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Veröffentlicht am 30.05.2019

Eine berührende Tragikomödie

Der Zopf meiner Großmutter
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Der sechsjährige Max kommt mit seinen Großeltern Margarita Iwanowna und Tschingis als Flüchtling nach Deutschland. Dabei machen ihm weniger die neue Situation und Sprache zu schaffen als vielmehr seine ...

Der sechsjährige Max kommt mit seinen Großeltern Margarita Iwanowna und Tschingis als Flüchtling nach Deutschland. Dabei machen ihm weniger die neue Situation und Sprache zu schaffen als vielmehr seine Großmutter, die sich in Deutschland selbst Margo nennt, eine ehemalige Balletttänzerin, die rigoros über ihr kleines Reich herrscht und vor nichts und niemandem zurückschreckt. Ihren eigenen Enkel hält sie für schwachsinnig und todkrank. Ärzte und Lehrer werden über den geistigen und körperlichen Zustand ihres Enkels aufgeklärt, Fahrgäste, die auf dem ihrer Meinung sichersten Platz sitzen, werden von ihr verscheucht („Mach schnell Platz für den kleinen Krüppel. Leute gibt‘s.“), Hotelgäste verfolgt, weil sie sich zu viele Melonenscheiben genommen haben, unbequeme Fragen verspottet („Muss ich mich an alles erinnern? Was soll die Heimatkunde?“) und die Nachbarin mit Nettigkeiten überschüttet („Euch jungen Frauen ist nichts mehr heilig. Aber so jung sind Sie auch nicht, Nina!“). Konsequenterweise wird das von ihr oft herangeführte „bei mir zählt jedes Jahr für zwei“ zu „in Ihrer Gesellschaft zählt jedes Lebensjahr für zwei“. Jedes Jahr, das Mäxchen trotz der vielen ihm angedichteten Krankheiten „schafft“, wird gebührend mit einer Geburtstagstorte geehrt, die das Geburtstagskind jedoch nicht anrühren darf, weil das seinen sofortigen Tod zur Folge hätte. Statt dessen darf sich Mäxchen seine wunderschöne Beerdigung ausmalen, falls er demnächst nicht mehr so großes Glück haben sollte. Margo mit ihren Ansichten und Kommentaren ist einfach herrlich, wobei die Verbindung der Großmutter mit ihrem Enkel, der bei allem eine stoische Ruhe bewahrt – die wohl jedem Leser Bewunderung abverlangt – das Ganze noch amüsanter macht! Sehr schnell wird jedoch deutlich, dass unter der harten Schale ein weicher Kern steckt und dass die Großmutter zu einer Aufopferung bis zur Selbstaufgabe fähig ist.

Alina Bronsky bietet dem Leser mit ihrem Roman „Der Zopf meiner Großmutter“ eine Tragikomödie mit Charakterkomik vom Feinsten. Während der Leser aufgrund der großmütterlichen Aussprüche ununterbrochen Lachtränen vergießt, gibt es doch auch viele Stellen, an denen man als Leser mit Margo oder Tschingis innehält oder sich wie Mäxchen gerührt vom Geschehen abwendet. Trotz ihrer sehr scharfen Zunge, lässt die Großmutter an den ausschlaggebenden Stellen äußersten Edel- und Großmut walten. Getragen wird der ganze Roman von dem Zusammenspiel der Großmutter mit dem Enkel. Wer den bitterbösen Humor der Autorin nicht teilt und den arglos-scharfsinnigen Schreibstil – da ja schließlich aus der Perspektive eines Kindes berichtet wird – nicht genießen kann, der wird leider keinen Zugang zu diesem großartigen Roman finden. Gleichzeitig lese ich den Roman auch als ein Statement, als die Geschichte einer Frau, die von dem kommunistischen Terrorsystem der Sowjetunion nicht gebrochen wurde, die sich ihr Menschsein bewahrt hat und siegreich aus der Lebensprüfung hervorgegangen ist. Und genau das scheint Mäxchen, der mit einer Weisheit jenseits seines zarten Alters gesegnet ist, zu verstehen. Deshalb lässt er Margo vieles durchgehen und verzeiht ihr ihre oftmals harten Worte. Wer diesen Zusammenhang nicht versteht, der wird wohl auch das ganze Buch nicht verstehen können. „Sie kannte mich besser als jeder andere Mensch, und sie wusste etwas über diese Welt, wovon niemand sonst eine Ahnung hatte.“

Veröffentlicht am 14.05.2019

Eine große Bereicherung für jedermann!

Mein Leben als Sonntagskind
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Jasmijn Vink ist anders als andere Kinder. Sie nimmt alle äußeren Reize einzeln wahr, nicht als Gesamtbild. „Meine Ohren sogen sich voll mit allen Geräuschen, wie eine Muschel, die die Sinfonie des Meeres ...

Jasmijn Vink ist anders als andere Kinder. Sie nimmt alle äußeren Reize einzeln wahr, nicht als Gesamtbild. „Meine Ohren sogen sich voll mit allen Geräuschen, wie eine Muschel, die die Sinfonie des Meeres einfängt.“ An Orten, wo Lärm herrscht und das Licht grell ist, bekommt sie Migräneanfälle, die bis zu mehreren Tagen andauern können. Sie hasst Veränderungen. Sprechen kann sie nur mit Menschen, die sie kennt, und hat äußerste Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen. Auch mit der Motorik hat sie Schwierigkeiten, bis ins Erwachsenenalter braucht sie beispielsweise einen Strohhalm in ihrem Getränk. Gleichzeitig ist sie hochbegabt. Bereits im Alter von vier Jahren kann sie fließend lesen, bald darauf auch fehlerfrei schreiben und hat ein außerordentlich gutes Gedächtnis. Mit einer blühenden Fantasie beschenkt, denkt sie sich ununterbrochen Geschichten aus, u. a. von der „Normalen Jasmijn“, die im Gegensatz zu der wirklichen Jasmijn immer weiß, wie sie sich richtig zu verhalten hat. „Ich war das stille Wesen mit dem durchdringenden Blick, das Kind, das lieber mit einem Hund zusammen war als mit anderen Menschen. Und das fanden die Leute seltsam. Denn so sollte es nicht sein.“

Nahtlos geht man als LeserIn in ihre Welt über, lernt die Dinge aus ihrer Sicht wahrzunehmen. Und es ist eine Welt, in die einzutauchen es sich lohnt. Wie viele Denkanstöße sie uns Lesern und Leserinnen auf den Weg gibt! Dank ihres Mutes und Dank ihres Talents erhalten wir Einsicht in eine andere Welt – die Welt eines Menschen mit Asperger-Syndrom. Manch einer ist geneigt, Mitleid für sie zu empfinden, doch ist sie uns nicht in vielem voraus? Wenn sie sich beispielsweise mit ihrem Bruder vergleicht –„Mein Bruder setzte sich nicht im Wald auf einen Baum, um stundenlang darüber zu grübeln, wer er denn eigentlich war […], welchen Sinn das alles habe. Emiel existierte einfach, und das war für ihn Grund genug zum Feiern. Mit jedem. Seine Welt war eine Tanzfläche, auf der jeder Tanzpartner willkommen war, während mein Bedürfnis nach Alleinsein immer stärker wurde, weil ich ohne Stille den Lärm nicht ertrug.“ – oder mit ihren Cousinen: „In ein paar Stunden würden meine Cousinen wieder mit ihren Eltern nach Hause gehen, zurück in ihr Leben, zu ihren Freundinnen, ihren Beinahe-Freunden. Ihrem Kleidergeld, ihrer Akne, ihrer Antibabypille. Nie hörte ich sie über ein schönes Buch reden oder über Geschichten, die in ihrem Kopf wucherten.“ Stellen wir dann nicht fest, dass ‚unsere‘ Welt im Vergleich zu ihrer manchmal etwas flach und gewöhnlich ist?

Jasmijn hinterfragt Dinge, die wir Durchschnittsmenschen einfach hinnehmen, wie z. B. die Schulpflicht. So zeigt sie uns, dass wir uns unser ganzes Leben lang von einem Käfig in den anderen treiben lassen, ohne uns gegen das herrschende System zur Wehr zu setzen, geschweige denn es überhaupt in Frage zu stellen. Sie stellt es dagegen sehr wohl in Frage. „Wie konnte es sein, dass eine anonyme Stimme, die sich »die Welt« nannte, darüber entschied, wie ich zu leben hatte? Dass ich dazu verdammt war, mich täglich in einen hässlichen Betonklotz an einer verkehrsreichen Straße aufzuhalten und Dinge zu lernen, die nicht das Geringste zu meiner Entwicklung beitrugen? Dass ich mein Gehirn nicht mit Dingen füttern durfte, die von Wert waren? Ich erkannte immer deutlicher, dass ich wegmusste aus diesem sinnlosen Drama.“

Obwohl der autobiografische Roman „Mein Leben als Sonntagskind“ über sechshundert Seiten lang ist, schweift man als Leser weder für eine Sekunde mit den Gedanken ab, noch kommt jemals Langeweile auf. Denn kein Wort ist zu viel, keine Zeile unnötig. Jeder Abschnitt ist wichtig und jedes Kapitel notwendig, um die Geschichte Jasmijn Vinks zu verstehen. Und am Ende empfindet man Bewunderung für die Autorin. Dankbarkeit. Wie gut, dass dieses Buch geschrieben wurde und die Welt es lesen kann! „Alles, was man im Kopf sehen konnte, war echt.“

Veröffentlicht am 04.05.2019

Weder authentisch noch überzeugend

Der Sommer mit Pauline
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Es ist fast Sommer und Émile ist zum ersten Mal richtig verliebt. In die charmante Pauline aus seiner Schule, mit der er über Filme, Tennishelden und übers Leben reden kann. Wenn sie lächelt, geht die ...

Es ist fast Sommer und Émile ist zum ersten Mal richtig verliebt. In die charmante Pauline aus seiner Schule, mit der er über Filme, Tennishelden und übers Leben reden kann. Wenn sie lächelt, geht die Sonne auf. Als Pauline Émile nach Venedig einlädt, wo sie in einem Jugendorchester Geige spielt, kann er sein Glück kaum fassen. Doch die Eltern und der ältere Bruder wollen ihn begleiten – im Wohnwagen, in dem die Familie übergangsweise lebt. Eine schräge Abenteuerreise beginnt, an deren Ende Émilie ein anderer und sein Blick auf die Welt ein neuer ist.

So der Wortlaut des Klappentextes, der im Groben auch stimmt, das Wort „schräg“ lässt sich allerdings nicht nur auf die Reise mit dem Wohnwagen von Paris nach Venedig anwenden, schräg ist so ziemlich alles in diesem Roman: die Liebesgeschichte an sich, der es an Authentizität fehlt, das Verhältnis der Eltern untereinander (der Vater findet es völlig normal, seine Frau aus ganzem Herzen zu lieben und gleichzeitig zu hintergehen), das Verhältnis der Brüder zueinander (Fabrice teilt gerne seinen One-night-stand, der plötzlich zu einer festen Beziehung wird, mit seinem kleinen Bruder, damit dieser endlich Erfahrungen sammelt), das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern (diese sollen sich an Regeln halten, die jene ihrerseits ohne mit der Wimper zu zucken brechen können), ganz besonders aber das Weltbild des Ich-Erzählers, der seine Erlebnisse in Form von Tagebucheinträgen festhält. Dieses Weltbild ist nicht dasjenige eines 15-jährigen, es ist dasjenige eines desillusionierten und verbitterten 40-/50-jährigen Mannes.

Eine Kostprobe gefällig? Bitte schön: „Zwischen Jungs und Mädchen ist es wie im Autoskooter: Man kreist umeinander, tut, als würde man den anderen nicht bemerken. Man schaut hin, wenn der andere einem den Rücken zukehrt. Und dann kommt man sich näher, streift sich und irgendwann stupst man sich an. Erst nur leicht, um Kontakt aufzunehmen, und nach und nach mit mehr Karacho. Manchmal prallt man auch mit voller Wucht aufeinander, es muss richtig knallen, damit es Spaß macht. Bis es irgendwann dann doch zu schmerzhaft wird und man entscheidet, einen Bogen umeinander zu machen und auf Abstand zu bleiben, jeder auf seiner Seite mit Anwalt und geteiltem Sorgerecht. Nach der Runde versucht man es wieder, aber wenn man mal ehrlich ist, ändert sich ja doch nur die Autofarbe.“

Ich frage: Ist das die Sichtweise eines Jugendlichen auf das Leben? Ich streite dies vehement ab. Wenn sich der Tagebuchschreiber nicht gerade über seine Eltern oder seinen Bruder aufregt, über seltsame Praktiken dieser berichtet (wie zum Beispiel die Tatsache, dass sie ihrem Sohn die Haare blond färben oder ihren Selbstwert daraus beziehen, mit der Bedienung einer Raststätte darüber zu diskutieren, ob Coq au vin serviert werden dürfe), oder einfach mal wieder mit seinen Gedanken bei Pauline ist, dann gibt er genau solche Altersweisheiten von sich. Meiner Meinung nach lässt der Autor vielmehr seine eigene Jugendzeit Revue passieren – sprechen würde für diese These unter anderem die Tatsache, dass Pauline und Émile noch Videokassetten (!) austauschen und das Aussehen des Protagonisten mit dem des Autors übereinstimmt. Summa summarum: Den Roman würde ich keinem Jugendlichen empfehlen, viel eher einem Mann um die vierzig, der das Weltbild des Autors teilt, der dieses einem fiktiven 15-jährigen Jungen in den Mund legt.

Veröffentlicht am 17.04.2019

Dicht und intensiv

Fünf Tage im Mai
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„Dieser Ort und ich, wir hatten eine Geschichte.“

Ully ist eine junge Frau, die in einem Dorf in Tirol aufwächst. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren lässt sie uns rückblickend an fünf Maitagen teilhaben, ...

„Dieser Ort und ich, wir hatten eine Geschichte.“

Ully ist eine junge Frau, die in einem Dorf in Tirol aufwächst. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren lässt sie uns rückblickend an fünf Maitagen teilhaben, die einschneidende Ereignisse in ihrem Leben markierten oder sie auf auf eine andere Art und Weise besonders prägten. Große Bedeutung spielt in ihrem Leben dabei stets ihre innige Beziehung zu ihrem Urgroßvater, den sie liebevoll Tat‘ka nennt. Er ist ihr Vorbild, Lehrer und Leitstern auf ihrem Weg. Kein anderer Mensch in ihrem Leben bringt ihr so viel Verständnis entgegen und lehrt sie so viel über das Leben. Er begegnet ihr mit Geduld, Zuneigung und Weisheit. Einen Einschnitt in diese innige Beziehung markiert einzig die Phase ihrer ersten großen Jugendliebe, die ihr Leben auf den Kopf stellt und schließlich ein verhängnisvolles Ende nimmt.

Fehlerfrei und lückenlos schlüpft die Autorin zunächst im ersten Buchabschnitt in die Perspektive eines Kindes, um in den zwei darauf folgenden Abschnitten nahtlos in die Sichtweise einer Jugendlichen überzugehen und schließlich die letzten beiden Kapitel der Erwachsenenperspektive zu widmen. Wer sich noch gut an seine eigene Kindheit erinnert, der wird sich unweigerlich darin wiederfinden, wie für die kleine Ully ein aus Erwachsenenperspektive wahrscheinlich nicht so großes Vergehen, das sie sich hat zu Schulden kommen lassen, nach und nach so große Ausmaße annimmt, dass es in einer Art Fiebertraum kulminiert. („Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Die Seele ist ein Vierklee. Jedes vierte Blatt ist verstrahlt.“) In den Kapiteln, die Ullys Jugendzeit gewidmet sind, ist es geradezu beklemmend, wie präzise die Autorin die Gefühle beschreibt, die einen in dieser äußerst schwierigen Phase begleiten. Die Sehnsucht danach irgendwo dazuzugehören und diese große Einsamkeit, die einen überkommt, wenn man das dann schließlich erreicht, aber feststellt, dass einen nichts mit den anderen verbindet („Ich saß im Auto wie eine schlecht gestochenes Piercing, das über kurz oder lang aus dieser fröhlichen Gemeinschaft herauseitern würde.“). Auch die Erwachsenenperspektive überzeugt mit ihrer Gefühlssektion auf ganzer Linie („Es war möglich, den Schmerz zu bannen, indem man ihn mit anderen teilte. Es war möglich, zwischen den Menschen unsichtbare Brücken aus Wörtern zu bauen, auf denen die Gefühle von einem zum anderen wandern konnten.“

Und genau das gelingt der Autorin Elisabeth R. Hager ebenfalls mit uns. Sie baut unsichtbare Brücken aus Wörtern, die die Gefühle der Erzählerin zu den Lesern wandern lassen. Sie schafft mit „Fünf Tage im Mai“ ein überaus dichtes, intensives und wortgewaltiges Meisterwerk. Es bezaubert, fasziniert, bestürzt und ergreift. Ihr gelingt das fast Unmögliche – den Leser sowohl intensiv fühlen als auch denken zu lassen – ohne Pause für Unnötiges, Belangloses. Das Geschriebene ist mehr als nur Wort, Metapher, Botschaft. Nichts weniger als wahrhaftes Leben ist es, das aus jeder Wortpore dringt, uns aus jeder Schriftzeile entgegen schlägt und aus jeder Buchseite atmet. „Fünf Tage im Mai“ ist ein durch und durch authentisches, wahrhaftiges Werk. Und es ist nicht etwa so, dass wir die Gedanken- und Gefühlswelt der Erzählerin lediglich nachempfinden – nein, unser Leseerlebnis steht ihrem Erleben an Intensität in nichts nach. Und ist es nicht genau das, was große Literatur ausmacht? „Fünf Tage im Mai“ ist wahrlich ein großes Werk, das Veränderung initiiert.

„Von allem, was danach geschah, kenne ich nur meinen Teil der Geschichte, aber das ist im Leben ja immer so.“

Veröffentlicht am 15.04.2019

Still und unaufgeregt

Siebzehnter Sommer
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Angeline lebt in einer kleinen Stadt in Wisconsin. Sie ist siebzehn und hat gerade die High School abgeschlossen. Nach dem Sommer wird sie aufs College in Chicago gehen. Ihr siebzehnter Sommer wird ihr ...

Angeline lebt in einer kleinen Stadt in Wisconsin. Sie ist siebzehn und hat gerade die High School abgeschlossen. Nach dem Sommer wird sie aufs College in Chicago gehen. Ihr siebzehnter Sommer wird ihr aber auf ewig in Erinnerung bleiben, denn sie erlebt in dieser Zeit die zarten Gefühle der ersten Liebe.

Das Buchcover ist sehr schlicht gehalten, es beschränkt sich auf das Wesentliche: Das Mädchen, das uns Leser an ihrem Innenleben teilnehmen lässt. Angie schaut uns an, mit ihrem sanften und verträumten Blick und wir wissen, dass sie Jack ansieht und wir schlüpfen nahtlos in diesen Jungen hinein und sehen sie mit seinen Augen.

Aus Interesse habe ich mir die amerikanischen Ausgaben des Romans angesehen und ich finde es verblüffend wie jedes Cover die Zeit der Herausgabe widerspiegelt. Die deutsche Auflage ist eine perfekte Gratwanderung zwischen modern (minimalistisch!) und nostalgisch, so dass das Buch direkt ins Auge springt und zum Lesen animiert.

Maureen Daly lässt uns auf bezaubernd ehrliche Weise an ihrem Leben teilnehmen. An ihren alltäglichen Arbeiten, ihren Gesprächen mit den Familienmitgliedern und der Zeit, die sie mit Jack verbringt. Mit einer genauen Beobachtungsgabe gesegnet, schildert sie die Natur, die einen großen Einfluss auf ihre Gefühle hat und sie zu Reflexionen inspiriert, die den Leser unwillkürlich bezaubern.

Die zarten und unschuldigen Gefühle, die sie für Jack entwickelt, lassen jede Leserin an ihre eigene erste große Liebe zurückdenken.

Als großer Fan amerikanischer Filme aus den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren, habe ich geradezu wie ein Schwamm alles aufgesogen, was ich an Informationen über diese Zeit mit Hilfe des Romans in Erfahrung bringen konnte. Wie die Familie lebt und ihre Zeit verbringt, welche Art von Zeitvertreib der Jugend im Speziellen und der Familie im Ganzen zur Verfügung steht – und ich muss sagen, es liest sich alles wie einer jener heiteren, idyllisch-schönen Filme über das amerikanische Familienleben: Die Parade des vierten Juli, die kleinen Lokale mit den Musikboxen, Bootsfahrten auf dem See, Picknicken mit der ganzen Familie, die Mutter, die im Garten selbst Angebautes einmacht, der Vater, der jeden Sonntag seinen Wagen blitzblank putzt und der alljährliche Jahrmarkt, der den Höhepunkt des Jahres markiert.

Unaufgeregt, psychologisch stimmig und heiter – ein wunderbares Buch, um in eine Welt einzutauchen, in der alles so ist, wie es sein sollte. Liebe- und respektvoll, nachdenklich und reflektiert, versonnen und verträumt. Ein wahres Wohlfühlbuch für geruhsame, müßige Stunden!