Ambras-Syndrom
KatzenbachStefan und Nadine Attinger sind überglücklich, als nach der 4jährigen Lotte die kleine Luzia zur Welt kommt. Bis sie den ersten Blick auf ihr Baby werfen, denn der Anblick der kleinen Luzia wirbelt ihre ...
Stefan und Nadine Attinger sind überglücklich, als nach der 4jährigen Lotte die kleine Luzia zur Welt kommt. Bis sie den ersten Blick auf ihr Baby werfen, denn der Anblick der kleinen Luzia wirbelt ihre heile Welt durcheinander. Luzia wurde mit einer Anomalie geboren , dem "Ambras- Syndrom.
Als die Kleine 4 Monate alt ist, geschieht ein Unglück. Luzia wird von Valerie Gut, die mit ihrem Hund spazieren geht, im Katzenbach, der durch das Dorf fliesst, gefunden. Jemand hat das Baby aus dem Kinderwagen genommen und in den Bach geworfen, Luzia ist tot.
So viele aus dem Umfeld der Familie, haben nach der Geburt gedacht oder gesagt, dass für die Kleine der Tod eine Erlösung wäre…..hat jemand seine Gedanken oder Worte in die Tat umgesetzt? Oder hat die Mutter die soziale Ausgrenzung mit dem entstellten Baby nicht mehr ausgehalten und die Kleine getötet?
Das Grundthema in diesem Buch hat mich wahnsinnig berührt. Wie geht das Umfeld damit um, wenn ein Paar, ein durch einen Gendefekt stark entstelltes Baby bekommt? Wie gedankenlos können Nachbarn, Eltern von Schullkollegen. Arbeitskollegen sein um subtilen Psychoterror zu betreiben, damit die Eltern an ihrem Kind zweifeln. Wer entscheidet, wann ein Kind lebenswert ist ? Diese Fragen haben mich sehr beschäftigt und fassungslos habe ich die Geschichte gelesen. Fassungslos, weil ich weiss, dass genau das, was hier beschrieben wird, überall auf der Welt und jeden Tag vorkommen kann.
Die "Hypertrichose" mit dem Ambras -Syndrom kannte ich nicht, habe mich jedoch erinnert, mal was darüber gelesen zu haben. Menschen mit diesem sehr seltenen Gendeffekt entwickeln eine übermässige Körper und Gesichtbehaarung. Recherchen im Internet haben mich sprachlos für das Leid der Betroffenen gemacht.
Die Autorin hat geradezu lebensecht die Sorgen, die Ängste und die Ausgrenzung der Familie, nach dem Bekanntwerden der Anomalie der jüngeren Tochter , beschrieben. In abwechselnden Zeitzonen, in denen man immer sofort erkennt, wo man in der Story steht, beschreibt sie die Zeit um die Geburt, das nach Hause kommen mit dem Säugling , die Zeit danach und während und nach dem Mord. Sehr eindrücklich, wie man als Leser "in die Köpfe" einiger Protagonisten sieht und wie der Vater denkt, die Mutter meistere die Behinderung der Tochter mit links und umgekehrt.
Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten, lässt sich sehr flüssig lesen. Ein paar holperige Stellen haben mich überhaupt nicht gestört, zu intensiv hat mich diese Story beschäftigt. Immer wieder hatte ich meine Vermutungen, wer denn nun genau für den Tod des Babys verantwortlich ist. Eine davon hat sich schlussendlich bestätigt. Doch da ich gegen Schluss, diese Vermutung nur bei 4 Menschen eingrenzen konnte, empfinde ich die Täterfrage und die Auflösung als gelungen und überraschend.