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Veröffentlicht am 21.05.2024

Ankunft und Abschied – Leben und Sterben

Morgen und Abend
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Nach vielen Jahren Ehe und einer Tochter haben Marta und Olai endlich einen Sohn bekommen. Sie nennen ihn Johannes. --- Seit damals sind viele Jahre vergangen. Johannes ist jetzt selbst alt und einsam ...

Nach vielen Jahren Ehe und einer Tochter haben Marta und Olai endlich einen Sohn bekommen. Sie nennen ihn Johannes. --- Seit damals sind viele Jahre vergangen. Johannes ist jetzt selbst alt und einsam und er sehnt sich nach seiner Frau, die vor einigen Jahren verstorben ist. Auch sein Leben neigt sich bereits dem Ende zu. Seit er heute Morgen aufgewacht ist, empfindet er alles ganz seltsam leicht und schmerzfrei. Er erlebt plötzlich Momente aus seinem Leben, das als Fischer arbeitsreich und voller Entbehrungen war, erinnert sich an die sieben Kinder die sie bekommen und großgezogen haben und trifft alte Freunde wieder, die längst verstorben sind. Ist das real oder träumt Johannes? …

Jon Olav Fosse, geb. 1959 in Haugesund/Norwegen, ist ein norwegischer Autor, Dramatiker, Lyriker, Essayist und Übersetzer. Mit seinen über fünfzig literarischen Veröffentlichungen gilt er als eine der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen norwegischen Literatur. Als siebenjähriger Junge hatte er einen Unfall, bei dem er ein Nahtod-Erlebnis hatte. Diese Erfahrung hat sein Schreiben als Erwachsener bis heute stark beeinflusst. Fosse, der heute in Oslo und in der niederösterreichischen Gemeinde Hainburg lebt, erhielt im Jahr 2023 den Nobelpreis für Literatur.

Der Schreibstil des Autors ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, lässt sich aber erstaunlich gut und flüssig lesen. Er ist ganz der Einfachheit und Schlichtheit des Lebens norwegischer Fischer angepasst und dadurch auch gut nachvollziehbar. Man macht nicht viele Worte, man versteht sich auch so. Die ganze Geschichte dreht sich um Johannes und seine sehr intensiven Gedanken und Gefühle, die anderen Personen treten dadurch naturgemäß etwas in den Hintergrund. Wir erleben seinen ersten und seinen letzten Tag, begleiten ihn bei seinen Erinnerungen und spüren dabei seinen quälenden körperlichen und seelischen Schmerz.

Wunderbar trostreich beschreibt Fosse den Übergang vom Leben zum Tod und nimmt so die Angst und den Schrecken vor dem Sterben. Ein beruhigender Gedanke, dass man dadurch seinen Lieben wieder begegnen kann.

Fazit: Ein kleines dünnen Büchlein, das zu lesen eine Bereicherung sein kann.

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Veröffentlicht am 20.05.2024

Liebeserklärung an einen Baum

Die Libanonzeder
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„Die Libanonzeder“, ein wunderschöner Baum der 1000 Jahre alt werden kann und bereits in der Bibel erwähnt wird, ist der rote Faden, der die vier Kurzgeschichten und die dazwischen eingefügten Abhandlungen ...

„Die Libanonzeder“, ein wunderschöner Baum der 1000 Jahre alt werden kann und bereits in der Bibel erwähnt wird, ist der rote Faden, der die vier Kurzgeschichten und die dazwischen eingefügten Abhandlungen über die einzelnen Wachstumsphasen des Baumes miteinander verbindet.

Die erste Geschichte spielt in grauer Vorzeit, als eine junge Frau ihrem Elternhaus entflieht, um ihrem Geliebten durch den ursprünglichen unwegsamen Zedernwald zu folgen. Die zweite Erzählung führt uns 1787 nach Pisa, wo der Präfekt des Botanischen Gartens, Giorgio Santi, höchstpersönlich eine Libanonzeder anpflanzt. Weiter werden wir 1856 ins Piemont versetzt, wo eine junge Gräfin nach dem Tod ihres Mannes versucht, den bei der Hochzeit gepflanzten Baum zu fällen. Die vierte Geschichte ereignet sich in ferner Zukunft, wo nach einer Umweltkatastrophe nach Resten ehemaliger Vegetation gesucht wird.

Dazwischen lesen wir über den beinahe magischen Prozess von der Keimung bis zum ausgewachsenen Baum. Gleich zu Beginn löst sich ein Samen aus dem holzigen Zapfen, trudelt auf seinem Flügel zur Erde um sich dort einzugraben und neues Leben entstehen zu lassen. Im weiteren Verlauf erfahren wir über die Vorgänge im Inneren der Zeder, über die Fotosynthese und Auswirkungen des Klimas, über Verwurzelung und Untergang. Der in Pisa gepflanzte Baum fiel 1935 einem Sturm zum Opfer, doch die Libanonzeder im Piemont steht bis heute noch dort.

„Die Libanonzeder“ ist eine wunderschöne, poetisch geschriebene Geschichte der 1971 geborenen italienischen Autorin Raffaella Romagnolo. Das kleine dünne Büchlein wurde 2024 vom Diogenes-Verlag im Rahmen der neuen Reihe „Diogenes Tapir“ herausgegeben. Leider wird es aufgrund des Preises von 24 Euro wohl nicht die verdiente Leserschaft finden.

Fazit: Eine Geschichte von Leben und Wachsen, von Zerstörung und Untergang, ein Bekenntnis zur Natur und Hoffnung für die Zukunft. Trotz des hohen Preises sollte es gelesen werden!
Ich vergebe 4 für die Umsetzung und 1 für die Ausstattung und den Preis!

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Orkan im Kopf und Wutklumpen im Bauch

Windstärke 17
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Mit einem alten Koffer, ein paar Klamotten und ihrem MacBook flüchtet Ida aus ihrem ehemaligen Zuhause. Ihre Mutter ist vor zwei Monaten gestorben, sie musste sich deshalb entscheiden, wie ihr Leben weitergehen ...

Mit einem alten Koffer, ein paar Klamotten und ihrem MacBook flüchtet Ida aus ihrem ehemaligen Zuhause. Ihre Mutter ist vor zwei Monaten gestorben, sie musste sich deshalb entscheiden, wie ihr Leben weitergehen soll und wie sie mit ihrer Trauer und ihrer Wut auf sich selbst umgehen kann. Zwar hatte ihre Schwester Tilda sie nach Hamburg eingeladen und ihr eine Fahrkarte geschickt, doch dahin will sie auf keinen Fall. So nimmt sie am Bahnhof den nächstbesten Zug – und fährt ohne Plan nach Rügen, wo sie abends in der Dunkelheit ankommt und die Jugendherberge aufsucht, weil sie sich kein Zimmer leisten kann. Am nächsten Tag sucht sie einen Job und landet in der Kneipe „Zur Robbe“, die dem alten Opa Knut gehört. Er und seine Frau Marianne nehmen Ida bei sich wie eine eigene Tochter auf. Als sie dann noch Leif kennen lernt, scheint Idas Leben endlich in ruhigeren Bahnen zu verlaufen. Doch es bleibt nicht so, das Schicksal schlägt erneut zu …

„Windstärke 17“ ist der Fortsetzungsroman von „22 Bahnen“, dem Debüt der jungen, 1995 in Mainz geborenen Autorin Caroline Wahl, für den sie mit einigen Preisen ausgezeichnet wurde. Sie wuchs in der Nähe von Heidelberg auf, studierte Germanistik in Tübingen sowie Deutsche Literatur in Berlin und arbeitete danach in mehreren Verlagen. Heute lebt sie in Rostock.

In ihrer klaren, unverwechselbaren Jugendsprache berichtet die Autorin, wie Idas Leben nach dem Wegzug ihrer Schwester Tilda weiter verlaufen ist. Wir erfahren vom Tod der Mutter, von Idas Selbstvorwürfen und ihrem unbändigen Hass auf sich selbst. Wir dürfen teilhaben an ihrem allmählichen Wandel, wie sie mithilfe anderer Menschen lernt mit ihrer Trauer und ihrem Frust umzugehen und sich in schwierigen Situationen nicht wieder komplett zu verschließen. Auch Ida versucht, wie ihre Schwester Tilda, ihre Probleme im Wasser abzustreifen. Sie schwimmt keine Bahnen im Freibad, sondern schwimmt in der Ostsee bis zur Erschöpfung lebensgefährlich weit hinaus.

Die Figuren sind sehr lebensnah gezeichnet und wirken äußerst realistisch, die Autorin hat ein gutes Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Die Psyche der einzelnen Personen ist sehr ausgefeilt, der Schreibstil dabei angenehm flüssig und gut lesbar. Es sind durchaus schwere und ernste Themen, die in diesem Roman behandelt werden, die durch die ausgewogene Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit eine breite Palette an Emotionen wecken. Mit einem optimistischen Ausklang schließt die Geschichte ab.

Fazit: Eine Geschichte die mitreißt, aufrüttelt und nachdenklich stimmt.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Der Sommer bringt Geheimnisse ans Licht

Treibgut
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Der 70. Geburtstag von Adam, dem seit vielen Jahren verwitweten Oberhaupt der Familie Gardner, die auf der Halbinsel Cape Cod lebt, steht bevor. Da der Meeresbiologe gleichzeitig in Ruhestand geht, soll ...

Der 70. Geburtstag von Adam, dem seit vielen Jahren verwitweten Oberhaupt der Familie Gardner, die auf der Halbinsel Cape Cod lebt, steht bevor. Da der Meeresbiologe gleichzeitig in Ruhestand geht, soll an diesem Tag ein großes Fest stattfinden, bei dem er gebührend geehrt werden soll. Adam Gardner hat zwei Kinder, die er nach dem Tod seiner Frau größtenteils alleine großzog. Sohn Ken, mittlerweile 41 Jahre alt, ist erfolgreicher Immobilienmakler und möchte in die große Politik einsteigen, seine 3 Jahre jüngere künstlerisch begabte Schwester Abby ist Malerin und bewohnt das Atelier in den Dünen, das Ken gehört. Früher waren die Geschwister unzertrennlich, doch heute herrscht Rivalität zwischen den beiden. Das zeigt sich besonders in den Vorbereitungen zum Fest, bei dem einer den anderen zu übertrumpfen gedenkt. Als dann noch Steph, eine Polizistin aus Boston und Mutter eines kleinen Jungen, zur Party eingeladen wird und dadurch einige gut gehütete Geheimnisse ans Tageslicht kommen, eskaliert die Situation …

Adrienne Brodeur ist eine amerikanische Schriftstellerin und Autorin einiger Romane, die in den USA zu Bestseller wurden. Sie arbeitet in Cambridge/Massachusetts und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Cape Cod.

„Treibgut“ ist der zweite Roman der Autorin, der ins Deutsche übersetzt wurde. Er entführt uns auf die malerische Halbinsel Cape Cod, einem Rückzugsort der Reichen und Schönen, wo auch die Familie Gardner zu Hause ist. Wir lernen die einzelnen Familienmitglieder kennen, deren Fehler und Schwächen nach und nach aufgedeckt und gnadenlos bloßgelegt werden. Auch sie haben Probleme und Konflikte, kämpfen um Anerkennung und Erfolg, erfahren Missgunst und Neid und versuchen, ihre Geheimnisse zu verbergen.

Es sind essentielle und tiefgreifende Themen, die uns die Autorin in ihrem erfrischend leichtem und durchaus intelligentem Erzählstil präsentiert - Alkoholabhängigkeit, Rivalität, Trauer und traumatische Erlebnisse, um nur einige zu nennen. Die Protagonisten, über die kapitelweise berichtet wird, sind interessant und wirken sehr authentisch. Wir tauchen ein in ihre Gefühlswelt, verstehen allmählich den Grund warum die Geschwister sich entzweit haben und erfahren mehr über die Auswirkung von Adams bipolarer Störung. Der Roman ist mitreißend, die Spannung baut sich ganz allmählich auf und erreicht auf der Geburtstagsfeier ihren Höhepunkt. Ganz nebenbei erfahren wir noch einige Details aus dem Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump im Jahr 2016.

Fazit: Es macht Spaß dieses Buch zu lesen – im empfehle es sehr gerne weiter!

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Überleben um die Zukunft zu erleben

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Gemeinsam mit seinem Bruder Sverre fuhr Großvater Konrad als Funker während des II. Weltkrieges auf einem Handelsschiff zur See. 1943 werden sie auf dem Weg nach Australien im Indischen Ozean von einem ...

Gemeinsam mit seinem Bruder Sverre fuhr Großvater Konrad als Funker während des II. Weltkrieges auf einem Handelsschiff zur See. 1943 werden sie auf dem Weg nach Australien im Indischen Ozean von einem japanischen U-Boot torpediert und versenkt. Während Sverre gefangen genommen wurde, gelang Konrad in einem Rettungsboot die Flucht. Nach 19 Tagen auf See strandete er, mehr tot als lebendig, auf einer indonesischen Insel. Im dortigen Krankenhaus verliebt sich Konrad in die Krankenschwester Sigrid. Die beiden machen Pläne für eine gemeinsame Zukunft nach dem Krieg, doch dann kommen sie in getrennte japanische Internierungslager. Es herrschen dort schreckliche Zustände und jeder muss ums nackte Überleben kämpfen. Doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu …

Die Autorin Trude Teige wurde 1960 in einem kleinen Ort an der Küste Norwegens geboren. Sie ist ausgebildete Übersetzerin und Journalistin und arbeitete viele Jahre als Reporterin und Nachrichtensprecherin beim norwegischen Sender TV2. Als Schriftstellerin debütierte sie 2002 mit einem historischen Roman, in dem sie viele Erlebnisse ihrer Urgroßmutter verarbeitete. Sie hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihrer Familie am Oslofjord. Das Original des Romans „Als Großmutter im Regen tanzte“ war bereits 2015 ein Bestseller in Norwegen, bei uns stand der erste Band der Generationen-Reihe monatelang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste von 2023. Der zweite Teil „Und Großvater atmete mit den Wellen“ ist am 27.03.2024 erschienen.

Das Buch umfasst die Zeitspanne von 1943 bis 1947. Im Fokus steht Konrad, der Großvater von Juni, die diesmal nur im Vor- und Nachwort vorkommt. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven und Sichtweisen der Protagonisten Konrad und Sigrid, so dass man als Leser deren Empfindungen und Gefühle intensiv erfährt. Zu Anfang ist das Erzähltempo recht hoch, wird jedoch bedächtiger wenn es um die Geschehnisse im Lager geht. Diese werden sehr anschaulich geschildert, sei es die Willkür der japanischen Besatzung, der Mangel an Nahrung, die hygienischen Verhältnisse und die damit verbundenen Krankheiten. Dabei zeigt sich, dass es bei Zusammenhalt und Zuversicht möglich sein kann, auch bei widrigsten Bedingungen zu überleben. Es scheint am Ende alles gut zu werden, doch dann schlägt das Schicksal unerbittlich zu …

Fazit: Ein fesselndes und aufrüttelndes Buch, das uns ganz nebenbei die weniger bekannte Seite des Krieges mit der Schreckensherrschaft der Japaner im Pazifik aufzeigt.

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