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Veröffentlicht am 06.06.2019

Emma ist weg ...

Wo ist Emma?
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Es ist Emmas dritter Geburtstag. Eben hat sie noch im Garten gespielt, jetzt ist sie spurlos verschwunden. Ein Alptraum für die ganze Familie, besonders aber für Mutter Megan. Zwei Jahre lang sucht sie ...

Es ist Emmas dritter Geburtstag. Eben hat sie noch im Garten gespielt, jetzt ist sie spurlos verschwunden. Ein Alptraum für die ganze Familie, besonders aber für Mutter Megan. Zwei Jahre lang sucht sie verzweifelt nach ihr, vernachlässigt dabei ihren Mann Peter und ihre beiden größeren Mädchen und - hat schon so manches kleine blonde Mädchen erschreckt, in dem sie die verschwundene Emma zu erkennen glaubte. Ganz andere Probleme hat Jack. Je vergesslicher seine Frau Dottie wird, desto mehr wacht sie über ihre Enkeltochter Emmie. Warum darf die Kleine nicht aus dem Haus, warum darf sie nicht mit anderen Kindern spielen? Jack macht sich so seine Gedanken – welches Geheimnis verbirgt Dottie vor ihm?

Die Autorin Steena Holmes wuchs in einer Kleinstadt in Kanada auf. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Theologie und arbeitet zeitweise als Reiseleiterin. Für ihre schriftstellerische Tätigkeit erhielt sie 2012 den Indie Excellence Award. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Töchtern und lebt heute mit ihrer Familie in Calgary. Zum Schreiben des Buches „Wo ist Emma“ wurde sie durch ein persönliches Schreckerlebnis inspiriert, als sie ihre jüngste Tochter kurzzeitig vermisst glaubte.

Ein kleines Kind wird entführt – ein allzeit aktuelles und brennendes Thema und ein interessanter Plot für ein gutes Buch. Leider ist hier die Umsetzung nicht so gelungen, wie man es sich wünschen würde. Es mag vielleicht an der Übersetzung liegen, dass der Schreibstil so dürftig ausgefallen ist und eher dem Niveau „Groschenroman“ entspricht. Die Charaktere sind teilweise sehr überzogen beschrieben und auch ihre Reaktionen zu unglaubwürdig. Man versteht, dass die Mutter in Depressionen verfallen kann und sich alleingelassen fühlt, dass sie aber ihre anderen Kinder im Stich lässt und ihren Mann grundlos einer Affäre beschuldigt, ist schwer zu begreifen.

Interessant an dem Geschehen sind die verschiedenen Blickwinkel, da einmal aus Sicht von Megan und dann wieder aus Sicht von Jack berichtet wird. Zwar hat die Geschichte eine gewisse Spannung, jedoch ist die Auflösung schon recht früh vorhersehbar und wird, nachdem es sich lange Zeit ziemlich zäh hingezogen hat, am Schluss kurz und knapp, ja beinahe gefühllos, abgehandelt.

Fazit: Keine große Literatur, aber dennoch spannend und unterhaltsam.

Veröffentlicht am 31.05.2019

Die Heilkraft der Kunst …

Die Frau im Musée d'Orsay
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Warum nur will der angesehene Professor der Kunsthochschule in Lyon, Antoine Duris, plötzlich im Musée d’Orsay in Paris als Museumswärter arbeiten? Darüber wundert sich auch Mathilde Mattel, die Personalchefin ...

Warum nur will der angesehene Professor der Kunsthochschule in Lyon, Antoine Duris, plötzlich im Musée d’Orsay in Paris als Museumswärter arbeiten? Darüber wundert sich auch Mathilde Mattel, die Personalchefin des Museums, als sie ihn einstellt. Nun sitzt der schweigsame Mann Tag für Tag „Jeanne Hébuterne“, einem Gemälde von Modigliani, gegenüber, dessen Schönheit ihn offenbar tief berührt. Was hat Antoine zu verbergen, dass er von einem Tag auf den anderen alle Brücken in Lyon hinter sich abgebrochen hat? Mathilde ist von der Niedergeschlagenheit und Verlassenheit, die der Professor ausstrahlt, fasziniert. Auch Antoine ist von Mathilde beeindruckt uns sucht zögerlich ihre Nähe. Ganz allmählich gehen sie aufeinander zu, immer noch auf Abstand bedacht, bis ein Ereignis eintritt, das eine schnelle Entscheidung erfordert. Nun muss er sich seiner Vergangenheit stellen …

David Foenkinos, geb. 28.10.1974 in Paris, ist ein französischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Er studierte an der Sorbonne Literatur und Musik. Seine Bücher, für die er in Frankreich bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat, wurden in vierzig Sprachen übersetzt. Einige seiner Romane hat er, zusammen mit seinem Bruder Stéphane, selbst verfilmt. Seine Werke seien nicht autobiografisch, wie er anlässlich einer Lesung 2013 in Weimar erklärte.

Wie in den meisten Romanen Foenkinos‘ ist auch „Die Frau im Musée d’Orsay“ sehr problembeladen und in einer melancholischen Grundstimmung gehalten. Diese wird noch durch eine brutale Gewalttat, die dem Leser in aller Deutlichkeit geschildert wird, verstärkt. Taktvoll und mit viel Einfühlungsvermögen berichtet der Autor über die Gefühle des Opfers, über die bleibenden psychischen Schäden und die wiederkehrenden Ängste. Ein weiteres großes Thema ist die Kunst, die Kunst die Menschen verbindet, die Gefühle weckt, deren Schönheit berührt, die kaputte Seelen heilt und die sogar helfend und unterstützend für eine angstfreie Zukunft sein kann.

Der Schreibstil passt gut zur Geschichte, knapp und dennoch sehr aussagekräftig. Der Leser fungiert als Beobachter und Begleiter der wichtigsten Personen und ist somit stets auf dem Höhepunkt des Geschehens. Auch hier, wie oft bei Foenkinos, ist der männliche Protagonist etwas eigenbrötlerisch und unstet in seinen Handlungen, ihm fehlen auch häufig die Worte. Sein Tun und seine Aktionen sind oft schwer nachvollziehbar. Ein erwähnenswertes Stilelement sind die gelegentlich eingefügten Fußnoten, die etwas zur Auflockerung beitragen. Das Ende des überwiegend traurigen und sentimentalen Buches ist eher zuversichtlich und mit hoffnungsvollem Ausblick auf die Zukunft.

Fazit: Ein außergewöhnlicher und gefühlvoller Roman, erschreckend und schockierend, der den Leser innehalten lässt und einlädt, über das Leben nachzudenken – für zart besaitete Menschen evtl. weniger geeignet.

Veröffentlicht am 26.05.2019

Die Macht der Musik …

Der Dirigent
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Leningrad, Sommer 1941: Die Vorboten des Krieges sind zu spüren, alle Anzeichen deuten auf einen Angriff der Deutschen und ihrer Verbündeten hin. Namhafte Künstler, das Philharmonie-Orchester, das Ensemble ...

Leningrad, Sommer 1941: Die Vorboten des Krieges sind zu spüren, alle Anzeichen deuten auf einen Angriff der Deutschen und ihrer Verbündeten hin. Namhafte Künstler, das Philharmonie-Orchester, das Ensemble des Kirow-Balletts und die Elite der Stadt werden auf Anweisung Stalins evakuiert. Sehr zum Leidwesen seiner Frau Nina nutzt der Komponist Dmitri Schostakowitsch dieses Privileg nicht, sondern schreibt an seiner 7. Sinfonie weiter und beteiligt sich an der Aushebung von Schützengräben zur Verteidigung der Stadt. Ebenfalls in Leningrad bleiben Karl Eliasberg, Dirigent und Leiter des Rundfunkorchesters, der sich für seine betagte, im Rollstuhl sitzende Mutter, verantwortlich fühlt, und ein Großteil seiner Musiker sowie Stargeiger Nikolai, der seine 10jährige Tochter Sonja zuvor mit einem Kindertransport in Sicherheit gebracht hatte. Dann greifen die Deutschen an, Leningrad soll dem Erdboden gleichgemacht und ausgehungert werden, ein unvorstellbares Inferno beginnt …

Wie die neuseeländische Autorin Sarah Quigley, die seit dem Jahr 2000 in Berlin lebt, in einem Interview im Nachwort des Buches erklärt, ist die Geschichte von Schostakowitsch und dem Dirigenten Eliasberg eine Mischung aus Fakten und Fiktion und beruht auf sorgfältigen Recherchen und ihren eigenen Vorstellungen über den Krieg in Russland und die Belagerung Leningrads. Eingehend wird hier die Entstehung der 7. Sinfonie Schostakowitschs (Leningrader Sinfonie) geschildert, deren Aufführung am 9. August 1942 mit einem stark reduzierten und völlig erschöpften Orchester in Leningrad erfolgte und per Lautsprecher über die feindlichen Linien hinaus übertragen wurde. Dadurch sollte die Moral der Eingeschlossenen gestärkt und gleichzeitig der deutschen Wehrmacht mitgeteilt werden: wir sind noch lange nicht am Ende. Tatsächlich dauerte die Blockade beinahe 900 Tage und forderte ca. 1,1 Millionen Opfer, von denen die meisten verhungert sind.

Der Schreibstil ist dem Thema entsprechend leicht anspruchsvoll und erfordert eine gewisse Konzentration beim lesen. Es gelingt der Autorin großartig, den Figuren Leben einzuhauchen und ihre immer existenzieller werdenden Lebensumstände zu beschreiben. Die Kraft, die Musik entwickeln kann, steht dabei im Vordergrund. Musikalische Kenntnisse jedoch sind für den Leser nicht erforderlich, da die Sinfonie selbst nicht ausführlich erörtert wird. Es geht letztendlich um den Dirigenten Eliasberg, ein anfangs eher unsympathischer Mann, der aber im Laufe der Geschichte über sich selbst hinaus wächst.

Fazit: Ein eindringlicher Roman über unmenschliches Leid, über standhaftes Durchhaltevermögen und beharrliches Hoffen auf eine bessere Zukunft – aber auch ein Werk über den Mut, die Musik in diesen grausamen Zeiten beim Kampf ums Überleben einzusetzen.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Die Vergangenheit holt uns immer wieder ein …

Die italienischen Schuhe
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Fredrik hat sich von der Welt zurückgezogen. Der ehemalige Chirurg lebt schon seit Jahren auf einer einsamen Schäre, alleine, ohne Nachbarn. Sein einziger Kontakt ist der Postbote, der mit seinem Boot ...

Fredrik hat sich von der Welt zurückgezogen. Der ehemalige Chirurg lebt schon seit Jahren auf einer einsamen Schäre, alleine, ohne Nachbarn. Sein einziger Kontakt ist der Postbote, der mit seinem Boot gelegentlich vorbeischaut. Doch dann, mitten im Winter ist plötzlich eine Frau da. Es ist Harriet, seine Jugendliebe. Sie will von ihm ein Versprechen eingelöst haben, das er ihr gegeben, aber nie erfüllt hat. Sie will mit ihm an einen Waldteich irgendwo in der Wildnis fahren, wie er ihr von beinahe vierzig Jahren versprochen hatte. Fredrik ist geschockt, er möchte die Fahrt hinauszögern, auf Frühling, auf wärmeres Wetter warten. Harriet jedoch drängt, sie will sofort aufbrechen. So begeben sich die beiden betagten Menschen mit einem alten Auto auf eine Fahrt ins Ungewisse, auf eine Reise in die Vergangenheit …

Der schwedische Schriftsteller und Theaterregisseur Henning Mankell (1948-2015) erhielt für seine Werke zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. Im deutschsprachigen Raum wurde er hauptsächlich durch seine Krimi-Reihe mit Kommissar Kurt Wallander bekannt, schrieb aber auch sehr viele andere Bücher, die bei uns mehr oder weniger bekannt sind.

„Die italienischen Schuhe“ erschien in Deutschland erstmals im Jahr 2007 und wurde seither noch einige Male neu aufgelegt. Es ist ein berührendes Buch über das Leben allgemein, über Vereinsamung im Alter, über Krankheit und Tod - oftmals traurig, aber häufig zeigt der Autor in seiner unnachahmlichen Art dem Leser auf, wie wunderschön das Leben trotzdem sein kann. Unverkennbar ist auch hier Mankells Schreibstil, solide und sachlich bringt er die Dinge auf den Punkt. Schnörkellose, prägnante Sätze, kein Wort zu viel, trotzdem ist alles klar verständlich. Gelegentlich lässt er seine Protagonisten in Erinnerungen abschweifen und über Geschehenes resümieren, so dass man sich als Leser in die aktuellen Vorgänge einfühlen und die Handlungen der Personen besser verstehen kann. Mankell wäre nicht Mankell, hätte er nicht auch hier einige sozialkritische Themen behandelt und einfühlsam auf die Problematik unbegleiteter junger Flüchtlinge aufmerksam gemacht.

Fazit: Ein wunderbares Buch, tiefgründig und ausdrucksstark, über das Altern, über Freundschaft im Alter und darüber, dass es letztendlich nie zu spät ist.

Veröffentlicht am 13.05.2019

Geheimnisse eines Sommers …

Das Leuchten jenes Sommers
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Sommer 1939: Auch auf dem idyllisch gelegenen Landgut Summerhill in Cornwall wirft der Krieg seine Schatten voraus. Manöver britischer Flugzeuge am Himmel stören die Ruhe. Soeben ist Georgiana, die ältere ...

Sommer 1939: Auch auf dem idyllisch gelegenen Landgut Summerhill in Cornwall wirft der Krieg seine Schatten voraus. Manöver britischer Flugzeuge am Himmel stören die Ruhe. Soeben ist Georgiana, die ältere der beiden Hamilton-Schwestern, von einer längeren Europareise zurückgekehrt, sehr zur Freude der fünf Jahre jüngeren Maddy. Nach dem Tod der Eltern war Georgiana für Maddy viele Jahre die Ersatzmutter, die einzige Bezugsperson die sie hatte. Doch Georgie ist nicht alleine gekommen, im Schlepptau hat sie ihren Freund Victor und eine Gruppe lärmender junger Leute aus London, die das beschauliche Leben auf Summerhill in Unordnung bringen …

Siebzig Jahre später: Cloe McAllister führt mit ihrem Mann Aiden ein geruhsames Leben, bis die junge Fotografin einen Auftrag erhält. Sie soll Madeleine Hamilton, die ehemals für ihre Kinderbücher bekannt war, portraitieren. Die alte Dame lebt auf Summerhill sehr zurückgezogen und empfängt keine Besucher. Doch zu Cloe fasst sie sofort Vertrauen – und auch Cloe kann Madeleine ihre Ängste anvertrauen. Beide Frauen quälen Geheimnisse, aus langer Vergangenheit und aus der Gegenwart …

Die Autorin Nikola Scott ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Nach ihrem Studium mit Master-Abschluss erhielt sie in New York ihren ersten Job im Verlagswesen und war seither in verschiedenen Verlagen in den USA und Großbritannien beschäftigt. „Das Leuchten jenes Sommers“ (Original-Titel „Summer of Secrets“) ist der zweite Roman der jungen Autorin, ihr erster Roman erschien 2017. Heute lebt Nikola Scott mit ihrer Familie in Frankfurt.

Das Buch ist keine Liebesgeschichte, aber dennoch ein Buch über die Liebe. Im Mittelpunkt steht zweifellos die selbstlose Liebe, wie sie nur unter Geschwistern, die stets für den anderen da sind, zu finden ist. Die Liebe zu den Eltern und zur Heimat, die tief im Menschen verwurzelt ist, und die aufkeimende erste Liebe sowie die abgeklärte Liebe zum Partner kommen hinzu. Es gibt aber auch die zerstörerische, besitzergreifende Liebe und eine falsche, vorgetäuschte Zuneigung. Der Autorin ist es wunderbar gelungen, all diese Facetten in dieser Geschichte zusammen zu bringen, ohne dabei in Rührseligkeit abzugleiten.

Der Schreibstil ist sehr lebendig und flüssig, zwischenmenschliche Beziehungen sind sehr gut in Szene gesetzt und landschaftliche Schönheiten atmosphärisch treffend erfasst. Schon zu Beginn wird eine Spannung erzeugt, die das ganze Buch anhält und den Leser nicht mehr los lässt. Die einzelnen Charaktere sind, wie auch die gesamte Handlung, sehr lebensecht und realistisch, so dass man bisweilen vergessen kann, dass es sich nur um einen Roman handelt. Zwei Handlungsstränge, in der Vergangenheit und in der Gegenwart angesiedelt, werden parallel erzählt, wechseln kapitelweise und fügen sich am Ende nahtlos zusammen.

Fazit: Ein gutes Buch das unterhält, den Leser fesselt und Lust auf weitere Geschichten dieser Autorin macht.