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Veröffentlicht am 08.04.2017

Schiff ahoi – willkommen an Bord

Passagier 23
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Kein Einsatz ist ihm zu gefährlich, keine Gefahr als verdeckter Ermittler zu groß, seit der Polizei-Psychologe Martin Schwartz vor fünf Jahren seine Frau und seinen Sohn verloren hat. Die beiden verschwanden ...

Kein Einsatz ist ihm zu gefährlich, keine Gefahr als verdeckter Ermittler zu groß, seit der Polizei-Psychologe Martin Schwartz vor fünf Jahren seine Frau und seinen Sohn verloren hat. Die beiden verschwanden spurlos während der Überfahrt des Kreuzfahrtschiffs „Sultan of the seas‘‘ von Hamburg nach New York. Mit der Erklärung der Reederei, es handelte sich um „erweiterten Suizid“, kann und will Schwartz sich nicht abfinden. Gerade hat er wieder einen lebensgefährlichen Einsatz erfolgreich abgeschlossen als er den Anruf einer älteren Dame erhält, die sich als Krimi-Autorin vorstellt. Sie erklärt ihm, dass sie Dauergast auf der „Sultan“ sei und behauptet, Hinweise zum Verbleib seiner Familie gefunden zu haben.

Schwartz begibt sich auf den Luxusliner und erfährt, dass ein vor längerer Zeit ebenfalls spurlos verschwundenes Mädchen mit dem Teddy seines Sohnes im Arm plötzlich wieder aufgetaucht ist. Die kleine Anouk ist traumatisiert, völlig verstört und nicht ansprechbar. Während der Ozeanriese mit einigen Tausend Passagieren an Bord durch den Atlantik pflügt, sucht Schwartz im Bauch des Schiffes nach der Mutter des Kindes und auch nach weiteren Erklärungen über den Tod seiner Familie. Er wird fündig, doch als dann eine Leiche entdeckt wird und ein weiteres Mädchen vermutlich über Bord gegangen ist, wird es für Martin Schwarz lebensgefährlich …

Ein heikles Thema, das der Autor Sebastian Fitzek in dem Psychothriller „Passagier 23“ aufgegriffen hat. Auf Cruiseliner verschollene Personen ist keineswegs eine Erfindung Fitzeks, sondern leider Tatsache. Durchschnittlich gehen jährlich etwa 23 Personen an Bord von Kreuzfahrtschiffen, die mittlerweile einer schwimmenden Kleinstadt gleichen, verloren. Meist wird das spurlose Verschwinden als Selbstmord erklärt, damit die Behörden das Schiff nicht beschlagnahmen und wochenlang durchsuchen. Dazu muss man wissen, dass jeder verlorene Tag die Reederei Millionen kostet. Dieses Vertuschen geht aber nur, solange keine der verschwundenen Personen wieder auftaucht – so wie hier, in diesem spannenden Thriller.

Das Buch fällt zunächst durch das sehr gut gelungene Cover auf. Durch ein Bullauge, das im Schutzumschlag ausgespart ist, blickt man auf die tosende See, die auf dem Buch selbst aufgedruckt ist. Der Schreibstil ist, wie von Fitzek gewohnt, sehr fesselnd – man wird sofort in das Geschehen hinein gezogen. In rascher Folge und kurzen Kapiteln wechseln Schauplätze und Personen und halten so die Spannung extrem hoch. Erst ganz allmählich fügt sich die Fülle von Handlungsabläufen zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Durch die Vielzahl der verschiedenen Charaktere bleiben diese leider etwas blass und ohne Kontur. Da sich die Handlung meist unter Deck abspielt, kommt auch keine richtige „maritime“ Atmosphäre auf. Lobenswert ist hingegen die gründliche Recherche über Kreuzfahrtschiffe und deren nicht für Passagiere zugänglichen Decks, Kabinen und Örtlichkeiten.

Am Ende hat Fitzek für den Leser noch eine Überraschung parat. Nach einer längeren Danksagung folgt ein Epilog, in dem er die aufregende Handlung des Prologs nochmals aufgreift und sinnvoll zu Ende führt. Auch der Verlag hat eine Überraschung für den Leser. Das dem Buch beiliegende Lesezeichen enthält einen rätselhaften Dechiffrierungscode, den es zu knacken gilt.

Fazit: Ein Thriller wie er sein soll, interessant und spannend von Anfang bis Ende.

Veröffentlicht am 08.04.2017

Original und Fälschung …

Das letzte Bild der Sara de Vos
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Seit vielen Generationen ist das Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, „Am Saum eines Waldes“, schon im Besitz der Familie. Doch nun hängt im Schlafzimmer des reichen New Yorker Patentanwaltes Marty de Groot ...

Seit vielen Generationen ist das Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, „Am Saum eines Waldes“, schon im Besitz der Familie. Doch nun hängt im Schlafzimmer des reichen New Yorker Patentanwaltes Marty de Groot plötzlich eine Kopie – vermutlich ausgetauscht bei der Wohltätigkeits-Party vor einigen Tagen. Bei dem Bild handelt es sich um das einzige verbliebene Werk der holländischen Malerin Sara de Vos, die 1631 als erste Frau in die Amsterdamer Meistergilde aufgenommen wurde. De Groot schaltet einen Detektiv ein, der auch bald den Maler der brillanten Kopie ausfindig machen kann. Es ist die junge Kunststudentin Ellie Shipley, die für den Kunsthändler Gabriel gelegentlich beschädigte Gemälde restauriert. Zu spät merkt sie, dass sie einem Betrug aufgesessen ist und für Gabriel eine Fälschung gemalt hat – mit weitreichenden Folgen …

Der Autor Dominic Smith wuchs in Sidney auf und lebt heute in Austin, Texas. Er schrieb Beiträge für einige namhafte Zeitungen und erhielt für seine historischen Romane zahlreiche Preise, doch erst mit seinem Buch „Das letzte Bild der Sara de Vos“ errang er weltweit Beachtung und Anerkennung. Der Roman zeichnet sich durch Liebe zur Malerei, großen Sachverstand und ausgezeichnete Recherche aus, das Cover dazu ist hervorragend gelungen und verrät bereits im Voraus einiges über den Inhalt.

Der Schreibstil ist sehr ansprechend und lässt sich gut und flüssig lesen. Besonders ausdrucksstark sind dem Autor die Landschaftsbeschreibungen und sehr lebendig die Lebensumstände der Protagonisten gelungen. Erklärungen zur Malerei, Maltechniken und Pinselführung sind anschaulich geschildert. Wie Dominic Smith im Nachwort erwähnt, ist die Handlung frei erfunden, wobei er jedoch biographische Details einiger Malerinnen des 17. Jahrhunderts, wie Judith Leyster und Sarah van Baalbergen, mit eingebunden hat.

Die Geschichte baut auf drei Hauptpersonen in drei verschiedenen Zeitebenen an drei verschiedenen Orten auf. Da ist die Malerin Sara de Vos, ihr Leben und Wirken in den Jahren 1636 und 1637 in Holland – der Anwalt Marty de Groot und die Kunststudentin Ellie Shipley in New York 1958 – und ein nochmaliges Zusammentreffen des Anwalts und der Fälscherin in Sidney im Jahr 2000. Handeln und Beweggründe der Protagonisten sind sehr real geschildert, menschliche Schwächen und ihre Hintergründe sind gut nachvollziehbar. Kurze Kapitel und ein stetiger Wechsel von Ort und Zeit steigern allmählich die Spannung und halten sie bis zum Schluss auf hohem Niveau. Obwohl die Grundstimmung eher melancholisch ist, blitzt doch ab und zu Humor durch, das Ende stimmt versöhnlich und lässt einen zufriedenen Leser zurück.

Fazit: Ein außergewöhnliches Buch, sehr empfehlenswert – für Kunstinteressierte ein Muss.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Mordserie in Frankfurt

Siebenschön
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Das wunderschöne Cover und der Titel „Siebenschön“ lässt alles Andere als einen brutalen Thriller erwarten. Doch um einen solchen handelt es sich. Die Autorin Judith Winter zieht hier sämtliche Register ...

Das wunderschöne Cover und der Titel „Siebenschön“ lässt alles Andere als einen brutalen Thriller erwarten. Doch um einen solchen handelt es sich. Die Autorin Judith Winter zieht hier sämtliche Register und packt alles rein, was einen spannenden und aufregenden Krimi ausmacht. Durch die verschiedenen Sichtweisen der Ermittler, der Opfer und des Mörders gewinnt man tiefen Einblick in das Geschehen. Rätselhafte Briefe, Leichen die seltsam präpariert aufgefunden werden und nicht zuletzt Hinweise von Psychologen und Vermutungen der Ermittler ergeben nach und nach ein Puzzle, das den Leser in den Bann zieht und zum Miträtseln förmlich einlädt.

Der Schreibstil ist solide und sachlich mit interessanten und teilweise humorvollen Dialogen. Durch die vielen Namen und häufigen Perspektivwechsel fühlt man sich anfangs leicht überfordert, gewöhnt sich aber rasch an die temporeiche Erzählweise. Die Polizeiarbeit ist logisch und gut nachvollziehbar beschrieben, die beiden Hauptprotagonistinnen Emilia und Mai Zhou gewinnen im Laufe der Geschichte ungemein an Sympathie. Der Täter wird schon früh erwähnt, bleibt bis kurz vor dem rasanten Showdown im Dunkeln. Dies trägt wesentlich dazu bei, die Spannung aufzubauen und bis zum Schluss mehr und mehr zu steigern. Alles fügt sich dann schlüssig zusammen.

Fazit: Ein gut gemachter, logisch aufgebauter und stimmig gelöster Thriller. Für das Ermittlerduo bleibt noch Potential zur weiteren Entwicklung. Was die Story mit Titel und Cover gemein hat, hat sich mir jedoch nicht erschlossen.

Veröffentlicht am 19.12.2016

Ein Prosit auf das Leben …

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
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Joachim ist jetzt zwanzig Jahre alt, Abitur und Austauschjahr in Amerika liegen hinter ihm. Nun freut er sich auf seine Zivildienststelle, die er im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar absolvieren soll. ...

Joachim ist jetzt zwanzig Jahre alt, Abitur und Austauschjahr in Amerika liegen hinter ihm. Nun freut er sich auf seine Zivildienststelle, die er im Münchner Krankenhaus Rechts der Isar absolvieren soll. Besonders die Unterkunft im Schwesternwohnheim weckt in ihm so manche Hoffnungen auf amouröse Abenteuer. Doch dann bekommt er, völlig unerwartet, die Zusage, dass er an der Münchner Schauspielschule aufgenommen wurde. Aus einer Laune heraus hatte er bei der Aufnahmeprüfung mitgemacht, aber nur einen Monolog aus ‚Dantons Tod‘, statt der geforderten drei Rollen, zum Besten gegeben. So zieht er also mit gemischten Gefühlen zu seinen Großeltern in die Villa am Nymphenburger Park, ins ganz in rosa gehaltene Gästezimmer. Vorübergehend, wie er glaubt, bis er eine eigene Bleibe gefunden hat – doch daraus sollten dreieinhalb Jahre werden …

Der Autor Joachim Meyerhoff ist Schauspieler am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Nach seinen autobiographischen Romanen „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, in dem er über seine Kindheit und Jugend auf dem Gelände der von seinem Vater geleiteten Psychiatrie erzählt, und „Alle Toten fliegen hoch“, in welchem er über seine Erlebnisse als Austauschschüler in den USA berichtet, schildert er in dem vorliegenden Buch „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ seine Zeit an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München und seinen Aufenthalt in der noblen Villa seiner Großeltern, der ehemaligen Schauspielerin Inge Birkmann und des pensionierten Philosophieprofessors Hermann Krings, in der die Zeit stillzustehen scheint. Sein Schreibstil ist sehr ausdrucksstark und ausgereift, die Handlung eine gekonnte Mischung zwischen Ironie und Tragik.

Schonungslos offen, anrührend und voller Liebe und Zuneigung, beobachtet Meyerhoff seine Großeltern, berichtet über komische und tragische Geschehnisse und erzählt von ihren irrwitzigen Ritualen. Sie waren wohl dem Alkohol nicht abgeneigt und begannen den Tag bereits mit einer hochprozentigen Mundspülung aus Enzianschnaps. Danach gab’s zum Frühstück ein Glas Champagner, zum Mittagessen wurde Weißwein serviert, punkt sechs Uhr war „Whisky-Time“, das Abendessen wurde dann von Rotwein begleitet und zur guten Nacht gegen elf Uhr trank man noch einen Cointreau. Während die Großeltern dann leicht angesäuselt waren, musste Joachim oftmals den Treppenlift benutzen, um noch nach oben in sein rosarotes Zimmer zu kommen.

Allein schon der Gedanke, dass ein erwachsener junger Mann sich in einem rosafarbenen Mädchentraum-Zimmer einrichten muss, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Echt komisch wird es aber, wenn Meyerhoff über seine Ausbildung als Schauspieler schreibt. Er fühlt sich völlig überfordert, ist frustriert, nichts will ihm gelingen. Schon in der ersten Stunde verkrampft er, als sich die Schüler eine Stunde lang wortlos anstarren sollen. Als er dann die Aufgabe bekommt, eine Szene aus Effi Briest als Nilpferd zu spielen, geht es dem Leser an die Lachmuskeln. Er selbst konnte damals auf der Bühne weder lachen noch weinen, so dass er sich bei solchen Szenen zur Wand drehen musste.

Doch Meyerhoff berichtet nicht nur über heitere und komische Begebenheiten, es gibt auch besinnliche und traurige Momente in diesem Buch, für das ein Zitat aus Goethes „Werther“ titelgebend war: „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke, die ich hier in meinem Busen fühle.“ Diese Lücke hinterlassen in ihm geliebte Menschen. Er muss sowohl den frühen Unfalltod seines Bruders, als auch den Tod seines Vaters verarbeiten und erlebt den langsamen Verfall der betagten Großeltern. So ist die Geschichte auch eine Hommage an die geliebten Verstorbenen.

Fazit: Ein großartiges, sehr menschliches Buch – authentisch, komisch und tragisch – dabei höchst unterhaltsam.