Gemächlicher Start, packendes Finale - lesenswerte Fortsetzung
Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen (Hafenärztin 4)„Ja, dachte Berthold, wenn man in den Hamburger Hafen einfuhr, wurde man vom Reichtum und Selbstbewusstsein der Stadt glamourös empfangen. Dass sich dahinter auch Elend und Armut, Verbrechen und Verzweiflung ...
„Ja, dachte Berthold, wenn man in den Hamburger Hafen einfuhr, wurde man vom Reichtum und Selbstbewusstsein der Stadt glamourös empfangen. Dass sich dahinter auch Elend und Armut, Verbrechen und Verzweiflung verbargen, das sahen die wenigsten. Er und seine Kollegen aber waren Tag für Tag damit konfrontiert und hatten alle Hände voll zu tun, für Ordnung zu sorgen- damit die Westen der oberen Zehntausend weiß bleiben konnten.“
Ärztin Anne Fitzpatrick findet während ihrer Arbeit die Leiche einer Frau, die nicht wie zunächst vermutet an Überarbeitung gestorben ist, sondern aufgrund einer Überdosierung des Hustenstillers Heroin. Und sie ist nicht die einzige Tote, die im Zusammenhang mit Heroin steht, das 1911 noch als harmlos gilt.
Später gerät Anne erneut ins Visier der Kriminalpolizei, als sie eine weitere Leiche entdeckt. Außerdem sorgt sich um eine für sie wichtige Person, die spurlos verschwunden ist.
Kommissar Berthold Rheydt ist nicht nur mit den Ermittlungen zu den mysteriösen Todesfällen beschäftigt. Er glaubt, in Hamburg seine verstorbene Frau Elisabeth gesehen zu haben. Nun möchte er endlich mit seiner Vergangenheit abschließen und fasst einen folgenreichen Entschluss.
Bertholds Verlobte Helene hat indessen ihre Leidenschaft für die Psychologie entdeckt und träumt davon, das Fach zu studieren. Ein Psychologiestudium wäre sicher auch im Umgang mit ihrem Bruder Klaus sinnvoll, der als Süchtiger aus Havanna zurückgekehrt ist und die Orientierung verloren hat.…
Der Roman liest sich unkompliziert, flüssig und leicht. Die Kapitel widmen sich abwechselnd den verschiedenen Hauptfiguren Berthold, Anne und Helene. Es wird meist chronologisch erzählt. Der etwas pathetische Titel reiht sich nahtlos in die der Vorgängerbände ein, auch das Cover lässt das Buch sofort als Teil der Reihe erkennen.
Die Personenkonstellation ist recht interessant. Komissar Berthold Rheydt stammt aus einfachen Verhältnissen aus der Provinz und ist nun beruflich und privat mit den vielfältigen Problemen der Großstadt konfrontiert. Durch ein Unglück verlor er Frau und Kind, was er immer noch nicht verwunden hat.
Pfarrerstochter Helene Curtius wuchs in einem behüteten, konservativen Umfeld auf, aus dem sie nun auszubrechen versucht.
Und dann ist da natürlich noch Hafenärztin Anne de Swann mit der geheimnisvollen Vergangenheit, deren skrupelloser Vater einigen Dreck am Stecken hat. Und nicht nur der...
Bei diesen drei völlig unterschiedlichen Hauptfiguren, die alle mindestens freundschaftlich miteinander verbunden sind, sind spannende Entwicklungen garantiert. Und an mehr oder weniger unberechenbaren Gegenspielern mangelt es im Hamburg des frühen 20. Jahrhunderts definitiv nicht.
Wird Berthold die beruflichen und privaten Herausforderungen meistern? Erfüllt sich Helenes beruflicher Traum? Und kehrt in Annes Leben endlich Ruhe ein?
Die Handlung entwickelt sich zunächst gemächlich. Im ersten Teil hatte ich beim Lesen einige Déjà-vue-Erlebnisse. So wird immer wieder recht ausladend ausgeführt, was in der Vergangenheit der Figuren passierte. So können auch Leser, die die Reihe bisher noch nicht kennen die Handlung problemlos nachvollziehen. Für mich waren die ständigen Wiederholungen allerdings etwas ermüdend. Später nimmt dann die Handlung ordentlich Fahrt auf und das Buch entwickelt sich zum Pageturner. Interessant nicht nur die Handlung, sondern auch die gesellschaftlichen Probleme, auf die sich der Roman bezieht. Das historische Hamburg hat mehrere Gesichter, Reichtum und eine blühende Wirtschaft auf der einen Seite und bittere Armut und Elend auf der anderen Seite. Nicht nur Anne bekommt es mit Süchtigen zu tun, vor allem der Alkohol stellt für so manchen ihrer Zeitgenossen ein gravierendes Problem dar. Welche Rolle das Heroin damals spielte, fand ich sehr aufschlussreich zu erfahren.
Insgesamt nach schleppendem Beginn eine lesenswerte, unterhaltsame, vor allem gegen Ende packende Fortsetzung, die in sich abgeschlossen einen stimmigen Abschluss der Reihe darstellen könnte. Aber vielleicht ist die Geschichte ja auch noch nicht auserzählt? Ich persönlich würde mich über eine weitere Fortsetzung freuen.