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Veröffentlicht am 04.02.2019

Die Matroschkas der menschlichen Psyche

Das Echo der Wahrheit
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„Gibt es einen Moment im Leben, von wo an eine einmal getroffene Entscheidung alles andere bestimmt, egal was noch passieren mag?“

Der sich intensiv mit dem Verfahren der Hypnose befassende Psychiater ...

„Gibt es einen Moment im Leben, von wo an eine einmal getroffene Entscheidung alles andere bestimmt, egal was noch passieren mag?“

Der sich intensiv mit dem Verfahren der Hypnose befassende Psychiater James Cobb, eine Koryphäe in seinem Gebiet, wird eines Tages von Joshua Fleischer, einem an Leukämie erkrankten Multimilionär, kontaktiert. Sein größter Wunsch ist es, vor dem Tod zu erfahren, ob er an dem Mord an einer jungen Französin Mitschuld trägt, in die er und sein bester Freund, Abraham Hale, einst verliebt waren. Da Fleischer nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht hat, erhofft er sich in einer Hypnosesitzung die Wahrheit zu erfahren. Trotz anfänglicher Bedenken willigt Cobb schließlich ein. „Ich hatte noch nie einen Patienten gehabt, der dem Tod so nahe war wie Joshua Fleischer. Dieser Tod, sein Tod lauerte halb in einem Winkel versteckt nur noch auf den richtigen Augenblick.“

Die Hypnosesitzung, die keine handfesten Resultate liefert, endet mit einem Nervenzusammenbruch des Patienten und wird nicht mehr fortgesetzt. Den Psychiater lässt dieser Fall nicht los: „Irgendwo, Hunderte Meilen weit entfernt, lag ein Mann im Sterben, umringt von Gespenstern, inmitten eines Vermögens, das ihn vor nichts und niemandem mehr schützen konnte. Und er hatte mich nicht nur an die Hand genommen und in sein Spukhaus geführt, sondern auch meine eigenen Albträume wieder aufleben lassen.“

Obwohl der Patient wenige Wochen später seiner Krankheit erliegt, setzt James Cobb seine Forschungen in Bezug auf den Fall Simone Duchamp fort. Dabei stößt er unerwarteterweise auf die Aufzeichnungen Abraham Hales, der darin eine ganz andere Geschichte erzählt als Joshua Fleischer es getan hat – „Ich halte es weiterhin für meine Pflicht, den wahren Charakter dieses Mannes zu enthüllen, auch wenn er seine Aufzeichnungen bewusst dunkel hielt und ein Rätsel in einem anderen verbarg und dies wiederum in einem anderen, wie bei diesen russischen Puppen.“ Die Gespräche mit Zeugen, die Erinnerungen mit dem jungen Josh und dem jungen Abe teilen, bringen statt dem erhofften Licht nur noch mehr Dunkelheit in den Fall. Je mehr Cobb sich darin vertieft, umso verwirrender und undurchschauberer wird alles. Eine Erinnerung aus der eigenen Kindheit lässt ihn ganz unerwartet „jenseits der Lügen und Verwirrungen und Irrtümer und subjektiven Wahrnehmungen und Täuschungen“ den Schlüssel zu dem großen Rätsel finden.

Konsequenterweise stellt er sich damit auch seiner persönlichen Wahrheit. „Wir alle müssen Entscheidungen treffen und ein Leben lang mit den Folgen zurechtkommen. Josh entschied sich zur Flucht, um zu überleben, weil er damals einfach zu jung war und nicht wissen konnte, dass Überleben und Leben nicht ein und dasselbe sind und dass keine Mauern so dick und keine Schlösser so stark sind, einen vor dem eigenen Gewissen zu schützen.“

„Das Echo der Wahrheit“ ist ein Roman, dem man sich nicht einmal für ein paar Minuten entreißen kann. Der Psychiater, der zugleich Ich-Erzähler ist, lässt den Leser an seiner mühseligen Wahrheitssuche teilhaben. Jedes neue Indiz, das er findet, stellt er dem Leser zunächst unkommentiert dar, sodass er seine eigenen Schlüsse ziehen kann. Er lässt den Leser genauso ratlos miträtseln und zusammen mit ihm die Leiter der Wahrheit stufenweise erklimmen.

Als ausgesprochener Gegner der Eindimensionalität, legt Chirovici ein äußerst präzises Fundament der Geschichte mit den Pfeilern der einzelnen Perspektiven an, sodass wir beim Hausgang so vielen Details Bedeutung beimessen können, wie wir es wollen oder können – ganz wie im wahren Leben selbst, wo es immer wieder Neues zu entdecken und zu bedenken gibt.

Selten gelingt es einem Autor die Tiefen der menschlichen Psyche derartig zu durchleuchten wie Eugene Chirovici. Er weiß es, Spannung mit Psychologie und einem Funken Philosophie zu einem überzeugenden, runden und lange nachhallenden Werk zu komponieren.

Veröffentlicht am 17.01.2019

Ein Briefroman der kontemplativen Art

Das Versprechen, dich zu finden
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Der berühmte Archäologe und Professor P. V. Glob widmete sein Buch „Die Schläfer im Moor“ einer Gruppe von Schulmädchen aus England, die ihm als Erste wegen seiner jüngsten archäologischen Entdeckungen ...

Der berühmte Archäologe und Professor P. V. Glob widmete sein Buch „Die Schläfer im Moor“ einer Gruppe von Schulmädchen aus England, die ihm als Erste wegen seiner jüngsten archäologischen Entdeckungen schrieben. Einer seiner Funde war unter anderem der sog. Tollund-Mann, eine perfekt konservierte Leiche, die ungefähr aus dem Jahre 250 v. Chr. stammt und im Silkeborg-Museum ausgestellt ist. Seitdem hegen zwei dieser Mädchen, Tina und Bella, den großen Wunsch, einmal gemeinsam nach Dänemark zu reisen, um den Tollund-Mann mit eigenen Augen zu betrachten. Dazu kommt es jedoch nie. Als Bella stirbt – es sind mittlerweile mehr als fünfzig Jahre vergangen – schreibt Tina dem Professor aus einer inneren Verzweiflung heraus einen Brief. An seiner statt – P. V. Glob ist 1985 verstorben – antwortet der Kurator des Museums.

Aus einer anfänglich etwas distanzierten und recht vorsichtigen Korrespondenz entspinnt sich mit der Zeit eine Brieffreundschaft voller Vertrauen, Nähe und Aufrichtigkeit zwischen Tina und Anders, dem Kurator des Museums. Sie erzählen sich gegenseitig aus ihrem Leben und bitten einander um Rat. Auch inspirieren sie sich gegenseitig zu ungewohnten Wahrnehmungen der Umwelt. „[Diese Korrespondenz] hat mein Leben größer und weiter gemacht und mich befreit. [...] Es hat alle Risse und Sprünge in meine Herzen und meinem Geist gefüllt.“ Äußerst eindrucksvoll und faszinierend in ihrer Korrespondenz ist der Umstand, wie die beiden Briefschreiber immer wieder auf den Tollund-Mann zurückgreifen und neue Erkenntnisse aus seiner Existenz für ihr eigenes Leben beziehen. Der Tollund-Mann zieht sich einem roten Faden gleich durch den gesamten Briefwechsel. Auch wir Leser werden dadurch zu einem bedachteren und tiefer gehenden Umgang mit der uns umgebenden Umwelt angeregt. „Unsere Briefe [...] haben eine Verbindung zwischen uns hergestellt, die uns zu den allerengsten Freunden macht.“

„Das Versprechen, dich zu finden“, im Original ”Meet Me at the Museum“, ist ein reiner Briefroman, d. h. er setzt sich ausschließlich aus dem Briefwechsel zwischen Tina und Anders zusammen. Sehr bemerkenswert ist der Entschluss der Autorin, den tatsächlich existierenden Tollund-Mann und das von dem dänischen Archäologen Glob verfasste Sachbuch „Die Schläfer im Moor“ als unmittelbaren Auslöser für die sich entspinnende Korrespondenz zwischen Tina und Anders zu nehmen. Diese Vorgehensweise erinnert an die früheren Briefromane, denen oft ein Vorwort vom Herausgeber (der natürlich fiktiv war!) vorangestellt wurde und der vorgab, die Briefe gefunden zu haben und nun dem breiten Publikum zur Verfügung stellen zu wollen – die sog. Herausgeberfiktion, die Authentizität der Briefe vortäuschte. Der Bezug auf die wirklich existierende Moorleiche und das tatsächlich existierende Buch haben hier natürlich andere Funktionen. Meiner persönlichen Einschätzung nach dient er dem Zweck, ein Sujet zu behandeln, mit dem jeder von uns etwas verbindet, eine natürliche Verankerung der Briefe in unserer realen Welt herzustellen und so eine innere Wahrhaftigkeit der Briefe zu erzeugen. Wie die Autorin im Nachwort schreibt, ist sie selbst sehr fasziniert von dem Phänomen des Tollund-Mannes: „Der bemerkenswert gut erhaltene Zustand der Leiche eines Mannes, der vor zwei Jahrtausenden gestorben ist [...]. Sein Gesichtsausdruck, diese ruhige Nachdenklichkeit, die ihn aussehen lässt, als könnte er Trost spenden, obwohl wir wissen, dass er eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Seine Ähnlichkeit mit den Männern und Frauen von heute [...]. „Das Versprechen, dich zu finden“ ist aus meiner Betrachtung des Gesichts des Tollund-Mannes hervorgegangen.“

„Das Versprechen, dich zu finden“ ist ein Roman der kontemplativen Art. Die Briefschreiber spinnen Reflexionen, die den Leser inne halten lassen und zu eigenen Überlegungen inspirieren. Er kommt auf leisen Sohlen daher, wie man es von zeitgenössischer Literatur kaum noch kennt. Ich spreche hiermit aus voller Überzeugung eine klare Leseempfehlung aus – und zwar für Leser aller Altersgruppen!

Veröffentlicht am 17.01.2019

Ein liebevoll gestaltetes Sachbuch über berühmte Katzenmänner

Von Männern und ihren Katzen
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„Seit der Mann im Garten Eden erstmals ein gefallenes Schnurrhaar entdeckte, hat er zu Katzen immer ein dämmerungsaktives Verhältnis gehabt.“ Viele Männer wagen sich jedoch oftmals „aus dem sprichwörtliche ...

„Seit der Mann im Garten Eden erstmals ein gefallenes Schnurrhaar entdeckte, hat er zu Katzen immer ein dämmerungsaktives Verhältnis gehabt.“ Viele Männer wagen sich jedoch oftmals „aus dem sprichwörtliche Katzenkörbchen“ nicht hinaus, um ihre Zuneigung zu Katzen offen einzugestehen. „Ringen Sie Ihre Ängste nieder, mein lieber Herr!“, legt Sam Kalda diesen nahe, „auf diesen Seiten sind Sie unter Freunden.“

Auf knapp 110 Seiten zeichnet der Autor – und das in doppelter Hinsicht, denn die beigefügten Illustrationen stammen ebenfalls von ihm – kurze Portraits von berühmten Männern, die ausgesprochene Katzenliebhaber waren bzw. sind. Die Palette reicht hierbei von diversen Künstlern und Schriftstellern über Erfinder bis hin zu Staatsmännern. So erfährt der Leser zum Beispiel, dass die berühmte Eröffnungsszene von „Der Pate“, in der Vito Corleone eine Katze streichelt, im Originaldrehbuch gar nicht vorkommt. Marlon Brando, der ein Faible für Katzen hatte, und der auf dem Studiogelände herumstromernde Graugetigerte fühlten sich lediglich derartig zueinander hingezogen, dass diese berühmte Szene einem Moment der Eingebung entsprang. Weiterhin erfährt der Leser, dass Churchill gerne in Gesellschaft seiner Katzen speiste und ihnen, wenn seine Frau nicht hinsah, geräucherten Lachs zusteckte. Oder dass Freddy Mercury regelmäßig bei seiner Katzen-Sitterin anrief, wenn er auf Tour war, um mit seiner Katzenfamilie zu sprechen.

Oftmals wird den Katzen eine treibende Kraft von ihren Besitzern eingeräumt. So schreibt Nicola Tesla seiner Katze sein früh erwachtes Interesse an der Elektrizität zu, die Musikalität seiner beiden Siamkatzen stellte eine Quelle der Inspiration für den französischen Komponisten Maurice Ravel dar, und William S. Burroughs schreibt den Katzen sogar das Wiedererlangen seiner Menschlichkeit zu. Karl Lagerfeld wiederum liebt seine Birma-Katze Choupette dermaßen, dass er sie am liebsten heiraten würde, wenn es legal wäre. Einer der berühmtesten Katzenliebhaber jedoch ist unbestreitbar Mark Twain, der sich stets mit einer Schar Katzen umgab, und uns einen beträchtlichen Kanon an Katzen-Weisheiten hinterließ.

Das Buch zeugt gleichermaßen von einer großen Bewunderung für die berühmten Katzenliebhaber der Geschichte als auch für die Katzen selbst, die ihren Teil zu der Großartigkeit dieser Männer beigetragen haben. Um die Wertschätzung für Katzen mit den Worten des Autors auf den Punkt zu bringen: „Mögen die Verblichenen von euch auf ewig sonnenbaden in den elysischen Gefilden der Katzenminze.“

Veröffentlicht am 21.12.2018

Ein kitschiger Roman, aber mit Potenzial

Das rote Adressbuch
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Doris ist alt. Sechsundneunzig Jahre alt. Alle, die ihr in ihrem langen Leben etwas bedeutet haben, sind tot. Nur ihre über alles geliebte Großnichte Jenny ist noch am Leben. Doch sie wohnt mit ihrer Familie ...

Doris ist alt. Sechsundneunzig Jahre alt. Alle, die ihr in ihrem langen Leben etwas bedeutet haben, sind tot. Nur ihre über alles geliebte Großnichte Jenny ist noch am Leben. Doch sie wohnt mit ihrer Familie in San Francisco – das ist so weit weg von Stockholm, wo Doris lebt. Als sie fühlt, dass ihre Tage gezählt sind, schreibt sie für Jenny ihre Lebensgeschichte nieder. Ausgangs- und Anhaltspunkt dafür ist ihr rotes Adressbuch, das sie von ihrem Vater zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt bekam und das sie ihr ganzes Leben begleitet hat. Doris schildert ihr bewegtes Leben mit seinen Höhen und Tiefen: die goldenen Zwanziger, die schweren Kriegsjahre, ihre große Liebe zu Allan und die vielen Jahre mit ihrem getreuen Freund Gösta. Als Doris ins Krankenhaus geliefert wird, kommt Jenny zu ihr, da sie fühlt, dass Doris nicht mehr lange zu leben hat. Aber bevor sie stirbt, erfüllt Jenny ihr noch einen großen Herzenswunsch, wenn nicht sogar ihren größten...

„Das rote Adressbuch“ lebt von Dramatik und Gefühl. Nun besteht zwischen Literatur und Kitsch eine sehr schmale Gratwanderung, die nur zu leicht in Richtung des zweiten kippen kann. Nicht so sehr das Thema als vielmehr die Umsetzung entscheiden darüber, ob ein Werk zum Kitsch oder zur Literatur gezählt werden kann. „Das rote Adressbuch“ zeugt von noch nicht ganz ausgereiftem Literaturverständnis. Das wahrhaft Poetische ist hier nur in Ansätzen vorhanden, aber es hat durchaus Potenzial und so bleibt abzuwarten, wie sich die Autorin in ihren folgenden Werken weiterentwickeln wird. In „Das rote Adressbuch“ wirkt das Geschehen noch sehr konstruiert. Die Übergänge sind viel zu fließend. Auch die Gespräche, die sich zwischen Doris und Jenny stets wiederholen, wirken nicht natürlich. Es ist alles zu sehr Fiktion. Kitschige Fiktion, die aber natürlich wohl gerade deshalb so eine große Anziehungskraft ausübt, denn eine gewisse Dosis Kitsch braucht jeder Mensch ab und zu. Falls auch Du gerade danach dürstest, dann greif ohne zu zögern zu diesem Roman.

Veröffentlicht am 21.12.2018

Ein poetisches Zeitdokument

Die Jahre der Leichtigkeit
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Wem die „Forsyte Saga“ viel zu kurz war und wer sich gewünscht hat, die Serie „Downton Abbey“ möge niemals enden, der wird auch die „Cazalet Chronicles“ lieben! Der erste Band der fünfbändigen „Cazalet ...

Wem die „Forsyte Saga“ viel zu kurz war und wer sich gewünscht hat, die Serie „Downton Abbey“ möge niemals enden, der wird auch die „Cazalet Chronicles“ lieben! Der erste Band der fünfbändigen „Cazalet Chronicles“ setzt da an, wo die letzte Staffel von „Downton Abbey“ aufhörte – kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges. Alles dreht sich um die neunköpfige Cazaletfamilie, ihre Kinder, Angestellten und zum Teil weiteren Verwandten.

William Cazalet, kurz Brig genannt, lebt mit seiner Frau Kitty, von allen Duchy genannt, und ihrer ledig gebliebenen Tochter Rachel in Sussex. Ihre drei Söhne, Hugh, Edward und Rupert leben mit ihren Familien in London. Brig hat es mit seinen beiden Söhnen Hugh und Edward – sein jüngster Sohn Rupert ist Lehrer – im Holzgeschäft zu großem Reichtum gebracht. Die langen Sommerferien verbringen alle zusammen auf dem Anwesen in Sussex. Inhalt des ersten Bandes sind die Sommermonate 1937 und 1938 – während der Sommer 1937 noch unbeschwert verläuft, wird der Sommer 1938 von der Angst eines Kriegsausbruchs überschattet. Hugh und Edward, die beide im Ersten Weltkrieg gedient haben, wissen was das bedeutet. Während Hugh, der eine Hand verloren hat, regelmäßig unter grässlichen Kopfschmerzen aufgrund einer schwerwiegenden Kopfverletzung zu leiden hat und von Alpträumen heimgesucht wird, scheint Edward unversehrt an Leib und Seele den Krieg überstanden zu haben. Er möchte vielmehr das Leben in vollen Zügen genießen, wobei gerne moralische Maßstäbe übergangen werden können. Rupert, der jüngste Sohn, träumt davon Maler zu werden, doch auch ihn holt die Realität schließlich in der Form ein, dass er Teilhaber des familiären Unternehmens wird. Während Sybil, Hughs Frau, ganz in ihrer Rolle als Frau und Mutter aufgeht, fehlt Edwards Frau Villy, die vor ihrer Heirat Balletttänzerin war, die berufliche Erfüllung. Ruperts zwölf Jahre jüngere bildhübsche Frau Zoë, die zu Anfang lediglich auf ihr Aussehen bedacht ist, reift schließlich doch durch Selbsterkenntnis vom Püppchen zur Frau.

Elizabeth Jane Howard zeichnet mit sicherer Hand die zahlreichen Charaktere in ihrem Buch. Angefangen beim fast achtzigjährigen Brig und aufgehört beim jüngsten Kindeskind Neville werden alle Figuren mit einer derart ausgereiften Menschenkenntnis und psychologischen Feinfühligkeit geschildert, dass sich der Leser in das Leben der Familie Cazalet einbezogen und unweigerlich jeder der Figuren in irgendeiner Form verbunden fühlt. Besonders zu loben ist die gelungene Darstellung der kindlichen Psyche. Auch scheut sich die Autorin nicht davor sogenannte Tabuthemen zu thematisieren, wie die des Ehebruchs, des familiären Kindesmissbrauchs oder der gleichgeschlechtlichen Liebe. Elizabeth Jane Howard ist zweifelsohne eine herausragende Schriftstellerin, deren großartiges Opus, das die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt – eine Zeit, in der sich nicht zuletzt sehr viel, wenn nicht fast alles, für die Frau änderte – nun endlich auch ins Deutsche übersetzt wird. Ich kann es kaum erwarten bis der zweite Band der Familiensaga auf den Markt kommt – denn dass ich die gesamten „Cazalet Chronicles“ lesen werde, steht für mich persönlich völlig außer Frage!