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Veröffentlicht am 26.06.2024

Klagelied einer verlorenen Liebe

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Wie schon so oft wollten die Erzählerin S. und ihr Geliebter M. wieder ein romantisches Wochenende in einem abgelegenen Chalet am See in den Bergen verbringen. Doch diesmal sollte es anders kommen, M. ...

Wie schon so oft wollten die Erzählerin S. und ihr Geliebter M. wieder ein romantisches Wochenende in einem abgelegenen Chalet am See in den Bergen verbringen. Doch diesmal sollte es anders kommen, M. verstirbt völlig unerwartet und S. bleibt voller Verzweiflung mit ihrem Schmerz zurück. Nein, sie ist nicht bereit ihren Geliebten gehen zu lassen, solange sie ihn sieht ist er für sie noch da. Sie lebt mit ihm, redet mit ihm, schläft bei ihm und setzt seinen Leichnam nach einigen Tagen ins Auto, um mit ihm ein letztes Mal eine Fahrt an die Orte zu unternehmen, die sie beide so sehr geliebt hatten. Nebenbei schreibt sie Briefe, in denen sie über die große Liebe zwischen ihr und M. erzählt, an eine Person, von der sie hofft, dass sie ihren Schmerz verstehen kann – an M.s ahnungslose Ehefrau.

Adeline Dieudonné, geb. 1982 in Brüssel, ist eine belgische Schriftstellerin, Filmproduzentin und Theaterschauspielerin. Sie lebt mit ihren beiden Töchtern in Brüssel.

Eine beklemmende Geschichte, die uns die Autorin hier präsentiert. Sie überlässt das Erzählen der Hauptfigur, deren Namen (S.) wir nur einmal als Signatur am Ende des letzten Briefes erfahren. Realistisch ist diese ungewöhnliche Handlung nicht, sondern erinnert eher an ein Schauermärchen oder einen wilden Traum. Spannung erhält das Geschehen weil man ahnt, dass es nicht gut ausgehen kann und man deshalb dem Ende bzw. einer Lösung entgegen fiebert. Außer der Protagonistin, in deren Gedanken und Gefühle man tief eintauchen kann, werden die anderen Charaktere nicht differenziert ausgeleuchtet.

S. blickt zurück auf vorangegangene Beziehungen, auf Männer die sie verletzten und missbrauchten, und auf ihre Liebe zu M., bei dem sie erstmals das Gefühl hatte, akzeptiert zu werden und selbstbestimmt leben zu dürfen. Dass sie dies alles, einschließlich intimster sexueller Handlungen mit M., an dessen ahnungslose Ehefrau schreibt ist nur so zu erklären, dass sie ihren großen Schmerz mit jemand teilen will, der ähnlich wie sie fühlen muss. Was die Betrogene dabei empfindet, bleibt leider außen vor.

Fazit: Es braucht starke Nerven und ein robustes Gemüt, um diese Geschichte zu verdauen, bei der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 24.06.2024

Aufbruch in ein neues Leben

Die Zeit der Zikaden
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Nach sechsunddreißig Berufsjahren als Lehrerin ist Alex nun im verdienten Ruhestand. Mit ihren 63 Jahren fühlt sie sich noch nicht alt. Sie möchte sich nochmal verändern und hat sich deshalb ein fahrbares ...

Nach sechsunddreißig Berufsjahren als Lehrerin ist Alex nun im verdienten Ruhestand. Mit ihren 63 Jahren fühlt sie sich noch nicht alt. Sie möchte sich nochmal verändern und hat sich deshalb ein fahrbares Tinyhouse nach ihren Wünschen anfertigen lassen, in dem sie an einem schönen Ort sesshaft werde möchte. Auf der Hochzeit einer ehemaligen Schülerin lernt sie deren Schwiegervater Johann kennen. Auch er hat Pläne für die Zukunft, er braucht eine Auszeit von der Familie, um wieder malen zu können. Sein Bestattungsinstitut hat der 56Jährige bereits seinem Sohn übergeben. Er besitzt in Ligurien ein kleines Landhaus, das er von seinem Onkel Renat geerbt hat, in dem er einige Zeit verbringen möchte und bietet Alex an ihr Tinyhouse dort im Garten abzustellen, was sie sehr gerne annimmt. Bald streifen Johann und Alex gemeinsam durch die wunderschöne Landschaft, schließen Freundschaft mit den Einheimischen und lauschen abends dem Gesang der Zikaden. Beide fühlen ihre gegenseitige Zuneigung – und kommen sich langsam näher …

Der Autor Moritz Heger wurde 1971 in Stuttgart geboren, studierte Freie Kunst in Saarbrücken und anschließend in Mainz Germanistik, Evangelische Theologie, Pädagogik und Theaterwissenschaften und gewann bereits mehrere regionale Literaturpreise. Neben dem Schreiben arbeitet er als Gymnasiallehrer für Deutsch und Religion in Stuttgart. „Die Zeit der Zikaden“ ist sein dritter Roman.

Es geht in diesem Buch um die Möglichkeit, am Ende seines Berufslebens etwas Neues auszuprobieren und lang gehegte Träume zu verwirklichen. Alex und Johann, zwei ältere Menschen, versuchen, ihr Leben im Ruhestand neu zu gestalten und entdecken dabei Zuneigung und Liebe. Schreibstil und Satzbau dieses Romans sind sehr gewöhnungsbedürftig, da der Autor oft verschachtelte Sätze und neue Wortschöpfungen verwendet. Viele der ellenlangen Gedankengänge der beiden Protagonisten waren für mich weder philosophisch, noch poetisch oder tiefsinnig, sondern eher irritierend. Es werden zudem etliche Fremdwörter verwendet, die nicht in jedermanns Wortschatz vorhanden sein dürften. Während die Landschaftsbeschreibungen übertrieben ausführlich, ja beinahe schwülstig, sind, bleiben die Figuren recht blass und emotionslos. Das Ende ist überraschend kurz und die wichtigste Frage bleibt offen.

Fazit: Ein interessanter Plot, von dessen Umsetzung ich mir mehr versprochen hätte.

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Veröffentlicht am 16.06.2024

Seine letzte große Reise

Reise nach Laredo
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Man schreibt das Jahr 1558. König Karl hat abgedankt und lebt jetzt in einem Kloster in Yuste, wo er von den Mönchen versorgt wird. Er ist krank, hat Schmerzen, langweilt sich und wartet nur noch auf seinen ...

Man schreibt das Jahr 1558. König Karl hat abgedankt und lebt jetzt in einem Kloster in Yuste, wo er von den Mönchen versorgt wird. Er ist krank, hat Schmerzen, langweilt sich und wartet nur noch auf seinen Tod. Doch als er dem elfjährigen Geronimo, einem seiner unehelichen Kinder, begegnet, erwachen in ihm neue Lebensgeister. Gemeinsam fassen sie den Plan, sich heimlich nachts mit Pferd und Maulesel auf den Weg nach Laredo zu machen. Trotz vieler Gefahren, die auf die beiden warten, fühlt sich Karl, der als König nie unbeschwert sein durfte, jetzt frei und unabhängig wie nie zuvor. Sie lernen neue Freunde kennen, erfahren Hilfsbereitschaft und Liebe und begreifen, welche Werte wirklich wichtig sind im Leben …

Arno Geiger, geb. 1968 in Bregenz, ist ein österreichischer Schriftsteller und Autor zahlreicher erfolgreicher Romane, Erzählungen und Hörspiele, für die er mehrfach Preise und Auszeichnungen erhielt. Er ist verheiratet und lebt als freier Schriftsteller seit 1993 abwechselnd in Wien und Vorarlberg.

Anhand der Jahreszahl und der Ortsangaben darf man annehmen, dass der Autor seine Anregung aus der Biografie des realen Kaisers Karl V. entnommen hat, dessen letzte Reise von Laredo nach Yuste war, wo er 1558 verstarb. Das Buch ist mit feiner Komik, sprachlich brillant und ausdrucksstark geschrieben, sodass man als Leser das Geschehen bildhaft vor Augen hat: eine phantastische Reise voller Abenteuer, ein Roadtrip im Mittelalter, gefahrvoll und mit ungewissem Ausgang. Man schmunzelt, fiebert mit und hofft für die beiden Protagonisten das Beste. Das ruhige Ende gibt uns dann Gelegenheit, wieder zu uns selbst zu finden und darüber nachzudenken, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Fazit: Für diese wunderbare Geschichte gibt es von mir eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Gefühle einer Frau und Mutter

Die Mittagsfrau
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1945. Nach dem Einmarsch der Roten Armee flieht eine Mutter mit ihrem siebenjährigen Sohn aus Stettin in Richtung Westen. Ihr Gepäck besteht aus einem kleinen Koffer, der etwas Geld, Kleidung und die Geburtsurkunde ...

1945. Nach dem Einmarsch der Roten Armee flieht eine Mutter mit ihrem siebenjährigen Sohn aus Stettin in Richtung Westen. Ihr Gepäck besteht aus einem kleinen Koffer, der etwas Geld, Kleidung und die Geburtsurkunde des Jungen, sowie einen Zettel, auf dem „Onkel Sehmisch, Gelbensande“ geschrieben steht, enthält. Auf einem Provinzbahnhof fordert sie den Jungen auf sich auf eine Bank zu setzen, auf den Koffer aufzupassen und auf ihre Rückkehr zu warten. Doch sie kommt nicht mehr zurück, sie hat ihn verlassen. --- Was treibt die siebenunddreißigjährige Helene dazu, ihren kleinen Peter auszusetzen? Ist es die kürzlich erlittene Vergewaltigung durch Soldaten der Roten Armee, ist es das Scheitern ihrer Ehe mit Wilhelm Sehmisch, dem sie ihre neuen Papiere mit dem Namen Alice Sehmisch verdankt, oder die Erinnerung an ihren tödlich verunglückten Verlobten Carl? Ist ihre Handlung vielleicht auf ihr schlechtes Gewissen zurückzuführen, dass sie mit ihrer jüdischen Mutter, die psychisch labil, gefühlskalt und zu Wutausbrüchen neigend in einer psychiatrischen Anstalt an akuter Lungenentzündung verstorben sein soll, seit den Zwanzigerjahren keinen Kontakt mehr hatte?

Die deutsche Schriftstellerin Julia Franck+ wurde zusammen mit ihrer Zwillingsschwester 1970 in Ost-Berlin als Tochter der Schauspielerin Anna Franck und des Fernsehregisseurs Jürgen Sehmisch geboren. Für ihre Texte und Bücher erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Stipendien, ihr 2007 im S. Fischer Verlag erschienener Roman „Die Mittagsfrau“ verhalf ihr zum Deutschen Buchpreis 2007, verkaufte sich daraufhin fast eine Million Mal und hielt sich über Monate auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wie die Autorin in einem Interview erwähnte, hat die Geschichte Parallelen zu ihrer eigenen Familiengeschichte. Ihr 1937 in Stettin geborener Vater wurde 1945 im Zuge der Vertreibung gen Westen von seiner Mutter auf dem ersten Bahnhof westlich der Oder-Neiße-Linie aufgefordert zu warten, bis sie gleich wieder kommen würde. Sie kam nicht wieder. Nachforschungen zu diesem Roman ergaben, dass die Großmutter der Autorin mit ihrer Schwester über Jahrzehnte zurückgezogen in einer Einzimmerwohnung gelebt habe und 1996 in der Nähe von Berlin verstorben sei. Ein Kind hätte sie nie erwähnt.

Der Roman erzählt in drei Kapiteln die Lebensgeschichte der Protagonistin Helene Würsich, später Alice Sehmisch, von ihrer Kindheit Anfang des 20. Jahrhunderts in Bautzen, von ihren Erlebnisse als junge Erwachsene in den 1920er Jahren in Berlin bis zu ihrem Leben als Ehefrau und Mutter während des Naziregimes. Im Prolog und im Epilog des Romans steht ihr Sohn Peter im Mittelpunkt. Den Titel Die Mittagsfrau hat die Autorin einer slawischen Sage entlehnt, in der ein weiblicher Naturgeist an heißen Tagen um die Mittagszeit erscheint, um den Menschen den Verstand zu verwirren und ihre Glieder zu lähmen. Man kann die Geschichte, sowohl vom Schreibstil als auch inhaltlich, durchaus als anspruchsvoll bezeichnen. Werden doch neben den Wirren der beiden Weltkriege auch viele Tabuthemen der damaligen Zeit behandelt, wie lesbische Beziehungen, Drogenmissbrauch, vorehelicher Sex und Abtreibung, die nachdenklich stimmen und zum diskutieren anregen.

Fazit:* Ein lesenswertes Buch, das zu Recht den Deutschen Buchpreis 2007 gewonnen hat.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Watte im Kopf und ein rätselhafter Berg

Kalmann und der schlafende Berg
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Seit Großvater gestorben ist wohnt Kalmann, der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn, bei seiner Mutter in Akureyri, wo er für Ordnung auf dem Parkplatz des Supermarktes zuständig ist. Aber jetzt sitzt ...

Seit Großvater gestorben ist wohnt Kalmann, der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn, bei seiner Mutter in Akureyri, wo er für Ordnung auf dem Parkplatz des Supermarktes zuständig ist. Aber jetzt sitzt er im Vernehmungszimmer des FBI in Washington, ist wütend, hat mal wieder „Watte im Kopf“ und versteht rein gar nichts mehr. Er ist doch auf Einladung seines „Samenspenders“, seines amerikanischen Vaters, in die USA geflogen um seine dortige Familie kennen zu lernen. Diese nahmen ihn dann mit zu einem Ausflug zum Capitol, zu dem ein amerikanischer Präsident aufgerufen hatte, und lassen ihn jetzt schmählich im Stich. Ehe Kalmann sich’s versieht, sitzt er auch schon wieder im Flieger nach Island, wo er einen neuen Mord aufzuklären hat. Warum musste Großvater so plötzlich sterben und warum hat er kurz vor seinem Tod noch russisch gesprochen? Sein bester Freund, die Online-Bekanntschaft Noi, hat einen Verdacht, dem Kalmann natürlich nachgehen muss …

Der 1981 im Kanton Graubünden/Schweiz geborene Autor Joachim B. Schmidt entschied sich 2007 Island zu seiner Wahlheimat zu machen und erwarb sogar die dortige Staatsbürgerschaft. Nachdem er 2010 mit einer Kurzgeschichte einen Schreibwettbewerb gewann begann er Romane zu schreiben. „Kalmann und der schlafende Berg“ ist sein sechster Roman, für den er den diesjährigen Glauser-Krimipreis in der Kategorie Bester Roman erhalten hat. Heute lebt Joachim B. Schmidt mit seiner Familie in Reykjavik, wo er als Journalist, Autor und Touristenführer tätig ist.

Wieder ist es dem Autor gelungen, den in seinen kognitiven Fähigkeiten eingeschränkten Kalmann als äußerst liebenswerten Menschen darzustellen. Man muss ihn einfach gern haben, den eigenwilligen Sheriff von Raufarhöfn, mit all seinen Schwächen und absonderlichen Eigenheiten. Joachim B. Schmidt lässt den Protagonisten selbst berichten, so dass man als Leser die Ereignisse durch seine Gedankenwelt wahrnimmt und dabei stets zwischen Bewunderung und Mitleid schwankt. Ganz nebenbei erfährt man auch einiges vom Weltgeschehen in den 2020/21er Jahren, als Kalmann beim Sturm auf das Capitol in die Fänge des FBI geriet und bei seiner Rückkehr nach Island wegen Corona in Quarantäne musste. Mit viel Witz und beeindruckender Sprachintensität führt uns der Autor an die verschiedensten Schauplätze und glänzt dabei mit seltsamen, teils etwas überspitzten Einfällen, die er gekonnt zu einem großartigen, unterhaltsamen Kriminalroman verknüpft.

Fazit: Ein etwas anderer Kriminalroman, witzig und abgedreht komisch – und vor allem gut unterhaltend. Lesenswert!

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