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Veröffentlicht am 15.09.2017

Erschreckend authentisch

Der Sandmaler
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Elisabeth und Stefan treffen sich zufällig kurz vor dem Abflug nach Afrika. Unabhängig voneinander haben sie die Reise gebucht und verbringen die Zeit in Afrika meist gemeinsam. Die beiden haben an und ...

Elisabeth und Stefan treffen sich zufällig kurz vor dem Abflug nach Afrika. Unabhängig voneinander haben sie die Reise gebucht und verbringen die Zeit in Afrika meist gemeinsam. Die beiden haben an und für sich nicht viele Gemeinsamkeiten,Stefan ist aus reichem Elternhaus mit einer Schwester, die als Model arbeitet. Elisabeths Schwester ist behindert, die Mutter alkoholkrank und der Vater im Job frustriert. So sind die Erwartungen auch völlig verschieden. Stefan will Pool, Luxushotel und die Frauen Afrikas geniessen, Elisabeth das Land fühlen, spüren und erleben.

Der Autor hat es geschafft, dass ich von der ersten Seite an gefesselt war. Er hebt nicht nur grandios die völlig verschiedenen Persönlichkeiten der beiden Hauptfiguren hervor,sondern zeichnet auch ein Bild Afrikas aus der Sicht der beiden Figuren,das unterschiedlicher nicht sein könnte. Für mich steht hinter dieser Beschreibung sehr viel Symbolik und hat mich nachdenklich gemacht und…ja auch berührt. Die Einstellung Stefans gerade im Hinblick auf den weiblichen Teil von Afrikas Bevölkerung hat mich abgestossen und angeekelt. Im Gegensatz zu Elisabeth geht es ihm um oberflächliches Vergnügen auf seiner Reise .Wie viele Menschen reisen so?Für wie viele scheint ein Land aus Luxushotels und Vergnügen zu bestehen .?Hier hat der Autor bei mir für sehr viel Stoff zum Nachdenken gesorgt.

Der Schreibstil Mankells ist einfach überwältigend. Mit wenigen Worten schreibt er gewichtig, wortgewaltig und eindrücklich.Immer wieder hatte ich das Gefühl, er lässt die Leser "zwischen den Zeilen "lesen und regt an über das Ungesagte nachzudenken. Als Beispiel kann ich anführen,dass ich das Gefühl hatte, dass Elisabeth vor der Reise leicht depressiv ist…doch der Autor deutet an und lässt die Auflösung auf diese Frage offen.

Sehr gut erhält man als Leser Einblick in die Infrastruktur, die Politik und die Bildung Afrikas.Auch der Kapitalismus ,der hier erschreckend real gezeichnet ist. wird thematisiert. Die krassen Gegensätze der Luxushotels zu den Wellblechhütten sind authentisch und erschreckend real. Ein kleiner Satz, der mich tief berührt hat, ist eine Szene, in der ein schwarzes Mädchen nach einer Liebesnacht mit Stefan nach Hause geht.

Mich hat schon lange kein Buch so berührt,dies natürlich auch weil Henning Mankell authentisch die Situation in Afrika und die Sicht von gewissen westlichen Bewohnern skizziert.

Veröffentlicht am 14.09.2017

Wenig Handlung...

Irresistible - Ein Baby kommt selten allein
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Brady arbeitet in der Landschaftsgärtnerei seines Vaters.Seine Berufung ist jedoch das Tätowieren.Doch er kann, nachdem sein Bruder Cal sich abgesetzt hat, seinen Vater nicht im Stich lassen. Cal lebt ...

Brady arbeitet in der Landschaftsgärtnerei seines Vaters.Seine Berufung ist jedoch das Tätowieren.Doch er kann, nachdem sein Bruder Cal sich abgesetzt hat, seinen Vater nicht im Stich lassen. Cal lebt mit seiner Frau Melissa und der kleinen Tochter weit weg von der Familie, der Kontakt zwischen den beiden Brüdern ist abgebrochen. Da ereilt Brad und seine Eltern die Nachricht, dass Cal und seine Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Brad reist zu der Farm, die die junge Familie bewirtschaftet hat ,um sich um seine kleine Nichte Isabella zu kümmern. Die Babysitterin Katherine gefällt Brad auf Anhieb und er versucht mit ihrer Hilfe Baby und Farm kennen zu lernen.

Den Start ins Buch war gelungen. Sehr authentisch, sehr berührend zeigt es wie ein plötzlicher Unfall eine ganze Familie verändern kann. Was einmal war, wird von einer Sekunde auf die andere durcheinandergewirbelt. Zudem lernen wir auch Brady kennen, ein Biker mit Muskeln wie Stahl und dem Herz auf dem rechten Fleck.

Abwechselnd werden dann die Kapitel aus der Sicht von Brad und Katherine geschrieben. Die beiden wiederholen sich nicht, erzählen die Geschichte nahtlos weiter wo der andere aufgehört hat. so kommt man als Leser in den Genuss beide Seiten zu erleben. Sehr schnell knistert es zwischen den beiden und genau da beginnt die Langweile. Denn die Autorin hat von da an die Story wie ein einziges und langes Vorspiel gestaltet…während langer Seiten kommt die Handlung völlig zum Erliegen, Hauptthema ist die Bettgeschichte, die Beschreibungen beider Körper und Aussehen. Nach gefühlten 20 mal, in denen Katherine die Tatoos von Brad anschmachtet oder er ihre langen, schlanken Schenkel beschreibt, habe ich gedanklich abgeschaltet und …mich gelangweilt.

Zum Glück gibt es noch ein paar Szenen , in denen der Niedlichkeitsfaktor von Isabelle "das Baby" und Brad hoch ist.Gestört hat mich her jedoch, dass "das Baby" wie ein Gegenstand gerade mal da ist,oder aber passenderweise von einer Nachbarin abgeholt wird, damit Brad und Kat ihrem ausgedehnten Vorspiel frönen können. Ich habe aufgeatmet, als die beiden endlich…endlich..zueinander gefunden haben und vollzogen war was sich so zäh in die Länge zog.

In der Hoffnung um noch ein bisschen Handlung habe ich weiter gelesen. Zwar geschieht danach doch mehr als im ersten Teil,doch leider wird es sehr vorhersehbar…eigentlich hätte ich mir den Rest (immerhin 120 Seiten) sparen können.

Der Schreibstil ist an und für sich gut, ein wenig mehr Handlung und weniger Liebesgedöns, Schmalz und Gefühle und ich wäre zufrieden .Dazu ein paar Protagonisten mehr,die der Story etwas Pep einhauchen. Denn die Geschichte wird praktisch das ganze Buch über von Brad , Kat und "dem Baby" bestritten.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Lüge oder Wahrheit?

Ich soll nicht lügen
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Die Anwältin Mary "Mags" Mackenzie reist Hals über Kopf nach London. Denn ihr Bruder Abe ist bei einem Unfall 12 Meter in die Tiefe gestürzt und schwebt in Lebensgefahr. Im Krankenhaus angekommen,sitzt ...

Die Anwältin Mary "Mags" Mackenzie reist Hals über Kopf nach London. Denn ihr Bruder Abe ist bei einem Unfall 12 Meter in die Tiefe gestürzt und schwebt in Lebensgefahr. Im Krankenhaus angekommen,sitzt an seinem Bett seine Verlobe Jody. Mags und ihr Bruder hatten seit Jahren keinen Kontakt mehr und so ist sie erst nicht sonderlich verwundert, dass er verlobt war und sie davon nichts wusste. Doch Mags ist von Beginn weg überzeugt, dass sich der Unfall nicht so zugetragen hat, wie Jody erzählt. Mags zieht in die Wohnung ihres Bruders und beginnt den Unfall zu untersuchen. Sehr schnell stellt sich heraus, dass Jody nicht die ist , die sie zu sein vorgibt.

Als ich die ersten Seiten dieser Geschichte gelesen habe, machte sich erst mal Ernüchterung breit.Ich hatte das Gefühl, die zum Prolog umfunktionierte Teeniegeschichte strotzt vor Oberflächlichkeit und die Sprache empfand ich als abstossend.Zum Beispiel Seite 11, als es heisst "Er pisst für England,schüttelt sich ab und…"…gefolgt von "Pissbecken"…Sehr zäh, sehr pubertär !Es ging zum grossen Teil um Sex, Pissen,Musik und Alkohol.

Danach folgten verschiedene Erzählstränge,in denen grösstenteils keine Namen genannt wurden und dadurch schwierig einzuordnen waren.Doch dann taucht zum Glück "Mags" auf und die Story wurde klarer und mit einer Handlung, die man einordnen und nachvollziehen kann. Nun wird im Wechsel aus der Sicht von Jody und Mags berichtet. Der Erzählstrang "Mags" hat mich sofort gepackt,der Erzählstrang "Jodie" plätscherte und war überaus ermüdend zu lesen.Dies vor allem weil sie immer wieder in Erinnerung an die Vergangenheit mit Abe abtaucht und diese Passagen sind betont rätselhaft und auffällig . Leider waren diese nicht klar deklariert, sondern in die Kapitel "jodie" verpackt. So musste ich immer wieder ein paar Sätze lesen und zu begreifen,dass nun die Vergangenheit wieder thematisiert wird.Ab und zu liest man zudem auch noch kursiv geschriebene Kapitel über die Vergangenheit einer Protagonistin,deren Identität sich erst zum Schluss des Buches enthüllt,man jedoch relativ schnell ahnt von wem die Rede ist.

Mich hat wie oben schon erwähnt vor allem Mags gefesselt und interessiert. Jodies Teil war mir zu blumig-schmalzig und voll rosaroter Liebesschwüre.

Wie die Handlung, wurde auch der Schreibstil differenziert. Bei Mags in kurzen, fast abgehacktem Stil, bei Jodie verspielt und mit längeren Sätzen .

Im Verlauf der Story fragt man sich immer wieder wer für den Unfall von Abe verantwortlich ist. Sehr geschickt wurden verschiedene falsche Spuren gelegt und die Auflösung eine Überraschung, wenn auch eine, auf die man als Leser nicht unbedingt kommt.

Die Personen wurden betont schwarz -weiss und klischeehaft gezeichnet. Eigentlich gibt es in der ganzen Geschichte nicht eine Figur mit einer "normalen " Vergangenheit , einem "normalen " Leben. Egal ob es sich um die taffe und eiskalte Anwältin mit schwieriger Beziehung zum Bruder handelt oder um die Nachbarin, die auf Drogen ist. Sie teilen sich den Rang um die schwerste Lebenssituation mit einer traumatisierten und vergewaltigten ,jungen Frau und der schwangeren Nachbarin mit Migrationshintergrund ,die von ihrem Mann tyrannisiert wird.

Wie die Figuren ist auch die Geschichte sehr konstruiert und dadurch zeitweise abgefahren und unecht.

Trotzdem hat mich die Frage wer und warum die Finger beim Unfall im Spiel hatte, durch das Buch getrieben und gefesselt.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Etwas vorhersehbar!

Morgen ist es Liebe
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Dr. Alexandra Novak ist kurz vor Weihnachten mit ihrem Auto auf dem Weg zu ihrer Mutter, als sie einen Unfall hat. Sie droht im Auto eingeschlossen zu verbrennen. Martin Hallberg, der eigentlich in der ...

Dr. Alexandra Novak ist kurz vor Weihnachten mit ihrem Auto auf dem Weg zu ihrer Mutter, als sie einen Unfall hat. Sie droht im Auto eingeschlossen zu verbrennen. Martin Hallberg, der eigentlich in der Nacht geplant hatte Selbstmord zu begehen,rettet die junge Frau aus ihrem Wagen. Der Abschiedsbrief an seine Familie steckte schon geschrieben in seinem Mantel, den er nach der Rettung Alexandra überlässt. Und genau diesen Brief will er zurück und nähert sich Alexandra , die mittlerweile zur Genesung bei ihrer Mutter lebt.

Die Geschichte spielt kurz vor und nach Weihnachten und zieht sich vom 21. Dezember bis 7. Januar. Die Tage und Datumsangaben sind denn auch gleich die Kapitelüberschriften . Los geht's also 3 Tage vor Heiligabend und diese Zeit ist im Buch sehr stimmungsvoll und mit viel Schnee beschrieben.Einen melancholischen, traurigen und schweren Touch bringt der geplante Selbstmord von Martin Hallberg rein , wobei die Gründe dafür das ganze Buch über im Dunklen liegen und hervorragend gemacht sind um mit Spannung weiterlesen zu lassen. Und genau um diese Spannung war ich froh, denn ansonsten ist die Story doch etwas vorhersehbar.Vor allem die Liebesgeschichte ist eigentlich von Beginn weg absehbar. Zwei Protagonisten verlieben sich nach einigem ermüdendem Hin und her ineinander …dass die beiden sich kriegen, ist seit Seite 3 an klar.

Als eine Bereicherung empfand ich die kursiv geschriebenen Gedanken der Figuren, die immer wieder mal eingebaut wurden. Sehr unterhaltsam wenn man als Leser sieht was die Personen denken…und wenn Mr. Spock ,der Hund zum Zuge kommt, wirds witzig.

Weniger zufrieden war ich mit der Charakterisierung der Figuren. Vor allem Alexandra agiert mal hü und mal hopp und ihre Launen und Wünsche ändern sich wie bei einer pubertierenden Jugendlichen. Meiner Meinung nach ist diese Figur etwas zu wenig überzeugend charakterisiert. Auf einer Seite die taffe Ärztin, auf der anderen Seite ähnelt sie einem Ritterfräulein von anno dazumal ,das fast in Ohnmacht fällt ,weil ein Mann sie auf seinen Armen die Treppe rauf trägt.

Die eingeflochtenen Themen wie Arbeitslosigkeit und Folgen für die Ehefrau und die Kinder sowie die dunkle Seite des Sensations-Journalismus sind gut und authentisch geschrieben .

Die Dialoge waren mit zeitweise etwas zu hölzern und willkürlich. Immer wieder habe ich mich gefragt :Warum sagt er/sie das nun ? Die Worte wurden in den Mund gelegt um den Fortlauf der Handlung sicher zu stellen.

Der Schreibstil ist teilweise etwas unausgereift und holperig …doch da es sich um ein Debüt handelt drücke ich hier ein Auge zu in der Hoffnung, dass der nächste Roman flüssiger wird.

Trotz diesen Kritikpunkten hat mich das Buch gut unterhalten !

Veröffentlicht am 06.09.2017

Das Verbrechen von Beauval!

Drei Tage und ein Leben
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Es ist kurz vor Weihnachten im Jahr 1999, als der 6 jährige Rémi verschwindet. Das ganze Dorf Beauval steht Kopf, die Gegend wird tagelang abgesucht . Mitten drin der 12 jährige Nachbarsjunge Antoine,der ...

Es ist kurz vor Weihnachten im Jahr 1999, als der 6 jährige Rémi verschwindet. Das ganze Dorf Beauval steht Kopf, die Gegend wird tagelang abgesucht . Mitten drin der 12 jährige Nachbarsjunge Antoine,der den verschwundenen Jungen zum letzten Mal lebend gesehen haben soll. Doch Antoine weiss mehr als er sagt,denn er ist nicht nur der Letzte ,der Rémi lebend gesehen hat, sondern auch sein Mörder.

Dieses Buch, das im Original "trois jours et une nuit" heisst wurde hervorragend übersetzt und überzeugt durch seine einfache Sprache. Der Schreibstil von Pierre Lemaire, der für sein letztes Buch mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, ist sachlich,zeitweise trocken und nüchtern. Wo andere Autoren zwei, drei Sätze formulieren, packt Lemaitre alles in einen Satz und trennt mit etlichen Kommas . Die rar eingesetzte direkte Rede unterstreicht das Sachliche des Stils noch zusätzlich. Und gerade das ist es, dass mich von Beginn weg gefangen genommen hat. Zwar bekommt die Figur Antoine dadurch auch etwas oberflächliches….doch ich vermute, dass dies genau das war,was der Autor damit erreichen wollte. Denn so kann man sich als Leser so richtig schön entrüsten ob der Abgebrühtheit des Täters. Meine Emotionen sind vor allem im zweiten Teil,der 2011 spielt und Antoine erwachsen ist, hochgekocht. Wie kann man mit dieser Schuld nur leben?Wie kann man den Eltern und der Schwester des verschwundenen Kindes in die Augen sehen ?Für mich unbegreiflich…

Das Verschwinden des kleinen Rémi, zeigt nicht nur die Gerüchteküche des kleinen Kaffs,die regelrecht brodelt. Es zeigt auch wie schnell Menschen, die nicht in eine Schema passen, vorschnell vorverurteilt werden. Und, wie schnell ein an und für sich einschneidendes Ereignis von einem nachfolgenden ,plötzlich interessanterem ,Gesprächsthema verdrängt wird. Da spiegelt die Geschichte voll und ganz die heutige Gesellschaft wieder.

Der Fokus liegt praktisch das ganze Buch über auf dem Täter und seiner Schuld. Ermittlungen oder wie die Familie des Opfers mit dem Verlust umgeht , bekommt man nur am Rande mit. Hier empfand ich einige Passagen, wie das Packen eines Rucksackes für die Flucht als langatmig und zu ausschweifend.

Mich hat dieses Buch berührt, beschäftigt und nachdenklich gemacht und ich kann eine klare Leseempfehlung aussprechen.