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Veröffentlicht am 25.10.2018

Etwas ganz besonderes in der deutschen Krimilandschaft

Mexikoring
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Glattgebügelte Typen sind Simone Buchholz‘ Ding nicht. Die Frauen und Männer rund um das Team der Hamburger Staatsanwältin Chas Riley haben Ecken und Kanten, sind alle auf ihre Weise „beschädigt“, zerfressen ...

Glattgebügelte Typen sind Simone Buchholz‘ Ding nicht. Die Frauen und Männer rund um das Team der Hamburger Staatsanwältin Chas Riley haben Ecken und Kanten, sind alle auf ihre Weise „beschädigt“, zerfressen von Zweifeln, finden keinen Schlaf, trinken zu viel Bier und Wodka, um die Leere zu betäuben, um den ganzen Mist zu vergessen, mit dem sie sich tagtäglich herumschlagen müssen. Sind hart, zart und romantisch. Knien sich aber kopfüber und mit ihrer vorhandenen Restenergie in ihre Fälle hinein, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

So auch im Fall des am „Mexikoring“ in seinem Auto verbrannten Nouri Saroukhan, Sohn eines Mhallamiye Clan-Chefs aus Bremen, der sich von seiner Familie losgesagt hat. Um zu verstehen, was ihm angetan wurde, müssen sie ganz tief in dessen Leben und die Strukturen dieser Organisation eintauchen. Helfen könnte ihnen Aliza Anteli, die Freundin Nouris, die ebenfalls aus Bremen nach Hamburg geflüchtet ist, weil sie nicht das typische Schicksal ihrer älteren Schwestern erleiden wollte, die für fünfstellige Summen verkauft wurden. Aber die ist irgendwo im Schanzenviertel verschwunden.

Buchholz‘ Bücher um und mit Chas Riley, mittlerweile mit „Mexikoring“ acht Bücher in der Reihe, sind etwas ganz besonderes in der deutschen Krimilandschaft. Zum einen, was ihrer Personen angeht. Verletzt und verletzlich. Verunsichert, aber knallhart im Handeln. Das Team um die taffe Staatsanwältin ist nicht starr, es verändert sich, wie sich auch die Dynamik innerhalb der Gruppe ständig verändert. Lebensentwürfe passen nicht mehr zusammen oder die Folgen eines Anschlags sind zu verarbeiten. Andere kommen dazu und sind verantwortlich für emotionale Konflikte.

Und zum anderen ist da natürlich die Sprache, die sich grundlegend von der in den üblichen Krimis unterscheidet. Brillant, rotzig, vom Kiez geprägt, meist aus melancholischem Herzen, auch in den klarsten Analysen. Allein das macht für mich schon die Riley-Krimis zu einem Leseerlebnis, das seinesgleichen sucht und Höchstbewertungen verdient hat. Lesen. Unbedingt!

Veröffentlicht am 25.10.2018

Familienepos und rasanter Politthriller

Die Wilden - Brüder und Feinde
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Sabri Louatah ist ein französischer Autor mit algerischen Wurzeln, geboren und aufgewachsen in Saint-Étienne. Mit seiner Wilden-Trilogie (im Original 4 Bände) hat er die, obwohl fiktiv, aber doch von realen ...

Sabri Louatah ist ein französischer Autor mit algerischen Wurzeln, geboren und aufgewachsen in Saint-Étienne. Mit seiner Wilden-Trilogie (im Original 4 Bände) hat er die, obwohl fiktiv, aber doch von realen Ereignissen geprägte Geschichte einer Migrantenfamilie geschrieben. Aber es geht auch um eine Nation, die sich zwar weltoffen gibt, aber in der die Vorurteile und Diskriminierung, speziell der Einwanderer aus dem Maghreb, tagtäglich zu beobachten sind.

Wir erinnern uns: Die Nerrouches kommen aus Algerien, leben aber bereits seit drei Generationen in Frankreich. Angepasst in allen Bereichen sind sie das beste Beispiel für eine gelungene Integration. In Frankreich stehen Präsidentschaftswahlen an, und zum ersten Mal könnte Idder Chaouch, ein Kandidat ihres Volkes, die Wahl gewinnen. Doch es gibt mächtige Widersacher, die das verhindern wollen und einen Sohn der Familie unter Druck setzen und als Attentäter anheuern.

Chaouch überlebt schwer verletzt, und die Ermittlungen des französischen Geheimdienstes ergeben recht schnell, dass ein Sohn der Familie Nerrouche für den Anschlag verantwortlich ist. Gelungene Integration? Das zählt nicht mehr. Plötzlich sind sie wieder fremd im eigenen Land und müssen sich nicht nur gegen Ressentiments aus den verschiedensten Ecken behaupten sondern auch die Einheit ihrer Familie wieder herstellen. Und darum gilt es, die Hintermänner ausfindig zu machen und deren Motive bloßzulegen. Hilfe kommt von unerwarteter Seite in Gestalt eines jungen Journalisten…

Es waren die Unruhen in den Pariser Vorstädten, die Sabri Louatah zu diesem Roman inspiriert haben. Obwohl fiktiv, könnten die geschilderten Ereignisse doch jederzeit Realität werden. Und nicht nur in Frankreich sondern überall in Europa. Man denke nur an die Welle der Entrüstung, die sich nach der Wahl des Londoner Bürgermeisters Sadiq Aman Khan in England ausbreitete. Und natürlich gibt es auch immer politische Brandstifter, die durch hinterhältige und wohldurchdachte Intrigen mit den Ängsten der Menschen spielen und Keile in die Gesellschaft treiben wollen, um diese zu spalten. Wobei es allerdings immer nur um ihren eigenen Vorteil geht.

Ein großes Familienepos und ein überaus rasanter Politthriller mit wichtiger Thematik – gerade in heutigen Zeiten.

Veröffentlicht am 25.10.2018

Keiner ist ohne Schuld

Blutiger Januar
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Die Riege der schottischen Autoren hat Zuwachs bekommen – und was für einen! Mit „Blutiger Januar“ legt Alan Parks einen Erstling hin, der es in sich hat. Im Zentrum steht Harry McCoy, Detective bei der ...

Die Riege der schottischen Autoren hat Zuwachs bekommen – und was für einen! Mit „Blutiger Januar“ legt Alan Parks einen Erstling hin, der es in sich hat. Im Zentrum steht Harry McCoy, Detective bei der Polizei in Glasgow. Aber er geht seinem Job nicht in dem Glasgow nach, das 1990 Europäische Kulturhauptstadt wurde. Das wäre wahrscheinlich auch zu langweilig. Nein, Parks hat sich dafür zwanzig Tage im Januar 1973 ausgeguckt, eine Zeit also, in der die Stadt, bedingt durch den Niedergang der Wirtschaft, am Boden liegt. Hohe Arbeitslosigkeit, daraus resultierende Armut und leere Stadtsäckel sorgen dafür, dass die Kriminalitätsrate an die Decke geht und Glasgow an die Spitze der Verbrechenshauptstädte Europas vorrückt. Drogen, Prostitution, organisiertes Verbrechen. Das zeigt uns Parks: einen ungeschönter Blick auf die Elendsquartiere der Obdachlosen und die Tristesse der kleinen Leute auf der einen Seite, Protz und Prunk der Wohlhabenden auf der anderen.

Ausgangspunkt ist der Mord an einer jungen Frau, deren Mörder sich nach dem tödlichen Schuss selbst richtet. Einer von McCoys ehemaligen „Klienten“, aktuell im Knast von Barlinnie einsitzend, hatte ihm die Tat angekündigt, wusste aber nicht warum und von wem. Gemeinsam mit dem Neuling Wattie wird er auf den Fall angesetzt. Allerdings wissen seine Vorgesetzten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er damit jede Menge Dreck an die Oberfläche befördern und nicht nur dem Glasgower Geldadel gehörig auf die Füße treten wird, denn in diesem Krimi ist keiner ohne Schuld.

„Everybodys darling“ wird McCoy nun sicherlich nicht werden, Vorzeigepolizist geht anders. Er trinkt zu viel, konsumiert Drogen und geht keiner Prügelei aus dem Weg. Seine Freundin ist eine heroinabhängige Prostituierte, sein Freund aus Kindertagen ein gewalttätiger Schläger in der Glasgower Unterwelt, mit dem ihn eine gemeinsame Vergangenheit in einem Kinderheim verbindet.

Die Story an sich ist gradlinig geplottet, düster, stellenweise harte Kost, dem „Tartan Noir“ zuzuordnen. Allerdings bleibt Parks z.B. im Vergleich mit Mina, der anderen Chronistin Glasgows, eher an der Oberfläche. McCoy sieht, was um ihn herum vor sich geht, die Schieflage der Gesellschaft, aber kommentiert das höchstens in Ansätzen. Hier hätte ich mir etwas mehr Reflexion/Kritik gewünscht, aber es sei ihm verziehen. Und kann ja noch kommen, denn „Blutiger Januar“ ist der erste Band der Reihe mit Harry McCoy. Der Nachfolger „February’s Son“ ist im Original, wie könnte es anders sein, für Februar 2019 angekündigt und wird natürlich auch gelesen.

Veröffentlicht am 25.10.2018

Die Maden in der Zuckermelone

Der Outsider
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Ein elfjähriger Junge wird geschändet und ermordet aufgefunden, und alle Zeugenaussagen deuten auf Terry Maitland, den allseits beliebten Trainer des Jugend-Baseball Teams als Täter hin, der schließlich ...

Ein elfjähriger Junge wird geschändet und ermordet aufgefunden, und alle Zeugenaussagen deuten auf Terry Maitland, den allseits beliebten Trainer des Jugend-Baseball Teams als Täter hin, der schließlich vor den Augen des vollbesetzten Stadions verhaftet und abgeführt wird. Nicht nur der zuständige Detective sowie der Staatsanwalt sind sich ihrer Sache völlig sicher, auch die Einwohner von Flint City wollen Maitland hängen sehen. Die Indizien sind eindeutig, oder etwa doch nicht? Denn im Laufe der Untersuchung stellt sich heraus, dass es unumstößliche Beweise dafür gibt, dass der Verhaftete zum Tatzeitpunkt an einer Veranstaltung für Englisch-Lehrer teilgenommen hat. Erst als Holly Gibney, King-Lesern bekannt aus der Mercedes-Trilogie und bekennende Cineastin, den entscheidenden Hinweis gibt, stellen die Verantwortlichen fest, dass es offenbar doch Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich nicht so einfach erklären lassen. Aber für Terry Maitland und die Familie des Opfers kommt diese Einsicht leider zu spät.

Diesmal also nicht Derry, Maine sondern Flint City in Oklahoma, Mittlerer Westen (65,3 % für Trump, 28,9 % für Clinton), später nahe Austin, Texas, beides traditionell konservative Staaten. Ich gehe davon aus, dass sich Stephen King etwas dabei gedacht hat, als er die Kleinstadt Flint als Handlungsort für seinen neuen Roman „Der Outsider“ auserkoren hat. In Ansätzen mag er hier eine Bestandsaufnahme des heutigen Amerika unter Trump gemacht haben, aber die Belege dafür sind mir dann doch etwas zu mager. „Make America great again“-Mützen, ein paar Trump-Schilder und ein Autoaufkleber „Ich bin für Hillary“ – das war’s dann aber auch schon. Der Hass gegen den pädophilen Mörder, der aus den Einwohnern von Flint einen Lynchmob macht, ist nicht typisch amerikanisch. Das könnte in der Tat überall passieren. Und auch die Verbreitung „offizieller“ Informationen/Nachrichten, ganz gleich ob Fake oder nicht, ist mittlerweile durch die Konzentration im Pressebereich und die schnelle Verbreitung via Social Media weltweit gesichert. Am ehesten geht hier für mich noch die Zuckermelone voller Maden als Anspielung auf das heutige Amerika durch: außen hui und innen pfui.

„Der Outsider“ kommt in typischer King-Manier daher. Allerdings gilt es gerade zu Beginn eine längere Durststrecke (ca. 150 Seiten) zu überwinden, in der die diversen Zeugenaussagen protokolliert werden. Erst danach kommen die bekannten Zutaten zum Einsatz und der Krimi wechselt das Gewand in Richtung Horrorthriller, wobei die Schlusssequenz meiner Meinung nach etwas zu versöhnlich ausfällt. Aber vielleicht wird Stephen King langsam auch altersmilde…

Veröffentlicht am 25.10.2018

Viele glückliche Zufälle und vorhersehbare Story

Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus
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Brigitte Riebes neuer Roman nimmt uns mit in das Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Drei Schwestern: Rike, die Älteste, die Vernünftige. Silvie, die Mittlere, die Lebenshungrige und begnadete Schwarzhändlerin. ...

Brigitte Riebes neuer Roman nimmt uns mit in das Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Drei Schwestern: Rike, die Älteste, die Vernünftige. Silvie, die Mittlere, die Lebenshungrige und begnadete Schwarzhändlerin. Und schließlich Florentine, das Nesthäkchen, die künstlerisch Begabte. Der familiäre Hintergrund ist privilegiert, stammen sie doch aus der ehemals wohlhabenden Familie des Berliner Kaufhauskönigs Thalheim. Wobei „ehemals wohlhabend“ so nicht stimmt, da es dem Patriarch der Familie gelungen ist, rechtzeitig eine nicht unbeträchtliche Menge an Barvermögen (Geld, Schmuck, aber auch wertvolle Stoffe für die Prodiktion von Kleidern) zur Seite zu schaffen und somit dem Zugriff der plündernden Besatzungsmächte zu entziehen. Zeitlicher Rahmen sind die Jahre zwischen Mai 1945 und Sommer 1951, in denen Rike alles daran setzt, ihren Traum zu verwirklichen: den Vorkriegsstatus wieder herzustellen und das Kaufhaus Thalheim wieder aufzubauen.

Die Story an sich ist, wie es sich für einen historischen Frauenroman gehört, auf ein Happy End hin konzipiert. Zwar müssen die Protagonistinnen mit den Widrigkeiten kämpfen, die die Nachkriegsjahre bereithalten – Hunger, Kälte, Mangel an Lebensnotwendigem – aber mit dem notwendigen finanziellen Polster in der Hinterhand klappt das schon irgendwie. Und wenn alle Stricke reißen, ist da ja immer noch Onkel Carl, der, anders als der typische Mitläufer Friedrich, nicht in die Partei eingetreten ist, und nun seine Beziehungen spielen lassen kann.

Was ich an den Büchern von Brigitte Riebe schätze, ist die gründliche Recherche, die ihren historischen Romanen zugrunde liegt. Und was das angeht, hat sie auch hier nicht enttäuscht. Unzählige Fakten über das besetzte Berlin sind hier in die Handlung eingearbeitet, oft nur in einem Nebensatz, manchmal aber auch etwas ausführlicher. Eine detaillierte Zeittafel am Ende des Buches rundet dies ab und kann Leserinnen, die mit dieser Periode nicht vertraut sind, zusätzliche Informationen bieten. Das ist allemal fünf Sterne wert!

Gestört haben mich allerdings die vielen glücklichen Zufälle und die daraus resultierende Vorhersehbarkeit der Geschichte, die auf mich im Endeffekt dann doch sehr unrealistisch gewirkt hat (dafür deshalb nur zwei Sterne), weshalb ich mir den Rest der Reihe – konzipiert ist die Geschichte der Schwestern auf drei Bände, in der jeweils eine von ihnen im Mittelpunkt stehen wird – sparen werde.