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Veröffentlicht am 29.05.2018

Tango und Schach …

Dreimal im Leben
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1928, auf der Überfahrt nach Argentinien, begegnen sie sich zum ersten Mal – der junge Max Costa und die schöne Mecha Inzunza. Max arbeitet als Eintänzer auf dem Luxusdampfer und ist sofort fasziniert ...

1928, auf der Überfahrt nach Argentinien, begegnen sie sich zum ersten Mal – der junge Max Costa und die schöne Mecha Inzunza. Max arbeitet als Eintänzer auf dem Luxusdampfer und ist sofort fasziniert von der Ehefrau des berühmten Komponisten Armando de Troeye, von ihrer einmaligen Schönheit, von ihrer verheißungsvollen Art den Tango zu tanzen und nicht zuletzt von dem wertvollen Perlencollier an ihrem Hals. In Buenos Aires führt Max das Paar durch die zwielichtigen Tangobars seiner Heimatstadt und tanzt mit Mecha den Tango ihres Lebens. In dieser Nacht gerät alles außer Kontrolle - eine verhängnisvolle Liebe nimmt ihren Anfang, die viele Jahre später in Nizza eine Fortsetzung erfahren soll. Ein drittes zufälliges Zusammentreffen der Beiden wird beinahe dreißig Jahre danach, anlässlich eines Schachtturniers in Sorrent im Golf von Neapel, stattfinden. Max ist jetzt 64 Jahre alt …

Arturo Pérez-Reverte wurde 1951 in Cartagena/Spanien geboren. Bevor er mit seinen Romanen bekannt wurde, arbeitete er als Journalist und war Afrika-Korrespondent für eine spanische Tageszeitung und war zwei Jahrzehnte lang Reporter für den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Televisión Espanola und berichtete von den Kriegsschauplätzen der Welt. Den 2013 erschienenen Roman „Dreimal im Leben“ (El tango de la Guardia Vieja, 2012) hatte er zwanzig Jahre zuvor zu schreiben begonnen und er soll „eine ganze Reihe von autobiografischen Details“ enthalten. Pérez-Reverte erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen und gilt inzwischen als einer der größten spanischen Autoren.

Das Buch beginnt etwas verhalten und bietet im ersten Drittel wenig Handlung. Man erfährt viel über den Tango, seine Ursprünge und Entstehung und lernt die beiden so unterschiedlichen Protagonisten näher kennen. Man erahnt vage ihre Gefühle, spürt aber deutlich die Gegensätze zwischen der eleganten, reichen Frau und dem gut aussehenden aber armen Gigolo. Interessant wird es erst in der Nacht in Buenos Aires beim Besuch zwielichtiger Tangobars, wenn Mechas Ehemann seine dunklen Seiten und moralischen Abgründe offenbart und das Paar Max dazu benutzt, ihre Begierden ausleben zu können.

Richtige Spannung kommt jedoch auf, als das Geschehen in die Gegenwart verlegt wird und die Vergangenheit in Rückblenden erscheint. Überraschungen tun sich auf und aus dem Liebesroman wird plötzlich ein Thriller um Geheimdokumente, Intrigen und Mord. Großen Raum nehmen auch das Schachspiel und die Hinterlist seiner Spieler bei Turnieren ein. Dabei rückt die Geschichte der beiden so unterschiedlichen Menschen, die sich manchmal sogar hassen und doch nicht voneinander lassen können, beinahe in den Hintergrund. Doch dem Autor gelingt es ausgezeichnet, die verschiedenen Handlungen miteinander zu verknüpfen und zu einem verblüffenden Abschluss zu bringen.

Fazit: Ein außergewöhnlicher Roman, der dem Leser den Glanz der guten alten Zeit näher bringt, aber auch seine Schattenseiten aufzeigt – eine Geschichte der verpassten Gelegenheiten, eindrucksvoll geschrieben, wenn auch mit einigen, aus meiner Sicht unnötigen, Längen.

Veröffentlicht am 18.05.2018

Gefühle auf Irrwegen …

Der Liebeswunsch
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Seit sechs Jahren ist Anja nun tot, doch jetzt erst sucht Paul den Ort auf, an dem sie sich das Leben nahm. Er möchte sehen, was sie in ihren letzten Stunden sah und erforschen, wie sie sich wohl gefühlt ...

Seit sechs Jahren ist Anja nun tot, doch jetzt erst sucht Paul den Ort auf, an dem sie sich das Leben nahm. Er möchte sehen, was sie in ihren letzten Stunden sah und erforschen, wie sie sich wohl gefühlt hat. Dabei schweifen seine Gedanken zurück, er erinnert sich an seine Zeit mit Anja, an seine Freundschaft mit Leonhard und an seine Ehe mit Marlene, die davor mit Leonhard liiert war und sich dann für ihn entschied. Es dauerte lange, bis der Riss in der Freundschaft damals beseitigt war – so lange, bis Leonhard Anja kennen lernte und sie bald darauf heiratete. Nun war alles gut, zwischen den beiden Paaren herrschte eine vertrauensvolle Freundschaft – bis … bis Paul und Anja …

Mit seinem im Jahr 2000 erschienenen Roman „Der Liebeswunsch“ gelang dem 1925 in Neuss geborenen, als ‚Meister der Gegenwartsliteratur‘ bezeichneten, deutschen Schriftsteller Dieter Wellershoff endlich der Durchbruch beim breiten Publikum. Das Buch wurde ein Bestseller, der 2006 auch verfilmt wurde. Zuvor schrieb er fünf Romane, unzählige Novellen, Erzählungen, Kurzgeschichten, Essays, Hörspiele, Bühnenstücke und Drehbücher – für die er zahlreiche Preise erhielt. Wellershoff ist verheiratet, lebt in Köln, hat zwei Töchter, die ebenfalls als Autorinnen tätig sind und einen Sohn, der Arzt geworden ist.

Gleich zu Beginn der Geschichte erfährt man von dem tragischen Ausgang. Die Pointe ist aber nicht vorweg genommen, sondern erhöht eigentlich nur die Spannung, wie es wohl dazu kommen konnte. Paul und Marlene, beide Ärzte, sind auch nach vielen Jahren Ehe noch sehr glücklich und zufrieden. Auch Leonhard, ein angesehener Richter, ist mit seinem Leben zufrieden, seit er die viel jüngere Anja im Hause seiner Freunde kennen lernte, sie heiratete und sie bald darauf einen Sohn bekamen. Doch wie das Leben so spielt, das Glück ist oft ein flüchtiger Gast. Anjas Wunsch nach Liebe steht im Widerspruch zu ihrem Ehealltag, den sie als banal und falsch empfindet, sie versucht vergeblich, diesem Konflikt zu entfliehen. Eine Katastrophe bahnt sich an, und niemand ist in der Lage, diese abzuwenden.

Das Buch ist von beeindruckenden Sprachintensität, eindringlich und sehr lebendig. Die Figuren sind so lebensecht, dass man meint sie zu kennen. Sehr realistisch schildert Wellershoff das Geschehen und beleuchtet dabei die Psyche der Protagonisten aus verschiedenen Perspektiven. Er lässt jeden der vier Hauptpersonen in Ich-Form aus seiner Perspektive erzählen, seine persönlichen Gedanken und Empfindungen erläutern und dringt dabei tief in das Seelenleben ein. Dazwischen erlebt der Leser die Ereignisse auch aus Sicht eines neutralen Beobachters. Beklemmend intensiv und genau beschrieben sind die Gefühle der Freunde, ihre intimen Wünsche und geheimen Phantasien innerhalb dieser Vierer-Beziehung, aber auch ihre Ängste und Empfindsamkeiten.

Fazit: Ein Roman der fesselt und berührt, der gefangen nimmt und im Leser noch lange nachklingen wird. Meine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.05.2018

This is Water – Das hier ist Wasser

Das hier ist Wasser / This is Water
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Der US-amerikanische Schriftsteller und Hochschullehrer David Foster Wallace (1962 – 2008) wurde 2005 darum gebeten, vor Absolventen des Kenyon College eine Abschlussrede zu halten. Die Vorfreude war hoch, ...

Der US-amerikanische Schriftsteller und Hochschullehrer David Foster Wallace (1962 – 2008) wurde 2005 darum gebeten, vor Absolventen des Kenyon College eine Abschlussrede zu halten. Die Vorfreude war hoch, denn alle wussten von der Sprachgewalt seiner Romane und Kurzgeschichten. Was dann folgte übertraf alle Erwartungen. Wallace hielt vor den in schwarzen Roben gehüllten jungen Leuten und ihren Angehörigen eine flammende Rede, ein Leitfaden für das Leben, eine Anstiftung zum Denken, eine Anleitung zum eigenen Entscheiden. Mit einigen einfachen Parabeln versuchte er, das egozentrische Denken junger Menschen in empathische Bahnen zu lenken.

Nach Martin Luther Kings Rede von 1963, „I have a Dream“, ist dies wohl die zweitbekannteste Rede, die je in den USA gehalten wurde. Sie ist dort mittlerweile Pflichtlektüre für alle Abschlussklassen, eine kleine Anleitung für das Leben, die man jedem Jugendlichen mitgeben möchte. Besondere Bedeutung erhält die Rede wenn man weiß, dass David Foster Wallace ständig gegen seine Alkoholabhängigkeit kämpfte und unter schweren Depressionen litt. Während einer dieser depressiven Phasen, im Alter von nur 46 Jahren, sah er nur noch einen Ausweg, er erhängte sich.

Fazit: Ein kleines Büchlein mit gewichtigem Inhalt, das in keinem Bücherschrank fehlen sollte und das man getrost öfter zur Hand nehmen kann.

Veröffentlicht am 13.05.2018

Urlaubsfeeling …

Bretonische Brandung
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In der Bretagne, einige Seemeilen vor Concarneau, liegen die Glénan-Inseln, bekannt für den feinen weißen Sandstrand und dem karibikblauen, kristallklaren Wasser. Ein Paradies – bis dort nach einem nächtlichen ...

In der Bretagne, einige Seemeilen vor Concarneau, liegen die Glénan-Inseln, bekannt für den feinen weißen Sandstrand und dem karibikblauen, kristallklaren Wasser. Ein Paradies – bis dort nach einem nächtlichen Unwetter drei Leichen angeschwemmt werden. Obwohl alles auf Unfall hindeutet, muss sich Kommissar Dupin mit seiner Truppe darum kümmern. Ein Albtraum für ihn - hasst er doch nach vier Jahren an der bretonischen Küste immer noch Bootsfahrten. Vermisstenanzeige liegt nur eine vor, die aber auf keine der Leichen zutrifft, sodass Dupin jetzt den Fall von drei Toten zu bearbeiten hat, von denen bisher keiner vermisst wird und einem Vermissten, von dem nicht feststeht, ob er tot ist …

„Bretonische Brandung“ ist der zweite Fall für den kauzigen und oft misslaunigen Kommissar Dupin, den der Autor mit dem Pseudonym Jean-Luc Bannalec zum Leben erweckt hat. Je länger man ihn jedoch kennt, desto sympathischer und liebenswerter wird Dupin. Er liebt das gute Essen und die Spezialitäten der Bretagne und braucht zum Nachdenken viel Kaffee und Spaziergänge an frischer Luft. Sehr gerne arbeitet er alleine und hasst es, wenn er beim Denken gestört wird. Oft vergisst er, gewollt oder ungewollt, seinen Vorgesetzten und seine Mitarbeiter über den Fortgang der Ermittlungen zu informieren. Ohne Hilfe seiner Sekretärin Nolwenn und ohne sein Handy, das auf den Inseln zu seinem Leidwesen nur ab und zu Empfang hat, ist er ziemlich hilflos, da er seine Fälle meist mehr intuitiv als durch sachlich fundierte Polizeiarbeit löst.

Der Schreibstil ist klar strukturiert, Landschaftsbeschreibungen sind von beeindruckender Intensität. Die Figur des Kommissar Dupin dominiert das Geschehen und ist sehr gut heraus gearbeitet. Man ahnt seine Stärken, wird aber hauptsächlich mit seinen Schwächen konfrontiert. Seine Sucht nach Koffein, sein Appetit nach gutem Essen und sein Unwohlsein bei Bootsfahrten machen ihn sehr menschlich. Etwas blass und klischeehaft hingegen erscheinen die anderen Personen. Der Plot ist interessant und zeitgemäß, geht es doch darum, eine wunderschöne Landschaft touristisch auszuschlachten. Mehrere Handlungsstränge laufen parallel, werden aber teilweise nicht fortgeführt und verlaufen buchstäblich im Sande. Die Auflösung der Morde erfolgt eher zufällig und ist zudem etwas unglaubwürdig, der Schluss eher seltsam und unwahrscheinlich.

Auch dieser zweite Band der Reihe (der siebte Band „Bretonische Geheimnisse“ wird am 26.6.18 beim Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen) ist wieder eine begeisterte Liebeserklärung an die Bretagne mit seinen Bewohnern und an das Meer mit seinen vorgelagerten Inseln. Das Buch macht Lust auf Sommer, Sonne, Urlaub und gutes Essen. Man möchte am liebsten sofort losfahren, um auf der kleinen Insel Saint Nicolas im „Les Quatre Vents“ einen Hummer oder frische Austern zu genießen.

Fazit: Kein rasanter Krimi, aber eine kurzweilige Geschichte und wunderschöne Einstimmung auf den Urlaub.

Veröffentlicht am 02.05.2018

Gierig nach Geld und Macht …

Die Unersättlichen
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Man schreibt das Jahr 1925. Jonas Cord ist gerade mal einundzwanzig Jahre alt, als sein Vater stirbt. Nun ist er Erbe der größten Sprengstofffabrik des Landes und einer der reichsten Männer Amerikas. Durch ...

Man schreibt das Jahr 1925. Jonas Cord ist gerade mal einundzwanzig Jahre alt, als sein Vater stirbt. Nun ist er Erbe der größten Sprengstofffabrik des Landes und einer der reichsten Männer Amerikas. Durch Geschick und Skrupellosigkeit gelingt es ihm, sein Vermögen zu vermehren und bald ist er auch Besitzer einer Flugzeugfabrik, einer Fluggesellschaft und steigt nebenbei noch in Hollywood ins Filmgeschäft ein. Liebe und Freundschaft bleiben dabei meist auf der Strecke - wer sich ihm entgegenstellt wird rücksichtslos ruiniert. Seinem Freund und „Ziehvater“ Nevada Smith, einem ehemaligen Revolverhelden, und Rina Marlowe, der jungen Witwe seines Vaters, verhilft er kurzzeitig zu Ruhm in der Filmbranche und macht aus der ehemaligen Prostituierten Jennie Denton ein Star. Unersättlich ist Jonas Cord auch in der Gier nach Sex – alle schönen Frauen, die seinen Weg kreuzen, macht er zu seiner Geliebten und heiratet sogar die Tochter eines Konkurrenten …

„Die Unersättlichen“ (The Carpetbaggers) ist einer von unzähligen Romanen des amerikanischen Bestseller-Autors Harold Robbins (1916-1997). Seine Geschichten nach dem Motto ‚Sex, Money und Crime‘ wurden allesamt zu Verkaufsschlagern - von Literaturkritikern verachtet, in Hollywood jedoch mit Starbesetzung verfilmt. Die Auflagen seiner Bücher erreichten fast 750 Millionen Exemplare. Robbins war fünf- oder sechsmal verheiratet und aufgrund eines Hüftleidens ab 1982 an den Rollstuhl gefesselt. Sein letzter Roman wurde 1997, im Jahr seines Todes, veröffentlicht.

Maßlosigkeit, Größenwahn, Skrupellosigkeit und Sexbesessenheit sind auch in diesem Roman die Hauptzutaten. Es ist die Geschichte eines Mannes, der die ganze Welt für käuflich hält, eines Industriellen, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt - und es ist gleichzeitig ein Blick hinter die Kulissen in die Machenschaften der Filmmetropole Hollywood. Die Figur des Jonas Cord soll dabei auf der Biografie des legendären Filmproduzenten, Geschäftsmannes und Luftfahrtpioniers Howard Hughes basieren.

Der Schriftstil und die Übersetzung ins Deutsche (mir liegt die alte, ungekürzte Ausgabe von 1963 in einer Übersetzung von Herbert Roch vor) gefallen mir recht gut, wenn auch einige Längen enthalten sind, die in den späteren Auflagen wohl gekürzt sein dürften. Den einzelnen Protagonisten ist jeweils ein Kapitel gewidmet, wobei Jonas Cord als „Ich-Erzähler“ auftritt, über die anderen Personen aber in der dritten Person berichtet wird. Durch diese jeweils veränderten Erzählperspektiven wirkt das Geschehen ungemein lebendig und die Person des Jonas Cord kann dadurch von mehreren Seiten beleuchtet und beurteilt werden. Die sehr spannende und überaus fesselnde Handlung umfasst einen Zeitraum von zwanzig Jahren, von 1925 bis 1945, wobei dem Leser erst zum Schluss die ganze Tragik eines Lebens der verpassten Gelegenheiten klar wird.

Fazit: Ein gut gemachter Roman – keine große Literatur, aber spannend und unterhaltsam.