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Veröffentlicht am 14.08.2024

Gefahr für zwei Welten

Die Königin der Stäbe: Erbe des Feuers
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Nina fühlt sich wohl im Reich ihrer Großmutter Lavea. Und eigentlich könnte alles perfekt sein. Nur leider ist sie mit der Bewältigung der Tarot-Karten noch kein Stück weiter gekommen. Außerdem ist da ...

Nina fühlt sich wohl im Reich ihrer Großmutter Lavea. Und eigentlich könnte alles perfekt sein. Nur leider ist sie mit der Bewältigung der Tarot-Karten noch kein Stück weiter gekommen. Außerdem ist da die Sehnsucht nach der Sylphe Silvia, in die sie sich verliebt hat.

Als dann plötzlich ein schwarzes Ungewächs auftaucht und der Lavafluss der Salamander erkaltet sind das nur die ersten Anzeichen einer Katastrophe. Noch dazu einer, die sogar in die Welt der Menschen strahlt.

Kann Nina die neue Herausforderung nicht bewältigen, werden gleich zwei Welten zerstört ...

Wir sind also wieder zurück zum zweiten Abenteuer von Nina, der Hexe des Feuers. Und neben Gefühlschaos bricht das echte Chaos in Form ihres Urgroßvaters über sie herein. Ganz ehrlich, ich dachte bisher immer, meine Familie sei ... nicht nett, aber mit Nina möchte ich wirklich nicht tauschen.

Es ist nicht nur das Gefühlschaos ausgelöst durch Silvia die Sylphe, nein, eine Tragödie bricht über Nina herein, die sie vollkommen aus dem Konzept wirft. Aber reißt sie sich nicht zusammen, war's das für die Welt des Tarot und die der Menschen. Da heißt es dann, Zähne zusammenbeißen und durch.

Dunkel folgt nicht dem Hollywoodschen Rezept, es stirbt zwar dieses Mal jemand, ja, aber es muss nicht alles "bigger is better" sein. Ich würde fast behaupten, das Gegenteil ist der Fall: von dem kleinen Hexenhaus der Großmutter ins Reich des Tarot. Sicher, wir reden jetzt über ein Land, aber es scheint doch recht überschaubar mit den Vulkanen und dem Wald und dem Holzhaus, das als Schloss dient (netter Einfall nebenbei). Ninas Reich ist überschaubar, sie kennt ihre Untertanen und kümmert sich um sie.

Aber da ist immer noch das kleine Altersproblem - sprich, Nina ist zwar erwachsener und reifer geworden als im ersten Band, doch sie pupertiert noch immer fleißig - mit all den netten peinlichen Kleinigkeiten, die uns selbst als Erwachsene noch schwer fallen. Sprich, über ihre Gefühle Silvia gegenüber zu sprechen ist der erste Berg, den Nina erklimmen muss. Und den schafft sie nur mittels einer Falle.

Die Figuren sind lebendiger und tiefer als im ersten Band. Als Leser bekommt man einen etwas tieferen Einblick in die Charaktere, was gut ist, denn so erwachen sie erst zum Leben. Neu dazu gekommen ist der Phönix Agni, den ich gleich in mein Herz geschlossen habe. Sehr dienstbeflissen, immer parat, wenn es um das Reich geht - ja, den Kerl muss man einfach gern haben - oder er nervt total, was nicht der Fall ist. Eher wirkt er als eine Art Stimme der Vernunft, auf die Nina leider nicht immer hört.

Die Handlung breitet sich ähnlich wie im ersten Band aus und wächst allmählich bis zum Höhepunkt, der dieses Mal wirklich hoch dramatisch ist. Nina und Silvias Leben stehen auf dem Spiel. Ein guter Spannungsbogen, der sich immer weiter steigert, bis man das Buch irgendwann wirklich nicht mehr aus der Hand legen kann ohne zu wissen, wie es denn nun weitergeht.

Was Dunkel vor allem gut gelungen ist, ist die Tatsache, dass man sich als Leser am Ende fragt, ob Aria wirklich geläutert wurde oder ob sie ihre eigenen Pläne schmiedet mit ihrem Großvater. Überwiegend bleibt die ehemalige Königin der Schwerter eher blass im Roman, was aber gewollt zu sein scheint, denn so treibt einen immer wieder die Frage und am Ende deutliche Zweifel an ihren Absichten. Gut gelöst und definitiv ein Aufhänger für einen weiteren Band.

Alles in allem eine gelungene Fortsetzung. Spannung, Action und Romance, alles vorhanden. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen, die Figuren liebenswert und alle ein wenig schräg. Ein wirklich empfehlenswerter Roman!

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Ein besonderes Buch

Dunkelschön
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Clara leidet an Agoraphobie und hat seit Jahrzehnten ihre Wohnung kaum verlassen. Doch dann tut sich plötzlich eine eigenartige Möglichkeit auf: Laut dem Nachlass ihres früheren Geliebten befinden sich ...

Clara leidet an Agoraphobie und hat seit Jahrzehnten ihre Wohnung kaum verlassen. Doch dann tut sich plötzlich eine eigenartige Möglichkeit auf: Laut dem Nachlass ihres früheren Geliebten befinden sich gleich zwei verschollene Manuskripte des spanischen Landesschriftstellers Miguel de Cervantes in Spanien verborgen. Clara packt das Jagdfieber. Doch wie soll sie allein und auf sich gestellt all diese Hürden zwischen Berlin bis nach Granada überwinden? Clara beschließt eine List und "heuert" den Teenager Ben an unter einem Vorwand, mit ihr gemeinsam diese Reise anzutreten. Was sie nicht weiß, Ben ist totkrank ...

Auf den Spuren erst ihres ehemaligen Liebhabers, später Cervantes und seinen wohl berühmtesten Charakter begibt man sich mit einem alten, klapprigen R4 auf die Reise, und man als Leser ist voll mit dabei. Und es ist ein Vergnügen, dieses Abenteuer zu lesen und somit quasi hautnah dabei zu sein.

Den Autoren gelingt vor allem die Charakterisierung ihrer beiden Helden hervorragend. Clara, die vom Leben gezeichnete und gebeutelte Frau, die seit 20 Jahren an ihre Wohnung gefesselt ist kommt dabei ebenso glaubhaft rüber wie der Teenager und oftmals hormongesteuerte Ben, dessen einziger Wunsch vor seinem Tod es ist, Sex mit einer Frau zu haben.

In mir kam vor allem bei der Wahl des R4 diverse Erinnerungen auf. Meine Schwester fuhr einen R4-Kastenwagen, zu dessen ... weniger stolzen Nachbesitzerin sie mich erkoren hatte - leider (oder Göttin sei Dank) kam ihrem Plan der TÜV dazwischen. Heute denke ich manchmal an die gute alte Klapperkiste zurück und denke mir, die Herzchengardinen würden mich mittlerweile so gar nicht mehr stören. Und immerhin, das Ding hatte einen riesigen Laderaum und fuhr tapfer seine vier Gänge.

Manche Dinge verfolgen habe ich festgestellt, als ich über dieses Buch gestolpert bin. Vor nicht allzu langer Zeit erinnerte ich mich an meine erste Begegnung mit Don Quijote und wie er mich damals gefesselt hat - im zarten Alter von 9 glaube ich. Und eingedenk des Alters der Geschichten, man denke daran, wie viel der Ritter von der traurigen Gestalt selbst 500 Jahre später noch Einlass und Einfluss auf unseren heutigen Sprachschatz hat. Nur allein der Gebrauch des Bildes vom Kampf gegen die Windmühlen - und Hand aufs Herz, wer hat sich nicht schon einmal so gefühlt?

In ihren Rollen aber tauschten Clara und Ben im Verlauf des Romans ihre Plätze. Ist es zu Beginn Clara, die gegen ihre eigenen Dämonen in Form einer starken Phobie ankämpfen muss, so wandelt sich gerade Ben im Laufe der Geschichte immer weiter vom hormongesteuerten Teenager zum jungen Helden. Beeindruckt war ich über seine Reaktion nach dem Stierlauf in Pamplona. Clara ist die einzige, die klar erkennt, dass er es tatsächlich gewagt hat, während die anderen enttäuscht sind von ihm, der seinen Stier, seinen eigenen Angaben zufolge, in der Flasche und nicht auf der Straße fand. Da war mehr Selbsteinsicht am Werk als man ihm zunächst zugetraut hätte.

Clara, die sich vom Kampf gegen ihre eigenen Windmühlen zu einer Mentorin entwickelt für den jungen Ben, in dem sie mehr Potenzial erkennt als er selbst von sich glaubt besitzen zu können. Auf der anderen Seite bleibt Ben seiner Rolle als Sancho Panza treu selbst als er selbst schon lange ein Held ist und hilft Clara bei den täglichen Besorgungen, zu denen sie nicht fähig ist.

Es ist dann enttäuschend, als die beiden schließlich in Granada ankommen und alles anders kommt als gedacht. Die Reise wird abgebrochen und beide kehren zurück nach Berlin, denn für Ben haben sich Spenderorgane gefunden. Doch bis er schließlich in der Klinik dem Chefarzt gegenübersteht ist es bereits zu spät und die Organe vergeben. Als Leser fühlt man diese Enttäuschung geradezu körperlich, erlebt Bens anschließendes Siechtum mit und wünscht sich nichts mehr als den kräftigen jungen Mann vom Jakobsweg zurück.

Das Leben ist unfair, die große Erkenntnis, die bereits Cervantes für seinen Don Quijote aufstellte. Doch entgegen dem guten Don, der sich schlicht weigerte, die Realität anzukernnen, stellt sich Ben der seinen. Und wieder einmal übernimmt Clara das Ruder und ein vorletzter Haken wird geschlagen. Es kann nicht immer alles glücklich enden, das Leben besteht aus nichts anderem als schlechten Entscheidungen in noch schlechteren Situationen.

Was mir besonders gefiel an diesem Roman war der Humor, über den beide, Clara und Ben, ausgestattet sind und der vielleicht auch etwas früher dazu führt, dass sie beide so gut miteinander auskommen. Sie versuchen zu kämpfen gegen ihre eigenen Windmühlen - nur jede Windmühle zieht im realen Leben eine Erkenntnis nach sich, die sehr oft zu einem sehr zynischen Weltbild führt (fragt mich, laut einer Freundin bin ich die Meisterin des Zynismus). Man weiß, man verliert, gleich in welche Richtung man sich wendet, doch man kämpft weiter, wenn man sich auch oft genug fragt, warum man es eigentlich tut.

Was ebenfalls nicht unerwähnt blieben sollte sei an dieser Stelle erwähnt: Hervorragend geschilderte Action-Szenen, die das Kopfkino so richtig in Gang setzen. Klasse geschildert!

Alles in allem bleibt ein Roman, der nachdenklich macht, während er gleichzeitig sehr unterhaltsam ist. Es ist keine leichte Kost, die hier serviert wird, aber als Leser klebt man geradezu an den Seiten. Selten sind mir Charaktere so nahe gekommen wie Clara und Ben. Ein besonderer Roman.

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Veröffentlicht am 05.04.2024

Das unsichtbare Opfer

Das Flüstern des Totenwaldes (Thriller)
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Eine knappe Woche weg vom Polizeidienst und dem ganzen Computerkram, so wie jedes Jahr. Das war die Prämise für Boris. Zusammen mit fünf früheren Studienkollegen will er den Grundländer Forst durchwandern. ...

Eine knappe Woche weg vom Polizeidienst und dem ganzen Computerkram, so wie jedes Jahr. Das war die Prämise für Boris. Zusammen mit fünf früheren Studienkollegen will er den Grundländer Forst durchwandern. Doch bereits im ersten Nachtlager wird klar, die Gruppe ist in Gefahr und Hilfe kann nicht informiert werden aufgrund einer mangelnden Netzabdeckung.

Einen Tag nachdem Boris mit seinen Freunden in den Wald zog, werden die Kollegen in die Nähe des Waldes gerufen. Dort ist die Leiche einer Frau aufgetaucht, verstümmelt und das Gesicht mit Lippenstift verschmiert.

Wer war die Tote? Und besteht ein Zusammenhang mit der Wandergruppe um Boris? Henning Gerlach und Lena Freyenberg beginnen zu ermitteln ...

Der Wald, und damit meine ich die richtige Wildnis, nicht die hübsch aufgeforsteten und ständig betriebenen Forste, sondern wirklich den Wald, gibt es kaum noch in Deutschland. Manche Gehölze haben aufgrund ihrer schieren Größe zumindest ein Stück weit die Wildnis bewahrt, vor der unsere Vorfahren sich gegruselt haben und aus denen der schiere Terror in Dörfer und kleine Städte zu spülen schien. Ist man in einem solchen wilden Wald erlebt man ein Stück Vergangenheit, fühlt sich besagten Vorfahren näher als in jeder, und sei sie noch so mittelalterlich anzusehenden Stadt. Der Wald lebt, und er beherbergt noch heute Tiere, die wir in unserer Zivilisation kaum noch kennen. Bären nicht mehr, und Wölfe sind rar in Deutschland, wandern aber langsam wieder ein (die Rezensentin wohnt in einer Gegend, in der gerade wieder Wölfe einwandern, und hier sind selbst die Bauern froh darüber, sie zurück zu sehen - zumindest noch). Doch natürliche Feinde des Menschen sind in den Wäldern Deutschlands keine mehr anzutreffen.

Wer ist der natürliche Feind des Menschen hier in dieser doch sehr zivilisierten Welt, in der sich gerade Wölfe wieder eine winzige Nische zu erschließen versuchen? Wölfe dann wohl kaum. Wildschweinen sollte man besser aus dem Weg gehen, sie können zu einer Gefahr werden. Aber ist nicht der größte Feind des Menschen der Mensch selbst?

Was mich vor allem interessierte an diesem Roman, neben dem Setting in einem nicht "aufgeräumten" Wald, der sich als, wenn auch durchaus überschaubare, Wildnis erschließt, ist das Konzept des Autoren. Es geht nicht, oder nicht nur, um den Serienkiller, nein. Da ist noch jemand. Jemand, der dort nicht hingehört, dem Zeit seines Lebens ein falsches Bild der Gesellschaft suggeriert wurde. Wie weit können Recht und Unrecht verdreht werden, wenn man keine Möglichkeit hat, der Wahrheit auf den Grund zu gehen? Wie sehr kann ein Mensch verschwinden, ja unsichtbar werden, wenn es um die Gesellschaft an sich geht?

Die Botschaft hier ist erschreckend, aber diverse Studien haben gezeigt, dass sie durchaus der Wahrheit entsprechen. So erinnert der Roman mit seinem "Zehn-kleine-Negerlein"-Konzept um die Wandergruppe stark an einen üblichen Slasherfilm. Erst wenn man tiefer schaut erkennt man das wahre Opfer zwischen den Toten: den Unsichtbaren, der die Gesellschaft nicht versteht, weil er so gut wie nie in ihre gelebt hat und dem die letzten zwanzig Jahre lang ein vollkommen verqueres Weltbild suggeriert wurde.

In einer Zeit, in der man reale von Fake-News kaum noch unterscheiden kann, in der man dem Journalismus nicht mehr trauen kann, wo liegt die Wahrheit? Wie verdreht ist sie wirklich? Im Fall von Robin sehr.

Die Einwohner des Dorfes hat Schwarz ausgesprochen gut skizziert mit der besonderen Art, die Dorfbewohner eben haben. Doch das wahre Potenzial kommt erst gegen Ende des Romans, in der Klimax, wirklich zum Ausdruck, und hier verbreitet sich ein Schrecken, der über jeden handelsüblichen Thriller oder Horror hinausgeht. Den Ansatz hat Schwarz hier sehr gut geschrieben, dennoch hätte ich persönlich mir am Ende etwas mehr gewünscht statt eines Berichtes. Aber ja, es ging nie um den unsichtbaren Robin, es ging um die Wandergruppe und um das Ermittlerduo Gerlach und Freyenberg. Und was das angeht, so hat der Autor seinen Job zu hundert Prozent erfüllt.

Die Wahrheit über den Schrecken, der bleibt im Wald. Dort, wo finstere Gestalten wandern, Ausgeburten unserer Phantasie - oder doch Wirklichkeit?

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Packendes Abenteuer

Der Taliban
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Sara ist neu in der "Sisterhood", einer Geheimorganisation, die sich verschrieben hat, gutes zu tun. Als ein Freund von Sara in Afghanistan vor laufender Kamera hingerichtet wird, schickt man sie an den ...

Sara ist neu in der "Sisterhood", einer Geheimorganisation, die sich verschrieben hat, gutes zu tun. Als ein Freund von Sara in Afghanistan vor laufender Kamera hingerichtet wird, schickt man sie an den Ort des Geschehens, denn der Freund stand in Verbindung mit der Sisterhood und war im Besitz von Informationen. Saras Auftrag: Diese Informationen sicherstellen und die Ehefrau ihres Freundes Casim zu exfiltrieren ...

Der Titel sprach mich an. Schon seit der Zerstörung der stehenden Buddhas von Bamiyan (also einige Monate vor 9/11) recherchiere ich über diese Terror-Gruppe und versuche, deren Handlungsweisen zu verstehen. Insofern dachte ich, dieser Roman könnte vielleicht hilfreich sein.

Vorweg sollte ich vielleicht erwähnen, dass dies der dritte Teil einer Thriller-Reihe ist. Ab und an wird auf vergangene Abenteuer der Heldin Sara hingewiesen, aber eher in dem Maß, dass man als Erstleser nicht davon gestört, sondern eher animiert wird, sich diese beiden ersten Bände zuzulegen. Es sind bessere Randnotizen, die den einen oder anderen Glimmer auf Vergangenes wenden, ohne den Lesegenuss zu stören. Persönlich halte ich das für eine sehr gute Lösung, denn auf diese Weise können auch neue Leser gewonnen werden, auch wenn der Zyklus bereits vorangeschritten ist.

Owen begibt sich in diesem Roman auf ein heißes Eisen. Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 hat sich das bisschen Fortschritt, dass das Land vormals hatte, ins Gegenteil gewandt. Gäbe es nicht Autos, Handys und Strom, könnte man glatt von einem Rücksprung ins finsterste Mittelalter sprechen. Die selbsternannten Gotteskrieger beherrschen Afghanistan vor allem mit Terror, was sich selbstverständlich auch bis in die Familien zieht. Hier gelingt Owen es, die Angst und das Misstrauen glaubhaft zu schildern. Man fühlt als Leser die Beklemmung, ja die Angst der Familie, die Unsicherheit, wem noch vertrauen zu können und wem nicht.

Dass Owens Heldin Sara noch dazu eine Frau und Ex-Soldatin der Bundeswehr ist, macht das ganze Szenario zu purem Sprengstoff. Frauen in Afghanistan sind entrechtet, besser ist es nicht zu sagen. Dabei beziehen die Taliban sich auf diverse Koran-Suren. Die Rezensentin gehört zu den Gottlosen, die es gewagt haben, den Koran zu lesen. Besagte Stellen haben nichts, aber auch gar nichts, mit der Entrechtung von Frauen zu tun, ganz im Gegenteil. Aber wer Bildung im allgmeinen unterdrückt und selbst vermutlich kaum mehr in der Lage ist, seinen eigenen Namen zu schreiben, den stört das nicht. Vielleicht täten die Taliban statt dessen einmal einen Blick nach Kambodscha gut. Wer Bildung unterdrückt, der wird irgendwann den Preis zahlen. Kambodscha hat das hinter sich und ich wage zu bezweifeln, dass irgendeiner der sogenannten selbsternannten Gotteskrieger etwas ähnliches erfahren möchte.

Insofern ist es gerade gut, dass Sara eine Frau ist, noch dazu eine, die weiß, wie sie sich zur Wehr setzen kann und dies auch tut. Mir als Leserin zauberte es ein Lächeln auf die Lippen, als Sara ihren Befreiungsschlag in dem Folteranwesen beginnt und dort einigen "Gotteskriegern" mehr als nur ein Veilchen verpasst.

Auch wenn mir persönlich schlecht wird, wenn ich Sätze wie "sie ist doch nur eine Frau" und ähnliche lesen muss, so bringt die Autorin hier klar und deutlich zum Ausdruck, wie das Denkmuster der Taliban verläuft. Dabei lassen die selbsternannten "Gotteskrieger" gern aus, dass es Frauen sind, die Kinder zur Welt bringen. Auch wenn es unmöglich ist für die weibliche Bevölkerung, so frage ich mich schon seit Jahrzehnten, was passieren würde, würden die Frauen in solchen Gemeinschaften einfach ihre Sachen packen und gehen. Mal sehen, wie lange dieser Satz dann noch Bestand hat und wie viele Männer dann wohl Kinder gebären.

Was mir persönlich auch gut gefiel war Saras Gewissen, ihre Gefühle und Gedanken über die Familie, die sie in Deutschland zurückgelassen hat, gerade über ihre eigene Tochter. Das war glaubhaft geschildert und passte sehr gut in das Szenario.

Alles in allem eine packende Geschichte mit glaubwürdigen Charakteren, gut geschilderter Action (ja, den musste ich noch ansprechen) und einer schlüssigen Handlung.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Vergeudetes Potenzial

Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)
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Hinter einem Marienstock wird die Leiche einer 16-jährigen Schülerin gefunden. Das Mädchen wurde erdrosselt. DNA-Spuren weisen auf einen abgelehnten Asylbewerber hin. Und dann bricht die Hölle los ...

Zum ...

Hinter einem Marienstock wird die Leiche einer 16-jährigen Schülerin gefunden. Das Mädchen wurde erdrosselt. DNA-Spuren weisen auf einen abgelehnten Asylbewerber hin. Und dann bricht die Hölle los ...

Zum elften Mal lässt Neuhaus ihre Ermittler einen Mord untersuchen und ihre Leser damit miträtseln darüber, was mit der jungen Larissa passiert ist. Und dieses Mal geht es hoch her im beschaulichen RKI. Eine neue Kollegin trifft ein, jemand aus dem Team wird getötet, Bodensteins Sessel wackelt und Pias Ehemann hat die Möglichkeit, für ein Jahr nach Namibia zu gehen - natürlich mit Pia. Ach ja, und Pias Mutter leidet unter Demenz und kann nicht länger allein wohnen.

Neben all den kleinen, oder größeren, privaten Problemen nimmt sich der Mordfall als hartnäckig unlösbar heraus. Erst verschwindet der DNA-Träger, mit dem Bodenstein und Pia sprechen wollen, auf mysteriöse Weise, kurz darauf erhält die Mutter des ermordeten Mädchens einen überraschenden Besuch an ihrem Arbeitsplatz.

Während der letzten zwei, drei Romanen hatte ich das Gefühl, die Luft ist raus aus dem RKI. Der neue Plot um Pias Ex, der sich als Krimiautor einen Namen macht, wirkte auf mich abgedroschen, und tut es noch - hatten wir schon, danke. So witzig es gemeint sein könnte und sicherlich ist, es wirkte nicht, zumindest für mich. Bodenstein, dessen zweite Ehe scheiterte, Pia, die statt dessen in ihrem Zoo-Direktor einen Seelenverwandten gefunden zu haben scheint. Ja, Scheidung ist bei Polizei ein Thema, ebenso wie in einigen anderen Berufen, die scheinbar nie einen Feierabend genießen dürfen. Trotzdem wirkte das ganze etwas ... lustlos in den letzten Büchern. Der Plot war vorhersehbar, die Lösung wenig überraschend.

In "Monster" ist es anders, ganz anders. Hier überrascht wirklich, was passiert. Neuhaus scheint neue Inspiration gefunden zu haben, was dem Roman gut tut. Dennoch gerät der eigentliche Mordfall an der jungen Larissa immer und immer mehr ins Hintertreffen, während das Team sich in immer tiefere Abgründe begibt. Zu verständlich, immerhin ist es eine Person aus dem Team, das sich dieses Mal als weiteres Opfer findet. Pandoras Box wird daraufhin geöffnet und der eigentliche Mordfall gerät mehr und mehr ins Hintertreffen. Dabei ist gerade das Neuhaus' Können, die verschiedenen Charaktere der Opfer- und Täterfamilien zu beschreiben und ihnen Leben einzuhauchen. Hier wird angedeutet, dort wieder zurückgepfiffen, und die junge Nachwuchsdetektivin letzten Endes von Bodenstein aus der Trauerfeier herausgezerrt mit dem Hinweis, sie habe sich nicht zum ersten Mal geirrt.

Natürlich möchte ein Krimi-Autor seine Leser auf falsche Fährten schicken, dennoch hätte ich den Pfad, auf dem Sara da war, gern etwas näher beleuchtet gesehen. Statt dessen wird mit keinem Wort erwähnt, woher der plötzliche Stimmungswandel in Larissa gekommen ist. Es wird in den Raum gestellt, zwei Seiten später ist es wieder vergessen, weil der zweite Fall soviel mehr Aufregung und Aufmerksamkeit verdient. Irgendwie kann ich Larissas Eltern verstehen, wenn die die Polizei beschimpfen während der Trauerfeier - möchte ich an der einen oder anderen Stelle auch tun in diesem Roman.

Wo ich gerade so schön in Fahrt bin, als ex-Gerichtsangestellte (Protokollführerin in Strafsachen und Abschiebungen) darf ich zwei Dinge berichtigen: Nicht nur Richter und Staatsanwalt "verkleiden" sich bei einer Gerichtsverhandlung in Deutschland, auch die Protokollkraft trägt eine Robe und üblicherweise (es gibt Ausnahmen) auch der/die Verteidiger. Und als frühere Protokollführerin kann ich ebenfalls behaupten, dass das Herauswinken aus einem Gerichtssaal für den Protokollanten durchaus üblich ist, findet bei jeder Besprechung statt, die nicht im Richterzimmer geführt wird. Hat nix im Protokoll zu suchen, geh ins Büro, ich ruf dich an - oder - warte draußen, dauert nur ein paar Minuten. Aber das nur als kleiner Mangel am Rande.

Was mich dagegen wirklich nervte waren die vielen Fehler. Ich habe mir den Band kurz nach Veröffentlichung gekauft, sprich die 1. Auflage. Von Ullstein bin ich besseres gewohnt und wünschte mir zwischendurch wirklich den ausgestorbenen Beruf des Setzers zurück. Ehrlich, Selfpublisher haben offenbar bessere Programme als ein renommierter Verlag.

Alles in allem ist der Roman spannend, keine Frage. Und der zweite Fall ist soviel größer und bombastischer als die kleine Larissa. Besser als die letzten zwei, drei Bücher der Reihe ist "Monster", keine Frage. Aber schade um das Potenzial, einmal wieder zurückzukehren zu den Wurzeln.

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