frage, dass diese die Ermittlungsarbeit gehörig beeinflussen.

Für mich war dieser Band jedenfalls wieder das beste Beispiel für einen aus der Masse hervorstechenden englischen Whodunit, der wieder einmal mehr beweist, dass Elizabeth George zurecht als Queen of Crime zu bezeichnen ist. Punkt!

Veröffentlicht am 05.11.2018

Dorf-Idylle meets Drogenkrieg in der kanadisch-amerikanischen Grenzregion

Hinter den drei Kiefern
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Three Pines, ein idyllisches Dörfchen in Kanada im November. Da ist nichts zu spüren von der Wärme und der verzaubernden Szenerie, die der Indian Summer mit sich bringt. Es ist kalt, grau und unwirtlich. ...

Three Pines, ein idyllisches Dörfchen in Kanada im November. Da ist nichts zu spüren von der Wärme und der verzaubernden Szenerie, die der Indian Summer mit sich bringt. Es ist kalt, grau und unwirtlich. Und über allem liegt ein Hauch von Bedrohung, ausgelöst durch eine schwarz verhüllte Gestalt, die am Morgen nach Halloween plötzlich auftaucht und annähernd reglos auf dem Dorfplatz steht und in das Bistro starrt. Verkörpert er den Tod, und wenn ja, was will er? Matheo, der freie Journalist, bringt Licht ins Dunkel. Die Gestalt entstammt der spanischen Mythologie, es ist ein Cobrador del Frac, der das Gewissen verkörpern los, Schuldner aufspüren und sie ihrer gerechten Strafe zuführen soll. Stellt sich nur noch die Frage, hinter wem er her ist und warum.

Armand Gamache, Hauptfigur und mittlerweile Chef der Sûreté von Québec, sind die Hände gebunden. Herumstehen ist nicht illegal, er kann nicht einschreiten. Erst als Reine-Marie eine Leiche im Keller der Kirche entdeckt, nimmt er die Ermittlungen auf und öffnet damit die Büchse der Pandora.

„Hinter den drei Kiefern“ ist der mittlerweile dreizehnte Band der Gamache-Reihe der Kanadierin Louise Penny, die bei uns leider noch nicht den großen Durchbruch geschafft hat (bisher liegen inklusive dieses Bandes erst fünf Bücher der Reihe in deutscher Übersetzung vor). Das mag darin begründet sein, dass diese Kriminalromane weder gemütliche Urlaubskrimis mit Regio-Touch noch blutige Fast Food-Serienkiller Reißer sind. Der Leser muss geduldig und aufmerksam sein, muss die verschiedensten Informationen aufnehmen und speichern, um sie im richtigen Moment des intelligenten, verschachtelten Plots abrufen zu können, in dem sie gekonnt Vergangenes und Gegenwärtiges mischt. Dazu kommt, dass ihre Hauptfigur kein Superheld à la James Bond ist, der sich schießend und prügelnd um Aufklärung bemüht. Am ehesten ist Gamache Vargas‘ Adamsberg vergleichbar, beide eher von der stillen, nachdenklichen Sorte, aber mit einem messerscharfen Verstand ausgestattet, die mit Intuition und Fingerspitzengefühl ihre Fälle zum Abschluss bringen.

Dorf-Idylle meets Drogenkrieg in der kanadisch-amerikanischen Grenzregion. Lesen – unbedingt!

Veröffentlicht am 04.11.2018

Schmöker für trübe Herbsttage

Die Tochter des Uhrmachers
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Romane, in denen ein Geheimnis aus der Vergangenheit gelüftet werden will, haben Konjunktur. Dafür verknüpfen die (üblicherweise) Autorinnen Gegenwärtiges mit Vergangenem, was mal mehr, mal weniger gut ...

Romane, in denen ein Geheimnis aus der Vergangenheit gelüftet werden will, haben Konjunktur. Dafür verknüpfen die (üblicherweise) Autorinnen Gegenwärtiges mit Vergangenem, was mal mehr, mal weniger gut gelingt. Ein erfolgreiches Konzept, zumindest für die Australierin Kate Morton, deren Schmöker sich regelmäßig in den Bestsellerlisten etablieren.

In ihrem neuen Roman „Die Tochter des Uhrmachers“ sichtet Elodie, Archivarin und die zukünftige Braut, anlässlich ihrer bevorstehenden Hochzeit Familienfotos und stößt dabei auf das Bild eines Hauses, das Erinnerungen an die Gute Nacht-Geschichten hervorruft, die ihr ihre verstorbene Mutter allabendlich erzählt hat. Und es ist dieses Haus, hinter dessen Mauern sich im Lauf der Jahre so viel ereignet hat und das deshalb zum Dreh- und Angelpunkt des Romans wird.

Und daraus resultiert auch das große „Aber“, dessen ich mich während des Lesens nicht erwehren konnte. Es war einfach zuviel von allem, was dazu führte, dass die Geschichte immer nur an den verschiedenen Oberflächen gekratzt hat: vier verschiedene Zeitebenen (eigentlich drei: Gegenwart, Ende neunzehntes Jahrhundert, Zweiter Weltkrieg) mit vier unterschiedlichen Protagonistinnen, deren Schicksal samt und sonders mit dem Herrenhaus Birchwood Manor verknüpft ist. Jede hat ihre eigene Geschichte, und die Verknüpfungen bekommt Morton auch gut hin, aber die Personen bleiben flach, erreichen den Leser nicht.

Dennoch, wer einen Schmöker für die trüben Herbsttage sucht, den man trotz des Umfangs zügig herunterlesen kann, kann hier unbedenklich zugreifen.

Veröffentlicht am 04.11.2018

Über gesunde Ernährung mit prophylaktischem Nutzen

Klugen Appetit!
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Dass unser Essen Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, dürfte mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein. Wer sich ausschließlich von Fastfood und industriell hergestellten Nahrungsmitteln ernährt, spielt ...

Dass unser Essen Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, dürfte mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein. Wer sich ausschließlich von Fastfood und industriell hergestellten Nahrungsmitteln ernährt, spielt mit seiner Gesundheit und muss sich nicht wundern, wenn im Laufe der Jahre ernährungsindizierte Krankheiten auftreten. Es bilden sich Plaques in den Arterien, die zu Minderdurchblutung führen und Infarkte auslösen können. Diabetes, die neue Volkskrankheit, breitet sich immer weiter aus. Demenz und Alzheimer nehmen zu.

Dennis Wilms, Wissenschaftsjournalist, Autor und „Lehrling“ bei der Sterneköchin Cornelia Poletto, hat sich mit diesen Phänomenen auseinandergesetzt, nachdem seine Mutter an Alzheimer erkrankte. Sein Ausgangspunkt ist die Frage danach, was jeder einzelne von uns aktiv dafür tun kann, um kognitive Degenerationen zu verhindern. Daraus entstand sein Buch „Klugen Appetit. Kochen für mehr Power im Kopf“, ein Kompendium aus Informationen und Rezepten für Besser-Esser. Wilms räumt mit Ernährungsmythen auf und gibt Tipps, mit denen wir den geistigen Verfall aufhalten und die Neurogenese (d.h. die Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn) mit dem, was auf unsere Teller kommt, fördern können.

Eiweiß, Körner, Gemüse und Kräuter, Hülsenfrüchte, Fisch und Meeresfrüchte, Geflügel und mageres Fleisch – das ist die Unterteilung, mit der er arbeitet. Die jeweiligen Abschnitte leitet er mit einem Theorieteil ein, es folgt pro Doppelseite ein Rezept, wobei er sich den jeweiligen „Brain-Factor“ der Zutaten anschaut. Die Rezepte sind klar strukturiert, die Zubereitung detailliert beschrieben, so dass sie auch von Ungeübten realisiert werden können. Informationen zur Nährstoffzusammensetzung sind selbstverständlich, ebenso ein schönes Foto des vorgestellten Gerichts. Die Zutaten sollten überall erhältlich sein, lediglich bei Frischfisch könnte es Probleme mit der Beschaffung geben, aber dann kann man ja immer noch auf TK-Ware ausweichen.

Ein Minuspunkt sind für mich allerdings die industriell hergestellten Milchprodukte, die er als Alternative in einigen der Eiweißrezepte verwendet. Hier verwende ich dann doch lieber Herkömmliches (Buttermilch, Magerjoghurt) mit geringerem Fettanteil.

Wer sich mit gesunder Ernährung, die auch einen prophylaktischen Nutzen hat, auseinandersetzt, ist mit diesem Wissenskochbuch bestens bedient. Ich habe es auf Herz und Nieren getestet und kann es trotz der oben genannten kleinen Einschränkung jedenfalls empfehlen.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Intelligenter Krimi mit unorthodoxem Ermittler

Zuletzt gesehen in Kidlington
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Die beiden TV-Serien „Lewis – Der Oxfordkrimi“ und „Endeavour – Der junge Inspektor Morse“ nach Motiven der Kriminalromane des leider im Vorjahr verstorbenen Colin Dexter, haben mit Sicherheit bei einigen ...

Die beiden TV-Serien „Lewis – Der Oxfordkrimi“ und „Endeavour – Der junge Inspektor Morse“ nach Motiven der Kriminalromane des leider im Vorjahr verstorbenen Colin Dexter, haben mit Sicherheit bei einigen Zuschauern das Interesse an den zwischen 1985 und 1999 erschienenen literarischen Vorlagen geweckt (in der deutschen Übersetzung), die in der Zwischenzeit aber leider nur noch zu horrenden Preisen antiquarisch zu haben waren. Umso erfreulicher ist es, dass der Unionsverlag sich entschieden hat, die Inspector Morse-Reihe neu aufzulegen und so ein Lesen bzw. Wiederlesen zu ermöglichen.

Gestartet wird mit „Zuletzt gesehen in Kidlington“ (erstmals 1985 unter dem Titel „…wurde sie zuletzt gesehen“ veröffentlicht), dem zweite Band der Reihe, in dem sich Morse und sein Sidekick Lewis mit einem alten ungelösten Fall auseinandersetzen müssen. Die siebzehnjährige Valerie Taylor verschwand vor zwei Jahren spurlos, und noch immer gibt es keine Spur von ihr. Gemeinsam mit DS Lewis macht sich Morse an die Aufklärung des Falls und kann nach einigen Umwegen die Verschwundene ausfindig machen und die Lösung des Rätsels präsentieren.

Morse ist (und war) eine willkommene Abwechslung nach all den schießwütigen Ermittlern mit Superman-Qualitäten und Hobby-Detektiv/innen, denn hier betritt ein Polizeibeamter die Bühne, der über eine umfassende geisteswissenschaftliche Bildung verfügt und mit einem scharfen Verstand gesegnet ist (ja natürlich, der Bezug zu Sherlock Holmes muss sein). Er denkt um die Ecke und stellt Verbindungen her, die seinen Kollegen entgehen, und genau das ist es, was ihn so erfolgreich in seinem Beruf macht. Aber neben diesen Stärken hat er auch jede Menge Schwächen: als Single ist er sehr empfänglich für die Flirtversuche seiner „Klientinnen“, von denen er sich ablenken lässt, er raucht zu viel und spricht auch dem Alkohol in größeren Maßen zu. Aber all das macht ihn nur menschlicher, sympathischer.

Dexter lässt den Leser hautnah an der Ermittlungsarbeit teilhaben. Das macht er gut, obwohl es manchmal etwas ermüdend ist, wenn Morse die zigste mögliche Auflösung präsentiert. Aber durch diese unterschiedlichen Möglichkeiten beleuchtet er gleichzeitig sämtliche Aspekte des Falls und führt uns tief in die Gedankenwelt seines Protagonisten.

„Zuletzt gesehen in Kidlington“ ist ein intelligent komponierter Kriminalroman mit einem unorthodoxen Ermittler, der neben der Aufklärung eines spannenden Vermisstenfalls jede Menge Atmosphäre transportiert. Ich freue mich bereits auf die nächsten Bände der Reihe!