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Veröffentlicht am 25.02.2023

Sein Leben war Mühsal und Arbeit - aber trotz allem lebenswert

Ein ganzes Leben
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Nach dem Tod seiner Mutter kommt der etwa vierjährige Andreas Egger im Sommer 1902 auf den Hof seiner Verwandten in einem österreichischen Bergdorf. Dort erwarten das Kind harte Arbeit und viel Schläge, ...

Nach dem Tod seiner Mutter kommt der etwa vierjährige Andreas Egger im Sommer 1902 auf den Hof seiner Verwandten in einem österreichischen Bergdorf. Dort erwarten das Kind harte Arbeit und viel Schläge, was der Bub klaglos hinnimmt. Als er acht Jahre alt ist, bricht ihm der Bauer bei einer Prügelattacke das Bein, den Knochen wächst krumm zusammen und Andreas hinkt fortan. Trotzdem wird aus ihm ein besonders kräftiger junger Mann, der sich nach seinem 18. Geburtstag einem Angriff des Bauern widersetzt und ihm droht, ihn umzubringen. Er verlässt daraufhin den Hof und nimmt jede Arbeit an, bis er von dem verdienten Geld ein kleines, steiniges Grundstück mit einer Hütte oberhalb des Dorfes pachten kann. Er lernt Marie kennen, die neue Hilfskraft in der Dorfwirtschaft. Um ihr einen Heiratsantrag zu machen und eine Familie gründen zu können, arbeitet er nun beim Bautrupp der Firma, die die neue Seilbahn auf den Berg errichtet. Marie nimmt seinen Antrag an und zieht zu ihm in seine Hütte. Die beiden verbringen eine glückliche Zeit miteinander, bis das Schicksal grausam zuschlägt …

Robert Seethaler, geb. 1966 in Wien, ist ein österreichischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Schauspieler, der an Theatern in Wien, Berlin, Stuttgart und Hamburg mitwirkte. Für seine Romane erhielt er eine Reihe von Preisen und Stipendien. „Ein ganzes Leben“ stand 2016 auf der Shortlist für den Internationalen Booker Prize. Seethaler, der an einem angeborenen Augenfehler leidet (minus 17 Dioptrien), ist Vater eines 2009 geborenen Sohnes und lebt in Berlin-Kreuzberg und Wien.

Der Schreibstil des Autors ist klar und schnörkellos, dennoch einfühlsam mit sehr viel Tiefgang. Mit einfachen Worten entführt er uns in die Bergwelt zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, erzählt von dem kargen, entbehrungsreichen Leben der Bergbauern und lässt uns den allmählichen Wandel zur Moderne miterleben. Wir sind mit Andreas Egger im Krieg, erleben die Grausamkeiten russischer Gefangenschaft und seine Rückkehr ins heimische Bergdorf, wo er bald als Wanderführer sein Auskommen hat. Ohne zu jammern nimmt dieser schweigsame Mann, der stets ein Außenseiter ist, seine Schicksalsschläge hin und wir bekommen einen Eindruck davon, was ein Mensch in der Lage ist zu ertragen. Mit 79 Jahren, kurz bevor ihn ein sanfter Tod heimsucht, blickt er staunend auf sein Leben zurück – und wir staunen mit ihm.

Fazit: Eine ebenso einfache wie ergreifende Geschichte, schön und poetisch erzählt – sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 18.02.2023

„Eine Liebeserklärung an die Welt der Bücher“

Sunwise Turn
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Im Jahr 1916 eine moderne Buchhandlung mitten in New York zu eröffnen war gewiss nicht einfach, dennoch wagte es die Autorin Madge Jenison (1874-1960) gemeinsam mit ihrer Freundin Mary Mowbray-Clarke (1874-1962). ...

Im Jahr 1916 eine moderne Buchhandlung mitten in New York zu eröffnen war gewiss nicht einfach, dennoch wagte es die Autorin Madge Jenison (1874-1960) gemeinsam mit ihrer Freundin Mary Mowbray-Clarke (1874-1962). Beide waren keine Buchhändlerinnen und hatten vom Handel und Verkauf keine Ahnung, jedoch liebten sie Bücher und wollten diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.

Mit viel Humor schildert die Autorin ihre anfänglichen Bemühungen und ihr zunächst grandioses Scheitern. Doch der ungeheure Fleiß und die Liebe der beiden Damen zu Büchern zahlte sich nach und nach aus, „Sunwise Turn“, wie sie ihren Laden liebevoll nannten, wurde bald zu einer Institution in Manhattan. Millionäre verkehrten dort ebenso wie Intellektuelle, und manch einfacher, bedürftige Mensch bekam auch dann und wann ein Buch geschenkt. Im Laden wurden Lesungen abgehalten und fanden Veranstaltungen statt und für Kunden wurden eigens auf sie abgestimmte Literaturlisten erstellt.

In einem lebendigen humorvollen Erzählstil berichtet Madge Jenison ihre eigenen Erlebnisse. Wir erfahren wie z. B. wie Peggy Guggenheim ehrenamtlich Bücher für den Laden auslieferte, oder wie ihr völlig fremde Menschen ihre Lebensgeschichten anvertrauten. Als autobiografisches Werk der Autorin ist das Buch somit auch ein Stück Zeitgeschichte und zeugt davon, dass es auch damals schon für Frauen möglich war, mit viel Energie und zähem Fleiß ihren Traum zu verwirklichen.

Fazit: Ein Buch nur für Buchliebhaber und Bücherbesessene – alle anderen lassen es lieber!

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Veröffentlicht am 18.02.2023

Familiengeheimnisse

Als Großmutter im Regen tanzte
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Um aus ihrer lieblosen Ehe auszubrechen flieht Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern und hofft, auf der kleinen der norwegischen Küste vorgelagerten Insel zur Ruhe zu kommen. Dort entdeckt sie ...

Um aus ihrer lieblosen Ehe auszubrechen flieht Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern und hofft, auf der kleinen der norwegischen Küste vorgelagerten Insel zur Ruhe zu kommen. Dort entdeckt sie beim Aufräumen ein Foto, das Großmutter Arm in Arm mit einem deutschen Soldaten zeigt. Als sie dann noch die Heiratsurkunde ihrer Großeltern findet wird ihr klar, dass in ihrer Familiengeschichte ein Geheimnis verborgen ist. War das vielleicht der Grund, warum ihre Mutter Lilla mit Großmutter immer Streit hatte? Und warum liebte es Großmutter Thekla so sehr, bei Regen im Freien zu tanzen? Junis Neugier ist geweckt, sie forscht weiter, unterstützt von Nachbar Georg. Die Spur führt die beiden nach Deutschland, wo sie auf die schrecklichen Nachkriegs-Ereignisse in der Stadt Demmin stoßen …

Die Autorin Trude Teige wurde 1960 in einem kleinen Ort an der Küste Norwegens geboren. Sie ist ausgebildete Übersetzerin und Journalistin und arbeitete viele Jahre als Reporterin, Nachrichtensprecherin und Programmmanagerin beim norwegischen Sender TV2. Als Schriftstellerin debütierte sie 2002 mit einem historischen Roman, in dem sie viele Erlebnisse ihrer Urgroßmutter verarbeitete. Das Original des Romans „Als Großmutter im Regen tanzte“ war bereits 2015 ein Bestseller in Norwegen, ist inspiriert von tatsächlichen Ereignissen und Menschen und wurde für den Bookstore-Preis nominiert. Trude Teige hat zwei Töchter und lebt in einem Vorort von Oslo.

Dass der Zweite Weltkrieg viel Leid über Europa brachte, dürfte allgemein bekannt sein. Dass aber auch norwegische Frauen, die sich in einen deutschen Besatzungssoldaten verliebten, Schreckliches durchmachen mussten, wusste ich bisher nicht. Von solch einem Schicksal erzählt dieser Roman, von Schande, Bloßstellung, Angst, Hoffnungslosigkeit, verdrängter Trauer und versuchtem Vergessen.

In sachlichem, beinahe als nüchtern zu bezeichnendem Schreibstil beschreibt die Autorin in zwei Zeitebenen abwechselnd Junis Suche nach der Wahrheit und Großmutter Theklas Erlebnisse im Nachkriegsdeutschland. Dabei schreckt sie auch vor gewalttätigen, brutalen Szenen nicht zurück und schildert diese ohne zu verurteilen. Wir erleben den Einzug der Roten Armee und erfahren vom Massensuizid in der Kleinstadt Demmin, bei dem sich aus Angst vor den russischen Soldaten mehrere Hundert Personen mit ihren Angehörigen das Leben nahmen. Die entsetzlichen Erlebnisse wirken nach und beeinflussen auch das Leben der nachfolgenden Generationen. Diese Einzelheiten lassen sich nur ertragen, weil wir immer wieder zur Enkelin Juni zurückkehren, sie bei ihren Recherchen begleiten, an ihrem neuen Leben auf der Insel teilhaben. Dass sie am Ende ein neues Glück findet, stimmt versöhnlich.

Fazit: Sehr gut recherchierte und spannend geschriebene Lebens- und Liebesgeschichte, bei der man viel über die unmittelbare Zeit nach Kriegsende erfährt – ein Buch, das noch lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 02.02.2023

Die Macht der Gedanken

Macht
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Liv führt ein Leben wie Tausende andere auch. Sie ist verheiratet, liebt ihren Mann und ihre beiden kleinen Kinder und arbeitet als Pflegerin. Doch eines Tages wird alles anders. Eine neue Patientin kommt ...

Liv führt ein Leben wie Tausende andere auch. Sie ist verheiratet, liebt ihren Mann und ihre beiden kleinen Kinder und arbeitet als Pflegerin. Doch eines Tages wird alles anders. Eine neue Patientin kommt ins Pflegeheim, deren Bruder vor Jahren als Vergewaltiger angeklagt wurde. Mit Macht kommen die alten Erinnerungen zurück, kreisen um das Schreckliche, das ihr vor 15 Jahren geschehen ist und von dem bisher keiner weiß. Sie will nicht mehr daran denken, versucht sich abzulenken, nimmt Pillen zur Beruhigung – bis sie sich endlich einer Freundin anvertraut …

Heidi Furre, geb. 1985, hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. „Macht“ ist der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde. Die Autorin arbeitet als Fotografin und lebt in Oslo.

In relativ nüchternen und emotionslosen, meist nur kurze Sätze umfassenden Schreibstil, tauchen wir ein in Livs Gedankenwelt und fühlen ihre innere Zerrissenheit. Sie weiß nicht mehr was sie tun soll, will das Geschehene vergessen und geht doch heimlich zum Haus des Täters. Ihre Gedanken schweifen ständig ab, drehen sich im Kreis und lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Sie fragt sich stets nach einer gewissen Mitschuld und kommt nicht umhin, sich diese teilweise selbst einzugestehen. Die Tat selbst steht nicht im Vordergrund, sondern das, was sie aus dem Leben der Frau gemacht hat und wie sie deren Entscheidungen beeinflusst.

Trotz der Schwere des Themas und der vorherrschenden bedrückenden Stimmung konnte mich das Buch nicht voll überzeugen. Ich konnte die Handlungen der Protagonistin oft nicht nachvollziehen, da sie mir manchmal doch ziemlich unrealistisch und überzogen vorkamen.

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Veröffentlicht am 31.01.2023

Drei Damen auf Mörderjagd

Rondo Veneziano
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Adele, Zahnärztin in Wien, erhält einen Anruf von „Tante Pauline“, der betagten Freundin ihrer Mutter. Diese bittet sie nach Venedig zu kommen, um ihr beim Verkauf ihrer umfangreichen Gemäldesammlung behilflich ...

Adele, Zahnärztin in Wien, erhält einen Anruf von „Tante Pauline“, der betagten Freundin ihrer Mutter. Diese bittet sie nach Venedig zu kommen, um ihr beim Verkauf ihrer umfangreichen Gemäldesammlung behilflich zu sein. Eben in der Lagunenstadt angekommen trifft Adele auf zwei frühere Schulkameradinnen, die Bibliothekarin Chris und die Boutiquebesitzerin Biggi, die den Beginn ihrer Pensionierung mit einigen Urlaubstagen feiern möchten. Sie schließen sich zusammen und begeben sich zu dritt zum Palazzo der Tante. Dort erfahren sie, dass Pauline Opfer eines Treppensturzes geworden ist, kurz nachdem ihr Neffe aus Amerika angekommen sei. Da Adele die alte Dame schon seit Kindertagen kannte und von einem Neffen in Amerika noch wie etwas gehört hatte, vermuten die Freundinnen ein Verbrechen, zumal im Palazzo nicht unerhebliche Werte vorhanden sind. Sie versuchen nun, den Mörder zu finden und das Verbrechen aufzuklären …

Susanne Ayoub ist eine österreichisch-irakische Schriftstellerin, Journalistin und Filmemacherin. Sie wurde 1956 in Bagdad geboren und flüchtete im Alter von sechs Jahren mit ihrer Mutter nach Wien. Dort studierte sie Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie und arbeitet als freischaffende Journalistin und als Autorin und Regisseurin beim ORF. Sie veröffentlichte bereits mehrere Romane und Gedichte, schrieb Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke, für die sie etliche Auszeichnungen erhielt.

Das Bemerkenswerteste an diesem Buch ist zweifellos die sehr liebevolle, plastische Beschreibung der wunderschönen Lagunenstadt Venedig, anhand derer man auch ohne Reiseführer die beschriebenen Sehenswürdigkeiten wiederfinden kann – die Geschichte selbst ist allenfalls als Softkrimi zu bezeichnen. Den Kriminalfall fand ich etwas zu konstruiert und nicht ganz ausgereift, die Spannung hält sich in Grenzen und die Auflösung ist letztendlich eher unwahrscheinlich. Der Schreibstil ist in angenehmen Plauderton gehalten, immer wieder unterbrochen durch Einschübe über das frühere und heutige Leben der drei Protagonistinnen in Wien, das naturgemäß sehr unterschiedlich verlaufen ist. Leider bleiben zum Schluss ein paar wichtige Fragen unbeantwortet und einiges blieb schlicht unerwähnt, was den sonst guten Gesamteindruck erheblich mindert.

Fazit: Ein netter, softer Krimi ohne großen literarischen Anspruch.

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