Wer war Anita, die doch nur tanzen wollte?
Die rote TänzerinWir schreiben das Jahr 1925. Es ist ein heißer Sommer in Berlin und in der heißen Stadt gibt es eine "heiße" Tänzerin, die Tänzerin, die so viele Namen bekommen hat, allerdings nicht immer schmeichelhaft: ...
Wir schreiben das Jahr 1925. Es ist ein heißer Sommer in Berlin und in der heißen Stadt gibt es eine "heiße" Tänzerin, die Tänzerin, die so viele Namen bekommen hat, allerdings nicht immer schmeichelhaft: Anita Berber!
Sie hat den Körper einer Tänzerin und sie nutzt ihn auf eine Weise, die Mann und Frau sprachlos macht, denn Anita tanzt ausschließlich nackt auf der Bühne und das auf eine solch exzentrische Art, die auf der anderen Seite die Massen mit ihrer Schönheit, ihrer Extravaganz und ihrer Frechheit betört und in Männern und Frauen ein besitzergreifendes und zerstörerisches Begehren weckt und auf der anderen Seite bittere Verachtung, Neid und Spott auslöst.
Auf den ersten Blick scheint es, dass sie das alles nicht zu interessieren, doch nachdem sie sich durch einige sehr deftige Skandale und Eskapaden, auch ausgelöst durch ihren ausschweifenden Lebensstil, ihre Drogen- und Alkoholsucht und ihren hohen Verschleiß an männlichen und weiblichen Liebhabern und Liebhaberinnen, nicht zu vergessen, ihre verschiedenen Ehemänner, ich nenne sie mal "Kreaturen", die sich auf Anitas Kosten ein leichtes Leben machten und wenn sie gingen ein Stück dieser zierlichen Frau mitnahmen, ihren Erfolg zunehmend schwinden sah. Sie war aus guten Gründen in verschiedenen Theatern und Hotels nicht mehr gern gesehen und doch musste ihr ausschweifender Lebensstil ja irgendwie finanziert werden. Ihre Managerin und Liebhaberin tat ihr Bestes, doch der Weg der Zerstörung, den Anita eingeschlagen hatte, ließ sich kaum aufhalten.
Da begegnete sie Otto Dix, der Maler, der auch vom großen Krieg in der Seele gezeichnet war und ebenfalls seine Exzentrik lebte, allerdings meistens auf der Leinwand, dort konnte man das Trauma des großen Krieges sehen. Otto Dix war der größte Portraitmaler der Weimarer Republik und er konnte der Bitte von Anita Berber, "Machen sie mich unsterblich, Herr Dix!" nicht widerstehen, was auch noch andere Gründe als nur die künstlerische Herausforderung hatte.
Die beiden gebrochenen Künstler, junge hochsensible und kreative Menschen, verbringen drei intensive Tage miteinander, die ihr Leben für immer verändern und sie einen von Grund auf anderen Blick auf das Leben haben lässt.
Joan Weng nimmt den Leser auf eine ganz einmalige Art und Weise mit hinein in die goldenen Zwanziger, an denen gerade in diesem Roman nicht goldig scheint, sondern immer einen selbstzerstörerischen Aspekt hat. Ihr Schreibstil ist nicht locker und humorvoll wie in ihren anderen Romanen, sondern wirkt erst etwas sperrig und entspricht doch sehr diesen beiden ungewöhnlichen und zerbrochenen Charakteren. Es sind nicht unbedingt Symphatieträger, am Anfang wirken sie sogar sehr unsymphatisch und fast abstoßend, liest man die Einzelheiten der gewählten Zerstörung, doch die Autorin schafft es den Leser hinter die Fassade blicken zu lassen und wir sehen die bloßgelegten und tief verletzten Seelen von zwei Menschen, die jede auf ihre Weise ein Opfer ihrer Zeit waren und sich verzweifelt ihren Weg suchten, ihn auch fanden, doch es war kein Weg des Friedens und der Ruhe und in dieser emotionalen Not wird in mir als Leser eine Emphatie, ein Mitleiden, der Protagonisten geweckt, die scheinbar alles von sich gezeigt haben und doch nicht als der Mensch erkannt wurden, der sie wirklich sind.
Es ist kein Buch, das sich einfach mal so liest, dass den Leser jedoch auf eine besondere Weise mit hinein in die so scheinbar "Goldenen Zwanziger" nimmt.