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Veröffentlicht am 27.04.2020

Geheimnisse aus der Vergangenheit

Die kleinen Geheimnisse des Herzens
2

May Rosevere aus dem idyllischen Dörfchen Pengelly in Cornwall ist bereits 110 Jahre alt, möchte aber unbedingt noch den 111. Geburtstag erleben. Kraft schöpfte sie bisher aus den Erinnerungsstücken anderer ...

May Rosevere aus dem idyllischen Dörfchen Pengelly in Cornwall ist bereits 110 Jahre alt, möchte aber unbedingt noch den 111. Geburtstag erleben. Kraft schöpfte sie bisher aus den Erinnerungsstücken anderer Dorfbewohner und schreckte dabei selbst vor Diebstahl nicht zurück, um in den Besitz dieser Gegenstände zu kommen. Dass dadurch deren Erinnerung getrübt wird und deren Gedächtnis leidet, störte May wenig. Nun hat sie plötzlich andere Interessen und schmiedet neue Pläne. Emily, die nette und hilfsbereite Enkelin ihrer Nachbarin Julia, ist angereist und verbringt einige Urlaubstage bei ihrer Großmutter. Es wäre doch bestimmt sehr praktisch und unterhaltsam, wenn sie sich in Andy, den jungen Witwer mit 6jährigem Töchterchen aus der Nachbarschaft, verlieben würde. Außerdem hätte May dann mehr Kontakt mit Julia, die von ihrem kürzlich verstorbenen Mann Don noch einen Stapel alter Briefe aufbewahrt, aus denen sich gewiss sehr gut neue Lebenskraft schöpfen ließe …

„Die kleinen Geheimnisse des Herzens“ („59, Memory Lane“) ist der Debütroman der britischen Autorin Celia Anderson, die mit ihrem Mann und ihrer Katze in Derbyshire lebt. Um am Meer zu sein besucht sie ihre Töchter in Brighton so oft wie möglich, wie sie selbst sagt. Bevor sie sich dem Schreiben zuwandte, war Celia Anderson lange Zeit Lehrerin.

Sehr schöne landschaftliche Schilderungen der Küste von Cornwall und einige interessante Charaktere sind für mich die Pluspunkte dieses Buches, das sich gut und flüssig lesen lässt. Die Geschichte selbst hat mich weniger begeistert, ich empfinde sie nicht rund, nicht fließend, ja irgendwie zusammengestückelt. Es geschieht einfach zu viel und davon zu wenig Wesentliches. Da werden unwichtige Dinge, wie z. B. den Tisch decken oder die Kleidung die eine Person trägt, in aller Ausführlichkeit beschrieben, interessante und für die Handlung wichtige Ereignisse jedoch sind kurz angerissen und werden dann nicht mehr erwähnt. Zudem ist das ganze Geschehen ziemlich vorhersehbar, vieles erscheint konstruiert und manche Begebenheiten sind schlicht unglaubwürdig. Gegen Ende zu häufen sich dann die glücklichen Zufälle und aufgetretene Probleme lösen sich in Wohlgefallen auf, aber dennoch bleiben einige Fragen offen.

Vermutlich bin ich nicht die richtige Zielgruppe für diese Art Lektüre, von der andere Leserinnen wiederum hellauf begeistert sind - zum Glück sind die Geschmäcker jedoch verschieden!

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  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 31.07.2024

Späte Suche

Seinetwegen
1

Die Autorin war gerade mal acht Monate alt, als ein rücksichtsloser Fahrer einen Unfall verursachte, bei dem ihr Vater zu Tode kam. Ihre Mutter sprach so gut wie nie darüber, und Zora stellte auch keine ...

Die Autorin war gerade mal acht Monate alt, als ein rücksichtsloser Fahrer einen Unfall verursachte, bei dem ihr Vater zu Tode kam. Ihre Mutter sprach so gut wie nie darüber, und Zora stellte auch keine Fragen, obwohl sie den Vater vermisste. Jetzt sind sechzig Jahre vergangen und plötzlich möchte Zora mehr über ihren Vater, den Unfall und den Unfallverursacher erfahren. Mutter ist inzwischen dement und lebt im Altenheim, kann ihr also nicht mehr helfen. So ist sie mit ihren Nachforschungen, die sich schwieriger erweisen als gedacht, auf sich alleine gestellt …

Zora del Buono, geb. 1962 in Zürich, ist eine Schweizer Schriftstellerin, Architektin und Journalistin. Sie ist die Tochter eines italienischen Arztes, der früh bei einem Autounfall starb, und einer Schweizerin. Sie wuchs in Zürich und Bari auf, studierte in Zürich und Berlin Architektur, wo sie bis 1995 als Architektin tätig war. Del Bouno schrieb bereits mehrere erfolgreiche Romane, ist Mitglied des Schweizer PEN und lebt heute in Zürich.

Die autobiographische Geschichte ist in kurze Kapitel aufgeteilt, in denen die Autorin hauptsächlich über Belangloses berichtet und dabei von einem Thema zum anderen springt. Sie erzählt von ihrer Studienzeit in Berlin, schweift ab in die Historie Schweizer Dörfer, führt Gespräche mit Freunden, lässt Kindheitserinnerungen wach werden, führt Unfallstatistiken auf, erwähnt die AIDS-Krise und Rassismus und informiert uns über schöne Urlaube in Bari bei den italienischen Großeltern. Es wird nicht wirklich erklärt, warum über den toten Vater nicht geredet wurde. Nach 20, 30 oder mehr Jahren konnte der Schmerz nicht mehr so groß gewesen sein, dass man nicht über das Geschehene sprechen konnte. Dass man sich auch in Bari bei den Großeltern nicht darüber unterhalten hat finde ich äußerst seltsam, ja beinahe unglaubwürdig. Warum hat es die Autorin nicht früher interessiert, wer der Unfallverursacher war und wie er damit umgeht, am Tod eines Menschen schuldig zu sein? Sechzig Jahre ist eine unendlich lange Zeit, nach der man m.E. das Geschehen auf sich beruhen lassen sollte.

Fazit: Mich hat das Buch enttäuscht. Viele belanglose Themen, kaum Emotionen und eine Suche nach dem Unfallverursacher, die für mich Jahrzehnte zu spät erfolgt. Eine Empfehlung kann ich hier nicht aussprechen.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2024

Wer kennt Jane besser als sie sich selbst?

Janes Roman
1

Seit Jane Cook, Professorin für französische Literatur, vor ihrer Türe ein Manuskript ohne Absender vorfindet, in dem ihr eigenes Leben detailgetreu beschrieben ist, ist sie äußerst beunruhigt. Ist das ...

Seit Jane Cook, Professorin für französische Literatur, vor ihrer Türe ein Manuskript ohne Absender vorfindet, in dem ihr eigenes Leben detailgetreu beschrieben ist, ist sie äußerst beunruhigt. Ist das eine Drohung? Wer kennt sie so genau, kennt ihre intimsten Gedanken und alle ihre Beziehungen, dass er darüber einen Roman schreiben kann? Eine spannende Suche beginnt …

Catherine Cusset, geb. 1963 in Paris, ist eine französische Bestsellerautorin, deren Werke in 22 Sprachen übersetzt wurden. Ihr Roman „The Story of Jane“ erschien bereits 2001 und wurde jetzt 2024 vom Eisele-Verlag neu übersetzt und aufgelegt. Die Autorin lebt, mit einigen Unterbrechungen, seit 30 Jahren in den USA. Mit ihrem amerikanischen Ehemann und ihrer Tochter wohnt sie heute in Manhattan und verbringt die Sommer in Frankreich in der Bretagne.

Ein interessanter Plot, beinahe wie im Krimi, der eigentlich eine aufregende Geschichte verspricht - doch leider hält sich die Spannung in Grenzen. Wir lesen über die letzten ungefähr 10 Jahre in Janes Leben, über ihren beruflichen Ehrgeiz, ihren akademischen Erfolg und ihre Karriere, aber auch über ihre zahlreichen Liebhaber und über ihr Sexleben, über das sie alle ihre Freundinnen und Freunde gerne und ausführlich informiert. In der spärlich dazwischen eingefügten Rahmenhandlung, also die Suche nach dem geheimnisvollen Autor des Manuskripts, hätte ich gerne mehr über Janes Gefühle und Gedanken hierzu erfahren.

Meine Empfindungen für die Protagonistin schwanken zwischen Mitleid und Ärger, Sympathie für sie blieb bei mir auf der Strecke. In der Geschichte ist sie in den Dreißigern, ihre Gefühle und Handlungen entsprechen jedoch mehr dem eines Teenagers. Sie ist unfähig echte Bindungen einzugehen, wird von Verlustängsten geplagt, hat eine übersteigerte Selbsteinschätzung, verhält sich selbstzerstörerisch und ist dazu nicht in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Erst spät wächst allmählich die Spannung, wenn sich nach und nach der oder die eventuelle Verfasser/in des Manuskripts heraus kristallisiert. Das Ende ist geschickt konstruiert und so von mir nicht erwartet.

Fazit: Ein Roman mit gut durchdachter Handlung und einer wenig sympathischen Protagonistin, der seine Spannung erst zum Schluss entwickelt.

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Veröffentlicht am 25.09.2022

Sie nannten sie Marschmädchen

Der Gesang der Flusskrebse
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Mit Blutergüssen und Platzwunden im Gesicht, die vom letzten Wutausbruch ihres jähzornigen Mannes stammen, verlässt die Mutter frühmorgens für immer die armselige Hütte – zurück bleiben fünf Kinder. Auch ...

Mit Blutergüssen und Platzwunden im Gesicht, die vom letzten Wutausbruch ihres jähzornigen Mannes stammen, verlässt die Mutter frühmorgens für immer die armselige Hütte – zurück bleiben fünf Kinder. Auch die ergreifen nach und nach die Flucht, bis die sechsjährige Kya noch alleine mit dem alkoholkranken Vater zurückbleibt. Sie ist zu jung um auch abzuhauen, hat aber gelernt sich vor den Gewaltexzessen des Vaters zu schützen, indem sie sich in den Weiten der Marschlandschaft North Carolinas versteckt. Irgendwann ist dann auch der Vater verschwunden, Kya ist nun allein und muss lernen, in und mit der Natur zu überleben. Die Jahre vergehen, sie wächst zur jungen Frau heran und bald interessieren sich auch die jungen Männer des Dorfes für die seltsame Einsiedlerin. Dann wird eines Tages der allseits beliebte Chase Andrews tot im Sumpf aufgefunden. Unfall oder Mord? Der Verdacht fällt auf das „Marschmädchen“, wie sie von allen genannt wird. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt …

Delia Owens, geb. 1949 als Cordelia Dykes in Thomasville, Georgia, ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Zoologin. Nach ihrer Schulzeit studierte sie an der University of Georgia in Athens und an der University of California in Davis Zoologie und Animal Behavior, was sie mit einem Bachelor of Science abschloss. 1972 heiratete sie den Biologen Mark Owens. „Der Gesang der Flusskrebse“ ist ihr Debütroman, der 2019/2020 monatelang die internationalen Bestsellerlisten anführte.

Die Autorin befasst sich hier nicht, wie es ihr Beruf und Buchtitel vermuten lassen, überwiegend mit der Tierwelt, sondern mehr mit der Erbarmungslosigkeit des Verlassenwerdens, der Einsamkeit und dem Überlebenswillen eines kleinen Mädchens. In Zeitsprüngen und Rückblenden verdeutlicht sie, wie Kya zu einer ungewöhnlichen und äußerst intelligenten Frau heranreift, in welchem Verhältnis diese zu dem Toten im Sumpf stand und wie dieser zu Tode kam. Neben dieser gut konstruierten Kriminalgeschichte ist es auch ein Buch über eine unvergleichliche Landschaft, den Sümpfen der Küstenregion North Carolinas, mit seinen Salzwiesen und Sandbänken, wo die Grenze zwischen Land und Wasser fließend ist.

Dieses Buch ist eines der wenigen, die mich von Anfang an gefesselt haben. Allein das Heranwachsen des kleinen Mädchens zur jungen Frau und ihre vielfältigen Erlebnisse in der Natur beinhalten bereits eine geheimnisvolle Spannung, hinzu kommen noch die Ermittlungen im Todesfall des jungen Mannes, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Der Schreibstil ist beeindruckend, ein angenehm flüssiger Sprachrhythmus, gepaart mit einer gut konstruierten Story und wunderbaren Landschaftsschilderungen, intensiv und atmosphärisch beschrieben, mit einem nicht vorhersehbaren Ende – kurzum, ein ganz besonderes Lesevergnügen!

Fazit: Literatur wie sie sein soll, ernsthaft und trotzdem unterhaltend – sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 05.02.2021

Reise der Erinnerungen

Als wir uns die Welt versprachen
1

In ihrer Kindheit war Edna eines der Schwabenkinder, Kinder die aus Armut von Südtirol ins Schwabenland geschickt wurden, um dort hart zu arbeiten. Heute ist sie beinahe neunzig Jahre alt und lebt, zusammen ...

In ihrer Kindheit war Edna eines der Schwabenkinder, Kinder die aus Armut von Südtirol ins Schwabenland geschickt wurden, um dort hart zu arbeiten. Heute ist sie beinahe neunzig Jahre alt und lebt, zusammen mit dem Papagei Emil, genügsam in einem kleinen Haus in ihrer Heimat. Hilfe erhält sie gelegentlich von ihrer Nachbarin Adele, deren Mann Max auch bereits für sie einen Platz im Seniorenheim reserviert hat. Als sie nun in einer Zeitschrift den Bericht über ein Unwetter, das einige Orte am Bodensee hart getroffen hat, liest und auf einem Foto Jacob, ihren Freund aus der Zeit im Schwabenland, erkennt, beschließt sie sogleich ihn aufzusuchen, um endlich eine alte Schuld zu begleichen. Mit Rucksack und Wanderstock, Papagei Emil in einer Transportkarre, macht sie sich auf den Weg, um die Alpen zu überqueren. Dabei erinnert sie sich an damals, an Jacob und ihre Flucht …

Romina Casagrande wurde 1977 als Tochter einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters geboren. Sie studierte klassische Literatur und Geschichte, arbeitete für Museen in Südtirol und unterrichtete als Mittelstufen-Lehrerin. Mit „Als wir uns die Welt versprachen“ gelang ihr der Durchbruch als Autorin. Sie lebt in Meran/Südtirol, zusammen mit ihrem Mann, zwei Hunden und drei Papageien.

Der Gedanke, eine seinerzeit durch Not und Entbehrung entstandene Kinderfreundschaft im Alter wieder aufzufrischen, fand ich zunächst sehr gut. Auch dass seither fast achtzig Jahre vergangen sind und dass Edna etwas verwirrt und hilfsbedürftig erscheint, störte mich keineswegs. Doch als sie sich dann zu Fuß aufmacht und auch gleich die Hälfte ihrer Habseligkeiten verliert bzw. vergisst, kamen mir erste Zweifel. Dass während ihrer Wanderung so viele hilfsbereite Menschen auftauchen, die sie mit Essen versorgen und ihr Unterschlupf für die Nacht anbieten, ist ziemlich unwahrscheinlich. Als sie dann aber am Arlberg durch die Felsen kraxelt und die Transportkarre mit dem Papagei hinter sich herzieht (die Fahrstraße über den Pass wäre ja zu einfach gewesen), fand ich die Geschichte nur noch grotesk. Konnte die Autorin die alte Dame nicht einfach in den Zug setzen und die Alpen über den Brenner überqueren lassen?

Wesentlich besser gelöst fand ich den Teil, der die Erlebnisse der Kinder behandelt, die infolge unvorstellbarer Armut von Südtirol nach Schwaben geschickt wurden, um dort unter härtesten Bedingungen zu arbeiten. Hier hat die Autorin den richtigen Ton getroffen, der den Leser berührt und ihn mitleiden und mitfiebern lässt. Es ist eine Tatsache, und man hat auch schon davon gehört, dass die Kinder dort in unwürdigen Verhältnissen lebten, hart arbeiten mussten und dabei geschlagen und missbraucht wurden. Leider ist dieser Teil der Geschichte wesentlich knapper ausgefallen. Gerne möchte ich mich weiter darüber informieren und werde mir deshalb entsprechende Lektüre besorgen (Elmar Bereuter: „Die Schwabenkinder“ ISBN 978-3-492-31284-4).

Zusammenfassend kann ich leider nicht behaupten, dass mich die Geschichte besonders mitgerissen hätte. Sie lässt sich zwar ganz gut lesen, jedoch ist vieles zu unwahrscheinlich und einiges maßlos überzogen, um wirklich glaubwürdig rüber zu kommen.

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