Freundschaft in gefährlichen Zeiten
Die Glücksfrauen - Der Geschmack von FreiheitWie befinden uns im Jahr 1936 in Berlin und genießen gemeinsam mit den drei Freundinnen Luise, Maria und Anni den leckeren Berliner Streuselkuchen, ein echter Freundschafts- und Trostkuchen, wie wir noch ...
Wie befinden uns im Jahr 1936 in Berlin und genießen gemeinsam mit den drei Freundinnen Luise, Maria und Anni den leckeren Berliner Streuselkuchen, ein echter Freundschafts- und Trostkuchen, wie wir noch erfahren werden.
Die drei besten Freundinnen sind jung und haben ihr Leben mit ihren Partnern noch vor sich, doch die dunklen Schatten des Nationalsozialismus werfen schon ihre dunklen Schatten auf sie und das empfindet jede von ihnen ganz anders. Sie sind alle auf die eine oder andere Weise in Gefahr ob Luise, die mit ihrem Partner Richard systemkritische Flugblätter druckt und dabei erwischt wird und gerade noch fliehen kann oder Maria, die mit ihrem Mann Jakob eine gemeinsame jüdische Buchhandlung betreibt und deren Kinder schon mit Schwierigkeiten in der Schule zu kämpfen haben oder eben Anni, die an das Gute im Menschen glaubt und deren Freund Siegfried bei der Gestapo ist. Bei Streuselkuchen schwören sie sich lebenslange Treue und ewige Freundschaft, doch ein schlimmer und für Luise unverzeihlicher zerstört ihren Zusammenhalt.
Wir erleben im ersten Band die Geschichte aus der Sicht von Luise, die ihrem Freund Richard nach Amerika ins Exil folgt und sich dort ausmalt, wie sie ein Restaurant eröffnet, mit Hilfe von Maria und Anni, die nachkommen sollen und auch schon ihren finanziellen Beitrag dazu geleistet haben. Doch das Ausreisen an sich ist schon nicht ohne und die Autorin schildert sehr anschaulich, welch kompliziertes Verfahren die Ausreisewilligen zu bestehen hatten. Endlich im Exil angekommen in New York rufen die Amerikaner auch nicht alle Hurra und auch einige Exilanten schaffen es nicht, sich in ihrer neuen Heimat einzuleben, so auch Richard. Damit steht Luise nicht nur vor Sprachproblemen, sondern vor ernsten existenziellen Problemen und sieht sich gezwungen jede Arbeit anzunehmen um überhaupt über die Runden zu kommen. Auch von ihren Freundinnen hört sie immer weniger und nach 1939 nichts mehr. Doch es ergeben sich neue Freundschaften unter den immigrierten Frauen und Luise schöpft neue Hoffnung, denn da wäre auch noch George...
Rund 85 Jahre später gehen wir wieder nach New York, diesmal mit June, Luises Enkelin, die völlig überraschend nach dem Tod ihrer Großmutter ein Restaurant in Manhattan erbt, von dem sie keine Ahnung hatte, dass ihre Großmutter es überhaupt besaß. Überhaupt weiß June fast nichts aus Luises Vergangenheit, auch nicht von ihrer Freundschaft mit Maria und Anni, die Miterben sind oder ihre Nachfahren, und June bekommt im Testament ihrer Großmutter den Auftrag, dieselben zu finden. Aufgrund von Junes journalistischer Ausbildung traut ihre Großmutter es ihr zu und so begibt sich June auf die Suche, doch es ist, wie die Nadel im Heuhaufen und June sieht zunehmend Parallelen zwischen ihrem Leben und dem Leben von Luise. Die Suche nach den Freundinnen ihrer Großmutter hilft June auch in ihrem gegenwärtigen Leben einige Entscheidungen zu treffen, die schon lange fällig waren und da wäre auch noch Hendrik, der attraktive Chefkoch im Restaurant ihrer Großmutter, der jedoch auch seine Familiengeschichte und ein Geheimnis hat.
Anna Claire ist ein ganz hervorragend recherchierter Roman über die Menschen gelungen, die damals in dieser dunklen Zeit ins Ausland auswandern mussten um ihr Leben zu retten. Dabei haben alle das gleiche Problem, ob Juden, Menschen im Widerstand oder Künstler. Sie müssen ihre Heimat mit hohem finanziellem Aufwand verlassen und die Menschen in ihrem angestrebten neuen Ziel, in diesem Fall Amerika, sind nicht gerade juden- und deutschfreundlich. Die Exilanten sehen sich mit erheblichen Problemen konfrontiert und nicht alle schaffen es. Die Autorin versteht es auf eine sehr einfühlsame Weise den Leser in diesen Prozess mit hineinzunehmen und aufzuzeigen welche Probleme sich in der "Neuen Welt" offenbaren.
Ich habe schon viele Geschichten aus dieser Zeit gelesen, doch noch nie eine so ausführliche Geschichte über die Menschen im Exil. Mir hat der Roman sehr gut gefallen, besonders auch die flüssige Schreibweise, immer spannend und empathisch, auch mit guten Tipps, wie der Leser selbst nach seiner Familie forschen kann und ich freue mich schon auf den zweiten Teil
Absolut lesenswert!