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Veröffentlicht am 24.08.2023

Sieg der Liebe über Hass und Feindschaft

Sophia oder Der Anfang aller Geschichten
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Vor vierzig Jahren ist Salman aus seiner Heimat Syrien geflohen. Er ist jetzt verheiratet, hat einen Sohn, lebt in Rom – und hat schreckliches Heimweh nach Damaskus. Obwohl er damals vom Geheimdienst gesucht ...

Vor vierzig Jahren ist Salman aus seiner Heimat Syrien geflohen. Er ist jetzt verheiratet, hat einen Sohn, lebt in Rom – und hat schreckliches Heimweh nach Damaskus. Obwohl er damals vom Geheimdienst gesucht wurde entschließt er sich nun, seine alte Heimat, seine Eltern und seine alten Freunde, zu besuchen. Kaum dort angekommen wird ihm klar, dass er noch immer auf den Fahndungslisten steht und sein Leben in Gefahr ist. Wo kann er sich verstecken und wer kann ihm helfen das Land wieder zu verlassen? Da erinnert sich seine Mutter Sophia an ihre Jugendliebe Karim, dem sie damals das Leben gerettet hatte. Er versprach ihr einst, sollte sie irgendwann in eine Notlage geraten, ihr jederzeit unter Einsatz seines Lebens beizustehen. Jetzt ist der Moment gekommen das Versprechen einzulösen. Kann Karim Sophias Sohn Salman helfen?

Der 1946 in Damaskus geborene Autor Rafik Schami lebt seit 1971 in Deutschland. Er setzte in Heidelberg sein in Damaskus begonnenes Chemiestudium fort und schloss es 1979 mit der Promotion ab. Seine schriftstellerische Tätigkeit begann er mit Märchen und Fabeln, bevor er zu Romanen wechselte. Heute gehört er zu den bedeutendsten Autoren deutscher Sprache. Für seine Werke, die in 34 Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Schami hat die Staatsbürgerschaften von Syrien und Deutschland. Er ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt seit vielen Jahren als freier Schriftsteller in der pfälzischen Gemeinde Marnheim im Donnersbergkreis.

Mit einem Flüchtlingsschicksal im Hintergrund liefert Rafik Schami hier mit „SOPHIA oder der Anfang aller Geschichten“ ein bedrückend lebendiges, äußerst farbenprächtiges Bild von Damaskus und Syrien, einem Land in dem Diktatur und Korruption herrschen und die Angst vor dem Geheimdienst allgegenwärtig ist. Sein Schreibstil ist gradlinig und klar und beeindruckt durch seine Kritik am System und an den Machenschaften des Geheimdienstes und des korrupten Polizeiapparates. Dabei ist jedoch seine Liebe zur Heimat, zu seinem Geburtsort Damaskus, jederzeit spürbar.

Seine Protagonisten durchleuchtet er bis ins kleinste Detail und schafft es mühelos, sie menschlich erscheinen zu lassen und ihre Motivationen verständlich und nachvollziehbar zu beschreiben. Auch wenn das Buch bereits 2015 erschienen ist und die Handlung zwischen 1927 und 2011 spielt, so hat man doch jederzeit, bedingt durch die derzeitige Flüchtlingskrise, den Eindruck aktuellsten Geschehens. Allerdings fand ich es doch ziemlich seltsam, dass beinahe alle Männer der verschiedenen Familien es bis zu Millionären geschafft hatten, oder doch mindestens gut betucht waren – beinahe so, als ob es in Syrien oder im Libanon keine Armut gäbe. Viel Vergnügen jedoch bereiteten mir die Frauen der Geschichte, die durchwegs mit einer starken Persönlichkeit und unbeugsamen Willen ausgestattet sind und ihrer Liebe, allen Konventionen zum Trotz, den Vorrang geben.

Fazit: Eine spannende, anspruchsvolle und informative Geschichte, die fesselt, aufwühlt und betroffen macht. Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 17.08.2023

Bücher und Freunde

Der Buchspazierer
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Nachdem der alte Inhaber seine Buchhandlung an seine Tochter übergeben hatte, bleibt Carl Christian Kollhoff nur noch die Aufgabe, die bestellten Bücher abends an die Kunden auszuliefern. Dies tut er mit ...

Nachdem der alte Inhaber seine Buchhandlung an seine Tochter übergeben hatte, bleibt Carl Christian Kollhoff nur noch die Aufgabe, die bestellten Bücher abends an die Kunden auszuliefern. Dies tut er mit Hingabe, kennt er doch jeden persönlich und weiß um seinen Lesegeschmack. Eines Tages schließt sich ihm Schascha, ein neunjähriges Mädchen, an. Sie nennt Carl nur den „Buchspazierer“. So sind sie Abend für Abend unterwegs in den alten Gassen der Stadt und bald freuen sich Kollhoffs Kunden nicht nur auf ihre bestellten Bücher, sondern haben auch das aufgeweckte Mädchen ins Herz geschlossen. Doch dann geschieht etwas, das ihre gewohnte Routine durcheinander bringt …

Carsten Henn, geb. 1973 in Köln, ist ein deutscher Autor, Dramatiker und Journalist. In Köln und Adelaide/Australien studierte er Völkerkunde, Soziologie und Geographie mit dem Magisterabschluss. Danach war er bis 2008 in der Verwaltung seiner Heimatstadt Hürth angestellt, konzentriert sich jedoch seitdem nur noch auf seine schriftstellerische und journalistische Arbeit. Er schreibt hauptsächlich Kriminalromane und Sachbücher über Weinbau. Sein Roman „Der Buchspazierer“ erreichte Platz 6 auf der Jahresbestsellerliste 2021. Henn wohnt in Hürth und bewirtschaftet an der Mosel einen Weinberg, wo er seinen eigenen Wein anbaut.

Dieser märchenhafte, warmherzig geschriebene Roman spricht besonders all jene Leser an, die verrückt nach Büchern sind und gerne in Buchhandlungen stöbern. Auch wenn die Handlung nicht ganz überzeugen kann, so sprechen doch die dazwischen erwähnten Buchtitel und Zitate jeden Buchliebhaber an. Ein paar unerwartete Wendungen und das phantasievolle Ende sind weitere angenehme Pluspunkte. Doch wie es auch im Leben ist, ein paar Schattenseiten werden ganz nebenbei auch angesprochen. Analphabetismus, häusliche Gewalt, Einsamkeit und Armut im Alter sind ebenso erwähnenswerte Themen, wie auch die prekäre Lage vieler kleiner örtlicher Buchhandlungen.

Fazit: Keine große Literatur, aber eine nett zu lesende Geschichte über die Macht der Bücher, die Menschen verbindet und zu Freunden machen kann.

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Veröffentlicht am 11.08.2023

Hält Kinderfreundschaft für ein ganzes Leben?

Perlenbach
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Wilhelm ist der 9jährige Sohn einer armen Familie von Bauern und Schafzüchtern aus Wollseifen in der Eifel. Er erhält seine große Chance, als er einen Winter bei der Tuchfabrikanten-Familie Becker in Montjoie ...

Wilhelm ist der 9jährige Sohn einer armen Familie von Bauern und Schafzüchtern aus Wollseifen in der Eifel. Er erhält seine große Chance, als er einen Winter bei der Tuchfabrikanten-Familie Becker in Montjoie (Monschau) zur Gesellschaft ihres einzigen Sohnes Jacob, verbringen darf. Die beiden Jungen verstanden sich auf Anhieb und zusammen mit Luise, der Tochter des benachbarten Arztes, erlebten sie manch aufregendes Abenteuer. Die Freundschaft der dreien bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen, bis jeder seine eigenen Wege gehen muss:
Wilhelm absolviert eine Lehre in Beckers Tuchfabrik, wo er sich rasch hocharbeiten kann. Doch eine unbedachte Handlung führt dazu, dass er auf den elterlichen Hof, und somit wieder zurück in die Armut muss …
Jacob hat kein Interesse die Firma des Vaters zu übernehmen, er reist lieber und lässt es sich in Paris gut gehen. Dann verliebt er sich, eine Liebe die nicht sein darf und die sein ganzes weiteres Leben bestimmen wird …
Luise war schon als Kind davon besessen, es ihrem Vater gleich zu tun und Ärztin zu werden. Doch im 19. Jahrhundert war es Frauen noch verwehrt, eine Universität zu besuchen. Kann sie trotz aller Widerstände ihren Traum verwirklichen? …

Die Autorin Anna-Maria Caspari, geb. 1955 in Köln, ist Literaturübersetzerin und lebt in der nördlichen Eifel. Zu ihren Romanen wurde sie inspiriert, als sie die Geschichte des Dorfes Wollseifen erfuhr, dem seine Nähe zur Ordensburg Vogelsang, eines der größten Bauwerke des Nationalsozialismus, zum Verhängnis wurde.

Eine gründliche Recherche über die Menschen der damaligen Zeit und viel Einfühlungsvermögen in ihre Lebensweise zeichnet diesen Roman besonders aus. Wir erfahren neben den persönlichen Schicksalen viel Wissenswertes über den technischen Fortschritt, über Politik und Zeitgeschehen und über die Schwierigkeiten und Hindernisse, mit denen Frauen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu kämpfen hatten. Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig, Beziehungen, Szenen und Landschaften sind lebendig und treffend erfasst. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, eingefügte Tagebucheintragungen einer beteiligten Person vermitteln interessante Einblicke zum Tagesgeschehen.

Fazit: Eine interessante Geschichte mit gut recherchiertem Hintergrund, die mir unterhaltsame und spannende Lesestunden beschert hat.

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Veröffentlicht am 03.08.2023

Verdrängte Erinnerungen …

Das Geburtstagsfest
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Bei Kim Mey steht der 50. Geburtstag an, den seine Familie groß feiern möchte. Die Vorbereitungen sind getroffen und auch der Überraschungsgast hat nach einigem Zögern seine Zusage gegeben. Es ist Tevi ...

Bei Kim Mey steht der 50. Geburtstag an, den seine Familie groß feiern möchte. Die Vorbereitungen sind getroffen und auch der Überraschungsgast hat nach einigem Zögern seine Zusage gegeben. Es ist Tevi Gardiner, die Kim als Kind in Kambodscha vor den Roten Khmer gerettet hat und mit der er von einer österreichischen Familie und deren Tochter Ines aufgenommen wurde. Die drei Kinder wuchsen zusammen auf, bis Tevi nach Amerika ging und Kim Ines heiratete. Über die Zeit in Kambodscha wurde nie geredet, zu grausam waren offenbar die Erlebnisse. Nun hofft Kims Familie durch Tevis Besuch mehr zu erfahren. Ob Kim sich wohl über die Überraschung freuen wird oder werden dadurch nur alte Wunden aufgerissen und geheim gehaltene Beziehungen aufgedeckt? Eine Katastrophe scheint vorprogrammiert …

Judith W. Taschler (geb. 1970) ist eine österreichische Schriftstellerin. Sie wuchs mit sechs Geschwistern im oberösterreichischen Mühlviertel auf. Nach ihrem Schulabschluss und einem Auslandsaufenthalt in den USA übte sie verschiedene Jobs aus. Sie absolvierte ein Germanistik- und Geschichte-Studium an der Universität Innsbruck und unterrichtete danach einige Jahre als Deutschlehrerin. Ihr erster Roman erschien 2011. Es folgten noch sieben weitere, die durchweg gute Kritiken bekamen. 2014 wurde Taschler mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern als freischaffende Autorin in Innsbruck.

Ich mag die Art wie Judith W. Taschler schreibt, anspruchsvoll, virtuos und psychologisch gut durchdacht. Sie versteht es, mit außergewöhnlichen und ergreifenden Familiengeschichten ihre Leserschaft zu fesseln. Meist geht es um Konflikte in den Beziehungen und um deren Hintergründe. Im vorliegenden Roman „Das Geburtstagsfest“ (2019) spielt ein Großteil der Geschichte in Kambodscha zwischen 1975 und 1979, als Bürgerkrieg herrschte, die Roten Khmer das Land terrorisierten und rund zwei Millionen Todesopfer zu beklagen waren. Dabei schreckt die Autorin nicht davor zurück, detailliert über Einzelheiten der Folterungen und Hinrichtungen zu schreiben, um uns die Kindheit und die daraus resultierenden psychischen Folgen der beiden Protagonisten Kim und Tevi näher zu bringen.

Die zweite Zeitebene, ab etwa 1980 in Österreich, als die beiden Flüchtlingskinder in einer Familie aufgenommen wurden, ist nicht minder spannend. Wir erleben die extremen Unterschiede beider Länder, begleiten die Kinder beim Erwachsenwerden und sind dabei, wenn es zu Spannungen und zur Entfremdung zwischen Kim und Tevi kommt. Als dritte Handlungszeit ist die Gegenwart zu nennen, in der das Geburtstagsfest stattfindet und in der manches ans Tageslicht kommt, was bisher erfolgreich verschwiegen wurde. Im Epilog, der einen eMail-Schriftwechsel wiedergibt, klären sich die Fronten und Versöhnung ist in Sicht. Ein Glossar mit den wichtigsten verwendeten Spezialausdrücken sowie eine Kurzfassung der Geschichte Kambodschas von der Gründung zu Beginn des 9. Jahrhunderts bis heute runden das Geschehen gekonnt ab.

Fazit: Ein großartiges Buch, das nicht nur eine interessante Familiengeschichte, sondern auch viel Wissenswertes über Kambodscha vermittelt.

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Veröffentlicht am 25.07.2023

Traum und Wirklichkeit …

Die Kieferninseln
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… kann Gilbert, Dozent und Bartforscher, nicht so genau auseinander halten. In der Nacht hat er geträumt dass seine Frau Matilda ihn betrügt, also, glaubt er, betrügt sie ihn auch. Hals über Kopf verlässt ...

… kann Gilbert, Dozent und Bartforscher, nicht so genau auseinander halten. In der Nacht hat er geträumt dass seine Frau Matilda ihn betrügt, also, glaubt er, betrügt sie ihn auch. Hals über Kopf verlässt er sie, will Abstand von ihr, und nimmt den nächstmöglichen Flug – nach Tokio. Dort angekommen redet er sich ein, die Reise dienen seinen beruflichen Forschungen über Bärte, bis er die Beschreibung einer Pilgerreise des Dichters Basho entdeckt. Nun will er plötzlich zu den Kieferninseln, um dort den Mond aufgehen zu sehen. Noch bevor er seine Pläne in die Tat umsetzen kann erregt ein junger Mann mit Ziegenbärtchen seine Aufmerksamkeit. Es ist der Student Yosa, der sich mit Selbstmordplänen befasst. Jetzt muss er Yosa unbedingt davon überzeugen, dass sein Tod noch warten kann und sie zuerst gemeinsam die Pilgerreise unternehmen sollten …

Marion Poschmann, geb. 1969 in Essen, ist eine deutsche Schriftstellerin und Autorin von Prosa und Lyrik. Sie studierte Germanistik, Philosophie, Slawistik und Szenisches Schreiben, zunächst in Bonn und später in Berlin. Von 1997 bis 2003 unterrichtete sie im Rahmen eines deutsch-polnischen Grundschulprojekts das Fach Deutsch. Ihr Roman „Die Kieferninseln“ war nominiert zum Deutschen Buchpreis 2017 und stand auf der Shortlist. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin.

Beeindruckend, wie leicht und humorvoll die Autorin dieses tiefschürfende Thema zu Papier bringt und welche Ironie in den Zeilen steckt. Von einigen Überraschungen abgesehen besteht die Geschichte eigentlich nur aus den Gedanken und den daraus resultierenden Handlungen des Protagonisten Gilbert, der beharrlich versucht seinem Begleiter, dem japanischen Studenten Yosa, die Kultur und Schönheit seines eigenen Landes zu erklären. Sehr poetisch und beinahe märchenhaft sind dabei die Naturbeschreibungen, auch wenn diese nicht immer Gilberts Erwartungen entsprechen. Als dann Yosa gegen Ende der Geschichte verloren geht fragt man sich, war das alles real oder nur Gilberts Traum? Die Wirklichkeit verschwimmt wie die Kieferninseln im Meeresdunst. War der junge Japaner real oder war er nur Gilberts Kopie, ein Spiegelbild seiner lebensmüden Gedanken und Wünsche? Wie dem auch sei, nun hat er sich davon befreit und kann seine Gedanken wieder seiner Ehe mit Mathilda zuwenden.

Fazit: Ein wunderbares Buch, das man mit Aufmerksamkeit lesen sollte und aus dem man viel über Japan und seine Kultur erfahren kann.

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